Fragen Privatinsolvenz – Gerecht oder ungerecht?

Sehr geehrtes Kraus und Ghendler Team,

ich bin Schülerin in der 12. Klasse eines Wirtschaftsgymnasiums und schreibe zurzeit an meiner Arbeit über das Thema Privatinsolvenz. Während meinen Recherchen bin ich auf Ihre Homepgae gestoßen, die mir sehr weitergeholfen hat.
Mein Leitfrage zum Thema Privatinsolvenz lautet: Privatinsolvenz – Gerecht oder Ungerecht?
Dazu hätte ich noch einige Fragen.

1. Hat die Privatinsolvenzreform 2014 Erleichterung für die Verschuldeten gebracht?
2. Haben viele Ihrer Mandanten eine Verkürzung der Wohlverhaltensphase auf 3 oder 5 Jahre erreicht?
3. Ist das Verfahren gerecht für die Gläubiger?
4. Ist das Verfahren gerecht für die Verschuldeten?
5. Wie oft kommt eine Versagung der Restschuldbefreiung vor?

Ich würd mich sehr freuen, wenn Sie kurz Zeit hätten mir die Fragen zu beantworten!
Mit freundlichen Grüßen
R M

1 Antwort
  1. Andre Kraus
    says:

    Hallo,

    Ihre Fragen lassen sich wie folgt beantworten:

    1. Hat die Privatinsolvenzreform 2014 Erleichterung für die Verschuldeten gebracht?

    Die Reform des Insolvenzrechts zum 01.07.2014 bringt für die Schuldner, also die Verschuldeten, einige Erleichterungen oder auch Vorteile mit sich.
    Zum einen ist die Verkürzung des eigentlichen Insolvenzverfahrens auf 3 oder 5 Jahre für viele Schuldner attraktiver, da aus der Sichtweise der Schuldner in soweit eine „Erleichterung“ vorliegt, dass die Restschuldbefreiung bereits nach 3 Jahren erfolgt. Um das Verfahren auf 3 Jahre zu verkürzen, muss der Schuldner 35% der Schuldensumme sowie die Verfahrenskosten tragen. Hierbei kann der Schuldner von einer Rückzahlungssumme von ca. 55-70% des eigentlichen Schuldenberges ausgehen. Für viele Schuldner ist dies nicht möglich und auch keine wirkliche „Erleichterung“ in eigentlichen Sinne. Den großen Vorteil der Reform für unsere Mandanten sehen wir deshalb in der Verkürzung des Verfahrens auf 5 Jahre. Die Verkürzung auf 5 Jahre ist möglich, wenn die gesamten Verfahrenskosten gezahlt wurden. Die Verfahrenskosten umfassen zum einen die Kosten des Insolvenzverwalters und zum anderen die Gerichtskosten. Die Gerichtskosten belaufen sich in aller Regel auf ca. 2000-3000€ (bei geringer zu verwertender Insolvenzmasse). Wenn der Schuldner diesen Gesamtbetrag innerhalb der 5 Jahre zurückzahlen kann, dann erfährt er in soweit eine Erleichterung, als dass das Verfahren um 1 Jahr verkürzt wird. Die Praxis zeigt, dass die Verkürzung um 1 Jahr bereits durch monatliche Zahlungen von 35-50€ erreicht werden können.
    Einen weiteren Vorteil der Reform birgt das sogenannte Insolvenzplanverfahren. Während es vor der Reform allein Unternehmen vorbehalten war, können nun auch Privatpersonen diesen individuell zugeschnittenen Weg zur Entschuldung nutzen. Das Verfahren baut auf einem Plan auf, in dem festgehalten wird, wann welche Summen an die Gläubiger gezahlt werden können. Als enormen Trumpf bietet der Insolvenzplan so die Chance, innerhalb weniger Monate schuldenfrei zu werden.
    Eine weitere Erleichterung erhalten die Schuldner durch die um 3 Monate ausgeweitete Rückschlagssperre. Dies bedeutet, dass Gläubigervollstreckungen die in der Vorbereitungszeit der Insolvenz gegen den Schuldner ausgeführt werden, rückgängig gemacht werden können. Somit hat der Schuldner einen dreimonatigen Schutz vor Vollstreckungen. Unsere Erfahrungen zeigen, dass die Schuldner gerade in der Vorbereitungszeit eine erhebliche Erleichterung verspüren, da die Gläubiger, die ebenfalls in aller Regel juristisch beraten sind, von solchen Vollstreckungen absehen.
    Einen weiteren Vorteil stellt die Erhöhung des Mieterschutzes dar. In den Zeiten vor der Reform mussten Mieter, deren Mietverhältnis durch den Besitz von Genossenschaftsanteilen bedingt ist, im Falle einer Insolvenz den Verlust ihrer Wohnung befürchten. Der im Verfahren eingesetzte Insolvenzverwalter hatte das Recht, das Mietverhältnis zu kündigen. Der Mieterschutz wurde im Rahmen der Reform nun erhöht, sodass die Schuldner keinerlei derartige Befürchtungen mehr haben müssen. Wenn die Beteiligung den Rahmen von vier Nettokaltmieten oder 2000 Euro nicht überschreitet, können die Schuldner sicher in Ihrer Wohnung bleiben.

