Wer darf den Arbeitnehmer abmahnen?

Jeder Vorgesetzte, der dem Mitarbeiter Weisungen hinsichtlich Ort, Zeit und Art und Weise der Leistung erteilen kann, darf ihn auch abmahnen.

Gilt der Vorrang der Abmahnung auch für eine außerordentliche Kündigung?

Es kommt darauf an. Bei besonders schwerwiegenden Verfehlungen, kann eine Abmahnung entbehrlich sein. Es muss sich allerdings um grobe Verstöße handeln, bei denen der Arbeitnehmer von vornherein keine Akzeptanz durch den Arbeitgeber erwarten durfte.
Im Übrigen gilt der Vorrang der Abmahnung auch für eine außerordentliche Kündigung. Eine Abmahnung kann selbst bei einem Vermögensdelikt wie Diebstahl oder Betrug erforderlich bleiben. Jedenfalls dann, wenn es sich um eine geringwertige Sache handelte, der Mitarbeiter über mehrere Jahre im Betrieb beschäftigt war und sich während dieser Zeit nichts zu Schulden hat kommen lassen. Aber auch hier ist vieles eine Sache des Einzelfalls. Bei einer besonders dreisten Begehungsweise kann auch auf eine Abmahnung verzichtet werden.
Fällt der Betrieb in den Geltungsbereich eines Tarifvertrages, lohnt es sich meistens da einen Blick reinzuwerfen. Es kommt nämlich vor, dass sich auch dort Regelungen zum Erfordernis einer Abmahnung befinden.

Was muss ich tun, wenn ich eine verhaltensbedingte Kündigung ohne eine vorherige Abmahnung erhalten habe?

Ist die Kündigung einmal in der Welt, so muss man schnell handeln und dagegen klagen. Zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage hat man lediglich drei Wochen Zeit. Unternimmt man innerhalb dieser Frist nichts, wird es keine Rolle mehr spielen, ob die Kündigung rechtlich zulässig gewesen ist. Der Zug ist dann abgefahren.

Wurde Ihnen wegen einem Vergehen auf der Arbeit ohne Abmahnung gekündigt, sollten Sie in den allermeisten Fällen die Kündigung durch einen Rechtsanwalt prüfen lassen. Dabei wollen wir Ihnen gerne unsere Dienste anbieten. Für eine schnelle Kontrolle weisen wir auf unseren Kündigungscheck hin

Wann braucht es vor der Kündigung keiner Abmahnung?

Hier muss man mehrere Fälle unterscheiden.

Keine Abmahnung bei besonders schwerwiegenden Verstößen

Im Bereich der verhaltensbedingten Kündigung gilt der Vorrang der Abmahnung. Es gibt allerdings Fälle, in denen die Verfehlung des Arbeitnehmers so grob ist, dass man dem Arbeitgeber nicht zumuten kann, vor der Kündigung noch eine Abmahnung auszusprechen. Das ist immer dann der Fall, wenn das Vertrauensverhältnis grundlegend gestört ist, z.B. wenn ein Arbeitnehmer im Betrieb eine wertvolle Sache stiehlt.
Die Frage nach der Entbehrlichkeit einer Abmahnung sorgt immer wieder für Streit. Denn wann das Vertrauen tatsächlich zerstört ist, lässt sich nicht pauschal sagen. Zahlreiche subjektive Gesichtspunkte spielen eine Rolle. Viele Arbeitgeber werden im Eifer des Gefechts sagen: es reicht!, betrachtet man aber die Situation mit kühlem Kopf, so müsste man sagen: nein, es reicht noch nicht.

Keine Abmahnung bei personenbedingter Kündigung

Die Abmahnung soll den Arbeitnehmer dazu bringen, sich in Zukunft vertragsgemäß zu benehmen. Dafür muss er das abgemahnte Verhalten steuern können. Es gibt aber Umstände, die in der Person des Arbeitnehmers liegen, auf die er keinen Einfluss hat. Ein gutes Beispiel ist die Alkoholsucht. Ist jemand wirklich alkoholkrank, dann liegt es nicht in seiner Kraft, mit dem Trinken aufzuhören. Man kann auch niemandem der an einer Bronchitis leidet, sagen, er solle bitte aufhören zu husten. Also kommen personenbedingte Kündigung ohne eine Abmahnung aus.

