Gerichtsprozesse beim eröffneten Insolvenzverfahren

Was passiert mit den bereits anhängigen Verfahren?

Nicht selten werden zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch Gerichtsprozesse anhängig sein, die vom oder gegen den Schuldner als Prozesspartei geführt werden. Wie es um diese Verfahren bestellt ist und wie es weitergeht, soll in dem folgenden Beitrag aufgezeigt werden.

Fangen wir von vorne an. Eine Insolvenz führt zunächst dazu, dass der insolvente Schuldner seine Prozessführungsbefugnis verliert (vgl. § 80 Abs. 1 Insolvenzordnung (InsO)), welche sogleich auf den Insolvenzverwalter übergeht. Hat der Schuldner einen Anwalt beauftragt und ihm eine Prozessvollmacht erteilt, so erlischt diese (§ 117 InsO). Von nun an fällt das Verfahren also in die Zuständigkeit des Insolvenzverwalters. Dieser fungiert als Partei kraft Amtes und handelt in gesetzlicher Prozessstandschaft. Zustellungen erfolgen ab diesen Zeitpunkt allein an ihn.

Prozesse werden dabei – damit sich der Insolvenzverwalter auf diese einstellen kann – zunächst zum Stillstand gebracht. Wenn der Prozess einen Vermögensgegenstand betrifft, welcher zur Insolvenzmasse gehört, muss er unterbrochen werden und zwar gleichgültig, in welcher Lage er sich befindet (vgl. § 240 S.1 ZPO).

Der Stillstand tritt dabei kraft Gesetzes ein und zwar unabhängig davon, ob die Parteien oder das Gericht hiervon Kenntnis haben. Ein Antrag des Schuldners und ein gerichtlicher Beschluss sind damit nicht erforderlich.

Allerdings kann der Rechtsstreit in Gemäßheit der §§ 85 ff. InsO wieder aufgenommen werden. Ob der Schuldner dabei als Kläger oder Beklagter auftritt, ist irrelevant. Maßgeblich ist, ob es um einen Vermögensgegenstand geht, der der Insolvenzmasse zufließen würde (Aktivprozess) oder daraus abfließen würde (Passivprozess).

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Aktivprozesse

Wenn der Schuldner vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegen seinen Geschäftspartner Klage erhoben hat (Bsp.: Der Bauunternehmer X verklagt den Auftraggeber auf Zahlung des vereinbarten Werklohns), so wird dieses Verfahren durch die Insolvenz unterbrochen (§ 240 InsO).

Gericht

Je nachdem, ob es sich um einen Aktiv- oder Passivprozess handelt, gibt es unterschiedliche Dinge zu beachten.

Die Berechtigung diesen Prozess zu führen, geht dabei – wie oben beschrieben – vom Schuldner auf den Insolvenzverwalter über. Dieser kann den durch den Schuldner eingeleitet Prozess nun fortführen (§ 85 Abs. 1 S. 1 InsO), indem er einen entsprechenden Schriftsatz bei Gericht einreicht, welchen das Gericht der Gegenpartei zustellt (§ 250 ZPO). Bei Rechtsstreitigkeiten mit erheblichen Streitwert muss der Insolvenzverwalter gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 3 InsO die Zustimmung des Gläubigerausschusses (bzw. der Gläubigerversammlung) einzuholen.

Geschieht dies, wird der Prozess in die Lage versetzt, in der er sich zum Zeitpunkt der Unterbrechung befand. Dabei kann der Insolvenzverwalter alle Prozesshandlungen vornehmen, zu deren Vornahme an sich auch der Schuldner berechtigt ist (Klagerücknahme, Vergleich, Anerkenntnis, Erledigungserklärung etc.). Auch zur Einlegung von Rechtsmitteln ist er berechtigt.

Die Entscheidung für oder gegen eine Fortführung folgt Zweckmäßigkeitserwägungen. Besteht Aussicht auf ein Obsiegen und lohnt sich der Prozess, weil die Masse dadurch angereichert werden kann, wird der Insolvenzverwalter das Verfahren fortführen.

