Was gilt bei Sitzverlegung?
Eine Sitzverlegung ist nicht schon allein deshalb rechtsmissbräuchlich, weil sie zeitnah oder unmittelbar vor einem Insolvenzantrag stattfindet. Es müssen vielmehr weitere Anhaltspunkte für einen Rechtsmissbrauch hinzukommen. Das Insolvenzgericht überprüft seine örtliche Zuständigkeit in einer Gesamtbetrachtung.
So ändert selbst die Sitzverlegung an einen anderen Ort u.U. dann nichts am Weiterbestand der Zuständigkeit des Insolvenzgericht am alten Sitz, wenn der vorrangig zu berücksichtigende Mittelpunkt der wirtschaftlichen Tätigkeit noch dort liegt.
Solches ist z.B. anzunehmen, wenn der Schuldner dort weiterhin geschäftlich tätig ist und/oder für sein Geschäft wirbt. Hat er die Geschäftstätigkeit dagegen nach Stellung des Insolvenzantrages schon aufgegeben, so ist allein der aktuelle Sitz des Unternehmens maßgeblich.
Rechtsmissbrauch bei Firmenbestattung
Das Insolvenzverfahren dient nach § 1 der Insolvenzordnung (InsO) dazu, die Gläubiger eines Schuldners gemeinschaftlich zu befriedigen, indem das Vermögen des Schuldners verwertet und der Erlös verteilt oder in einem Insolvenzplan eine abweichende Regelung – insbesondere zum Erhalt des Unternehmens – getroffen wird. Dem redlichen Schuldner wird Gelegenheit gegeben, sich von seinen restlichen Verbindlichkeiten zu befreien.
Rechtsmissbrauch liegt insbesondere dann nahe, wenn der Insolvenzantrag gerade nicht gestellt wird, um in einem ordnungsgemäßen Verfahren die Gläubiger soweit wie möglich zu befriedigen. Es soll, im Gegenteil, das Unternehmen gleichsam auf diesem Weg „bestattet“ werden.
Die Sitzverlegung erfolgt in solchen Fällen eigens zu dem Zweck, den Insolvenzantrag an einem ganz anderen Ort als dem bisherigen Sitz stellen zu können, damit die Gläubiger hiervon nichts erfahren; oder erst dann, wenn es für sie zu spät ist, ihre Ansprüche zu realisieren. Bei einer Abweisung des Insolvenzantrags mangels Masse und Löschung des Unternehmens gehen sie dann leer aus.
Wichtige Indizien
Ein Indiz für eine „Firmenbestattung“ kann insbesondere die Stellung des Insolvenzantrages ganz kurz nach einem Gesellschafterbeschlusses über die Sitzverlegung sein.
Wird nämlich eine Gesellschaft zahlungsunfähig, so haben die Mitglieder des Vertretungsorgans oder die Abwickler ohne schuldhaftes Zögern einen Eröffnungsantrag zu stellen. Der Antrag ist gemäß § 15 der InsO spätestens drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit zu stellen. Bei der Sitzverlegung so kurz vor dem Insolvenzantrag ist i.d.R. anzunehmen, dass den Beteiligten die finanzielle Lage der Gesellschaft (Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung) bei Beschlussfassung bereits bekannt war.
Daneben können z.B. auch die Bestellung einer neuen Geschäftsführung, die Übertragung von Geschäftsanteilen auf sie oder die Veräußerung von Vermögenswerten auf einen Rechtsmissbrauch hindeuten.
Jeder Einzelfall muss dazu im Endeffekt unter Berücksichtigung der Gesamtumstände genau betrachtet werden. Gibt es mehrere Hinweise darauf, dass die Sitzverlegung zum Zweck der Gläubigerbenachteiligung erfolgte, liegt ein Rechtsmissbrauch nahe.
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