Hochwasser: welche Versicherung entschädigt die Betroffenen?

Vollgelaufene Keller, überschwemmte Landstriche und von den Fluten zerstörte Häuser – die Bilder aus dem Westen Deutschlands im Juli 2021 sind dramatisch. In Teilen Nordrhein-Westfalens und Rheinland-Pfalz‘ hat das Tief Bernd verheerende Folgen verursacht, die nicht nur Klimaschützer auf den Plan rufen. Auch Tage nach dem außergewöhnlichen Starkregen sind die Ausmaße – auf personeller und finanzieller Ebene – noch nicht abschließend beurteilt. Besonders im Rhein-Erft-Kreis und dem Kreis Ahrweiler sind umfangreiche Aufräum- und Bergungsarbeiten nötig, um den geschädigten Bewohnern der Hochwasserkatastrophe zu helfen.

Doch nicht nur vor Ort fragt man sich, wer kommt für die Schäden auf und welche finanziellen Möglichkeiten stehen den Menschen zu, deren Existenzen zum Teil komplett zerstört wurden. Aufgrund gestiegener Meeresspiegel und klimatischer Veränderungen überall auf dem Planeten sind massive Unwetter mit großer Gewissheit auch zukünftig Themen, mit denen wir uns auseinandersetzen werden müssen.

Hochwasserschäden an Haus, Wohnung oder Hausrat

Wenn sich Straßenzüge zu reißenden Flüssen entwickeln und ganze Landstriche unter sich begraben, stellt sich die Frage, wer eigentlich für den Schaden aufkommt. Unzählige Geschädigte haben durch das Unwettertief Mitte Juli 2021 ihr gesamtes Hab und Gut verloren, mussten kurzfristig evakuiert werden und hoffen, dass eine Versicherung ihre Schäden decken wird. Verbraucherschützer und Versicherungsrechtsexperten aus unserer Kanzlei wissen, worauf es jetzt ankommt.

Hausratversicherungen: hier kommt es auf den Einzelfall an

Für Beschädigungen an Haus, Wohnungseigentum oder Hausrat sind die abgeschlossenen Wohngebäude- bzw. Hausratversicherungen zuständig. Jedoch kommen diese zum Teil nur bei Schäden durch Hagel oder Sturm auf. Wie so oft kommt es hier auf den Einzelfall an. Überschwemmungen, beispielsweise durch Niederschläge oder ansteigende Flüsse, sind im Regelfall nur durch die Policen abgesichert, wenn dies gesondert vereinbart wurde.

Elementarschadendeckung für Schäden an Häusern

Üblicherweise ist die Versicherungslage die folgende: Während Schäden am Haus durch eine Wohngebäudeversicherung abgedeckt werden, deckt eine Hausratversicherung alle beweglichen Dinge im Haushalt wie Möbel, Teppiche oder auch technische Geräte ab. „Im Falle einer Überschwemmung kommt jedoch eine versicherungsrechtliche Besonderheit hinzu.“, wie Ilja Ruvinskij, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht weiß: „Haus- und Wohnungsbesitzer, die vom Hochwasser betroffen sind, benötigen eine zusätzliche Elementarschadendeckung, um über ihre Versicherung entschädigt zu werden. Diese kommt beispielsweise auch bei Schäden, die durch Erdrutsche, Rückstau oder Erdbeben entstehen, zum Tragen. Außerdem wichtig zu wissen ist, dass die Schadensdeckung nicht vorliegt, wenn Grundwasser von unten ins Mauerwerk eindringt.“

Wie das konkrete Beispiel des Tiefs Bernd zeigt, sind fatalerweise nur 47 Prozent der Gebäude in NRW und 37 Prozent in Rheinland-Pfalz im Falle von Elementargefahren abgesichert. Im Schadenfall ist ein solches Szenario wie das aktuelle also zwangsläufig existenzbedrohend. Hinzu kommt, dass Personen in besonders gefährdeten Regionen zum Teil erheblich höhere Versicherungsbeiträge zu leisten haben, was sich höchstwahrscheinlich auf die Entscheidung für oder gegen einen Versicherungsabschluss auswirkt.

Schäden am Auto: sind diese durch die Haftpflicht gedeckt?

Wenn Wasser in Massen kommt, bleibt nichts mehr an Ort und Stelle. So mussten auch zahlreiche Autobesitzer in Folge des Unwetters verheerende Schäden an ihren Fahrzeugen beklagen und stellen sich nun die Frage nach der finanziellen Entschädigung. Zum Glück gehören in diesem Kontext Schäden, die durch Unwetterkatastrophen wie Überschwemmungen, Schneelawinen oder Blitzschlag, Hagel sowie Sturm verursacht wurden, in den Verantwortungsbereich von Teil- oder Vollkaskoversicherungen der Fahrzeughalter. Aufgrund der immensen Tragweite des Juli-Unwetters kann jedoch mit deutlich erhöhten Bearbeitungszeiten der Versicherer gerechnet werden. Aktuell schätzen Experten die gesamten Schäden, die durch die Katastrophe entstanden sind, auf über eine Milliarde Euro.

