Beschäftigung von Schwerbehinderten

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    Beschäftigung von Menschen mit schwerem Handicap

    Wenn man das Wort “Reichtum” hört, denkt man häufig als erstes an (viel) Geld. Doch “Reichtum” hat nicht nur eine materielle Bedeutung und Geld alleine macht bekanntermaßen nicht glücklich. Vielmehr kann sich derjenige reich und glücklich schätzen, dessen vielleicht höchstes Gut unversehrt ist: seine Gesundheit. Allerdings wird diese Art von Reichtum nicht jedem zuteil, denn nicht jeder kann sich an uneingeschränkter Gesundheit und körperlicher Unversehrtheit erfreuen: in Deutschland etwa lebten Ende 2019 rund 7,9 Millionen Menschen, die körperlich bzw. gesundheitlich beeinträchtigt, also schwer behindert sind. Eine Schwerbehinderung liegt vor, wenn der Grad/ die Schwere der Behinderung mindestens 50 % beträgt. Als Nachweis dient ein Schwerbehindertenausweis.

    Häufig haben Betroffene in der Gesellschaft einen “schweren Stand”. Damit allerdings gegenüber gesunden Menschen eine Gleichberechtigung gewährleistet ist, gelten Schwerbehinderte als besonders schutzbedürftig. Daher sieht der Gesetzgeber in den unterschiedlichen Lebensbereichen besondere Vorschriften und Regelungen zum Schutz von Schwerbehinderten vor, unter anderem im Arbeitsrecht.

    Jan Glitsch ist Anwalt für Arbeitsrecht und betreut mit seinem spezialisierten Team bundesweit unsere Mandanten in diesem Bereich.

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    Beschäftigung von Schwerbehinderten: allgemeine Grundlagen

    Als gesetzliche Grundlage zur Gleichberechtigung bzw. zum Schutz von schwerbehinderten Personen im Arbeitsrecht dient das Neunte Sozialgesetzbuch (SGB XI). Wie eingangs erwähnt gelten Personen mit einer Behinderung von mindestens 50% als schwerbehindert. Diese genießen arbeitsrechtlich nach nachweislicher Feststellung der Behinderung einen besonderen Schutz des Gesetzgebers. Dabei besteht für Betroffene, die eine Behinderung zwischen 30 % und 50 % aufweisen, die Möglichkeit der Gleichstellung gegenüber Schwerbehinderten. Hierfür ist ein entsprechender Antrag bei der Bundesagentur für Arbeit erforderlich. Eine derartige Gleichstellung kann allerdings nur erfolgen, wenn dem Betroffenen durch die Behinderung das Ausführen einer geeigneten Tätigkeit anders nicht möglich ist. Grundsätzlich ist es Ermessenssache der Bundesagentur für Arbeit, über eine Gleichstellung zu urteilen.

    Wenn bei einem Arbeitnehmer nach der Einstellung eine Schwerbehinderung eintritt, so hat der die Pflicht, hiervon seinen Arbeitgeber unaufgefordert in Kenntnis zu setzen.

    Für Auszubildende gilt abweichend eine Gleichstellung mit Schwerbehinderten auch bei Behinderungsgraden von unter 30%, oder wenn der Grad der Behinderung nicht festgestellt wurde. Dies muss durch eine Stellungnahme der Agentur für Arbeit nachgewiesen werden.

    Beschäftigungspflicht von Schwerbehinderten

    Je nach Größe des Unternehmens und Anzahl der Mitarbeiter ist eine Anstellung von einer festgelegten Zahl an Schwerbehinderten verpflichtend vorgeschrieben. Grundsätzlich muss jeder Arbeitgeber ab einer Betriebsgröße von 20 Mitarbeitern bzw. Arbeitsplätzen auf mindestens 5 % hiervon schwerbehinderte Personen beschäftigen (§ 154 Abs. 1 SGB IX). Ausbildungsplätze gelten dabei nicht als Arbeitsplätze.

    Im Einzelnen gelten für die Anzahl der einzustellenden Schwerbehinderten folgende Werte:

    • Anzahl der Mitarbeiter unter 40 = 1 Schwerbehinderter
    • Anzahl der Mitarbeiter 40 bis 59 = 2 Schwerbehinderte
    • Anzahl der Mitarbeiter 60 oder höher = 5% der Arbeitsplätze für Schwerbehinderte

    Zudem muss der Arbeitgeber regelmäßig die Bundesagentur für Arbeit oder das zuständige Integrationsamt über die Anzahl der Arbeitsplätze und der schwerbehinderten Beschäftigten informieren.

    Ausgleichsabgabe

    Beschäftigt der Arbeitgeber nicht die gesetzlich vorgeschriebene Anzahl an Schwerbehinderten, wird eine sogenannte Ausgleichsabgabe (auch Schwerbehinderten-Abgabe) an das zuständige Integrationsamt fällig (§ 160 SGB IX). Die Höhe der Ausgleichsabgabe richtet sich nach der gemäß Gesetz eigentlich vorgeschriebenen, aber nicht mit Schwerbehinderten besetzten Arbeitsplätze und ist einmal im Jahr zu zahlen.

