Besonderer Vollstreckungsschutz durch Antrag nach § 765a ZPO

Was passiert beim besonderen Vollstreckungsschutz? 

Wenn man in der Schuldenfalle sitzt oder Schulden aufgetürmt hat, wird die ohnehin schwierige finanzielle Situation des Schuldners oft durch zusätzlich Umstände belastet. Diese können sehr mannigfaltig sein und reichen von Arbeitslosigkeit über Scheidung, Tod, Krankheit oder bis hin zur Schwangerschaft. Auch der Gesetzgeber hat diese Situation erkannt. Er hat dem Schuldner eine Sonderschutzmöglichkeit in § 765a ZPO eingeräumt, falls eine außergewöhnliche Belastung für den Schuldner durch die Vollstreckungsmaßnahme des Gläubiger entsteht. Sie schließt die Lücke, welche womöglich klafft, wenn die regulären Rechtsbehelfe für den Schuldner keinen sozialstaatlich gebotenen Schutz bieten.

Der folgende Beitrag beschäftigt sich mit den Fragen, was ein Vollstreckungsschutz gemäß § 765a ZPO genau ist, wann dieser für den Schuldner greift und welche praktischen Fälle bereits zu einem Vollstreckungsschutz geführt haben.

Andre Kraus ist Fachanwalt für Insolvenzrecht und Gründer der KRAUS GHENDLER RUVINSKIJ Anwaltskanzlei. Seit 2012 ist er auf die Entschuldung und Beratung von Personen mit finanziellen Schwierigkeiten spezialisiert.

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Was ist der Vollstreckungsschutz gemäß § 765a ZPO?

Der Vollstreckungsschutz gemäß § 765a ZPO ist ein gegen die Zwangsvollstreckung gerichtetes Mittel, welches dem Schuldner in Ausnahmesituationen oder Notsituationen helfen soll. Es kann nur in besonderen Härtefällen angewendet werden und kommt erst in Betracht wenn speziellere Rechtsbehelfe für den Schuldner keinen oder nicht ausreichenden Schutz bieten. Dabei dürfen die in den speziellen Rechtsbehelfen zum Ausdruck kommenden gesetzgeberischen Wertungen nicht umgangen werden. Spezielle Rechtsbehelfe sind etwa

Stellt sich die Zwangsvollstreckung in Geld- oder Sachmittel oder bei der Wohnungsräumung als besondere Härte für Sie als Schuldner dar, können Sie Vollstreckungsschutz nach § 765a ZPO beantragen. Zentrale Voraussetzung ist also das untragbare Ergebnis, welches mit der Zwangsvollstreckungsmaßnahme geschaffen würde.

Das zuständige Gericht kann abhelfen, indem es die Maßnahme des Gläubigers ganz oder teilweise  aufhebt, untersagt oder vorläufig einstellt.

Voraussetzungen für den Vollstreckungsschutz nach § 765a ZPO

Der Schuldner erhält den besonderen Vollstreckungsschutz, wenn er diesen beim für Ihn zuständigen Amtsgericht (Vollstreckungsabteilung) beantragt. In dem Antrag sind die Umstände darzulegen, welches das Schutzinteresse des Schuldners gegenüber dem Vollstreckungsinteresse des Gläubigers anführt. Die Gegenüberstellung bzw. Abwägung der für die jeweiligen Interessen streitenden Umstände müssen deutlich zugunsten des Schuldners überwiegen. Sie müssen so deutlich für den Schuldner sprechen, dass die Zwangsvollstreckungsmaßnahme im Lichte dessen als besondere Härte für den Schuldner, also als sittenwidrig zu bewerten ist.

Wenn es um die Abwehr einer auf die Herausgabe von Sachen gerichtete Zwangsvollstreckungsmaßnahme geht, ist § 765a Abs. 2 ZPO zu beachten.

Wenn es um die Zwangsräumung einer Wohnung geht, ist der Antrag grundsätzlich zwei Wochen vor dem festgesetzten Räumungstermin zu stellen. Ausnahmen hiervon sind bei unvorhergesehenen Entwicklungen oder mangelndem Verschulden denkbar.

Fälle für den besonderen Vollstreckungsschutz gem. § 765a ZPO

Die folgenden Fälle stehen exemplarisch für Situationen, in denen ein Vollstreckungsschutzantrag  gemäß § 765a ZPO in der Gerichtspraxis erfolgsversprechend sein kann:

  • Sie wollen zu Unrecht verlorenes Kontovermögen „zurückholen“, weil keine ausreichende Gelegenheit bestand, ein Pfändungsschutzkonto einzurichten (vgl. LG Braunschweig BeckRS 2014, 22580).
  • Staatliche Corona-Beihilfen oder Corona-Sonderzahlungen sollen nicht gepfändet werden.
  • Es soll Einkommen geschützt werden, welches zentral der Lebensführung dient, die Inanspruchnahme von staatlichen Leistungen nach SGB II bzw. XII verhindert und nicht unter den Schutz der in den §§ 850 ff. ZPO aufgeführten Einkommensarten fällt (z.B. Leistungen der privaten Krankenversicherung, vgl. LG Berlin BeckRS 2016, 130373).
  • Es soll die Verschleuderung eines Vermögensgegenstands bei unklarer Rechtslage (BGH NJW-RR 2012, 398, 399) abgewendet werden.
  • Es ist offensichtlich, dass die Zwangsvollstreckung bewusst in eine für den Schuldner besonders wertvolle Sache erfolgen soll, obwohl zur Gläubigerbefriedigung ein gleichwertiges Vollstreckungsobjekt verfügbar ist (Ausnahme vom Grundsatz des freien Vermögenszugriffs).
  • Im Fall einer Wohnungsräumung kann Vollstreckungsschutz beansprucht werden, weil
    • eine Wohnung sicher und bald beziehbar für den Schuldner wird;
    • der Neuvermieter vertragsbrüchig geworden ist;
    • eine Obdachlosigkeit bei fortgeschrittener Schwangerschaft unzumutbar wäre.
  • Bei rechtswidriger Passivität der zuständigen staatlichen Stelle bei der Wohnungszurverfügungstellung.
  • Es besteht Suizidgefahr, wobei noch weitere Umstände hinzukommen müssen.

