So wird die Nachzahlung angerechnet
Zunächst einmal ist es gänzlich unproblematisch, wenn Einkommen des Vormonats erst im Folgemonat ausbezahlt wird. Denn im Pfändungsrecht gilt:
Die Pfändbarkeit des monatlichen Einkommens bestimmt sich danach, für welchen Zeitraum die Zahlung erfolgt.
Grundsatz des Entstehungsprinzips
Nachzahlungen werden also letztlich einem bestimmten Nachzahlungsmonat zugeordnet. Bereits bestehende Pfändungen müssen also gegebenenfalls noch nachträglich bestimmt bzw. korrigiert werden. Es besteht so gesehen also eine schuldnerfreundliche Regelung.
Dabei macht es auch keinen Unterschied, ob der gezahlte Betrag für die letzten zwei Monate oder die letzten zwei Jahre ausgezahlt wird. Er gilt jedenfalls nachträglich als in dem jeweils betroffenen Monat gezahlt und kann auch nur in Höhe des dahingehend pfändbaren (überschießenden) Betrags gepfändet werden.
Dazu ein Beispiel:
Der monatlich bei einem Schuldner pfändbare Betrag bemisst sich grundsätzlich nach der Pfändungstabelle.
Der alleinerziehende unverheiratete Arbeitnehmer A erhält regelmäßig ein Einkommen von 1800,- € netto. Da eines seiner Kinder noch unterhaltspflichtig ist, lässt sich ein unpfändbares Einkommen von 1711,08 € errechnen, während 88,92 € monatlich gepfändet werden können.
Dann ergibt sich im November des laufenden Jahres für ihn plötzlich schöne Überraschung. Sein Arbeitgeber überweist ihm eine Nachzahlung in Höhe von 2000,- €. Diese ergebe sich, da ihm für die Monate Januar bis Oktober monatlich 200,- € zu wenig überwiesen worden war.
Nun befürchtet der Arbeitnehmer A, dass er ja diesen Monat praktisch gesehen Einkünfte von 3800,- € hatte, da dies ja dem Betrag entspricht, der ihm im November tatsächlich überwiesen wurde.
Das deutsche Recht ist jedoch in diesem Fall auf seiner Seite. Die Monatsbeträge müssen nämlich jeweils an den unterbezahlten Monat geknüpft werden:
So geht es also nicht:
Pfändung im November hinsichtlich 3800,- € entspräche einem pfändbaren Betrag von 2619,16 €. So sähe es also aus, würde die Nachzahlung als eine Zahlung gesehen werden.
So geht es:
Rückwirkend wird jeden Monat der Betrag von 200,- € bei der Berechnung des pfändbaren Betrags auf sein Einkommen addiert. Statt der üblichen 88,92 € hätten stets 188,92 € gepfändet werden müssen. Im Nachhinein wird also nur die sich daraus ergebende Differenz fällig. Im vorliegenden Fall also 1000,- €, da in den zehn Monaten jeweils 100,- € zu wenig gepfändet wurde.
Ein weiteres Beispiel:
In diesem Fall hat der Arbeitnehmer B drei Unterhaltspflichten bei einem Einkommen von 1600,- € und er bekommt ebenfalls eine Nachzahlung von 2000,- € für die letzten 10 Monate.
Rechnet man auf jeden Monat einen Betrag von 200,- € an (2000,- € auf 10 Monate), so ist bei der Pfändung ein monatliches Einkommen von 1800,- € zu veranschlagen. Aufgrund der drei Unterhaltspflichten ist in diesem Fall (immer noch) nichts pfändbar.
Das bedeutet der B kann die Nachzahlung in voller Höhe behalten.
Guten Abend.
Mein insolvenzverfahren wurde im März 21 eröffnet. Jetzt im Juni 21, sprich 3 Monate nach Eröffnung habe ich eine rückwirkende Gehaltsnachzahlung ab 08.2017 bis dato, in einer höheren Summe erhalten. Die ist zustande gekommen durch eine beantragte höher Gruppierung, welche eben jetzt erst bearbeitet wurde seitens des Arbeitgebers.
Jetzt teilte mir mein Insolvenzverwalter mit, ich müsse alles bis auf das Grundgehalt für Juni abgeben, da es wie eine Erbschaft oder ein Sparvertrag zu sehen ist.
Ist dies so Rechtens? Zumal ich von dem Grundgehalt das es schon weit unter der Pfändungsgrenze liegt, ja noch zusätzlich Steuern bezahlt habe und somit dann noch weniger vom wenigen zum Überleben hätte.
Vielen Dank Mfg
Sehr geehrte Frau P.,
grundsätzlich gilt das Entstehungsprinzip. Danach ist das Gehalt für jeden Monat grundsätzlich isoliert zu betrachten. Da es sich jedoch um einen so langen Zeitraum handelt, auf den sich die Gehaltsnachzahlung bezieht, stellt sich dies quasi als Vermögensaufbau durch Ansparen dar. Im Insolvenzverfahren gelten Sonderregeln. Da gemäß § 35 InsO das gesamte Vermögen zur Zeit des Insolvenzverfahrens Teil der Insolvenzmasse wird, ist die Argumentation des Insolvenzverwalters nicht falsch. Anders wäre der Fall wohl außerhalb eines Insolvenzverfahrens in der Einzelvollstreckung zu beurteilen.
Mit freundlichen Grüßen
A. Kraus
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Insolvenzrecht
Wie ist die rechtliche Situation bzgl. des pfändbaren Einkommens, wenn es während der Wohlverhaltensphase innerhalb der privaten Verbraucherinsolvenz aufgrund eines arbeitsgerichtlichen Urteils zu Gehaltsnachzahlungen kommt und auf dem P-Konto keine Pfändung liegt? Bis zur Zahlung der Gehälter müssen die Monate mit ALG 1 und 2 überbrückt werden, wovon das ALG 1 von den Gehaltsnachzahlungen vollständig an die Agentur für Arbeit zurückgezahlt werden muss. Eine Rückzahlung des ALG 2 an das Jobcenter wird nicht passieren, weshalb die Frage ist, wie die Zurückrechnung der Gehaltsnachzahlungen im Rahmen der Insolvenz aussieht? Wird das ALG 2 berücksichtigt, wenn die Gehälter auf die Monate verteilt werden, für die diese eigentlich hätten gezahlt werden müssen? Werden also Gehalt und ALG 2 addiert und das pfändbare Einkommen dann gemäß der Pfändungstabelle abgezogen oder spielt das ALG 2 bei der Zurückrechnung der Gehälter überhaupt keine Rolle? Besten Dank für die Beantwortung.
Sehr geehrter Fragesteller,
bei Ihrer Frage handelt sich um eine noch nicht höchstrichterlich entschiedene Rechtsfrage. Ihre Beantwortung ist umstritten: Auch wenn ALG II grundsätzlich unübertragbar und damit unpfändbar ist, sollten Sie damit rechnen, dass das rückwirkend ausgezahlte Einkommen und die ALG II Sozialleistungen zusammengerechnet werden. Diese Antwort lässt sich aus den Wertungen der Entscheidung (BGH, Beschluss vom 15.01.2020 – VII ZB 5/19) ableiten.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. V. Ghendler
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Insolvenzrecht