Welche sozialversicherungsrechtlichen Folgen hat die Scheinselbständigkeit?

Wird ein freier Mitarbeiter nachträglich als ein Arbeitnehmer eingestuft, müssen die nicht abgeführten Sozialabgaben an die Krankenkasse (Einzugsstelle) nachgezahlt werden und zwar für die letzten vier Jahre der Beschäftigung. Das sind teilweise enorme Summen, die den Arbeitgeber regelmäßig in eine kritische Situation, häufig sogar in die Insolvenz bringen. Denn obwohl der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer die Beiträge gemeinsam entrichten müssen, gilt der Arbeitgeber der Krankenkasse gegenüber als der alleinige Schuldner. Er muss also auch den Arbeitnehmeranteil abführen.

Erschwerend kommt für den Arbeitgeber hinzu, dass er sich den Arbeitnehmeranteil von dem Mitarbeiter kaum zurückholen kann. Denn der Arbeitnehmeranteil darf nur durch Abzug vom laufenden Arbeitsentgelt eingezogen werden (§ 28g Sozialgesetzbuch IV). Ist die Zusammenarbeit aber beendet, wird auch kein Arbeitsentgelt mehr gezahlt.

Und selbst wenn das Arbeitsverhältnis fortbesteht, darf ein unterbliebener Abzug in aller Regel nur bei den drei nächsten Lohn- oder Gehaltszahlungen nachgeholt werden (§ 28g Sozialgesetzbuch IV).

Wenn Sie also als Scheinselbständiger beschäftigt waren und die Zusammenarbeit beendet wurde, haben Sie keine sozialversicherungsrechtlichen Folgen zu befürchten.

Welche arbeitsrechtlichen Folgen hat die Scheinselbständigkeit?

Scheinselbständige werden (auch für die Vergangenheit) wie Arbeitnehmer behandelt. Daher können sie alle Vorteile aus einem Arbeitsverhältnis genießen. Dazu gehören:

  • Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz

Es ist für den Auftraggeber ganz einfach, sich von dem Auftragnehmer zu trennen. Es heißt dann: es gibt keine weiteren Aufträge und der freie Mitarbeiter muss selbst zusehen, wie er weiterkommt.

In einem Arbeitsverhältnis sieht es ganz anders aus. Der Arbeitgeber hat das Kündigungsschutzgesetz zu beachten. Für eine Kündigung braucht er einen Grund (§ 1 Abs. 2 KSchG), den er ggf. vor Gericht beweisen muss.

Es sind Kündigungsfristen einzuhalten, die sich mit der Dauer der Beschäftigung verlängern.

Der Arbeitnehmer kann sich gerichtlich gegen eine Entlassung wehren.

Häufig bestehen gute Chancen nach einer Kündigung eine Abfindung zu erhalten.

  • Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall

In einer freien Mitarbeit gilt der Grundsatz: „ohne Arbeit kein Geld.“

Das ist in einem Arbeitsverhältnis ganz anders: Erkrankt der Arbeitnehmer, muss der Arbeitgeber ihm den Lohn weiterzahlen und zwar bis zu einer Dauer von sechs Wochen (§ 3 EntgFG).

  • Bezahlter Erholungsurlaub von mindestens 20 Tagen im Jahr (bei einer 5-Tage-Woche)

Das ist eine weitere Ausnahme von dem Grundsatz „ohne Arbeit kein Geld.“ Arbeitnehmer haben einen gesetzlichen Anspruch auf Erholungsurlaub (§ 1 Bundesurlaubsgesetz) und falls dieser, z.B. wegen einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht genommen werden kann, auf Urlaubsabgeltung in Form von Geld.

Wann ist man scheinselbständig?

Das ist immer eine Frage des Einzelfalls. Es gibt aber eine Reihe von Indizien, mit deren Hilfe Sie feststellen können, ob auch Sie scheinselbständig sind.