Keine Abmahnung bei betriebsbedingter Kündigung

Stehen Entlassungen aus betrieblichen Gründen an, etwa wegen einer Restrukturierung, dann ist es ebenfalls sinnlos, einen zu kündigenden Arbeitnehmer abzumahnen. In diesem Fall ist er bloß ein Opfer der Umstände.

In welchen Fällen darf abgemahnt werden?

Der Katalog an Abmahnungsgründen ist lang, die wohl praktisch relevantesten Beispiele finden Sie im Folgenden.

  • Zu-Spät-Kommen sein
  • Arbeitsverweigerung
  • mangelhafte Arbeitsausführung
  • Verspätete Anzeige einer Krankheit/verspätete Vorlage eines Attestes
  • Beleidigungen und Tätlichkeiten im Betrieb
  • Unfreundlichkeit gegenüber Kunden
  • Nutzung von Internet/Telefon für private Zwecke
  • Sexuelle Belästigung
  • Mobbing

Kann eine Kündigung nur bei exakt gleichen Verstößen wie dem abgemahnten ausgesprochen werden?

So eng sind die Grenzen nicht. Es reicht aus, wenn der erneute Fehltritt mit dem abgemahnten Verhalten vergleichbar ist. Die Verstöße müssen aus demselben Bereich stammen, so dass die Abmahnungs- und die Kündigungsgründe in einem inneren Zusammenhang stehen. Diese Vergleichbarkeit besteht etwa bei Verspätungen und vorzeitigem Verlassen des Arbeitsplatzes. Anders sieht es hingegen aus bei Arbeitsverweigerung einerseits und Arbeitsbummelei andererseits.

Wie sieht es aus, wenn der Arbeitnehmer gegen mehrere Pflichten verstoßen hat?

Hat der Arbeitnehmer verschiedene Fehler gemacht, ist er etwa mehrfach zu spät gekommen und hat sich darüber hinaus unhöflich gegenüber Kunden benommen, muss der Arbeitgeber hinsichtlich beider Fehltritte eine separate Abmahnung aussprechen, die den obigen Aufforderungen genügt. Er muss also deutlich auf jedes Verhalten hinweisen, das er nicht mehr dulden will und bei dessen Wiederholung eine Kündigung droht.

Welche Kriterien muss eine Abmahnung erfüllen?

Dem Mitarbeiter muss deutlich vor Augen geführt werden, dass sein Chef ein bestimmtes Verhalten in Zukunft nicht mehr dulden will. Der Arbeitgeber muss den Arbeitnehmer wegen seines Verhaltens rügen, ihn auffordern, dieses in Zukunft zu unterlassen und ihn warnen, dass weitere Verstöße zu einer Kündigung führen können. Man spricht insoweit von den drei Funktionen einer Abmahnung: der Rüge-, der Aufforderungs- und der Warnfunktion.
Nicht jeder Tadel ist aber gleich eine Abmahnung. Hier ist klar von einer bloßen Ermahnung abzugrenzen. Dabei spielt nicht die konkrete Bezeichnung eine Rolle, sondern die Erfüllung bestimmter Voraussetzungen.

