Rückschlagsperre

Rückschlagsperre lässt Zwangsvollstreckungsmaßnahmen kurz vor Insolvenz unwirksam werden

Vielen Schuldnern ist bekannt, dass ihr Vermögen im Insolvenzverfahren unter den Gläubigern verteilt wird und Einzelvollstreckungsmaßnahmen ab diesem Zeitpunkt verboten sind. Dass aber auch scheinbar rechtmäßig erfolgte Pfändungen oder Sicherungsmaßnahmen vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nachträglich unwirksam werden können, dürfte noch zu Erstaunen führen.
Eine solche nachträgliche Unwirksamkeit regelt unter anderem die sogenannte Rückschlagsperre in § 88 InsO. Danach werden Sicherungsmaßnahmen an dem Vermögen des Schuldners mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens unwirksam, wenn sie innerhalb eines Monats vor der Antragstellung erfolgt sind. Für Verbraucherinsolvenzverfahren wird diese Regelung in § 88 Abs. 2 InsO sogar auf einen Zeitraum von drei Monaten erweitert.

Andre Kraus ist Fachanwalt für Insolvenzrecht und Gründer der KRAUS GHENDLER RUVINSKIJ Anwaltskanzlei. Seit 2012 ist er auf die Entschuldung und Beratung von Personen mit finanziellen Schwierigkeiten spezialisiert.

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Zweck der Rückschlagsperre

Die Rückschlagsperre folgt aus dem insolvenzrechtlichen Grundsatz, dass alle Gläubiger gleich behandelt werden müssen. Das pfändbare Vermögen des Schuldners im Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung und während des laufenden Insolvenzverfahrens soll gleichmäßig unter allen Insolvenzgläubigern aufgeteilt werden.
Es soll verhindert werden, dass die Insolvenzmasse schon vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch ungeduldige Gläubiger aufgezehrt wird und andere Gläubiger dann komplett leer ausgehen.

Die Insolvenzordnung sieht an mehreren Stellen Behelfe vor, die dazu dienen, die Gleichbehandlung der Gläubiger sicherzustellen. Hierzu zählt z.B. auch die Insolvenzanfechtung gem. §§ 129 ff. InsO, welche Vermögensverschiebungen vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens unter bestimmten Voraussetzungen ebenfalls unwirksam werden lässt. Damit eine solche Vermögensverschiebung allerdings angefochten werden kann, muss dem Gläubiger eine Kenntnis von der finanziellen Situation des Schuldners nachgewiesen werden.
Dies gestaltet sich in der Praxis nicht immer einfach.

Die Rückschlagsperre gem. § 88 InsO erfasst demgegenüber auch die Fälle, in denen dem Gläubiger die Gesamtsituation des Schuldners gar nicht bekannt war.
Für den zuständigen Insolvenzverwalter ist der Anspruch auf Rückübertragung der Sicherheit somit einfacher durchsetzbar, als die Rückübereignung verschobener Vermögenswerte nach erfolgter Insolvenzanfechtung.

Wirkung der Rückschlagsperre

Die Rückschlagsperre wirkt bei Verbraucherinsolvenzverfahren auf einen Zeitraum von drei Monaten vor der Antragstellung zurück. Diese Verlängerung soll sicherstellen, dass der obligatorische außergerichtliche Einigungsversuch nicht an Vollstreckungsmaßnahmen einzelner Gläubiger scheitert.
Ob es sich bei dem Antrag um einen Gläubiger- oder um einen Eigenantrag des Schuldners selbst handelt, oder ob dieser überhaupt bei dem zuständigen Gericht gestellt wurde, spielt dabei keine Rolle.