    Worauf bei Stellenausschreibung und Bewerbungen zu achten ist…

    Frau im Rollstuhl sitzt am Tisch vor Laptop

    Für Schwerbehinderte gelten arbeitsrechtliche Sonderregelungen.

    Für Arbeitgeber besteht grundsätzlich die Pflicht, alle Mitarbeiter gleichberechtigt zu behandeln (sogenannter Gleichbehandlungsgrundsatz unter anderem gemäß dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) und dem Grundgesetz (GG)). Dieser Gleichbehandlungsgrundsatz greift dabei allerdings nicht erst mit Beginn des Arbeitsverhältnisses. Vielmehr ist bereits bei der Ausschreibung der zu besetzenden Arbeitsstelle darauf zu achten, alle potentiellen Bewerber gleichberechtigt zu behandeln und niemanden zu diskriminieren.

    Das bedeutet, dass der Arbeitgeber jede freie bzw. zu vergebene Stelle – sofern sie sich von der Arbeitstätigkeit und den Anforderungen dazu eignet – auch für Schwerbehinderte ausschreiben muss. Schwerbehinderte sind bei Bewerbungen – sofern die Voraussetzungen gegeben sind – bevorzugt zu behandeln und – falls vorhanden – Betriebsrat und Schwerbehindertenvertretung darüber in Kenntnis zu setzen.

    Darüber hinaus sind auch beim Bewerbungsgespräch/ bei den Einstellungsverhandlungen grundlegende Vorschriften zu beachten. So ist es dem Arbeitgeber etwa verboten, Fragen nach einer Behinderung bzw. Schwerbehinderung zu stellen. Der betroffene Bewerber hat in diesem Fall das Recht, unwahre Antworten zu geben oder bestimmte Informationen zu verschweigen. Zudem muss der schwerbehinderte Bewerber auch nicht von sich aus seine Beeinträchtigung erwähnen. Eine Ausnahme gilt lediglich, wenn die Schwerbehinderung bzw. die körperliche Beeinträchtigung der Ausführung der beruflichen Tätigkeit entgegensteht und der betreffende Bewerber die jeweilige Arbeitstätigkeit aufgrund seiner Schwerbehinderung nicht ausüben kann.

    Beschäftigung von Schwerbehinderten: Bedeutung der Fürsorgepflicht

    Der Arbeitgeber hat gegenüber seinen Mitarbeitern eine sogenannte Fürsorgepflicht. Dies betrifft sowohl schwerbehinderte Angestellte als auch Beschäftigte ohne körperliche Beeinträchtigung. Grundsätzlich bedeutet dies, dass der Arbeitgeber dazu verpflichtet ist, die Gesundheit der Arbeitnehmer zu schützen und jegliche (konkrete) Gefahren für die Gesundheit, die vom Arbeitsplatz ausgehen könnten, fernzuhalten (sogenannter Arbeitsschutz). Zur Fürsorgepflicht des Arbeitgebers zählt allerdings auch, den Arbeitsplatz so zu gestalten bzw. einzurichten, dass dem Beschäftigten problem- und gefahrloses, uneingeschränktes Arbeiten möglich ist. Das heißt, dass der Arbeitgeber – soweit dies erforderlich und auch unter wirtschaftlichen und betrieblichen Gesichtspunkten zumutbar ist – den Betrieb behindertengerecht einrichten muss. Ziel ist, eine möglichst große Anzahl an Schwerbehinderten beschäftigen zu können. Falls erforderlich muss der Arbeitgeber dem Beschäftigten an seinem direkten Arbeitsplatz entsprechende Hilfen technischer und sonstiger Art zur Verfügung stellen. Der Arbeitgeber hat die Möglichkeit, entsprechende für die Einrichtung benötigte finanzielle Mittel bei der zuständigen Integrationsstelle zu beantragen. Darüber hinaus ist der Arbeitgeber zur Integration von schwerbehinderten Beschäftigten in den Betrieb verpflichtet. Sofern vorhanden, erfolgt dies in Zusammenarbeit mit der Schwerbehindertenvertretung.

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    Welche arbeitsrechtlichen Sonderregelungen gelten für Schwerbehinderte?

    Der gesetzliche Schutz von Schwerbehinderten umfasst verschiedene arbeitsrechtliche Sonderregelungen, etwa zur Kündigung, zur Arbeitszeit sowie zum Urlaub.

