Ehegatte als Mit-Darlehensnehmer oder Bürge – wann ist es sittenwidrig?

Ehegatte als Mit-Darlehensnehmer oder Bürge – wann ist es sittenwidrig?


Kreditaufnahme in Krisenzeiten


In wirtschaftlich rauen Zeiten und bei steigenden Zinsen ist es oft schwierig, einen Kredit zu bekommen. Sei es, dass eine Familie ein neues Auto braucht, eine Immobilie kaufen möchte oder eine andere größere Anschaffung plant.

Bei Doppelverdienern liegt es nahe, dass beide gemeinsam einen Kredit aufnehmen. Im Falle, dass es nur einen oder einen Haupt-Verdiener gibt, halten sich manche Kreditgeber und Banken trotzdem zusätzlich auch an den anderen Ehegatten, häufig die Ehefrau. Selbst wenn diese Person einkommenslos bzw. wirtschaftlich nicht leistungsfähig ist, lassen sie sie als Mit-Kreditnehmer oder als Bürgen mit unterscheiben.

So wollen sie sich zusätzlich absichern, falls der Haupt-Kreditnehmer, oft der Ehemann, nicht zahlt. Diese Praxis ist allerdings nicht immer rechtens. Mehr dazu erfahren Sie in diesem Beitrag.

Andre Kraus ist Fachanwalt für Insolvenzrecht und Gründer der KRAUS GHENDLER RUVINSKIJ Anwaltskanzlei. Seit 2012 ist er auf die Entschuldung und Beratung von Personen mit finanziellen Schwierigkeiten spezialisiert.

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Voraussetzungen der Sittenwidrigkeit

Ehegattenbürgschaften oder die Vereinbarung einer Mit-Kreditaufnahme mit dem anderen Ehegatten können unter bestimmten Voraussetzungen sittenwidrig und unwirksam sein. Die Voraussetzungen dafür sind:

  1. WIRTSCHAFTLICHES EIGENINTERESSE: Der betreffende Gatte kein eigenes wirtschaftliches Interesse an der Übernahme der Bürgschaft oder an dem Kredit hat. Ein  Eigeninteresse ist nur dann gegeben, wenn er durch die Kreditgewährung irgendwelche Vorteile hat oder gleichberechtigt über die  Verwendung des aufgenommenen Geldes mitentscheiden darf bzw. neben dem Gatten einen Anspruch auf Auszahlung erhalten und deshalb auch mit zur Rückzahlung verpflichtet werden soll. Anderenfalls ist er nicht als gleichberechtigter Mit-Kreditnehmer anzusehen.

    Sollen ein Haus, teure Möbel oder ein Familienauto von beiden Partnern genutzt werden, ist normalerweise ein Eigeninteresse gegeben. 

    Anders, wenn nur ein Gatte Eigentümer der finanzierten Sache wird, wenn er ein Auto z.B. allein nutzt oder wenn ein neuer Kredit nur der Umschuldung eines bisher auf ihn allein laufenden Darlehens dienen soll. Dann soll der andere Gatte ohne eigenen Nutzen nur zur Sicherung mit haften und mit verpflichtet werden.

  2. EMOTIONALE VERBINDUNG: Sittenwidrigkeit setzt ferner voraus, dass eine enge emotionale Verbindung zwischen Darlehensnehmer und Mit-Darlehensnehmer bzw. Bürgen besteht. Dies ist bei Gatten regelmäßig der Fall. Es ist meist zu vermuten, dass der Gatte die Mithaftung nur aus emotionaler Verbundenheit übernimmt, wenn er keinen eigenen geldwerten Nutzen hat.

  3. KRASSE FINANZIELLE ÜBERFORDERUNG. Darüber hinaus muss eine krasse finanzielle Überforderung des Mit-Kreditnehmers bzw. Bürgen gegeben sein. Hat er kein oder kaum Einkommen und keine anderen Mittel und kann deshalb die Zinsen/ Raten nicht zahlen, so ist auch diese Voraussetzung gegeben.

Sind die genannten Umstände für den Kreditgeber bzw. die Bank erkennbar, so ist die Verpflichtung des Gatten sittenwidrig und nichtig, er muss nicht für die Schulden haften. Die Erkennbarkeit wird dabei vermutet. Das heißt, die Bank hat ggf. zu beweisen, dass sie keine Kenntnis davon hatte, dass der betreffende Gatte die ihn völlig überfordernde Mithaftung ohne Eigeninteresse nur dem anderen Gatten zuliebe übernommen hat und dass sie diesen Umstand nicht in sittenwidriger Weise ausgenutzt hat,

Bild von den Händen eines Ehepaares

Besonderheiten in der Privatinsolvenz

Im Falle einer Privatinsolvenz des (Haupt-)Darlehensnehmers gilt folgendes:

Zwar wird bei der Insolvenz eines Verheirateten das Einkommen und Vermögen seines Ehepartners nicht gepfändet, sondern jeder haftet nur für seine eigenen Schulden.

Ist der andere Gatte aber Mit-Darlehensnehmer bzw. Bürge, so wird sich der Kreditgeber an ihn halten. Mit der Stellung des Insolvenzantrages geht die Darlehensschuld auf den Bürgen, also den andern Gatten, über. Die Bank verlangt dann von ihm allein die Zahlung, sofern die Bürgschaft/ die Darlehensvereinbarung mit ihm nicht aus dem o.g. Gründen unwirksam war.

Ist der Bürge allerdings auch nicht zahlungsfähig, kann der versuchen, mit der Bank einen Vergleich zu schließen. Im Extremfall, bei hohen Schulden und keinen Mitteln, muss er ggf. auch selbst den Weg der Privatinsolvenz  gehen.

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