Wird der Prozess nun gewonnen, so fließt der Ertrag der Insolvenzmasse zu und kann zur (gleichmäßigen) Befriedigung der Insolvenzgläubiger eingesetzt werden. Verliert der Insolvenzverwalter den Prozess dagegen, werden die durch das Verfahren entstandenen Prozesskosten als sonstige Masseverbindlichkeiten i.S.v. § 55 Abs. 1 Nr. 1 behandelt, was durchaus teuer werden kann. Aus diesem Grund kann der Insolvenzverwalter in Risikofällen gehalten sein, einen Prozessfinanzierer zu suchen, der ihm dieses Risiko abnimmt.

Entscheidet sich der Insolvenzverwalter gegen die Fortführung des Prozesses, hat dies die Freigabe des streitbefangenen Gegenstandes zur Folge. Jetzt kann der Schuldner (oder der Prozessgegner) das unterbrochene Verfahren aufnehmen (§ 85 Abs. 2 InsO) und zwar ohne Beteiligung des Insolvenzverwalters.

Passivprozesse

Während eines laufenden Insolvenzverfahren ist es den Insolvenzgläubigern genommen, ihre Forderungen gegen den Schuldner auf gerichtlichem Wege geltend zu machen. Vielmehr sind sie gehalten, ihre Forderungen zur Insolvenztabelle anzumelden (§§ 87, 174 InsO). Die bereits eingeleiteten Verfahren werden unterbrochen (§ 240 InsO). Nur wenn eine Anmeldung scheitern sollte, kann das Verfahren weitergeführt werden ((§§ 179 Abs. 1, 180 Abs. 2 InsO).

Ein Scheitern in diesem Sinne liegt vor, wenn die angemeldete Forderung vom Insolvenzverwalter (oder einem anderen Gläubiger) bestritten wird. An die Stelle des Schuldners tritt dann der Insolvenzverwalter oder der bestreitende Gläubiger.

Sonstige Passivprozesse

Besser haben es sog. Massegläubiger (§ 86 Abs. 1 Nr. 3 InsO) und Aus- und Absonderungsberechtigte (§ 86 Abs. 1 Nr. 1, 2 InsO). Massegläubiger werden im Insolvenzverfahren bevorzugt befriedigt. Ihre Ansprüche sind dabei grundsätzlich solche, die erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden oder durch das Insolvenzverfahren selbst veranlasst worden sind (siehe auch § 55 InsO).  Aussonderungsberechtigte haben ein Recht an einem Gegenstand, der nicht zur Insolvenzmasse gehört. Sie können die Herausgabe des Gegenstandes verlangen. Absonderungsberechtige haben ein Recht auf gesonderte Befriedigung (d.h. außerhalb des eigentlichen Insolvenzverfahrens). Sie sind damit ebenfalls gegenüber den Insolvenzgläubigern privilegiert. Prozesse der genannten Personen können jederzeit fortgeführt werden.

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10 Kommentare
  1. Dr.  Wolfgang K.
    says:

    Sehr geehrter Herr Dr. Ghendler,
    welche Kosten sind mit dieser Aussage gemeint:
    “Verliert der Insolvenzverwalter den Prozess dagegen, werden die durch das Verfahren entstandenen Prozesskosten als sonstige Masseverbindlichkeiten i.S.v. § 55 Abs. 1 Nr. 1 behandelt,”
    Es geht um einen Fall, in dem der Gläubiger in der ersten Instanz vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens des Schuldners teilweise verloren hat, d.h. der Schuldner muss einen Teil der Gerichtskosten zahlen. Der Gläubiger hat Berufung eingelegt. Vor der mündlichen Verhandlung der Berufung hat der Schuldner Insolvenz angemeldet. Der Insolvenzverwalter hat das Berufungsverfahren wieder aufgenommen. Werden in einem sochen Fall die Kosten der ersten Instanz auch Masseverbindlichkeiten?
    Vielen Dank im Voraus.
    Mit freundlichen Grüßen
    WK

    • Dr. V. Ghendler
      says:

      Sehr geehrter Herr K.,

      danke für Ihre Frage. Die Kosten der Vorinstanz sind grundsätzlich, auch bei Wiederaufnahme durch den Verwalter, Insolvenzforderungen.

