1. Was passiert bei einer einstweiligen Verfügung?
Solange der Gläubiger vom Schuldner ein Tun oder ein Unterlassen fordern kann, was nicht die Zahlung einer Geldleistung zum Gegenstand hat, ist über die einstweilige Verfügung schneller Rechtsschutz für den Gläubiger möglich. Geht es um die Sicherung einer Geldforderung, muss der Gläubiger Arrest bei Gericht ersuchen. Abhängig davon, was das Gericht anordnet, wird zwischen verschiedenen Arten der einstweiligen Verfügung unterschieden: Sicherungs-, Regelungs und Leistungs- oder Befriedigungsverfügung. Die einzelnen Verfügungen werden nachfolgend erklärt.
a) Was passiert bei einer Sicherungsverfügung?
Die Sicherungsverfügung dient zur Sicherung eines Anspruchs gegen den Schuldner, der nicht eine Geldleistung vorsieht, z.B. die Herausgabe einer geschuldeten Sache.
Beispiel: Gläubiger G wurde ein Fahrrad entwendet, welches er einige Tage später im Fahrradgeschäfts des Schuldner S entdeckt. Als G von S die Herausgabe des Fahrrads verlangt, verweigert S dies, indem er sich auf den Kaufvertrag mit dem Unbekannten U beruft. Außerdem teilt G mit, das Fahrrad habe er heute Morgen an Fahrradfreak F verkauft, der es in zwei Tagen abholen komme. G fragt sich, was er noch unternehmen kann.
Betreibt ein Gläubiger gegen den Schuldner die zwangsweise Durchsetzung eines Anspruchs, kann es bis zur Entscheidung in der Sache einige Zeit in Anspruch nehmen.
Im Beispiel verlangt G von D Herausgabe des entwendeten Fahrrads. Da sich D weigert, muss G zunächst durch Klageerhebung einen Titel auf Herausgabe des Fahrrads erwirken, um (notfalls mithilfe eines Gerichtsvollziehers) das Fahrrad zurückzuerhalten. Bis dahin wird jedoch S das Fahrrad an F übergeben haben und damit die Durchsetzung des Herausgabeanspruchs vereiteln. Liegen die Voraussetzungen für den Erlass einer Sicherungsverfügung vor (dazu näheres unten), entscheidet das angerufene Gericht nach freiem Ermessen, wie der streitbefangene Gegenstand, im Beispiel das Fahrrad, „sichergestellt“ (§ 938 Abs. 2 ZPO) wird.
Dies kann durch Sequestration oder durch eine dem Schuldner auferlegte Verhaltenspflicht geschehen. Bei einer Sequestration wird die streitbefangene Sache weggenommen und einer vertrauensvollen Person zur Verwahrung übergeben, bis in der Hauptsache über den Gegenstand endgültig, im Beispiel Herausgabe oder Nicht-Herausgabe des Fahrrads, entschieden wird. Erlegt das Gericht dem Schuldner eine Verhaltenspflicht auf, kann es z.B. ein Handeln verbieten oder ein Gebot aussprechen. Im Beispiel könnte es entweder anordnen, dass das Fahrrad vorerst hinterlegt werden muss oder dass S eine Übergabe verboten wird.
b) Was passiert bei einer Regelungsverfügung?
Mit der Regelungsverfügung wird ein Rechtsverhältnis, also die Rechtsbeziehung zwischen zwei Rechtsträgern durch Anordnung erhalten oder gestaltet.
Beispiel: In einer oHG finden die Gesellschafter A und B heraus, dass der vertretungsbefugte C Gelder der oHG entgegen des Gesellschaftszwecks verschleudert.
Im Beispiel begehren die Gesellschafter A und B von C die Unterlassung weiterer Verfügungen über Gelder der Gesellschaft. Das Gericht wird C eine Regelungsverfügung auf Unterlassung aussprechen, wenn die Voraussetzungen hierfür bestehen. Dazu kann es C die Vertretungsbefugnis entziehen (was dann im Handelsregister vermerkt werden kann).
c) Was passiert bei einer Leistungs- oder Befriedigungsverfügung?
Bei einer Leistungs- und Befriedigungsverfügung erfolgt keine bloße Sicherung des behaupteten Anspruchs, sondern ausnahmsweise eine Befriedigung des Anspruchs des Gläubigers.
Sehr geehrte Damen und Herren,
zunächst der rechtliche Offenbarungseid: ich bin als Bezirksrevisor bei einem größeren Gericht tätig und von Verwandten um Hilfe gebeten worden. Ich muss mich nun rasch informieren. Ihre Homepage gefällt mir. Aus einem fingierten Schuldanerkenntnis, das einer 85 – jährigen Dame unter psychischem Druck und Täuschung abgerungen wurde, wurde rasch die Nachlassinsolvenz für den Gläubiger des Schuldanerkenntnisses in den Nachlass betrieben. Dieser versucht auf diese Weise die Umsetzung eines ebenfalls von der Erblasserin erschlichenen Ankaufsrechts hinsichtlich einer Wohnung.(Vormerkung) zu einem zuvor vereinbarten billigen Ankaufspreis umzusetzen. Es könnte einem übel werden…
Meine Frage: ich muss schnellstens gegen das notarielle Schuldanerkenntnis (beurkundete Unterwerfung unter die Zwangsvollstreckung) vorgehen. Wohl mit einer negativen Feststellungsklage. Kann in einem solchen Fall eine einstweilige Verfügung helfen? Aber mit welchem Antragsziel ? Es muss ja schnell gehen ! Das Insolvenzeröffnungsverfahren läuft.
Danke zumindest für Ihr Interesse am rechtlichen Problem. Wissen Sie sonst eine Lösung ? Vielleicht kann ich mal mit “Kosten” helfen…..
– Diskretion wird erbeten –
Gute Nacht
Ernst H.
Sehr geehrter Herr H.,
im einstweiligen oder schnellen Rechtsschutzverfahren vor den Zivilgerichten ist das Gericht an die Formulierung des Antrag nicht gebunden. Es kann nach freiem Ermessen jene Anordnung treffen, die es für angemessen hält, ohne eine Entscheidung in der Hauptsache vorwegzunehmen. Daher können Sie den Fall und die Eilbedürftigkeit dem zuständigen Gericht schildern und beantragen, dass eine effektive Anordnung zur Sicherung der Rechte des Betroffenen erlassen werden möge.
Mit freundlichen Grüßen
A. Kraus
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Insolvenzrecht