  • Sie müssen alle Weisungen Ihres Auftraggebers ohne Vorbehalt ausführen
  • Sie haben feste Arbeitszeiten
  • Sie verrichten Ihre Arbeit in den Räumen Ihres Auftraggebers, bzw. an Orten, die dieser festlegt
  • Ihre Arbeitsmaterialien (Kleidung, Software usw.) werden Ihnen gestellt / Sie dürfen keine eigenen verwenden
  • Sie sind auf Dauer hauptsächlich nur für einen Auftraggeber tätig
  • Mehr als 5/6 Ihrer Einkünfte stammen von einem Auftraggeber
  • Ihre bzw. eine entsprechende Tätigkeit im Betrieb wird auch von fest angestellten Arbeitnehmern ausgeführt
  • Sie treffen keine unternehmerischen Entscheidungen
  • Sie haben früher für den gleichen Auftraggeber als abhängig Beschäftigter gearbeitet
  • Sie selbst beschäftigen keine Arbeitnehmer

Entscheidend ist immer eine Gesamtbetrachtung aller Umstände. Wenn aber viele dieser Merkmale auf Sie zutreffen, ist die Chance hoch, dass Sie in Wirklichkeit nur zum Schein selbständig sind. Ob Sie in dem Vertrag als freier Mitarbeiter/freelancer o.ä. bezeichnet werden, spielt keine Rolle, wenn Sie tatsächlich von Ihrem Auftraggeber so abhängig sind wie ein Arbeitnehmer von einem Arbeitgeber.

Was versteht man unter Scheinselbständigkeit?

Scheinselbständige sind in Wirklichkeit Arbeitnehmer. Zwar werden sie formal als Selbständige, freie Mitarbeiter oder auch freelancer bezeichnet, tatsächlich handelt es sich aber nicht um eine freie Zusammenarbeit, sondern um eine abhängige Beschäftigung. Die Selbständigkeit besteht nur zum Schein nach außen, die Bedingungen unter denen die Arbeit in Wirklichkeit verrichtet wird, entsprechen Bedingungen in einem Arbeitsverhältnis.

Eine solche Konstruktion wird aus verschiedenen Gründen gewählt. Einerseits wollen die „Auftraggeber“ keine arbeitsrechtlichen Verpflichtungen eingehen (Kündigungsschutz, Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, Gewährung bezahlten Urlaubs u.a.), andererseits wird auf diese Weise versucht Sozialversicherungsbeiträge und Steuern zu sparen. Besonders häufig kommt Scheinselbständigkeit in der IT-Branche vor.

Darf der Arbeitnehmer zur Zahlung einer Vertragsstrafe verpflichtet werden?

Es ist grundsätzlich zulässig, dass der Arbeitgeber im Arbeitsvertrag für bestimmte Verstöße seitens des Arbeitnehmers sich eine Vertragsstrafe versprechen lässt. Allerdings darf eine entsprechende Klausel den Arbeitnehmer nicht unangemessen benachteiligen. Hier legt das Bundesarbeitsgericht strenge Maßstäbe an. Zum einen muss die Klausel dem Grunde nach zulässig sein, zum anderen wird die Höhe der Vertragsstrafe einer Prüfung unterzogen.

Rechtswidrig ist z.B. eine Klausel, die den Arbeitnehmer unabhängig von seinem Verschulden bei einem bestimmten Verstoß zu einer Vertragsstrafe verurteilt (vgl. § 339 BGB). Außerdem darf der Arbeitgeber nicht gleichzeitig Vertragsstrafe und Schadensersatz verlangen.

Auch muss die Vertragsstrafe in einem vernünftigen Verhältnis zu der Schwere des Verstoßes bzw. zu dem zu erwartenden Schaden stehen.

Der Grund für die Vertragsstrafe darf nicht pauschal benannt werden. So wäre z.B. einer Klausel wonach der Arbeitnehmer eine Vertragsstrafe zu leisten hat, falls er „schuldhaft einen Verstoß gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten begeht, der den Arbeitgeber zu einer fristlosen Kündigung berechtigen würde“, unwirksam. Gleiches gilt bei einer Vertragsstrafe für „schwerwiegende Verstöße.“ Diese Formulierungen sind zu unbestimmt.

Häufig werden Vertragsstrafen für eine vorzeitige schuldhafte Beendigung des Arbeitsverhältnisses vereinbart. Das ist auch zulässig, allerdings darf die Strafe nicht höher ausfallen als das Gehalt, das der Arbeitnehmer erhielte, falls er die geltende Kündigungsfrist eingehalten hätte.

Wann sind Versetzungsklauseln unzulässig?