      Mit freundlichen Grüßen

      Dr. V. Ghendler
      Rechtsanwalt, Fachanwalt für Insolvenzrecht

  2. Elisabeth M.
    says:

    Folgender Fall: Eine GmbH wurde verklagt auf Rücknahme einer größeren Anlage, weil die Anlage plötzlich den gewünschten Anforderungen nicht entspräche. Im Verlauf des Prozesses meldet die GmbH aus betriebswirtschaftlichen Gründen Insolvenz an. Inwieweit steht persönliches Eigentum und Vermögen des GmbH-Inhabers (Geschäftsführer u. alleiniger Gesellschafter) zur Disposition? Ist der Prozess mit Insolvenz der GmbH eigentlich hinfällig?
    LG
    M.

    • Dr. V. Ghendler
      says:

      Sehr geehrte Frau M.,

      danke für Ihre Frage. Solange dem Geschäftsführer nicht vorgeworfen werden kann, dass er betrügerisch gehandelt hätte, kann die Forderung nicht gegen den Geschäftsführer persönlich durchgesetzt werden. Er ist insoweit vor Haftung geschützt.
      Solange im Rahmen der GmbH-Insolvenz keine Vorwürfe wie Insolvenzverschleppung, etc. aufgeworfen werden, bedeutet die Insolvenz grundsätzlich auch, dass Gläubiger ihre Forderungen nicht mehr durchsetzen können.

      Mit freundlichen Grüßen

      Dr. V. Ghendler
      Rechtsanwalt, Fachanwalt für Insolvenzrecht

  3. Bitte Nicht V.
    says:

    Sehr geehrter Herr Dr. Ghendler,

    kann der Kläger ( Bauunternehmer ) mitten im Prozess Insolvenz melden, wenn er seine Niederlage frühzeitig erkennt, sodass er die bereits entstandene Gericht / Gutachten und Anwaltskosten nicht zahlen müsste?

    Wenn so wäre, muss oder werde ich dann alle Kosten tragen?

    Lieben Dank

    • Dr. V. Ghendler
      says:

      Sehr geehrter Fragesteller,

      ja, Gerichtskosten, die vor Insolvenzeröffnung entstanden sind, fallen in der Regel unter die Restschuldbefreiung und sind demnach Insolvenzforderungen.
      Die andere Prozesspartei muss diese Kosten deswegen allerdings nicht tragen.

      Mit freundlichen Grüßen

      Dr. V. Ghendler
      Rechtsanwalt, Fachanwalt für Insolvenzrecht

  4. Jorge Kalau Vom H.
    says:

    Wie sieht es aus, wenn das Insolvenzverfahren eröffnet wird und danach erst eine Klage gegen den Schuldner rechtshängig wird? Ist diese dann unzulässig?

    LG
    Kalau

    • Dr. V. Ghendler
      says:

      Sehr geehrter Fragesteller,

      grundsätzlich schon, denn der Schuldner verliert mit Eröffnung des Verfahrens die Prozessführungsbefugnis, richtiger Klagegegner wäre also der Insolvenzverwalter. Insolvenzgläubiger können ihre Forderungen jedoch ohnehin nur nach den Regelungen der Insolvenzordnung geltend machen, müssen die Forderung also zur Insolvenztabelle anmelden. Wenn der Insolvenzverwalter die Forderung dann bestreitet, kann der Klageweg gewählt werden.

      Mit freundlichen Grüßen

      Dr. V. Ghendler
      Rechtsanwalt, Fachanwalt für Insolvenzrecht

  5. Johanna B.
    says:

    Ist der Kläger dazu verpflichtet bei einem Gerichtsverfahren zu sagen, dass gegen ihn ein Insolvenzverfahren läuft? Oder ist es zulässig, dass der Beklagte erst nach Abschluss des Vergleichs erfährt, dass er die zu bezahlende Summe an einen Insolvenzverwalter zu leisten hat?

    • Dr. V. Ghendler
      says:

      Sehr geehrte Frau Braunberger,

      grundsätzlich verliert der Schuldner bei Beginn des Insolvenzverfahrens die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über die Insolvenzmasse an den Insolvenzverwalter (§ 80 InsO). Dazu gehört auch die Rechtsstellung in Gerichtsverfahren. Daher ist es notwendig, dass der Gegner darüber informiert wird.

      Mit freundlichen Grüßen

      Dr. V. Ghendler
      Rechtsanwalt, Fachanwalt für Insolvenzrecht

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