  1. Der Arbeitgeber muss dem Mitarbeiter präzise mitteilen, welches Verhalten ihm gegen den Strich geht. Es dürfen keine Zweifel bleiben, welcher Verstoß genau gemeint ist. Ort, Datum und Uhrzeit sowie klare Angaben zu dem Verhalten sind notwendig. Die Einleitung einer Abmahnung wegen z.B. Zu-Spät-Kommens müsste daher wie folgt lauten:
    Am Morgen des 13.2.2014 sind Sie erst um 9:25 Uhr, statt wie vorgesehen um 9 Uhr, an Ihrem Arbeitsplatz erschienen. Gleiches wiederholte sich am 2.3.2014, als Sie sich statt 9 Uhr erst um 9:18 Uhr im Betrieb einfanden. Einen Entschuldigungsgrund für diese Verspätungen haben Sie nicht vorgebracht.
    Hier zeigt der Arbeitgeber unmissverständlich, welches Verhalten ihn zu der Abmahnung bewegt. Vage Angaben wie „mehrfaches Zu-Spät-Kommen im Frühjahr 2014“ wären nicht ausreichend.
  2. Der Arbeitgeber muss ferner deutlich machen, dass er das Verhalten als einen Verstoß gegen die arbeitsvertraglichen Pflichten ansieht. Von dem Arbeitnehmer muss er verlangen, dieses Verhalten in Zukunft zu unterlassen. Unsere Beispiel-Abmahnung müsste dann wie folgt weitergehen:
    Diese Verspätungen stellen einen zweifachen Verstoß gegen Ihre arbeitsrechtlichen Pflichten dar, den wir nicht dulden werden. Ich fordere Sie auf, in Zukunft pünktlich zur Arbeit zu erscheinen.
    Der Arbeitnehmer weiß nun genau, was von ihm verlangt wird bzw. was er in Zukunft in jedem Fall unterlassen soll.
  3. Schließlich muss der Arbeitgeber dem Mitarbeiter gegenüber erklären, dass diesem für den Wiederholungsfall eine Kündigung droht. Er muss ihm die Konsequenzen vor Augen führen. Das ginge in etwa so:
    Sollten Sie diese Aufforderung missachten und auch weiterhin Ihre Arbeit unpünktlich antreten, behalten wir uns vor, das Arbeitsverhältnis unter Einhaltung der gesetzlichen Frist zu kündigen.
    Nun weiß der Arbeitnehmer wirklich Bescheid. Im Falle eines erneuten Zu-Spät-Kommens muss er mit einer Kündigung rechnen.
    Bei abgeschwächten Formulierungen wie etwa: „Zuwiderhandlungen können arbeitsrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen“ kann es im Einzelfall mit der gebotenen Deutlichkeit problematisch werden.

Kann bei einer erheblichen und dauerhaften Minderleistung ein Arbeitnehmer ohne Weiteres gekündigt werden?

Nein. Die Kündigung ist immer das äußerste Mittel. Gibt es im Betrieb einen anderen Arbeitsplatz, auf dem der Arbeitnehmer im Rahmen seiner Fähigkeiten eingesetzt werden kann, muss der Arbeitgeber ihm diesen anbieten, bevor er eine Kündigung ausspricht.

Wer muss die Minderleistung beweisen?

Kommt es zu einem Prozess vor dem Arbeitsgericht, stellt sich immer die Frage, wer muss was beweisen. Bei der Kündigung eines „low performer“ muss der Arbeitgeber die konkreten Mängel der Arbeitsleistung darlegen. Hat er das getan, muss der Arbeitnehmer im Gegenzug erklären, warum er trotz unterdurchschnittlicher Leistungen seine Kapazitäten ausschöpft, woran seine Minderleistungen liegen und ob es in Zukunft besser wird. Bei einer Krankheit können hier etwa neue Behandlungen angeführt werden, denen sich der Arbeitnehmer unterziehen möchte.

Wann besteht bei einem „low performer“ eine negative Gesundheitsprognose?

Wenn im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung mit weiteren Minderleistungen im erheblichen Umfang zu rechnen ist. Schöpft der Arbeitnehmer auf Dauer seine Leistungskapazitäten aus und kann dabei dennoch keine Normalleistung erbringen, ist die Prognose negativ.

Wann reicht eine Minderleistung für eine wirtschaftliche Belastung aus?

Eine eingeschränkte Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers bedeutet eine Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Interessen des Arbeitgebers. Es reicht aber nicht jede Einschränkung. Quantitativ hält die Rechtsprechung eine Abweichung von 2/3 der tatsächlich erbrachten Leistung von der Normalleistung für erheblich (etwa zu geringe Stückzahlen bei Akkordarbeit).
In vielen Bereichen (z.B. Einkauf, Buchhaltung, Gastronomie) lässt sich die Leistung nicht quantitativ messen. Es kommt auf die Qualität der Leistung an. Dabei reicht eine bestimmte Fehlerhäufigkeit aber noch nicht aus. Zu betrachten sind alle Umstände des Einzelfalls. Man muss sich fragen, wie sind die konkreten Arbeitsanforderungen, wie ist der Arbeitsplatz beschaffen u.ä. Unter Berücksichtigung aller Umstände der Leistungserbringung muss ein Punkt bestimmt werden, an dem die Fehlerquote nicht mehr tolerierbar wird. Auch hierzu kann als Indiz ein Vergleich mit der Durchschnittsleistung gebildet werden.