Muss ein Arbeitnehmer bei unwirksamer Kündigung in den Betrieb zurückkehren?

Nein. Und das aus folgendem Grund:

Nicht alle Kündigungsschutzprozesse verlaufen friedlich. Es kommt durchaus vor, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer mit harten Bandagen kämpfen. Die Stimmung ist angespannt. Es wurden Dinge gesagt, die nicht mehr zurückgenommen werden können. In solchen Situationen kommt für viele Arbeitnehmer die Rückkehr in den Betrieb nicht in Frage, auch wenn sie mit Ihrer Kündigungsschutzklage höchstwahrscheinlich Erfolg hätten.

Gegen solche verfahrenen Situationen schafft das Kündigungsschutzgesetz Abhilfe (§ 9 KSchG). Ist dem Arbeitnehmer trotz unwirksamer Kündigung nicht zuzumuten, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, so kann er während des gesamten Kündigungsschutzprozesses einen sogenannten Auflösungsantrag stellen. Ein solcher Antrag hat die folgende Konsequenz:

Urteilt das Gericht zum Prozessende, dass die Kündigung unwirksam gewesen ist, so wird es dennoch das Arbeitsverhältnis auflösen und darüber hinaus den Arbeitgeber zur Zahlung einer angemessenen Abfindung verurteilen. Der Arbeitnehmer muss also nicht mehr in den Betrieb zurückkehren und kann finanziellen Ausgleich für den Verlust des Arbeitsplatzes erhalten.

Übrigens kann auch der Arbeitgeber einen solchen Antrag stellen, wenn er befürchtet, dass die Rückkehr des Arbeitnehmers in den Betrieb zu Konflikten führt.

Wie sind die Interessen des Arbeitnehmers geschützt?

Der Verlust des Arbeitsplatzes bedeutet für den Arbeitnehmer einen schweren Einschnitt. Aus diesem Grund fordern die Gerichte auch bei einer verhaltensbedingten Kündigung verhältnismäßiges Vorgehen. In diesem Sinne (man denke an den ultima ratio Grundsatz) wird das Interesse des Arbeitgebers an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an Weiterbeschäftigung abgewogen. Hier kommen alle Umstände des Einzelfalls auf die Waage. Wichtige Faktoren sind dabei z.B. die Dauer der Betriebszugehörigkeit, Art der Beschäftigung, bisheriges Verhalten, aber auch soziale Aspekte wie Lebensalter, Familiensituation, Unterhaltspflichten, Erkrankung oder Behinderung und vieles mehr. Hat der Arbeitnehmer beispielsweise versucht, den angerichteten Schaden wiedergutzumachen, kann sich das positiv zu seinen Gunsten auswirken. Gleiches gilt, wenn der Arbeitgeber an dem Verstoß eine Mitschuld trägt.
Hier ist vieles eine Frage des Einzelfalls und der richtigen Strategie. 

Führt eine verhaltensbedingte Kündigung zu einer Sperrzeit beim Arbeitslosengeld I ?

Wurde Ihnen verhaltensbedingt gekündigt, wird die Arbeitsagentur für den Bezug von Arbeitslosengeld für eine Dauer von 12 Wochen eine Sperrzeit anordnen. Das gilt sowohl für die verhaltensbedingte ordentliche, als auch die außerordentliche Kündigung. Die Arbeitsagentur reagiert damit auf ein sogenanntes versicherungswidriges Verhalten. Verstößt also der Arbeitnehmer gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten und gibt damit Anlass zu einer Kündigung, sieht darin die Arbeitsagentur eine vorsätzliche oder zumindest grob fahrlässige Herbeiführung der Arbeitslosigkeit.

Das bedeutet:

  • Für eine Dauer von 12 Wochen bekommen Sie keine finanzielle Unterstützung durch das Arbeitslosengeld I
  • Ihr Anspruch auf Arbeitslosengeld I wird insgesamt um ein Viertel verkürzt

Wenn man diese gravierenden Nachteile vermeiden will, muss man sich gegen eine verhaltensbedingte Kündigung wehren und Kündigungsschutzklage erheben. Auf diese Weise lässt sich häufig zumindest der Abschluss eines Aufhebungsvertrages erreichen, was zu günstigeren Folgen im Hinblick auf das Arbeitslosengeld I führt.