Bei der Fristberechnung ist zudem § 139 InsO zu berücksichtigen. Hier ist geregelt, dass der Fristbeginn auf den Tag fällt, der zahlenmäßig dem Tag der Antragstellung entspricht. Sofern Sie also Ihren Insolvenzantrag am 01. Januar gestellt haben, werden Sicherungsmaßnahmen ab dem 01. Oktober des Vorjahres rückwirkend unwirksam. Diese Unwirksamkeit entsteht jedoch erst im Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung. Vorher ist also die Rückabwicklung einer erfolgten Sicherungsmaßnahme -z.B. die Löschung eines erfolgten Grundbucheintrages- nicht möglich.

Der Insolvenzverwalter ist ab dem Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung für die Rückabwicklung unwirksamer Rechtsgeschäfte zuständig. Er wird sich dann also mit dem zuständigen Grundbuchamt und dem jeweiligen Gläubiger auseinandersetzen und diese über die Unwirksamkeit der Eintragung informieren. Die Unwirksamkeit ist jedoch nur eine schwebende im Sinne von § 185 Abs. 2 S.1 Alt.2 BGB. Der Insolvenzverwalter kann im Einzelfall die Freigabe eines zur Insolvenzmasse gehörenden Vermögensgegenstandes erklären. In diesem Fall wird die Sicherung an dem Gegenstand dann wieder wirksam, sofern die Sicherheit (bspw. die Eintragung im Grundbuch) noch immer besteht.

Achtung: Die Befriedigung durch die Zwangsvollstreckung ist nicht erfasst!

Beachten Sie, dass die Rückschlagsperre die Befriedigung durch Zwangsvollstreckung nicht erfasst. Hierfür sind vorrangig die Regelungen der Insolvenzanfechtung gedacht. Gleiches gilt gem. § 110 Abs. 2 S. 2 InsO für die Vollstreckung in Miet- und Pachtforderungen.

Hintergrund dessen ist die Überlegung, dass redlichen Gläubigern nicht alle Zwangsvollstreckungsmaßnahmen unmöglich gemacht werden sollen.
Grundsätzlich bleibt es dabei, dass ein Gläubiger das Recht hat, seine Forderung im Wege der Zwangsvollstreckung einzutreiben, wenn er bei Vertragsschluss davon ausgehen durfte, dass sein Schuldner den vertraglich geschuldeten Betrag auch tatsächlich erbringen kann und er nichts davon wusste, dass der Schuldner noch weitere Gläubiger hat.

Lediglich in einem begrenzten Zeitraum unmittelbar vor der Antragstellung des Insolvenzverfahrens werden die Individualinteressen des einzelnen Gläubigers hinter die Gemeinschaftsinteressen der übrigen Gläubiger gestellt. Es erscheint schließlich ungerecht, wenn sich ein Gläubiger unmittelbar nach seiner Kenntnisnahme von der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners noch schnell das letzte Vermögen des Schuldners sichert und die übrigen womöglich unwissenden Gläubiger deshalb komplett leer ausgehen.

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7 Kommentare
  1. Ns
    says:

    Hallo,

    wir haben einen Vollstreckungsbescheid erhalten mit Einladung zur Abgabe einer Vermögensauskunft. Da wir definitiv zahlungsunfähig sind und es sich und mehrere Gläubiger mit einer Überschuldung von eine halben Million handelt, werden wir jetzt Insolvenz anmelden. Was machen wir mit den Vollstreckungsbescheid? Sollen wir den GV darüber informieren, dass wir nun ein Insolvenz verfahren einleiten? Greift hier dann die Rückschlagsperre? Oder müssen wir die vermögensauskunft trotzdem noch abgeben?

    • Dr. V. Ghendler
      says:

      Sehr geehrter Fragesteller,

      danke für Ihre Frage.
      Grundsätzlich kann der Gerichtsvollzieher bis zum Eröffnungsbeschluss des Insolvenzverfahrens noch die Abgabe der Vermögensauskunft verlangen. Möglicherweise wird er darauf verzichten, wenn glaubhaft ist, dass die Insolvenzeröffnung kurz bevor steht.
      Die Rückschlagsperre ist ein rückwirkende Vorschrift, die aber erst mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens in Kraft tritt. Die Vermögensauskunft wird dadurch auch nicht nachträglich unwirksam. Falsche Angaben in der Vermögensauskunft sollten also auch kurz vor Insolvenzeröffnung vermieden werden.

