Insolvenzeröffnung und Verfahren bei der englischen Insolvenz

  • Bild Restschuldbefreiung

1. Insolvenzantrag und Insolvenzeröffnung

1.1. Das zuständige Gericht

In England sind in der Regel die sogenannten County Courts zuständig für das private Insolvenzverfahren. Diese sind vergleichbar mit deutschen Amtsgerichten. Das Gericht, in dessen Bezirk Sie als antragstellender Schuldner wohnhaft sind, entscheidet über die Insolvenzeröffnung und erteilt die damit verbundene „Bankruptcy Order“ (die Anordnung der Insolvenz) und die Restschuldbefreiung (Certificate of Discharge).

Termine zur Abgabe des Insolvenzantrags werden entweder fest vereinbart oder finden nach dem Prinzip „wer zuerst kommt, mahlt zuerst“ statt.

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1.2. Notwendige Formulare

Der Insolvenzantrag, der durch Sie persönlich bei Gericht eingereicht werden muss, besteht aus zwei Formularen. Einmal das Formblatt 6.27, „Debtor’s Bankruptcy Petition“ und zum anderen das Formblatt 6.28, „Statement of Affairs“.

Im Formblatt 6.27 geht es um Ihre privaten Daten, wie z.B. Name des Antragstellers, Wohnort, die Versicherung, dass Sie seit mehr als 6 Monaten Ihren Lebensmittelpunkt in England oder Wales haben und die Erklärung, dass es Ihnen nicht mehr möglich ist, Ihre Gläubiger zu bedienen.

Im Formblatt 6.28 werden die derzeitigen wirtschaftlichen Verhältnisse offen gelegt und die wirtschaftlichen Aktivitäten der Vergangenheit. Außerdem wird hier kompakt geschildert, wie es zur derzeitigen Lebenssituation kam.

1.3. Affidavit

Manchmal wird neben dem Antrag auch ein sogenanntes „Affidavit“ (schriftliche Erklärung) verlangt. Dies ist ein Schriftstück, das von Ihnen selbst erstellt wird und in dem Sie Ihre derzeitige Situation und wie es zu dieser kam, noch einmal schriftlich bestätigen. Dies gleicht einer Erklärung an Eides statt. Im Einzelfall werden Sie vor Gericht zusätzlich oder separat dazu vereidigt.

1.4. Termine bei Gericht

Die einzelnen Gerichte arbeiten zwar vergleichbar, aber die Abläufe können unterschiedlich sein.

In der Regel erhalten Sie nach dem ersten Termin (Einreichung des Insolvenzantrages) einen zweiten Termin, an dem dann ein Vorsprechen vor einem Richter angeordnet wird. Dieses Vorsprechen gleicht einem Interview/Dialog, wobei Sie Ihre Situation kurz mündlich darstellen und der Richter die eingereichten Unterlagen auf Vollständigkeit und auch Glaubhaftigkeit prüft.

Während der Zeit zwischen dem ersten und zweiten Termin werden die Gläubiger angeschrieben, um ihnen die Möglichkeit einzuräumen, sich zum Antrag zu äußern (evtl. Einspruch zu erheben) und an dem zweiten Gerichtstermin teilzunehmen.

Am Tag der Antragseinreichung gibt es verschiedene Ausgangsmöglichkeiten, da die Entscheidung über die Eröffnung des Verfahrens allein im Ermessen des Gerichts liegt:

  • Es wird über den Antrag noch am selben Tag entschieden. Dies bedeutet, dass der Antrag angenommen und das Insolvenzverfahren eröffnet wird.
  • Kommt es zu einer Entscheidung am ersten Gerichtstag, kann es ebenfalls zu einem Gespräch mit einem Richter kommen. Dies entscheidet der zuständige Richter.
  • Es wird zu einem späteren Zeitpunkt über den Insolvenzantrag entschieden und es kommt zu einem weiteren Termin vor Gericht.
  • Der Insolvenzantrag wird abgelehnt.

Es besteht die Möglichkeit, gegen eine ablehnende Entscheidung Rechtsmittel einzulegen.

1.5. Wirkung der Verfahrenseröffnung

Mit der Einsetzung des Official Receivers geht Ihr Vermögen, soweit es dem Insolvenzbeschlag unterliegt, automatisch auf diesen über.

Ausdrücklich ausgenommen sind nach s. 283(2) Insolvency Act 1986

  • Werkzeuge und sonstige Gegenstände, die Sie zur Ausübung Ihres Berufs benötigen;
  • Kleidung, Möbel und sonstige Haushaltsgegenstände für die häusliche Grundversorgung von Ihnen und Ihrer Familie;
  • Vermögensgegenstände, bezüglich derer Sie Treuhänder sind;
  • sowie bestimmte Rechte im Hinblick auf sozialen Wohnraum.

Sobald ein Eröffnungsantrag gestellt wurde und auch noch nach der Eröffnungsentscheidung gibt s. 285(1) Insolvency Act 1986 dem zuständigen Insolvenzgericht die Befugnis, alle, bereits anhängige Verfahren gegen Sie oder Ihr Vermögen zu stoppen.

Nach s. 235(2) Insolvency Act kann auch jedes Gericht, bei dem ein Rechtsstreit gegen Sie anhängig ist, diesen Rechtstreit unter den gleichen Voraussetzungen stoppen. Die Entscheidung darüber, ob das Verfahren gestoppt oder gegebenenfalls fortgesetzt werden soll, steht im Ermessen des jeweiligen Gerichts.

