Gesellschafterdarlehen in der Insolvenz

Nachrangige Behandlung von Gesellschafterdarlehen

Im Insolvenzverfahren gilt es, die Interessen mehrerer Akteure zu berücksichtigen. Allen voran stehen natürlich die Interessen der Gläubiger. Die Insolvenzordnung hat als Verfahrensgrundsatz den Gleichbehandlungsgrundsatz festgeschrieben. Diese Gleichbehandlung wird jedoch häufig fehlinterpretiert. Sie umfasst zwar durchaus das Verbot einer Bevorzugung oder Benachteiligung gleichrangiger Gläubiger untereinander. Sie schließt jedoch nicht aus, dass einige Gläubiger Vorrang vor anderen genießen. So wird die Insolvenzmasse zunächst zur Begleichung von Gerichtskosten, sowie der nach Verfahrenseröffnung entstandenen Forderungen verwendet. Die Insolvenzforderungen im eigentlichen Sinne – die bereits vor der Verfahrenseröffnung entstanden sind – werden erst im Anschluss berücksichtigt. Unter diesen greift dann der erwähnte Gleichbehandlungsgrundsatz. Die Gläubiger werden alle gleichermaßen mittels einer errechneten Tilgungsquote an der Insolvenzmasse beteiligt.

Andre Kraus ist Fachanwalt für Insolvenzrecht und Gründer der KRAUS GHENDLER RUVINSKIJ Anwaltskanzlei. Seit 2012 ist er auf die Entschuldung und Beratung von Personen mit finanziellen Schwierigkeiten spezialisiert.

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Rangordnung gesetzlich festgelegt

Die Rangordnung einzelner Forderungen bestimmt sich zunächst nach den einschlägigen gesetzlichen Normen der Insolvenzordnung. Je weiter unten die Forderung angesiedelt ist, desto geringer die Wahrscheinlichkeit, dass diese noch getilgt wird. Dies passiert allenfalls dann, wenn nach Tilgung aller Insolvenzforderungen noch etwas von der Insolvenzmasse übrig ist. Hierdurch kann eine höchstmögliche Befriedigungsquote der übrigen Gläubiger sichergestellt werden. Selbst unter den nachrangigen Forderungen regelt die Insolvenzordnung in § 39 Abs. 1 InsO noch einmal die Tilgungsreihenfolge:

  1. die seit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens laufenden Zinsen und Säumniszuschläge auf Forderungen der Insolvenzgläubiger;
  2. die Kosten, die den einzelnen Insolvenzgläubigern durch die Teilnahme am Verfahren erwachsen;
  3. Geldstrafen, Geldbußen, Ordnungsgelder und Zwangsgelder sowie solche Nebenfolgen einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit, die zu einer Geldzahlung verpflichten;
  4. Forderungen auf eine unentgeltliche Leistung des Schuldners;
  5. Forderungen auf Rückgewähr eines Gesellschafterdarlehens oder Forderungen aus Rechtshandlungen, die einem solchen Darlehen wirtschaftlich entsprechen.

§ 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO regelt also, dass Rückgewähransprüche eines Gesellschafterdarlehens im Rang an letzter Stelle stehen. In der Praxis bedeutet dies, dass ein Gesellschafterdarlehen im Insolvenzverfahren praktisch nie zurückgewährt wird. Neben Gelddarlehen sind auch Sachdarlehen und die Stundung von Forderungen erfasst.
Nicht erfasst sind hingegen Darlehen an Gesellschaften, in denen ein Gesellschafter persönlich haftet. Darlehensgeber, die eine Beteiligung von unter zehn Prozent an der Gesellschaft haben und nicht Geschäftsführer sind, sind ebenfalls von der Regelung ausgenommen. Gleiches gilt für Darlehen von Neugesellschaftern, wenn sie die Anteile zum Zweck der Sanierung des Unternehmens erwerben.

Mittelbare Darlehen auch erfasst

Bild von Händeschütteln

Die Rangordnung einzelner Forderungen bestimmt sich zunächst nach den einschlägigen gesetzlichen Normen der Insolvenzordnung.

