Wann sind die betrieblichen Interessen erheblich beeinträchtigt?

Die negative Gesundheitsprognose ist nur die erste Voraussetzung. Daneben muss es zu erheblichen Beeinträchtigungen der betrieblichen Interessen kommen. Hier unterscheidet man zwischen Störungen im Betriebsablauf und wirtschaftlichen Belastungen. Besondere Relevanz kommt hier den hohen Entgeltfortzahlungskosten zu.

Was versteht man unter dem betrieblichen Eingliederungsmanagement (BEM)?

Das BEM ist ein Verfahren, das Arbeitnehmern nach ihrer Genesung die Wiederaufnahme ihrer Tätigkeit im Betrieb erleichtern soll. Es ist durchzuführen, wenn der Beschäftigte innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig war. Im Rahmen des BEM suchen Arbeitgeber, Arbeitnehmer und ggf. der Betriebsrat bzw. Personalrat nach Maßnahmen, die helfen sollen, die Arbeitsunfähigkeit zu überwinden bzw. zu vermeiden.
Die Teilnahme am BEM ist freiwillig. Lehnt jedoch der Arbeitnehmer seine Mitwirkung ab, kann ihm das bei seiner Verteidigung gegen eine krankheitsbedingte Kündigung schaden. Unterlässt hingegen der Arbeitgeber, ein BEM in die Wege zu leiten, hat der Arbeitnehmer bei einem Kündigungsschutzprozess bessere Karten.

Was passiert, wenn sich die gesundheitliche Lage nach der Kündigung ändert?

Normalerweise kommt es alleine auf den Zeitpunkt der Kündigung an. Ansonsten könnte der Arbeitgeber niemals zuverlässig einschätzen, ob die Kündigung wirksam ist. Allerdings zeigt sich die Rechtsprechung arbeitnehmerfreundlich. Wurde eine Kündigungsschutzklage erhoben, können Veränderungen im Gesundheitszustand bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung beachtet werden. Diese findet durchschnittlich sechs-acht Monate nach einer Kündigung statt, wenn man sich nicht vorher einvernehmlich einigen konnte. Doch auch hier ist vieles vom Einzelfall abhängig. Zu berücksichtigen sind etwa neue Therapiemöglichkeiten, ein Arztwechsel oder auch radikale Veränderungen in der Lebensführung.

Was kann man gegen eine negative Gesundheitsprognose unternehmen?

Kommt es zu einem Gerichtsprozess, muss der Arbeitgeber zunächst nur die Fehlzeiten präzise angeben. Ihr Vorliegen über einen bestimmten Zeitraum (siehe Wann werden die häufigen Kurzerkrankungen zu häufig?) hat eine Indizwirkung für die Zukunft. Mit anderen Worten: man vermutet, wer in der Vergangenheit krank war, wird es auch in Zukunft bleiben. Der Arbeitnehmer hat aber die Möglichkeit, eine negative Gesundheitsprognose zu widerlegen. Dafür kann er z.B. seinen Arzt von der Schweigepflicht befreien und ihn als Zeugen benennen. Dieser Schritt lohnt sich natürlich nur dann, wenn es bei der Krankheit Aussichten auf Besserung gibt. Natürlich kann der Arbeitnehmer auch selbst Tatsachen vortragen, die gegen die aufgestellte Prognose sprechen.

Wann werden die häufigen Kurzerkrankungen zu häufig?

Problematisch wird es ab sechs Wochen Krankheitszeit im Jahr. Um eine negative Gesundheitsprognose zu rechtfertigen, schaut man in der Regel zwei bis drei Jahre zurück. D.h.: war der Arbeitnehmer in den letzten zwei-drei Jahren pro Jahr über sechs Wochen krank, kann es kritisch werden. Es geht aber auch kürzer. Insbesondere bei Arbeitnehmern in Schlüsselpositionen können 15 Monate für eine Prognose ausreichen.

Wie ist die Lage bei Sportunfällen?

Hier muss man als Arbeitnehmer aufpassen. Kommt es infolge von Sportunfällen häufig zu Fehlzeiten, spricht das für eine Verletzungsanfälligkeit. Diese wiederum deutet auf eine Wiederholungsgefahr hin.

Woher weiß mein Arbeitgeber, dass ich auch in Zukunft krank bleiben werde?

Hier lässt die Rechtsprechung eine negative Gesundheitsprognose genügen. Betrachtet werden Art, Dauer und Häufigkeit der bisherigen Erkrankungen. Die entscheidenden Fragen sind: Wie sind die Tendenzen bei den Fehlzeiten, d.h. fehlt der Arbeitnehmer immer häufiger oder immer seltener? Zeigten die bisherigen medizinischen Behandlungen Erfolge? Gibt es neue Behandlungsmethoden? Besteht Wiederholungsgefahr? Ist die Erkrankung chronisch oder trat sie nur einmalig auf? Es kommt vieles auf den Einzelfall an, eindeutige Prognosen sind schwierig zu treffen.
In der Regel gilt: chronische Erkrankungen führen zu häufigen Fehlzeiten- dem Arbeitnehmer kann gekündigt werden. Einmalige Ausfälle dagegen, etwa wegen einem Unfall oder einer Blinddarm-OP, haben keine Auswirkungen auf eine Entlassung.

Muss der Arbeitgeber nicht vor der Kündigung abmahnen?

Vor einer krankheitsbedingten Kündigung bedarf es keiner Abmahnung. Eine Abmahnung ist darauf gerichtet, den Arbeitnehmer dazu zu bringen, sein Verhalten zu ändern. Bei einer Krankheit ist es aber nicht möglich. Es liegt nicht in der Macht des Arbeitnehmers, seinen Gesundheitszustand zu verbessern.

Unter welchen Voraussetzungen darf mir der Arbeitgeber wegen einer Krankheit kündigen?

Der Arbeitgeber darf einen Arbeitnehmer nur dann wegen einer Krankheit entlassen, wenn drei Bedingungen gleichzeitig erfüllt sind:

  1. Der Arbeitnehmer ist krank und wird auch in Zukunft im gleichen Maße krank bleiben.
  2. Die Wirtschaftlichkeit des Betriebs ist durch die Krankheit erheblich beeinträchtigt.
  3. Das Interesse des Arbeitgebers an der Kündigung überwiegt das Interesse des Arbeitnehmers an der Weiterbeschäftigung.

Kann jede Erkrankung zu einer Kündigung führen?

Man unterscheidet zwischen vier Situationen.

  1. Wegen einer Krankheit wird der Arbeitnehmer dauerhaft arbeitsunfähig.
  2. Die Krankheit dauert lange an und es bleibt ungewiss, ob der Arbeitnehmer innerhalb der nächsten zwei Jahre genesen wird.
  3. Häufige Kurzzeiterkrankungen führen zu erheblichen Fehlzeiten.
  4. Der Arbeitnehmer kann zwar weiterhin arbeiten, aber infolge der Krankheit nicht mehr die volle Leistung bringen.

Liegt eine dieser Konstellationen vor, kann eine Kündigung in Betracht kommen.