    2. Haben viele Ihrer Mandanten eine Verkürzung des Verfahrens auf 3 oder 5 Jahre erreicht?

    Die Verkürzung auf 3 Jahre kommt in der Praxis relativ selten vor, da viele unserer Mandanten die damit einhergehenden Kosten nicht tragen können. Die notwendigen Voraussetzungen für eine Verkürzung auf 5 Jahre bringen viele unserer Mandaten mit. Demnach kommt eine Verkürzung auf 5 Jahre häufiger vor.

    3. Ist das Verfahren gerecht für die Gläubiger?

    Die Reform des Insolvenzrechts stärkt in vielen Bereichen ebenfalls die Rechte der Gläubiger, was sich auf die Situation der Schuldner nachteilig auswirken kann. Zum einen hat diese Reform den Gläubigern den Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung erheblich vereinfacht. Ein weiterer Vorteil der Gläubiger besteht darin, dass einige Schulden nicht mehr Teil der Restschuldbefreiung sind. So wird zum Beispiel vorsätzlich nicht gezahlter Unterhalt nicht von der Restschuldbefreiung erfasst. Weitere solche Forderungen sind z. B. Steuerschulden, die aus einer rechtskräftig verurteilten Steuerstraftat resultieren.
    Im Hinblick auf die Rückzahlung der entstanden Schulden ist das Verfahren an sich mit Sicherheit nicht unbedingt gerecht gegenüber den Gläubigern, allerdings hat der Gesetzgeber den Gläubigern bewusst Rechte eingeräumt um die Position des Gläubigers ebenfalls zu stärken.

    4. Ist das Verfahren gerecht für die Verschuldeten?

    Das Privatinsolvenzverfahren ist für viele Gläubiger ein schwieriger Schritt, der oftmals (im vorhinein) negativ belastet ist. Allerdings zeigen wir unseren Mandanten immer auf, dass das Insolvenzverfahren an sich nicht das Problem darstellt, sondern vielmehr die Schulden das eigentliche Problem sind. Oftmals ist die Insolvenz der letzte Ausweg aus einer Schuldensituation und hilft somit den Gläubigern nach Erteilung der Restschuldbefreiung einen Neubeginn ohne Schulden zu starten. Ich denke, dass das Insolvenzverfahren im Hinblick auf die Restschuldbefreiung und den Pfändungsschutz für die Schuldner gerecht ist, da es den Verschuldeten die Chance gibt einen Fehler „auszubügeln“ und einen schuldenfreien Neubeginn als Option aufzeigt.

    5. Wie oft kommt eine Versagung der Restschuldbefreiung vor?

    Meiner Erfahrung nach kommt eine Versagung nur in selten auftretenden Fällen vor. Wir bieten unseren Mandanten eine intensive Beratung an, mit welcher wir durch vorbeugende Maßnahmen Fehler vermeiden können und einer damit einhergehenden Versagung der Restschuldbefreiung entgegenwirken.

    Mit freundlichen Grüßen

    Andre Kraus
    Rechtsanwalt

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