Der BGH hat in einem Urteil vom 15.11.2018 (Az. IX ZR 39/18) klargestellt, dass die Darlehensforderung eines Unternehmens einem Gesellschafterdarlehen auch dann gleichzustellen ist, wenn ein an der darlehensgewährenden Gesellschaft maßgeblich beteiligter Gesellschafter an der darlehensnehmenden Gesellschaft lediglich mittelbar beteiligt ist. Eine maßgebliche Beteiligung liegt vor, wenn der Gesellschafter Einfluss auf Entscheidungen der darlehensgebenden Gesellschaft in Bezug auf die Gewährung oder den Abzug der Leistung an das andere Unternehmen ausüben könne. Der entscheidende Zeitpunkt für die Beurteilung der Einflussnahme ist der Zeitraum ab Beginn der Anfechtungsfrist von einem Jahr vor dem Eröffnungsantrag bis zum Zeitpunkt der angefochtenen Handlung. Laut BGH können auch nicht an der Gesellschaft beteiligte Dritte von der genannten Vorschrift erfasst sein, wenn eine maßgebliche Einflussnahme vorliegt. Diese sind zwar nicht ausdrücklich von der Norm erfasst, eine Ausweitung des Anwendungsbereiches entspräche allerdings dem Willen des Gesetzgebers Umgehungsversuche der Norm zu verhindern. Gleiches gilt deshalb auch für Darlehen von Mutterkonzern an Tochterkonzern und andersherum. Der darlehensgewährende Gesellschafter dürfe sich nicht dadurch der Regelung entziehen, dass er mehrere Gesellschaften zwischenschalte. Deshalb sei eine wirtschaftliche Betrachtungsweise geboten.

Insolvenzanfechtung zurückgezahlter Darlehen möglich

Neben der Tatsache, dass Gesellschafter, die zugleich Gläubiger der insolventen Gesellschaft sind, meist leer ausgehen, hat der Nachrang noch eine weitere Folge. Denn auch bereits rückgewährte Darlehenssummen aus Gesellschafterdarlehen sind gem. § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO anfechtbar, wenn die Zahlung in dem Jahr vor der Insolvenzeröffnung geleistet worden ist. Auch besicherte Forderungen unterliegen gem. § 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO der Insolvenzanfechtung, wenn die Besicherung innerhalb der letzten zehn Jahre vor der Insolvenzantragstellung erfolgt ist. Die Gesellschafter können sich der Sonderstellung also auch durch eine Besicherung nicht entziehen. Aus Sicht des darlehensgewährenden Gesellschafters verhält sich das Gesellschafterdarlehen somit wie haftendes Eigenkapital.

Zinszahlungen sind nicht anfechtbar

Zinszahlungen sind hingegen von der Anfechtung ausgeschlossen. Dies hat der BGH in einem Urteil vom 27.06.2019 (Az. IX ZR 167/18) klargestellt: Vertragliche Ansprüche eines Gesellschafters auf marktübliche Zinsen für das von ihm gewährte Gesellschafterdarlehen stellen keine Forderung iSd. § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO dar, sofern sie nicht erst zu außerhalb jeder verkehrsüblichen Handhabung liegenden Zinsterminen gezahlt würden. Diese Zinszahlungen stellten in erster Linie ein Entgelt für die Kapitalnutzung und keine Darlehensgewährung dar.

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Rangrücktrittsvereinbarungen zur Unternehmensrettung

Gesellschafterdarlehen können zudem mit einer qualifizierten Rangrücktrittsvereinbarung kombiniert werden, um der Gefahr einer insolvenzrechtlichen Überschuldung zu entgehen. Hierdurch würde das Darlehen im Überschuldungsstatus nicht mitberücksichtigt. Eine rechnerische Überschuldung könnte dadurch ausgeschlossen werden.
Dazu ist die Rangrücktrittsvereinbarung nach einem Urteil des BGH (Az. IX ZR 133/14) für den Zeitraum in dem die Gefahr des Eintritts eines Insolvenzgrundes besteht mit einem Zahlungsverbot zu versehen. Sie darf zudem nicht nachträglich im Stadium der Insolvenzreife durch eine Abrede zwischen Unternehmen und darlehensgewährendem Gesellschafter aufgehoben werden. Dies würde eine Benachteiligung der übrigen Gläubiger mit sich bringen.
Für den darlehensgewährenden Gesellschafter brächte eine solche Rangrücktrittsvereinbarung nur eine geringe Schlechterstellung mit sich, da das Gesellschafterdarlehen gem. § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO ja ohnehin nachrangig ist.

Auswirkungen eines Unternehmensverkaufs

Hintergrund für die nachrangige Stellung von Gesellschafterdarlehen ist die Tatsache, dass die Gesellschafter vor Eintritt einer Überschuldung Einfluss auf die Gesellschaft nehmen können. Im Falle eines Unternehmensverkaufs endet dieser Einfluss. Die Nachrangigkeit erlischt dennoch nicht automatisch. Die Gesellschafter können nach Übertragung der Unternehmensanteile noch 1 Jahr für geleistete Rückzahlungen in Anspruch genommen werden, wenn innerhalb dieses Jahres ein Insolvenzantrag gestellt wird. Insgesamt tragen sie das Risiko also mitsamt der Inanspruchnahmemöglichkeit vor dem Verkauf des Unternehmens für insgesamt max. zwei Jahre. Dieser Inanspruchnahme kann ein Gesellschafter allenfalls dadurch vorbeugen, dass er sich von dem Käufer eine Freistellung einräumen lässt. Eine solche wäre jedoch nur dann wirksam, wenn der Investor selbst ausreichend solvent ist.

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