Gibt es keine Alternativen zur Kündigung?

Eine Kündigung ist die schärfste Sanktion in einem Arbeitsverhältnis. Daher fordern die Gerichte von dem Arbeitgeber, wenn möglich, zunächst ein milderes Mittel einzusetzen. Ist der Verstoß nicht besonders gravierend, hat man als Arbeitnehmer unter Umständen einen Anspruch darauf, versetzt oder umgesetzt zu werden. Natürlich muss dafür im Betrieb ein Arbeitsplatz frei sein und es müssen Anhaltspunkte vorliegen, dass es dort nicht mehr zu Verstößen kommt. Außerdem muss die Versetzung dem Arbeitgeber zumutbar sein. Das hängt ganz wesentlich von der Schwere des Verstoßes ab.
Häufig wird die Möglichkeit einer Umsetzung aber schon gar nicht erwogen, weswegen man auch unter diesem Gesichtspunkt in einem Kündigungsschutzprozess als Arbeitnehmer gute Chancen hat.

Wie muss der Betriebsrat beteiligt werden?

Wenn es in Ihrem Betrieb einen Betriebsrat gibt, so muss dieser vor Ausspruch jeder Kündigung angehört werden (§ 102 BetrVG). Hier gibt es keine Ausnahmen.
 
Wird der Betriebsrat vor einer Kündigung nicht angehört, ist diese Kündigung unwirksam.
Ihr Arbeitgeber muss dem Betriebsrat die Kündigungsgründe und alle wichtigen Umstände des Falles mitteilen, damit dieser sich eine Meinung bilden kann. Es besteht eine umfassende Informationspflicht. Erforderlich sind Angaben zu dem Verstoß sowie zu vorherigen Abmahnungen. Außerdem möchte der Betriebsrat wissen, was der Arbeitnehmer zu der Sache zu sagen hat und ob statt der Kündigung vielleicht ein milderes Mittel in Betracht kommt. Wird der Betriebsrat nicht hinreichend informiert, so ist eine Kündigung schon aus diesem Grund unwirksam.
Solche formalen Fehler werden normalerweise erst während eines Kündigungsschutzprozesses entdeckt, häufig dann, wenn die Kündigung schon mehrere Monate zurückliegt. Für den Arbeitnehmer sind es sehr gute Neuigkeiten, denn alleine aufgrund des Anhörungsfehlers wird er die Kündigungsschutzklage gewinnen. Näheres zu der Anhörung des Betriebsrats und seinen Reaktionsmöglichkeiten erfahren Sie hier.

Wann kann eine Kündigung ohne vorherige Abmahnung ausgesprochen werden?

Nur in besonders krassen Fällen, wenn der Verstoß so schwer ist, dass das Vertrauensverhältnis offensichtlich und irreparabel gestört ist, kann der Arbeitgeber auf eine Abmahnung verzichten. Dann spricht man von einer außerordentlichen, fristlosen Kündigung.
Dieser Punkt sorgt häufig für Streit. Es lässt sich häufig nicht genau bestimmen, ob das Vertrauen tatsächlich gestört ist, denn das Vertrauen ist eine sehr subjektive Angelegenheit. Viele Arbeitgeber werden im Eifer des Gefechts sagen: es reicht!, betrachtet man aber die Situation mit kühlem Kopf, so müsste man sagen: nein, es reicht noch nicht.

Muss der Arbeitgeber nicht zunächst eine Abmahnung aussprechen?

