Kongruente Deckung
Nach § 130 Absatz 1 InsO kann eine Rechtshandlung (z. B. Zahlung an Sie) alleine schon deshalb angefochten werden, weil sie
- in den letzten drei Monaten vor dem Insolvenzantrag vorgenommen worden ist oder
- nach dem Insolvenzantrag vorgenommen wurde
wenn sie einem Insolvenzgläubiger eine Sicherung (z. B. Ihnen wurde eine Grundschuld bestellt) oder Befriedigung (z. B. Sie wurden bezahlt) gewährt oder ermöglicht hat, der Schuldner zur Zeit der Handlung zahlungsunfähig war und der Gläubiger zu dieser Zeit die Zahlungsunfähigkeit kannte.
Insolvenzgläubiger
Voraussetzung ist also zunächst, dass Sie ein Insolvenzgläubiger sind. Dies ist der Fall wenn, einem Ihnen eine Sicherung oder Befriedigung durch die angefochtene Rechtshandlung gewährt oder ermöglicht wurde. Als Anfechtungsgegner kommt folglich nur ein Insolvenzgläubiger im Sinne der §§ 38 und 39 InsO (also auch nachrangige Insolvenzgläubiger) in Betracht, Massegläubiger oder Absonderungsberechtigte hingegen nicht. Sie sind also immer dann Insolvenzgläubiger, wenn Sie eine offene Forderung gegen einen Schuldner haben und dieser Schuldner Insolvenz anmeldet.
BEISPIEL: Sie haben Ihrem Geschäftspartner ein Darlehen ausgezahlt. Er gerät mit der Rückzahlung in Schwierigkeiten und meldet Insolvenz an. Mit dem Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung werden Sie zum Insolvenzgläubiger.
Drei-Monats-Zeitraum vor Insolvenzantrag / Nach Insolvenzantrag
Weiterhin muss die angefochtene Rechtshandlung nach § 130 Abs. 1 Nr. 1 InsO innerhalb der letzten drei Monate vor Insolvenzantragstellung erfolgt sein. Darunter ist der Zeitpunkt zu verstehen, zu dem die rechtlichen Wirkungen der Rechtshandlung eingetreten sind (§ 140 Abs. 1 InsO). Bei erhaltenen Zahlungen ist somit der Zeitpunkt des Geldeingangs maßgebend. Der Gesetzgeber will damit generell Handlungen ahnden, die zeitlich ganz eng an der Zahlungsunfähigkeit liegen.
Sie kann aber auch nach dem Insolvenzantrag vorgenommen worden sein (§ 130 Abs. 1 Nr. 2 InsO).
Zahlungsunfähigkeit – Indiz der Zahlungseinstellung
Weitere Voraussetzung der Insolvenzanfechtung nach § 130 Abs. 1 Nr. 1 InsO ist, dass der Schuldner zum Zeitpunkt der Vornahme der Rechtshandlung bereits zahlungsunfähig war. Wenn Sie eine Zahlung erhalten haben, die der Insolvenzverwalter anficht, muss der Schuldner also bereits zahlungsunfähig gewesen sein.
Ihr Schuldner ist zahlungsunfähig im Sinne von § 17 InsO, wenn er innerhalb von drei Wochen 10 Prozent oder mehr seiner fälligen Gesamtverbindlichkeiten nicht erfüllen kann (Urteil des BGH vom 08.10.2009, Az. IX ZR 173/07; Urteil des BGH vom 24.05.2005, Az. IX ZR 123/04) . Diese Zahlungsunfähigkeit zu beweisen ist für einen Insolvenzverwalter meistens schwer. Denn in der Praxis stehen dem Insolvenzverwalter oft nur unvollständige oder ungeordnete Buchhaltungsunterlagen zur Verfügung. Er muss sich daher in der Regel auf Indizien stützen.
Meistens wird sich der Insolvenzverwalter zur Bestimmung der Zahlungsunfähigkeit auf das Indiz der Zahlungseinstellung stützen. Denn Zahlungsunfähigkeit ist nach § 17 Abs. 2 InsO regelmäßig dann anzunehmen, wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat. Der BGH sagt hierzu: “Zahlungseinstellung ist dasjenige Verhalten des Schuldners, in dem sich typischerweise eine Zahlungsunfähigkeit ausdrückt. Es muss sich also für die beteiligten Verkehrskreise der berechtigte Eindruck aufdrängen, dass der Schuldner nicht in der Lage ist, seine fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. […] Eigene Erklärungen des Schuldners, eine fällige Verbindlichkeit nicht begleichen zu können, deuten auf eine Zahlungseinstellung hin, auch wenn sie mit einer Stundungsbitte versehen sind.” (Urteil des BGH vom 12.10.2006,Az. IX ZR 228/03).