    Besonderer Kündigungsschutz

    Für eine Kündigung durch den Arbeitgeber gelten gemäß Kündigungsschutzgesetz (KSchG) strenge Vorschriften und es müssen bestimmte Bedingungen erfüllt sein. Diese ohnehin strikten Regelungen zur Kündigung sind bei schwerbehinderten Arbeitnehmer noch einmal verschärft; für sie gilt nämlich als besonders schutzbedürftige Personen- bzw. Arbeitnehmergruppe ein Sonderkündigungsschutz. Das heißt, dass die Voraussetzungen für eine Kündigung durch den Arbeitgeber noch einmal erschwert sind. So kann und darf der Arbeitgeber schwerbehinderten Arbeitnehmer grundsätzlich – bis auf einzelne Ausnahmefälle – nicht kündigen; auch dann nicht, wenn die Gründe der Kündigung nachvollziehbar und im “normalen” Fall (bei gesunden Arbeitnehmer) gerechtfertigt wären. In möglichen Ausnahmefällen ist grundsätzlich die Einwilligung des zuständigen Integrationsamtes auf schriftlichen Antrag hin erforderlich. Andernfalls ist die Kündigung unwirksam. Darüber hinaus gelten hierbei die üblichen Vorschriften: ausführliche Begründung der Kündigung inklusive Beweise, Anhörung des Betriebsrates sowie der Schwerbehindertenvertretung und Einhaltung der Kündigungsfrist.

    Arbeitszeit, Überstunden und Teilzeit

    Die gesetzlich vorgeschriebene tägliche Höchstarbeitszeit beträgt acht Stunden (§ 3 ArbZG). Eine Überschreitung dieser Arbeitszeit ist nur unter bestimmten Umständen zulässig. Für schwerbehinderte Arbeitnehmer gilt hier allerdings eine Sonderregelung: von ihnen kann der Arbeitgeber nämlich keine Überstunden bzw. Mehrarbeit, die über acht Stunden tägliche Arbeitszeit hinausgehen, verlangen. Schwerbehinderte haben das Recht, Überstunden abzulehnen. Darüber hinaus haben Schwerbehinderte wie gesunde Arbeitnehmer Anspruch auf Teilzeitarbeit und entsprechend weniger Arbeitsstunden.

    Zusätzlicher Urlaubsanspruch

    Im Gegensatz zu gesunden Arbeitnehmern steht schwerbehinderten Beschäftigten ein zusätzlicher bezahlter Urlaubsanspruch von fünf Tagen pro Jahr zu. Bei Schwerbehinderten, die in Teilzeit arbeiten, berechnet sich der Anspruch auf Extra- bzw. Zusatzurlaub anteilig entsprechend der Anzahl an festen Urlaubstagen. Hierbei handelt es sich allerdings um den gesetzlichen Mindesturlaub an Zusatzurlaub; das heißt, dass auch mehr zusätzliche Urlaubstage möglich sind, sofern darüber hinaus gehende Urlaubsregelungen tariflicher, betrieblicher oder sonstiger Art existieren.

    Behinderten Arbeitnehmern, die Schwerbehinderten lediglich gleichgestellt sind, steht dagegen kein zusätzlicher bezahlter Urlaubsanspruch zu.

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    Schwerbehindertenvertretung

    In Abhängigkeit von der Anzahl und der Dauer der angestellten schwerbehinderten Personen muss eine Schwerbehindertenvertretung im Betrieb vorhanden sein. Dies ist der Fall, wenn im Unternehmen mindestens fünf Personen mit Schwerbehinderung dauerhaft arbeiten. Diese Vertretung wird von den schwerbehinderten Mitarbeitern jeweils für die Dauer von vier Jahren gewählt. Sie genießt dabei ähnliche Rechte wie ein Betriebsrat: Mitspracherecht bei Einstellungen und Kündigungen, der Personalplanung allgemein, Einrichtung bzw. Gestaltung von Arbeitsplatz und Arbeitszeit etc.

    Mitglieder der Schwerbehindertenvertretung genießen zudem ebenso wie Betriebsratsmitglieder einen Sonderkündigungsschutz; eine ordentliche Kündigung ist grundsätzlich ausgeschlossen. Der Arbeitgeber ist zudem – wie bei einem Betriebsrat – dazu verpflichtet, die Schwerbehindertenvertretung bei Angelegenheiten, die Schwerbehinderte als Einzelpersonen oder als Gruppe betreffen, angemessen, das heißt umfassend und rechtzeitig, in Kenntnis zu setzen und anzuhören.

    Auch von Seiten des Arbeitgebers selbst wird ein Schwerbehindertenbeauftragter bestimmt bzw. bestellt, der – sofern möglich – selbst schwerbehindert sein soll und den Arbeitgeber in entsprechenden Angelegenheiten vertritt.

    Sanktionen bei Missachtung der Vorschriften

    Ebenso wie andere Gesetzestexte und Verordnungen regelt das Neunte Sozialgesetzbuch nicht nur die Vorschriften selbst, sondern legt auch Strafmaßnahmen fest und bestimmt, welche Sanktionen bei einem Verstoß drohen. So macht sich etwa der Arbeitgeber bei fahrlässiger oder vorsätzlicher Verletzung seiner Pflichten gemäß § 238 SGB IX einer Ordnungswidrigkeit schuldig. Der Arbeitgeber hat hierbei ein Bußgeld in Höhe von bis zu 10.000 Euro zu erwarten. Bußgelder drohen insbesondere bei Missachtung der gesetzlichen Meldepflichten und bei versäumter Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung.

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