Ganz genau. Die Kündigung ist die, wie Juristen sagen: „ultima ratio“, das äußerste Mittel. Ihr muss daher in den allermeisten Fällen eine wirksame Abmahnung vorangehen. Der Arbeitgeber muss den Arbeitnehmer in der Vergangenheit deutlich gewarnt haben, dass er ein bestimmtes Verhalten nicht dulden wird. Diese Abmahnung dient auch als Grundlage für die negative Prognose. Wiederholt der Arbeitnehmer nämlich einen bereits abgemahnten oder ähnlichen Verstoß, kann man davon ausgehen, dass er sich auch in Zukunft pflichtwidrig verhalten wird. Daher gilt der Vorrang der Abmahnung.

Welche Anforderungen an eine ordnungsgemäße Abmahnung gestellt werden, können Sie hier nachlesen. War die Abmahnung unwirksam, so kann darauf auch keine verhaltensbedingte Kündigung gestützt werden. Fehler in der Abmahnung helfen daher häufig, eine Kündigung zu Fall zu bringen.

Reicht der Verstoß an sich für eine Kündigung aus?

Nein. Der Verstoß muss rechtswidrig und schuldhaft sein. Rechtswidrig heißt: pflichtwidriges Verhalten muss man dem Arbeitnehmer auch vorwerfen können. So ist beispielsweise eine begangene Tätlichkeit dann nicht rechtswidrig, wenn der Arbeitnehmer in Notwehr handelte.
Bei der Frage nach der Schuld verhält es sich ähnlich. Hier fragen die Gerichte: verstieß der Arbeitnehmer gegen seine Pflichten fahrlässig oder gar mit Vorsatz? Wer also z.B. eine Maschine beschädigt, weil die Bedienungsanleitung fehlerhaft war, handelt nicht fahrlässig und kann wegen dieses Vorfalls nicht entlassen werden.

 

Welche Verstoße kommen für eine verhaltensbedingte Kündigung in Betracht?

Das Spektrum an möglichen Fehltritten ist breit. Es lassen sich im Wesentlichen fünf Bereiche festmachen, in denen der Arbeitnehmer seine Pflichten verletzen kann. Dazu gehören:

1) Die Arbeitsleistung selbst

So handelt der Arbeitnehmer z.B. pflichtwidrig, wenn er seine Arbeit verweigert, wenn er die Arbeit schlecht oder unzureichend ausführt oder wenn er häufig zu spät kommt.

2) Die Ordnung im Betrieb  

Zu möglichen Fehltritten in diesem Bereich gehören der Konsum von Alkohol am Arbeitsplatz, unerlaubtes Surfen im Internet, privates Telefonieren, Mobbing von Kollegen.

3) Vertrauensbereich

Diebstahl, Betrug, sonstiger Mißbrauch der Position lassen sich diesem Bereich zuordnen.

4) Nebenpflichten

Der Arbeitnehmer darf nicht das Eigentum des Arbeitgebers oder anderer Arbeitnehmer beschädigen, er muss Betriebsgeheimnisse wahren, ihn treffen Treuepflichten im Verhältnis zu den Konkurrenten seines Arbeitgebers. Zu Nebenpflichten gehört auch die Pflicht des Arbeitnehmers, bei Krankheit unverzüglich (oder, wie häufig in Arbeitsverträgen geregelt, spätestens am dritten Tag der Erkrankung) eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU) vorzulegen.

5) Bestimmtes Verhalten im privaten Bereich

Grundsätzlich kann der Arbeitnehmer im privaten Bereich tun und lassen, was er will. Anders ist es allerdings dort, wo zwischen dem Privaten und dem Dienstlichen eine enge Verbindung besteht. So können beispielsweise private Trunkenheitsfahrten Auswirkungen auf die Geeignetheit einer Person als Schulbusfahrer haben.

 

Wann darf der Arbeitgeber verhaltensbedingt kündigen?

Eine verhaltensbedingte Kündigung ist an folgende Voraussetzungen geknüpft.

  1. Der Arbeitnehmer verletzt eine vertragliche Pflicht (Verstoß).
  2. In der Zukunft sind weitere Verstöße zu befürchten (negative Prognose).
  3. Es steht kein milderes Mittel zur Verfügung (z.B. Versetzung)
  4. Interessenabwägung fällt zu Lasten des Arbeitnehmers aus.