Hier zeigt sich, dass Stundungs- oder Ratenzahlungsvereinbarungen dem Insolvenzverwalter in die Karten spielen. Eine Insolvenzanfechtung kann unter Umständen einzig und allein auf eine kurz vor der Insolvenz getroffene Ratenvereinbarung gestützt werden – aus ihr kann sich nämlich ergeben, dass der Insolvenzschuldner ansonsten seine Zahlungen eingestellt hat.
Der Bundesgerichtshof stellt dem Insolvenzverwalter noch einige weitere Indizien zur Verfügung, anhand derer die Zahlungsunfähigkeit zum fraglichen Zeitpunkt nachgewiesen werden kann. Diese Rechtsprechung entwickelt sich stetig weiter, so dass eine erfolgreiche Verteidigung gegen eine Insolvenzanfechtung stets den aktuellen Stand der Rechtsprechung auswerten sollte.
Ihre Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit
Der in der Praxis für den Insolvenzverwalter am schwierigsten nachzuweisende Punkt ist Ihre Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit. Denn regelmäßig setzt diese Kenntnis voraus, dass Sie einen entsprechenden Überblick über die finanzielle Situation Ihres Schuldners haben.
Daher kann sich der Insolvenzverwalter meist auch hier nur auf Indizien stützen. Nach § 130 Abs. 2 InsO muss der Verwalter “nur” nachweisen, dass der Gläubiger Kenntnis von Umständen hatte, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit hindeuteten. Es genügt daher, dass Sie als Anfechtungsgegner die tatsächlichen Umstände kennen, aus denen bei zutreffender rechtlicher Beurteilung die drohende Zahlungsunfähigkeit zweifelsfrei folgt. Das kann z. B. eine Zahlungseinstellung des Schuldners sein, welche oft aus dem Schriftverkehr ersichtlich ist – also wenn der Schuldner Ihnen offen berichtet, dass er finanzielle Engpässe hat und deshalb um eine Ratenzahlung bittet. Es kann darüber hinaus auch auf das Vorliegen und die Dauer von Zahlungsrückständen, auf die Häufigkeit eventueller Mahnungen und insbesondere auf die im Vorfeld erfolgte Einleitung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen abgestellt werden.
Bei einer Rechtshandlung nach dem Insolvenzantrag (§ 130 Abs. 1 Nr. 2 InsO) reicht es aus, dass der Insolvenzverwalter nachweist, dass Sie als Gläubiger gewusst haben, dass ein Insolvenzantrag in der Welt ist. Kann der Insolvenzverwalter also bspw. nachweisen, dass der Schuldner Sie von seinem Insolvenzantrag informiert hat, liegt Kenntnis vor.
Sonderfall “nahe stehende Personen”: Ihre Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit wird gegen Sie vermutet
Bei nahe stehenden Personen wird zudem die Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit gemäß § 130 Abs. 3 InsO vermutet. Hierunter fallen der Ehepartner oder sonstige Familienmitglieder des Schuldners (oder des Geschäftsführers der insolventen GmbH), bei Gesellschaften auch die “Insider“, also Mitglieder des Aufsichts- oder Vertretungsorgans, Geschäftsführer und Gesellschafter (mit mehr als 25 Prozent Beteiligung) etc. Wenn Sie also dem Schuldner gegenüber eine nahe stehende Person sind, bedarf es einer besonderen Verteidigungsstrategie. So werden wir versuchen, die Vermutung von der Kenntnis mit konkretem Sachvortrag zu widerlegen.
Folgender Sachverhalt:
Ich gab dem Schuldner einen zweckgebundenen Privatkredit dass er eine Schuld bei einem anderen bezahlt. Der Kredit war nur für diese Sache bestimmt (Schriftlich). Das war vor 2 Jahren, eine Rückzahlung habe ich noch nicht erhalten.