Die Vollstreckung eines Gläubigers in Ihr Vermögen ist unzulässig, wenn die Vollstreckung nicht vor Verfahrenseröffnung vollzogen ist.

2. Der Insolvenzverwalter im englischen Insolvenzverfahren

2.1. Allgemeine Aufgaben

Die Betreuung und Überwachung des Insolvenzverfahrens, also die Zeit zwischen der Eröffnung des Verfahrens und der Erteilung der Restschuldbefreiung, ist Hauptaufgabe des Official Receivers (Insolvenzverwalter).

An manchen Gerichten kommt es vor, dass der Official Receiver (kurz: OR) auch bei Antragseröffnung anwesend ist. Dies stellt jedoch eher die Ausnahme dar.

Der Termin mit dem zuständigen Mitarbeiters des Official Receivers findet in der Regel innerhalb eines Monats nach der Insolvenzeröffnung (Bankruptcy Order) statt. Dieses Gespräch wird protokolliert. Bei diesem Gespräch wird von Ihnen erwartet, dass Sie den Grund und den zeitlichen Ablauf, wie es denn zur Insolvenz gekommen ist, detailliert darstellen. Auch die Gründe, die den Umzug nach England veranlasst haben, sind Thema des Gesprächs.

Der Official Receiver wird den Insolvenzantrag mit Ihnen genauestens durchgehen und eventuelle Missverständnisse im Dialog klären. Auch mit Ihrer Finanzlage wird sich der OR intensiv beschäftigen und das im Antrag angegebene Einkommen mit den Haushaltsausgaben vergleichen sowie alle Angaben anhand der notwendigen Belege prüfen.

Da der Official Receiver während des gesamten Insolvenzverfahrens zuständig ist, bedeutet dies auch, dass er sich während der einjährigen Zeit immer wieder an Sie wenden und nach einer Aktualisierung der derzeitigen Lebenslage fragen kann. Dazu kann der OR z. B. Dokumente wie aktuelle Kontoauszüge, Lohnabrechnungen oder Nachweise zu Miet- und Mietnebenkosten von Ihnen anfordern. Ferner überprüft er regelmäßig, ob sich Ihr Lebensmittelpunkt weiterhin in England befindet.

Des Weiteren hat der Official Receiver die Aufgabe, die Gläubiger über die Eröffnung Ihres Insolvenzverfahrens zu benachrichtigen und die aktuellen Forderungsstände mit den Angaben im Antrag zu vergleichen. Eventuelles Vermögen (Haus, Wertpapiere, Lebensversicherungen etc.) wird vom OR „beschlagnahmt“ und verwertet.

Mindestens einmal nach Verfahrenseröffnung berichtet der Insolvenzverwalter den Gläubigern über das Insolvenzverfahren und Ihre Vermögenssituation (6.73, 6.75 Insolvency Rules 1986).

2.2. Income Payment Agreement

Im Rahmen seiner Tätigkeit muss der Official Receiver unter anderem feststellen, ob pfändbares Einkommen vorhanden ist. Inhaltlich bedeutet dies, dass der OR prüft, ob es zwischen Ihren Einnahmen und Ihren (rechtlich zugelassenen und von ihm anerkannten) Ausgaben zu einem Überschuss von mehr als 20 £ pro Monat kommt. In diesem Fall kann es zu einem Income Payment Agreement (Einkommens-Zahlungs-Abkommen) kommen. Sollte eine entsprechende Vereinbarung nicht zustande kommen, kann das Gericht eine Income Payment Order verhängen, die Ihnen monatliche Zahlungen in Höhe des ermittelten Überschusses auferlegt. Der ermittelte Überschussbetrag wird dann, regelmäßig für eine Laufzeit von 36 Monaten, an den Official Receiver weitergeleitet.

Angemessene Ausgaben sind z. B. Ausgaben für den eigenen Lebensunterhalt, für welche es situationsbedingte Höchstgrenzen gibt, so z.B. bei der Miete. Manchmal wirken sich hierbei die unterschiedlichen Auffassungen im deutschen und englischen Recht aus (so beispielweise beim Kindesunterhalt, der zum Teil nicht in voller Höhe anerkannt wird).

2.2.1. Nil-Tax-Code

Für den Fall, dass Sie in einem Arbeitsverhältnis als Arbeitnehmer stehen, kann der Official Receiver auf einen sogenannten Nil-Tax-Code hinwirken.

Dies bedeutet, dass Sie als Arbeitnehmer für das Steuerjahr, in dem die Insolvenz eröffnet wurde, keine Lohnsteuer zu entrichten haben, sondern nur die Beiträge für die Renten- und Krankenversicherung zahlen. Das dadurch erhöhte Nettoeinkommen wird dann beim Income Payment Agreement berücksichtigt und führt zu höheren Zahlungen an den Official Receiver.

2.2.2. Laufzeit des Income Payment Agreements

Die in der Regel angesetzten 36 Monate des Income Payment Agreements erstrecken sich auch über den Zeitraum der Restschuldbefreiung hinaus. Hinzu kommt, dass der Stichtag des Income Payment Agreements nicht der Tag der Zulassung zum Insolvenzverfahren, sondern der Tag der Unterzeichnung des Income Payment Agreements ist.

Somit kann auch Monate nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein Income Payment Agreement geschlossen werden, allerdings nur vor Erteilung der Restschuldbefreiung. Dies hat dann keine Auswirkungen auf die eigentliche 12-monatige Phase bis zur Restschuldbefreiung.

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