Wie verhalte ich mich im Schadenfall richtig?

Um den Schaden nach einem Unwetter möglichst einzugrenzen, empfiehlt es sich, zügig zu handeln und entsprechende Maßnahmen zu ergreifen. Im Übrigen müssen Versicherte ihrer Schadenminderungspflicht laut § 254 BGB nachkommen, das heißt, dass sie selbst darauf zu achten haben, dass der Schaden so gering wie möglich gehalten wird. So können Betroffene erste Vorkehrungen treffen wie zum Beispiel Hausrat aus überfluteten Kellern räumen oder Wasser abpumpen. Jedoch sollte dabei unbedingt auf die eigene Sicherheit und Unversehrtheit geachtet werden, sodass man sich zu keiner Zeit selbst in Gefahr bringt.

Nachdem sich die Situation etwas beruhigt hat, empfehlen Verbraucherschützer, sich umgehend mit dem entsprechenden Versicherungsunternehmen in Verbindung zu setzen, um den Schaden zu melden. Hierzu ist eine detaillierte Dokumentation immens hilfreich. Machen Sie Fotos und Videos von den betroffenen Stellen, führen Sie eine Liste aller beschädigter Gegenstände und erkunden Sie sich direkt bei Ihrem Ansprechpartner, was Sie darüber hinaus tun können, um bei der Abwicklung des Schadenfalls behilflich zu sein.

Hilfestellung von unseren Rechtsexperten

Unsere Kanzlei hat ein Informationsblatt für Sie erstellt, dem Sie die ersten wichtigen Schritte nach einer Unwetterkatastrophe entnehmen können. Darüber hinaus haben unsere Versicherungsexperten ein Schadenmeldungsformular erstellt, das Sie direkt bei Ihrem Versicherungsunternehmen einreichen können.

Fragen und Antworten rund um das Thema Hochwasser

Wie lange wird es dauern, um den entstandenen Schaden an meinem Haus/Eigentum/Grundstück bzw. in meiner Wohnung zu beheben?

Das hängt ganz vom Umfang des Schadens ab. Üblicherweise können mehrere Monate nach einer Überschwemmung nötig sein.

Gehen von der Durchfeuchtung des Wohnraums Gesundheitsgefahren aus?

Nach einiger Zeit können sich in von Überschwemmungen betroffenen Räumen gesundheitsschädliche Keime vermehren. Aus diesem Grund ist es immens wichtig, dass diese ausreichend getrocknet werden.

Ist nach einer Überschwemmung mit bleibenden Schäden am Gebäude zu rechnen?

Das hängt selbstverständlich vom Einzelfall ab und sollte von einem entsprechenden Gutachter bewertet werden. Meistens können jedoch bleibende Schäden ausgeschlossen werden.

Wie komme ich schnell an eine Pumpe, um meine Räume vom eingedrungenen Wasser zu befreien?

Klassischerweise kann Ihnen die Feuerwehr dabei behilflich sein. Erfahrungsgemäß sind jedoch die zur Verfügung stehenden Rettungseinheiten begrenzt. Daher können Sie auch überlegen, über Baumarkt, Nachbarschaft, Internet oder möglicherweise Aquarienbesitzer an eine Pumpe zu gelangen.

Wie trocknet man am schnellsten und effizientesten die Räume?

Üblicherweise sind Trocknungsgeräte, die durch spezielle Firmen aufgestellt werden, der effizienteste Weg. Nach einem Katastrophenfall können aber auch hier die Kapazitäten schnell erschöpft sein. In diesem Fall empfiehlt es sich, die Gegenstände herauszustellen, ausreichend zu lüften und die Räume – wenn möglich – zu beheizen, Ventilatoren und auch Klimaanlagen aufzustellen.

Mein Haus ist massiv vom Hochwasser betroffen, muss ich zur Arbeit gehen/fahren?

Bei Notlagen im eigenen Haushalt können Arbeitnehmer ihrer Arbeit fernbleiben. Zudem regelt § 616 BGB, dass Angestellte für eine „verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit“ einen Anspruch auf Freistellung haben.

Der Betrieb, in dem ich tätig bin, ist vom Hochwasser betroffen und aktuell geschlossen. Habe ich weiterhin Anspruch auf meinen Lohn?

Betriebe sind grundsätzlich weiterhin zur Zahlung des vereinbarten Lohns verpflichtet. Allerdings kann es sein, dass dies in ihrem Arbeitsvertrag gem. § 616 BGB ausgeschlossen ist. Dann besteht kein Anspruch auf Lohn für den Zeitraum der Schließung.

Kann ich als Unternehmen aufgrund von Schäden durch das Hochwasser Kurzarbeitergeld beanspruchen?

Ja, unter entsprechenden Voraussetzungen ist dies möglich, da es sich hierbei um ein unabwendbares Ereignis handelt.