Der Schuldner meldete Privatinsolvenz an es wird aktuell eine Insolvenzanfechtung gegen denjenigen betrieben für diese ich einen zweckbestimmten Ablösekredit bezahlt habe.
Da wenn das Ganze nun Rückwirkend gemacht wird durch diese Anfechtung und die Zweckbestimmung nicht mehr gewährleistet ist, habe ich hier Anspruch diese Rückzahlung wieder zu erhalten ? Oder werden diese trotz Zweckbestimmung einfach an alle Gläubiger ausbezahlt ?
Sehr geehrter Herr B.,
die Insolvenzanfechtung dient ausschließlich dazu, die Insolvenzmasse anzureichern. Ihre Darlehensforderung wird daher grundsätzlich im Rahmen des Insolvenzverfahrens entsprechend der Insolvenzquote befriedigt werden. Die Zweckbestimmung hat dabei keinen geldwerten Vorteil für Sie.
Mit freundlichen Grüßen
A. Kraus
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Insolvenzrecht
Hallo, habe ich Insolvenzverfahrens gemacht und heute Anwalt mir so geschickt .
in vorbezeichneter Angelegenheit nehme ich Bezug auf die übersandten Kontoauszüge. Hierzu bestehen zu einzelnen Zahlungen noch Fragen meinerseits. Nachfolgend führe ich im Einzelnen auf, auf welche Zahlungen sich meine Anfrage bezieht. Ich bitte jeweils anzugeben, was der Rechtsgrund für die Zahlung gewesen ist und ob der Zahlungsempfänger bzw. Zahlungsempfängerin Kenntnis von Ihrer wirtschaftlichen Situation gehabt die haben, Soliten Nachweise darüber Sie Zahlungsempfänger von ihrer wirtschaftlichen Situation in Kenntnis gesetzt Sie haben, bitte ich auch um Übersendung dieser Nachweise.
Habe ich 2 mal ( August und september 2020) vom meine konto an leasing geld uberwiesen .leasing ist das auto und alles ist vom meine ehepartner name.
Was ich jetzt machen??
Sehr geehrte Frau A.,
um Ihre Restschuldbefreiung nicht zu gefährden, müssen Sie Ihrer Mitwirkungspflicht nachkommen. Diese schließt in diesem Fall auch mit ein, Auskunft zu den Fragen zu erteilen.
Mit freundlichen Grüßen
A. Kraus
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Insolvenzrecht
Insolvenzeröffung eines Reisebüros Ende August 2020- Wegen covid -19 wurde der Flug von der Airline storniert (06/2020) und die Rückzahlung (vom insolventen Reisebüro in die Wege geleitet) des Flugpreises von der Airlines (über tickethändler) an das insolvente Reisebüro Ende Juli 2020 gezahlt. Der Insolvenzverwalter hat die Rückzahlung in die Masse vereinnahmt und die auszahlung des erstatteten Betrages abgeleht.(Kto war nicht gegen Insolvenz abgesichert -und Zahlung erfolgte vor Insolvenzeröffnung) Kann man dagegen vorgehen, ggf. wie – wie groß sind die Chanchen auf Erfolg sein Geld noch zu erhalten? vielen, vielen Dank
Sehr geehrter Herr S.,
vielen Dank für Ihre Frage. Leider lässt sich dieser Sachverhalt nicht ohne weitere Informationen beurteilen. Es kommt hier auf die Vertragsgestaltung zwischen den drei Parteien Reisebüro, Kunde und Airline an.
Grundsätzlich sehe ich jedoch nur geringe Erfolgsaussichten. Beispielsweise könnte es sich um treuhänderisch verwaltete Gelder handeln, aber selbst dann besteht laut BGH-Rechtsprechung keine Möglichkeit zur Aussonderung, wenn es sich nicht um ein ausschließlich zur Aufnahme von treuhänderisch gebundenen Fremdgeldern bestimmtes Konto handelt. Eine “Vermischung” mit eigenem Geld führt also zu Schwierigkeiten.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. V. Ghendler
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Insolvenzrecht
Sehr geehrter Herr Dr. Ghendler,
wie verhält es sich mit folgendem Sachverhalt:
Mein Ex-Mann beabsichtigt Insolvenz anzumelden. Vor einem halben Jahr habe ich das Haus überschrieben bekommen. Zwei Makler haben sich das Haus angesehen. Davon haben wir den Mittelwert der errechneten Marktwerte abzüglich des Hauskredits angesetzt. Seinen Anteil am “Gewinn” sollte ich laut Vertrag erst später auszahlen. Nun verlangt mein Ex-Mann vor Insolvenzanmeldung die Auszahlung.
