Bloße Kritik oder schon Beleidigung
Die Meinungsfreiheit der Verfassung gilt als eines der wichtigsten Grundrechte. Offensichtlich umfasst diese jedoch nicht jegliche negative Äußerung gegenüber Mitmenschen. Zunächst stellt sich also die Frage, wann eine Äußerung als sanktionierbare Beleidigung gilt und wann als bloße legitime Kritik.
Als erster Ansatzpunkt dient der Wahrheitsgehalt der Äußerung. Bloße Behauptungen, die bewusst wahrheitswidrig sind, können, je nach Inhalt, als üble Nachrede eingestuft werden. Schmähungen und bewusst unwahre Behauptungen fallen nicht unter die Meinungsfreiheit. Zudem hat eine Beleidigung einen gewissen Ehrverletzungs-Charakter. Eine tatsächliche begründete Kritik kann zudem auch so unsachgemäß ausgedrückt werden, sodass sie dennoch als Beleidigung eingestuft werden kann. Bloße Unhöflichkeiten, wie das Unterlassen eines Grußes, gelten dagegen nicht als Beleidigung.
Wie so oft im Arbeitsrecht, kann schlussendlich nur eine Beurteilung des Einzelfalls eine konkrete Antwort ergeben. Als Merkmale lassen sich jedoch zusammenfassen:
• Bewusst unwahre Behauptungen
• Schmähung und Diffamierung als Hauptinhalt
• Ehrverletzende Absicht
• Schimpfwörter und offensichtliche umgangssprachliche „Beleidigungen“ wie beispielsweise Arschloch, Spinner, Nichtskönner etc.
• Bloße Unhöflichkeiten haben keinen Beleidigungscharakter
Beachte: Feierabend ist kein Freifahrtschein für Beleidigungen, auch nach der Arbeitszeit getätigte Aussagen könnten zu Sanktionen führen. Prinzipiell kann man natürlich nach Feierabend tun und lassen was man will, jedoch könnten abfällige Posts auf Facebook beispielsweise auch zu unangenehmen Konsequenzen führen.
Mögliche Konsequenzen einer Beleidigung
Rutscht im Streit oder auch im normalen Gespräch dann doch mal eine Beleidigung raus, so kann dies gravierende Folgen haben, evtl. sogar die fristlose Kündigung. Die außerordentliche, fristlose Kündigung würde dann in Form einer verhaltensbedingten Kündigung erfolgen. Bei einer solchen muss ein gravierender Verstoß des Arbeitnehmers gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten vorliegen: Im Falle der Beleidigung ein Verstoß gegen die Rücksichtnahmepflicht des Arbeitnehmers.
Zudem kann die Kündigung fristlos erfolgen, wenn die erfolgte Beleidigung so derartig grob war, dass sie als legitimer, wichtiger Grund zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses gilt. An dieser Stelle wird abgewägt, ob das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses oder das Fortsetzungsinteresse des Arbeitnehmers überwiegt. Dabei werden folgende Gesichtspunkte berücksichtigt:
• Der Betriebsfrieden muss grundsätzlich nachhaltig gestört sein
• Bisherige Dauer des Arbeitsverhältnisses
• Ernsthaftigkeit der Beleidigung (Sarkasmus und Ironie)
• Grad der Ehrverletzung
• Zeit und Anlass (Im Streit erfolgt etc.)
• Psychischer Zustand des Arbeitnehmers
• Provokation durch Arbeitgeber / Kollegen
• Mündlich oder Schriftlich (Mündliche erfolgen zumeist im Affekt, während schriftliche eine Gewisse „Überlegung“ erfordern.)
• Reue (Entschuldigt sich der Arbeitnehmer sofort und sieht seine Beleidigung ein)
Beachte: Der generelle Umgangston der jeweiligen Branche führt zur Verschiebung der Maßstäbe. In einem Baubetrieb herrscht, erfahrungsgemäß, grundsätzlich ein schrofferer Umgangston als in einer Anwaltskanzlei. Ein Handwerker spricht zumeist anders mit seinem Meister/in als ein Arzt mit dem Oberarzt/in. Auch hier gibt es leider keine konkrete Antwort und es muss auf eine spezifische Beurteilung abgestellt werden.
Ich möchte eigentlich nur wissen ob die Aussage die Kommunikation ist zwischen mir und Herrn …. nachhaltig gestört als Beleidigung angesehen werden kann bzw Unhöflichkeit auf die eine Abmahnung erfolgen kann
Sehr geehrte Frau T.,
vielen Dank für Ihre Frage. Dies lässt sich in der Regel nur in einer Gesamtbetrachtung der Situation beurteilen.
Grundsätzlich muss es sich nicht um eine “klassische” Beleidigung handeln, sondern auch einfach respektloses Verhalten kann eine Abmahnung rechtfertigen. Es ist zur Beurteilung beispielsweise relevant, ob es sich um einen Vorgesetzten handelt oder nicht und wie sonst der Umgangston am Arbeitsplatz ist.
Als ganz unverbindliche Antwort würde ich aber sagen, dass hier eine Abmahnung unwirksam sein dürfte.
Mit freundlichen Grüßen
J. Glitsch
Rechtsanwalt