Normalerweise darf es sich der Arbeitgeber vorbehalten, einen Arbeitnehmer an unterschiedlichen Arbeitsplätzen einzusetzen. Dabei muss er aber auch die rechtlich anerkannten Interessen des Arbeitnehmers angemessen berücksichtigen. Im Falle einer Versetzung ist der Arbeitnehmer daran interessiert, dass seine Tätigkeit an dem neuen Arbeitsplatz mit der früheren Tätigkeit zumindest gleichwertig ist. Außerdem will der Arbeitnehmer auch weiterhin die gleiche Vergütung wie früher beziehen.
Unzulässig wäre also z.B. die folgende Klausel:

„Dem Arbeitnehmer können Aufgaben übertragen werden, die seinen Fähigkeiten entsprechen und dem Arbeitnehmer zumutbar sind.“

Bei einer solchen Formulierung kann im Prinzip alles kommen, da die Klausel so weit gefasst ist. Deswegen würde eine solche Klausel den Arbeitnehmer unangemessen benachteiligen.

Behält sich der Arbeitgeber vor, den Arbeitsnehmer an einem anderen Ort einzusetzen, muss die entsprechende Klausel den möglichen räumlichen Bereich hinreichend deutlich angeben. Die Klausel darf nicht pauschal von „anderen Orten“ sprechen. Grundsätzlich darf sich aber der Arbeitgeber ein Versetzungsrecht für das gesamte Bundesgebiet vorbehalten. Voraussetzung ist, dass die Klausel diesbezüglich unmissverständlich ist.

Darf der Arbeitnehmer zur Rückzahlung von Aus- bzw. Weiterbildungskosten verpflichtet werden?

Wenn der Arbeitgeber in die Qualifikation seiner Mitarbeiter investiert, erwartet er normalerweise, dass das erworbene Wissen zumindest mittelfristig im Unternehmen verbleibt. Um das zu erreichen, werden in Arbeitsverträge bzw. Zusatzvereinbarungen häufig Klauseln aufgenommen, die den Arbeitnehmer für den Fall eines Arbeitsplatzwechsels innerhalb einer bestimmten Zeit zur Rückzahlung der Ausbildungskosten verpflichten. Solche Klauseln sind zwar zulässig, allerdings knüpft sie das Bundesarbeitsgericht an strenge Anforderungen.
So muss die Fortbildung dem Arbeitnehmer tatsächlich berufliche Vorteile bringen. Sein Wert auf dem freien Arbeitsmarkt muss durch die Maßnahme steigen. Können die Früchte der Fortbildung nur in dem Betrieb eingesetzt werden (z.B. Schulung an einer bestimmten unternehmensinternen Software), wäre eine entsprechenden Rückzahlungsklausel unwirksam.

Die Rückzahlungsvereinbarung muss normalerweise vor Beginn der Fortbildung abgeschlossen werden. Anderenfalls befindet sich der Arbeitnehmer in einer Zwangslage, da er bereits Zeit und ggf. eigene Kosten (z.B. für Unterrichtsmaterial und Fahrten) investiert hat.

Die Rückzahlungsklausel muss ferner unterscheiden, aus welchem Grund das Arbeitsverhältnis beendet wird. Hat der Arbeitnehmer keinen Einfluss auf die Umstände der Beendigung (z.B. bei betriebsinternen Gründen), darf von ihm auch keine Rückzahlung verlangt werden.

Die Dauer der Bindung darf nicht unangemessen sein. Sie orientiert sich an der Dauer der Fortbildung und an der Höhe der Gesamtkosten. Bis auf bestimmte Sonderfälle in denen eine Bindung auf fünf Jahre als zulässig angesehen wird (z.B. Piloten), beträgt die höchste Dauer einer Bindung drei Jahre.

Außerdem muss sich der zurückzuzahlende Betrag mit der Zeit verringern. D.h. für jeden Monat, den das Arbeitsverhältnis nach der Weiterbildung fortgeführt wird, reduziert sich die Summe der Rückzahlung um einen Bruchteil, z.B. um 1/12, 1/24 oder 1/36.

Ist die Dauer der Bindung in der Klausel überhöht, ist die gesamte Klausel unwirksam. Eine Verkürzung auf die zulässige Dauer ist ausgeschlossen. Der Arbeitnehmer muss nichts zurückzahlen.

Darf der Arbeitgeber eine Nebentätigkeit verbieten?