Kann ich das machen oder habe ich damit zu rechnen, dass ich Probleme mit dem Insoverwalter bekomme?
Sicher wird schon die Höhe des Betrages an sich angefochten werden.
Vielen lieben Dank und beste Grüße
Sehr geehrte Fragestellerin,
zunächst vielen Dank für Ihre Frage. Die Beantwortung einer Insolvenzanfechtung im Zusammenhang mit einer Immobilie ist eine sehr komplexe juristische Fragestellung. Hierbei sind einige Einzelfallumstände relevant, die eine Rücksprache mit Ihnen erfordern. Eine angemessene Antwort lässt sich daher nur nach eingehender Prüfung Ihres Falles geben. Sie können sich gerne an unsere kostenlose Erstberatung wenden. Wir sind werktäglich unter 0221 67770055 für Sie erreichbar. Alternativ können Sie uns auch eine E-Mail an info@anwalt-kg.de schreiben.
Mit freundlichen Grüßen
A. Kraus
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Insolvenzrecht
Guten Tag,
ich habe unserer UG bei Gründung 2017, 7500 Euro Darlehen gegeben ( ich bin nur einer von 3 Gesellschafter) . Die Firma läuft schleppend und nun gab es diesen Corona Zuschuss. Die Geschäfstführerin möchte davon einen Teil meines Darlehens tilgen. Wird bei einer eventuellen Insolvenz in einigen Monaten das Geld vom Insolvenzverwalter zurückgefordert werden dürfen?
Viele Grüße
Andreas S.
Sehr geehrter Herr S.,
auf Basis der von Ihnen mitgeteilten Umstände, liegt die Vermutung nahe, dass eine Insolvenzanfechtung erklärt wird. Denn § 135 Abs. 1 Nr.2 InsO regelt, dass eine solche Darlehensrückzahlung anfechtbar ist, wenn diese innerhalb des letzten Jahres vor dem Eröffnungsantrag erfolgte. Für weitere Fragen und Handlungsmöglichkeiten können Sie sich gerne an unsere kostenlose Erstberatung am Telefon (0221 67770055) oder via E-Mail (info@anwalt-kg.de) wenden.
Mit freundlichen Grüßen
A. Kraus
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Insolvenzrecht
Sehr geehrter Herr Dr. Ghendler,
wie verhält sich folgender Sacherverhalt:
29.01.2019 Anordnung des vorläufigen Insolvenzverfahrens eines Stromanbieters.
Durch mich: Storno von insgesamt 3 Raten wie folgt: Eine Rate am 01.02.2019 innerhalb der 8-Wochen- Frist, am 26.02.2019 2 Raten außerhalb der 8-Wochen-Frist mangels Erteilung eines schriftlichen Sepa-Lastschriftmandats.
08.08.2019 Erteilung einer Endabrechnung des Stromanbieters incl. der Berücksichtigung eines Bonusanspruches, entstanden zum 31.01.2019. Aufforderung zur Zahlung einer Restforderung, die auch beglichen wurde. Keine Stellungnahme zu den stornierten Raten.
16.10.2019 Eröffnung Insolvenz
13.03.2020 Erteilung einer korrigierten Endabrechnung durch den Stromanbieter mit der Aufforderung die zum 31.01.2019 entstandene Bonuszahlung an den Insolvenzverwalter zu zahlen, diese könne nicht mit den Rücklastschriften verrechnet werden, unter Verweis auf § 96, 129, 131 InSO sowie § 130 InsO. Forderung muss zur Insolvenztabelle angemeldet werden.
Wie bewerten Sie die Chancen des Insolvenzverwalters bzw. meine in einem evtl. Klageverfahren?
Meine Frage zu § 130 InsO: Kann der Nachweis der positiven Kenntnis durch mediale Berichterstattung erbracht werden, wenn ja wie kann der InsoVerwalter mir das nachweisen oder liegt die Kenntnis erst mit Anschreiben des Gläubigers vor.
Wie bewerten Sie die Nicht-Vorlage eines Sepa-Lastschriftmandates? Hätte hier eine Klage des InsoVerwalters überhaupt eine Chance?