      Mit freundlichen Grüßen

      Dr. V. Ghendler
      Rechtsanwalt, Fachanwalt für Insolvenzrecht

  2. Georg
    says:

    Sehr geehrte Damen und Herren,

    Ich bekam heute die Kreditkündigung der Consors Finanz (sind auch als Insolvenzgläubiger aufgeführt) mit dem Satz ” Unsere Inkassoabteilung wird nun mit der Sicherheitenverwertung beginnen.
    In ca 1 Woche reiche ich ja bzw meine Schuldnerberaterin den Antrag auf Privatinsolvenz ein nach gescheiteter Vergleichsverhandlung.

    Frage: darf die Consorsfinanz jetzt einfach ohne Gericht und mit dem Wissen, daß ich in ca 1 Woche den Antrag auf Privatinsolvenz stelle vorbei kommen und zb mein Auto pfänden ohne Gerichtsvollzieher. Autobrief ist bei mir, wurde nicht als Sicherheit hinterlegt.

    Außerdem greift da doch auch die Rückschlagsperre oder?

    Würde mich über eine Antwort freuen.

    Mit freundlichen Grüßen

    Georg

    • Andre Kraus
      says:

      Sehr geehrter Herr H.,

      da Sie sich bereits in einem Beratungsverhältnis befinden, können wir Ihnen keine Auskunft erteilen. Haben Sie bitte hierfür Verständnis. Sicherlich steht Ihnen Ihre Schuldnerberaterin zur Seite.

      Mit freundlichen Grüßen

      A. Kraus
      Rechtsanwalt, Fachanwalt für Insolvenzrecht

  3. Georg
    says:

    Sehr geehrter Herr Ghendler,

    vielen Dank für Ihre Antwort.
    Wundert mich, daß meine Schuldnerberaterin mit anwaltlicher Vertretung die Gläubiger bei den 2 Vergleichsvorschlag auf die Rückschlagssperre nicht hingewiesen hat.
    Vielleicht dachte Sie, die wissen das sowieso.
    Aber meine Gläubiger wissen ja nach dem letzten Vergleichsvorschlag, daß wir in die Privatinsolvenz gehen und hoffe, daß jetzt auch wirklich keine Zwangsmaßnahmen noch kommen (habe auch bei mehreren Gläubigern (Banken) Gehaltsabtretung), aber auch da kam noch nichts trotz Andeutung vor ca 2 Monaten.
    Ansonsten muß ich aber fäherweise meine Schuldnerberaterin loben, bin bis jetzt sehr zufrieden, nur mit der Rückschlagsperre wundert mich, da habe ich das Gefühl, Sie weis das gar nicht, weil Sie sich auch wundert, daß nach ca 5 Monaten immer noch keine Gehaltsabtretung offen gelegt wurde trotz
    Androhung dies nach 4 Wochen zu tun (das Schreiben war Anfang Februar).

    Mit freundlichen Grüßen

    Georg

  4. Georg
    says:

    Sehr geehrte Damen und Herren,
    meine Anwaltskanzlei wird in ca 3 Wochen (Außergerichtlicher Vergleich ist gescheitert) für mich Privatinsolvenz stellen.
    wissen die Gläubiger (bei mir nur Banken) das mit der Rückschlagssperre und auch die Inkassos?
    Würde mich über eine Antwort freuen

    • Dr. V. Ghendler
      says:

      Sehr geehrter Fragesteller,

      ja, das wissen die Beteiligten sehr genau.
      Daher informieren wir für unsere Mandanten die Gläubiger über die bevorstehende Insolvenz, so dass diese in der Regel die Vollstreckungsbemühungen einstellen.

      Mit freundlichen Grüßen

      Dr. V. Ghendler
      Rechtsanwalt, Fachanwalt für Insolvenzrecht

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