In Arbeitsverträgen findet sich häufig eine Klausel, wonach der Arbeitnehmer einer Nebentätigkeit nur nachgehen darf, wenn der Arbeitgeber das genehmigt. Eine solche Klausel beschneidet aber den Arbeitnehmer in seinen Rechten und dürfte deswegen unzulässig sein. Wirksam ist allerdings eine Vereinbarung, wonach der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber eine Nebenbetätigung anzeigen muss.
Auch darf der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer jegliche Konkurrenztätigkeit verbieten – dafür bedarf es noch nicht einmal einer gesonderten Vereinbarung. Im Hinblick auf die Vorschriften des Arbeitszeitgesetzes darf der Arbeitgeber auch eine übermäßige Nebentätigkeit verbieten. Grundsätzlich hat ein Arbeitgeber ein schützenswertes Interesse daran, dass das Hauptarbeitsverhältnis nicht durch eine anderweitige Tätigkeit des Arbeitnehmers belastet wird.

Unzulässig sind allerdings absolute Nebentätigkeitsverbote. Solche Klauseln benachteiligen den Arbeitnehmer unangemessen und sind daher in unwirksam.

Wann sind Überstundenklauseln unzulässig?

Es gibt keine gesetzliche Verpflichtung Überstunden zu leisten. Eine solche Pflicht kann sich nur in Notfällen ergeben. Vertraglich darf aber die Leistung von Überstunden vereinbart werden. Allerdings gelten für solche Überstundenklauseln strenge Voraussetzungen. Die Regelungen müssen hinreichend bestimmt sein, anderenfalls benachteiligen sie den Arbeitnehmer unangemessen und sind unwirksam. Unzulässig wäre z.B. die folgende Klausel:

„Der Arbeitnehmer muss auf Anweisung des Arbeitgebers Überstunden leisten.“

oder

„Wenn betriebliche Gründe es erfordern, hat der Arbeitnehmer auf Anordnung des Arbeitgebers Überstunden zu leisten.“

Beide Klauseln ermöglichen es dem Arbeitgeber grenzenlos Überstunden anzuordnen. Da der Arbeitnehmer nicht abschätzen kann, was auf ihn zukommt, sind die Klauseln zu unbestimmt und damit unwirksam.
Häufig werden Klauseln wie die oben genannten mit einem Zusatz soweit gesetzlich zulässig versehen. Auch eine solche Formulierung dürfte nicht transparent genug sein.

Wichtig ist auch die Frage nach dem Ob und dem Wie der Vergütung für Überstunden. Wenn es keine entsprechende Regelung in dem anwendbaren Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung gibt, sollten diese Fragen unbedingt in einem Arbeitsvertrag geregelt werden.

Normalerweise sind die über die gewöhnliche Arbeitszeit hinaus geleisteten Arbeitsstunden zumindest genauso zu vergüten wie die herkömmliche Arbeitszeit.

Arbeitsverträge von leitenden Angestellte und sonstigen Arbeitnehmern in hohen und gut bezahlten Positionen (z.B. Chefärzte) enthalten jedoch häufig eine Klausel, wonach jegliche Überstunden schon mit der Gesamtvergütung abgegolten sind. Für diese Gruppe von Mitarbeitern ist eine solche Klausel zulässig.
Eine solche Vereinbarung trifft aber eben nur diesen eingeschränkten Kreis der Besserverdiener. Andere Arbeitnehmer werden jedoch durch solche pauschalen Vergütungsvereinbarungen unangemessen benachteiligt. Derartige Klauseln sind daher in den allermeisten Arbeitsverträgen unwirksam. Soll die Vereinbarung wirksam sein, muss die Anzahl möglicher Überstunden konkretisiert werden. Wie viele Überstunden zulässig sind, hängt in erster Linie von der Stellung des Mitarbeiters in der betrieblichen Hierarchie sowie von der Höhe der Vergütung ab.

Geld ist aber nicht die einzige Gegenleistung, die für Überstunden gewährt werden kann. Arbeitgeber dürfen ihren Mitarbeitern im Umfang der geleisteten Überstunden auch Freizeit einräumen. Auch dürfen Chefs es sich vertraglich vorbehalten, den Arbeitnehmern entweder Geld oder Freizeit anzubieten.

Welche Klauseln können den Arbeitnehmer unangemessen benachteiligen?

Es gibt zahlreiche vorformulierte Klauseln (AGB), die unwirksam sein können, weil sie den Arbeitnehmer unangemessen benachteiligen. Eine kleine Auswahl finden Sie weiter unten.