Wie sieht es mit der Aufrechnung aus? Diese fand im vorläufigen Verfahren statt, spielt das eine Rolle?
Vielen Dank für Ihre Hilfe.
Sehr geehrter Fragesteller,
ich möchte Sie um Verständnis bitten, dass diese Frage leider zu umfangreich und komplex ist, um sie in diesem Rahmen abschließend beantworten zu können. Zur Beurteilung der Anfechtbarkeit der Bonuszahlung wäre auch ein Blick in den Vertrag notwendig.
Die Kenntnis wird jedenfalls mit der öffentlichen Bekanntmachung des Insolvenzantrags widerleglich vermutet, dies zu widerlegen ist sehr schwierig. Bezüglich der positiven Kenntnis durch Medienberichterstattung alleine dürfte hier der Nachweis durch den Insolvenzverwalter schwierig werden.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. V. Ghendler
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Insolvenzrecht
Sehr geehrter Herr Dr. Ghendler,
wie verhält es sich, wenn der Insolvenzverwalter die Anfechtung nicht bezüglich aller (aus Zwangsvollstreckung) empfangenen Zahlungen ausgesprochen hat? Grundsätzlich ist – in diesem Fall die Körperschaft d.ö.R. – nach Erhalt der Insolvenzanfechtung dann ja auch bzgl. der nicht angefochtenen Zahlung des Schuldners bösgläubig. Muss diese Zahlung dann ‘freiwillig’ im Rahmen der Anfechtung benannt und zur Masse zurückgewährt werden?
Vielen Dank für Ihre Einschätzung!
Sehr geehrte Frau Ranft,
der Anfechtungsgegner muss nicht von sich aus weitere anfechtbare Zahlungen benennen. Es liegt am Insolvenzverwalter, die Anfechtung zu erklären.
Für die Verjährung des Anfechtungsanspruchs ist die regelmäßige Verjährung nach dem BGB maßgeblich, vgl. § 146 InsO. Die Verjährungsfrist beträgt daher drei Jahre ab dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Insolvenzverwalter von den anspruchsbegründenden Tatsachen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen musste. Verpasst der Insolvenzverwalter die Frist, ist eine Anfechtung nicht mehr möglich.
Mit freundlichen Grüßen
A. Kraus
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Insolvenzrecht
Sehr geehrter Herr RA Dr. Ghendler,
auf Basis eines Versäumnisurteils gegen den Schuldner (jur. Person i.F. einer KG), (Grund: nicht herausgegebener Verkaufserlös aus einem Autoverkauf/Kommissionsverkauf) wurde über das zuständige AG aufgrund weiterhin ausbleibender Zahlung eine Zwangsvollstreckung erwirkt. Bei dieser wurden durch den Schuldner an den zuständigen Obergerichtsvollzieher in 12/2015 991,95 EUR ausgehändigt, die dieser an die meinerseits mandatierte Kanzlei überwies. Hiervon erfuhr ich 11/2 Monate später aus einem Schreiben der Kanzlei an den zuständigen Obergerichtsvollzieher. Zusätzlich wurde in 02/2016 über das zuständige AG ein Pfändungs- und Überweisungsbeschluss erwirkt.
In 06/2016 erhielt ich über die Kanzlei die Information über das eröffnete Insolvenzverfahren gg. den Schuldner und bat diese, fristgerecht die in Rede stehende Forderung anzumelden.
In 11/2019 ging mir eine Insolvenzanfechtung der als Insolvenzverwalter ernannten Kanzlei für den Schuldner zu. Aus diesem erlangte ich Kenntnis, dass neben der Überweisung des Obergerichtsvollziehers zu Gunsten des Kanzleikontos, 2 weitere Zahlungen mit Valuta 19.02.2016 (ca. 3 TEUR) und 09.03.2016 (ca. 30 EUR) aus Drittschuldnerzahlung eingegangen seien. Zusätzlich erhielt ich Kenntnis, dass durch die mandatierte Kanzlei die bestehende Forderung mehr als 1/2 Jahr verspätet beim Insolvenzverwalter einging, jedoch bis dato nicht begründet wurde.