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8 Kommentare
  1. Maik
    says:

    Hallo. Bin in Privatinso seit April. Habe bisher ALG II erhalten. Zahlung immer am Anfang des Monats. Nun habe ich einen neuen Job, erstes Gehalt kommt zum Ende des Monats. Um den ersten Monat zu überstehen, hat mir das Jobcenter ein Darlehen angeboten. Dadurch würden im Grund im September zwei Mal pro Monat Gehalt aufs Konto kommen. Was dazu führen könnte, dass der Inso Verwalter zugreift. Darum habe ich Vollstreckungsschutz beantragt für Sep und Okt.. Nachdem ich über 5 Wochen keine Antwort vom Gericht erhalten habe, gab es heute die Auskunft, dass Vollstreckungsschutz nicht möglich sei. Man könne nur den Pfändunsgfreibetrag erhöhen. >Und nur für September. Ist das so okay? Gibt es andere Möglichkeiten?
    Danke

    • Dr. V. Ghendler
      says:

      Sehr geehrter Fragesteller,

      grundsätzlich müsste die Bescheinigung für September ausreichend sein. In diesem Monat müsste das Geld dann abgehoben werden, so dass im Oktober der Freibetrag wieder ausreicht.

      Mit freundlichen Grüßen

      Dr. V. Ghendler
      Rechtsanwalt, Fachanwalt für Insolvenzrecht

  2. Adolf V.
    says:

    KURZE SCHILDERUNG:
    Haftbefehl gegen mich ausgestellt wegen angebliche Weigerung der Vermögensabgabe.Die Ladungen sind falsch zugestellt worden wegen Umzug.
    Habe Formular Vermögensabgabe ausgefüllt u unterschrieben und warte bis Gerichtsvollzieher kommt mich verhaften will denn laut Gesetz hat der Schuldner es in der Hand den Haftbefehl auszusetzen indem man zur Abgabe bereit ist.Gerichtsvollzieher kommen Abends mit Polizei.DARF er sich weigern und sagen ist zu spät nehme Vermögensabgabe nicht ab was Haft bedeutet.Ist 100% der Haftbefehl bei Polizei im Fanhdungsliste obwohl keine Strafsachen ist.?

    • Andre Kraus
      says:

      Sehr geehrter Herr V.,

      durch die Abgabe der Vermögensauskunft fällt der Grund für den Haftbefehl weg. Der Haftbefehl wegen nicht abgegebener Vermögensauskunft wird nicht zur Fahndung ausgeschrieben. Kurzum: Durch die (nachträgliche) Vermögensauskunft können Sie die Inhaftierung abwenden.

      Mit freundlichen Grüßen

      A. Kraus
      Rechtsanwalt, Fachanwalt für Insolvenzrecht

  3. Adolf V.
    says:

    Haftbefehl ist ausgestellt.Ich will aber die VermögenAbgabe ableisten.Frage:
    Wenn Gerichtsvollzieher mit der Haft ankommt habe ich vor das Vernögensabgabeformular vorab auszufüllen und unterschrieben zu übergeben.Problem ist,ist Polizei dabei,

    • Andre Kraus
      says:

      Sehr geehrter Herr V.,

      ich habe Ihre Frage soeben beantwortet.

      Mit freundlichen Grüßen

      A. Kraus
      Rechtsanwalt, Fachanwalt für Insolvenzrecht

  4. Simone D.
    says:

    Ich habe den besonderen Vollstreckungsschutz im Rahmen meiner Privatinsolvenz, auf die Corona Sonderzahlung beantragt. Ich arbeite als Chefarztsekretärin im Krankenhaus über das auch ambulante Spezialsprechstunden stattfinden, somit ist hier ein erheblicher Patientenkontakt. Ich selbst zähle mit chron. Asthma bronchiale zur Risikogruppe. Diese Schilderung habe ich meinem Antrag an das Insolvenzgericht mit Nachweisen beigefügt. Fällt das umter den Vollstreckungsschutz oder eher nicht? Die Sonderzahlung lag bei 600 Euro wovon 300 Euro gepfändet wurden. Besten Dank im voraus für Ihr Statement.

    • Dr. V. Ghendler
      says:

      Sehr geehrte Frau D.,

      es ist möglich, hängt aber vom Einzelfall ab, ob die Sonderzahlung aufgrund Ihres Einsatzes und Ihrer Vorerkrankung für unpfändbar erklärt wird.

      Sehr geehrter Her J.,

      es ist nicht auszuschließen, dass der Insolvenzverwalter doch von der Forderung wusste, aber auf ihre Durchsetzung verzichtet hat. Selbst wenn die Forderung nicht angegeben wurde, können Sie sich mit dem genannten Einwand grundsätzlich nicht gegen die Inanspruchnahme verteidigen.

      Mit freundlichen Grüßen

      Dr. V. Ghendler
      Rechtsanwalt, Fachanwalt für Insolvenzrecht

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