Da alle Zahlungen in den 3-Monatszeitraum vor Insolvenzantrag (24.02.2016) fielen, wurden diese nach §131 InsO angefochten; ich wurde zur Rücküberweisung des Gesamtbetrags (ca. 4 TEUR) nebst Zinsen seit 03/2016 aufgefordert.
Bis dato erfolgte keine Herausgabe des Geldes durch die Kanzlei, so dass gg. diese zwischenzeitlich Strafanzeige gestellt und die zuständige Anwaltskammer informiert wurde.
Eine Aufrechnung scheidet ebenfalls aus, da das Verfahren vollständig durch meine RS-VS beglichen wurde.
Kann der Insolvenzverwalter von mir die Herausgabe des Geldes, notfalls auf dem Klageweg, verlangen, wenn:
– ich erst über das Schreiben des Gerichtsvollziehers vom 08.03.2016 in Kenntnis gesetzt wurde, dass der Schuldner gem. der Vermögensauskunft vom 25.02.2016 beabsichtigte am 26.02.2016 Insolvenz anzumelden (dies aber nicht tat; dies erfolgte durch einen Dritten)?
– mir zu keinem Zeitpunkt die Gelder aus Zwangsvollstreckung und Pfändungs-/Überweisungsbeschluss zugingen und ich über die Zahlungen aus 02/2016 und 03/2016 erst aus der Insolvenzanfechtung erfahren habe ? D.h., besteht trotz fehlendem Mittelzufluss ein (begründeter) Zahlungsanspruch des Insolvenzverwalters ?
Ist es bei dieser Konstellation empfehlenswert, zur Vermeidung einer Klage des Insolvenzverwalters diesem ggü. die Zahlung nb. Zinsen zu leisten und parallel weiter gg. die Kanzlei vorzugehen?
Herzlichen Dank bereits vorab für Ihre Auskunft,
viele Grüße
Sehr geehrter Herr Lehmann,
ich darf mich für Ihre ausführliche und interessante Frage bedanken.
Zu meinem Bedauern kann ich im Rahmen dieser kostenlosen Kommentare jedoch nicht so umfassende Auskünfte geben, wie dies zur Beurteilung und Beantwortung Ihrer Frage notwendig wäre. Eine solche Thematik kann leider nur im Rahmen eines kostenpflichtigen Termins besprochen werden. Ich bitte um Verständnis.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. V. Ghendler
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Insolvenzrecht
Insolvenzverwalter fordert Zinszahlungen, die die inzwischen insolvente Schuldnerin an ihre stillen Gesellschafter geleistet hat, zurück. Diese Zahlungen erfolgten zwischen 2012 und 2015. Gilt hier nicht die Ausschlussfrist des § 135 I Nr. 2 InsO? Danke!
Sehr geehrte Frau K.,
gemäß des BGH-Urteils vom 27. Juni 2019 (Az. IX – ZR 167/18) unterliegen gezahlte Darlehenszinsen grundsätzlich nicht der Insolvenzanfechtung nach § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO, solange sich der Zinssatz im marktüblichen Rahmen bewegt.
Meines Erachtens sind die Zinszahlungen somit nicht anfechtbar.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. V. Ghendler
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Insolvenzrecht
Sehr geehrter Herr Dr. Ghendler,
meinem Schuldner wurde vor 10 Jahren ein klassisches Gelddarlehen gewährt.
Seinen Zahlungen kam dieser nicht immer regelmäßig nach.
Vor wenigen erfuhr ich zufällig, dass mein Schuldner ein weiteres nicht unerhebliches Darlehen bei einem Dritten aufnahm.
Dieser belastete den bis dahin lastenfreien Grundbesitz meines Schuldners.
Mein Fehler war seinerzeit, dass ich keinerlei Sicherheiten verlangte.
Um weitere Vermögensminderungen einzugrenzen, erwirkte ich einen Vollstreckungsbescheid mit anschließender nachrangiger Zwangssicherungshypothek!
Zu diesem Zeitpunkt bestand aus meiner Sicht der Verdacht einer Gläubigerbenachteiligung, da der Schuldner das Darlehen des Dritten regelmäßig bediente und meines nicht und aufgrund meiner älteren Rechte der Dritte nun im Rang vor mir im Grundbuch steht.
2018 und auch 2019 erzielte der Schuldner als Einzelunternehmer ohne Mitarbeiter Umsätze im siebenstelligen Bereich.
Von daher löste der Schuldner das Darlehen an mich vorzeitig durch Einmalzahlung ab.
Nun stehe ich unter Zugzwang und habe die Löschungsbewilligung zu erteilen und verliere mein Absonderungsrecht im Grundbuch!
Es besteht aus heutiger Sicht weder drohende Zahlungsunfähigkeit, Überschuldung noch eine Gläubigerbenachteiligung.
Die Gesamtzahl aller Gläubiger hat sich nun auf „einen” reduziert, der aber darin keine Gläubigerbenachteiligung sieht, dass die nachrangige Sicherungshypothek vorrangig abgelöst wurde.
Nun zu meinen Fragen:
1. Sollte der Schuldner in den kommenden 4 Jahren einen Antrag auf Insolvenzeröffnung stellen und der Insolvenzverwalter die Ablöse als Einmalzahlung und die davor an mich geleisteten anfechten, ist diese Anfechtung berechtigt oder unberechtigt nach der Gesamtschau aller der hier genannten Umstände des Einzelfalls in seiner Gesamtwürdigung?
2. Sollte ich die Zahlungen an den Insolvenzverwalter zurückführen müssen, was geschieht mit meinem Absonderungsrecht, welches bis dahin bereits im Grundbuch gelöscht ist, da hier eine Rückabwicklung Zug um Zug erfolgte?
3. Besteht hier ein Recht für mich als Gläubiger auf Wiedereinsetzung des gelöschten Absonderungsrechtes?
Da ich über kein Absonderungsrecht mehr verfüge, würde mein Status auch nicht mehr “Insolvenzgläubiger” lauten, oder?
4. Was ist, wenn der Schuldner bis dahin an eine ihm nahestehenden Person im Grundbuch irgendwelche Rechte eingeräumt hat?
5. Wie und bei wem hat ein Gläubiger diese eingeräumten Rechte an die nahestehende(n) Person(en) des Schuldners anzufechten?
Meines Erachtens greift weder §§ 130, 131 noch § 133 InsO, wenn man alle Umstände dieses Falls genau betrachtet, da zum Zeitpunkt der Ablöse nur noch ein weiterer Schuldner extistierte und der keine Benachteiligung in der vorzeitigen Kreditablösung mir gegenüber sieht, die zur endgültigen Tilgung meines erteilten Darlehens führte!
Vielen Dank dafür, dass es solch ein Diskussionsforum gibt!
Sehr geehrter Fragesteller,
zunächst einmal vielen Dank für Ihre höchst interessante Frage. Allerdings bezieht sich das Angebot der kostenlosen Kommentare hier im Forum nur auf Fragen zu Dienstleistungen, die unsere Kanzlei anbietet. Im Insolvenzrecht vertreten wir lediglich Schuldner. Da es sich um eine komplexe Frage handelt, die durchaus mit Haftungsrisiken verbunden sein kann, bitte ich um Ihr Verständnis, dass für eine Antwort ein kostenpflichtiger Termin bei meinem Sekretariat zu vereinbaren wäre.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. V. Ghendler
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Insolvenzrecht
Ich habe im Zuge der Thomas Cook Insolvenz meine Forderungen auf Rückzahlung und Schadenersatz wegen Ausfall der Reise an Neckermann Reisen geschickt.
Diese hat nun gestern auch Insolvenz ( Thomas Cook Deutschland ) angemeldet.
Was wird nun aus meiner Forderung, die noch vor Insolvenzantrag gestellt wurde?
Danke und freundliche Grüße
Jürgen Lorenz
Sehr geehrter Herr Lorenz,
leider verhält es sich so, dass es keinen Unterschied macht, ob Sie die Forderung vor oder nach dem Insolvenzantrag an das Unternehmen geschickt haben.
Aktuell ist es für mich nicht möglich, zu beurteilen, wie groß die Wahrscheinlichkeit ist, dass Ihre Forderung von der Versicherung des Unternehmens übernommen wird, wo der Mindestbetrag der Versicherungssumme ja 110 Millionen Euro beträgt. Es ist mir nicht bekannt, ob Thomas Cook eine höhere Versicherungssumme hatte.
Sollte Ihre Forderung nicht bzw. nur teilweise von dieser Versicherung abgedeckt werden, so bleibt Ihnen nur eine Anmeldung der Forderung zur Insolvenztabelle.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. V. Ghendler
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Insolvenzrecht