2. Fallgestaltung: Lieferant oder Subunternehmer in der Insolvenz
Schwieriger sind die Konstellationen, in denen ein Lieferant oder Subunternehmer Insolvenz anmelden muss.
Dabei sollten Sie sich folgende Situation vorstellen:
Sie haben einen großen Auftrag erhalten. Gegenstand des Auftrags ist die Errichtung eines Kraftwerks oder einer anderen baulichen Anlage größeren Umfangs. Um die Auftrag ausführen zu können, benötigen Sie Baustoffe diverser Lieferanten und die Hilfe diverser Subunternehmer.
Ihnen steht nur ein sehr begrenzter Zeitraum zur Verfügung und einzelne Arbeitsschritte können nur ausgeführt werden, wenn der vorauszugehende erledigt wurde. Können Sie die vereinbarten Termine nicht einhalten, weil ein Subunternehmer nicht fristgerecht leistet, so sind Sie – wenn dies vereinbart wurde – gezwungen, eine Vertragsstrafe zu zahlen, deren Höhe eine erhebliche Belastung für Ihr Unternehmen darstellen kann. Die anderen Unternehmer, die ihre Tätigkeit wegen des ausgefallenen Subunternehmers nicht verrichten können, werden ungeduldig, springen ab oder verlangen gar Schadensersatz von Ihnen.
An dieser Stelle werden Sie sagen: Das war, das ist der Worst Case. Andererseits könnten man meinen, dass auch hier das Risiko irgendwie kalkulierbar ist, so z.B. anhand der Höhe der maximalen Vertragsstrafe. Zu kurz gedacht. Die Mehrkosten, die entstehen können, wenn der beschriebene Fall eintritt, können die Höhe der zu zahlenden Vertragsstrafe nämlich um ein Vielfaches überschreiten. Da hilft dann auch keine Erfüllungsgarantie. Außerdem besteht die Gefahr, dass der Großkunde abspringt, den Vertrag also kündigt. Der Schaden wäre in diesem Fall enorm und das nur, weil ein Glied in der Kette ausfällt.
Fragen stellen und beantworten
Die Fragen, die Sie sich also stellen müssen, sind die folgenden:
- Werden die geschuldeten Leistungen (in angemessener Zeit) noch erbracht?
- Welche (Folge-)Kosten sind mit dem aufgetauchten Problem verbunden?
Um diese Fragen beantworten zu können, müssen wir einen kleinen Ausflug in das Insolvenzrecht machen und uns anschauen, wie so ein Insolvenzverfahren abläuft.
Selten kommt es von jetzt auf gleich zur Insolvenz. Im Regelfall befand sich das Unternehmen schon einige Zeit vor Insolvenzreife in Schwierigkeiten. Die drohende Insolvenz deutete sich oft bereits dadurch an, dass der Unternehmer einzelne Auftragnehmer nicht mehr bedient hat oder (Zahlungs- oder Liefer-)Fristen nicht mehr einhalten konnte. Bei Werk- oder Dienstleistern kommt es häufiger vor, dass diese an Sie herantreten und mit der Einstellung ihrer Arbeiten drohen, sollten Sie die vereinbarten Zahlungen nicht sofort leisten.
Liegt Insolvenzreife vor, so ist die Geschäftsführung verpflichtet, einen Insolvenzantrag zu stellen. Laut Insolvenzordnung hat dies schon zu geschehen, wenn die Zahlungsunfähigkeit nur droht. In der Praxis kommt es jedoch leider sehr häufig vor, dass Geschäftsführer ihre Antragspflicht verletzen, was dazu führen kann, dass auch nach Insolvenzreife und in Unkenntnis von dieser noch Verträge geschlossen werden, die kurz darauf nicht mehr erfüllt werden können. Häufig ist es auch nicht die Unternehmensleitung, die den Antrag stellt, sondern ein Gläubiger. Werden z.B. die Sozialversicherungsbeiträge nicht mehr abgeführt, sind es die Sozialversicherungsträger, die zuerst tätig werden und einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens stellen.
Wurde nun ein (zulässiger) Antrag gestellt, kommt es in vielen Fällen vor, dass das Insolvenzgericht ein vorläufiges Insolvenzverfahren durchführt und einen sog. vorläufigen Insolvenzverwalter einsetzt. Dessen Aufgabe ist es, das noch vorhandene Vermögen zu sichern und zu prüfen, ob dieses Vermögen (noch) ausreicht, um die Verfahrenskosten zu decken. Ist letzteres nicht der Fall, so wird das Verfahrens mangels Masse eingestellt. Im Übrigen wird das Unternehmen aber zunächst fortgeführt. Nach ca. drei Monaten kommt es dann zur Eröffnung des eigentlichen Insolvenzverfahrens durch das zuständige Insolvenzgericht.
Nun müssen Sie sich aber folgende Frage stellen. Habe ich genügend Zeit, um die Entscheidung über ob und wie des Verfahrens abwarten zu können? Die Antwort dürfte denkbar einfach ausfallen. Nein, die Zeit habe ich nicht, denn ich brauche Klarheit im Hier und Jetzt und muss sofort reagieren können. Mit einem Subunternehmer in der Insolvenz ist das aber nicht zu machen. Dieser wird Ihnen nur in seltenen Fällen sagen können, wie es um die Erfüllung seiner Pflichten steht. Und die Entscheidung, ob Sie sich von dem Vertrag lösen und sich einen anderen Vertragspartner suchen sollten, wird er Ihnen wohl kaum abnehmen können. Aber davon abgesehen. Wollen Sie jemandem trauen (müssen), der – sofern er nicht untergetaucht ist – versprochen hat, er werde seine Pflichten erfüllen? Der behauptet hat, es bestünden keinerlei Schwierigkeiten finanzieller oder sonstiger Art. Auf keinen Fall.
Sie müssen sich also an den (vorläufigen) Insolvenzverwalter halten, oder? Das Problem dabei ist, dass dieser in den meisten Fällen noch nicht handlungsfähig ist, da er noch nicht voll in das Unternehmen eingestiegen ist. Außerdem geht die Stellung als vorläufiger Insolvenzverwalter grundsätzlich nicht mit der Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Unternehmens einher. In vielen Fällen hat das Gericht zwar einen sog. Zustimmungsvorbehalt angeordnet, der hilft Ihnen aber nicht. Dieser Vorbehalt hat lediglich zur Folge, dass die Geschäftsführung ihre Geschäfte nicht mehr alleine tätigen kann. Sie bedarf jetzt der Zustimmung des Verwalters, was im schlimmsten Fall dazu führt, dass das Unternehmen faktisch stillsteht.
Vorbehalt nur für Rechtsgeschäfte relevant
Im Übrigen ist dieser Vorbehalt nur für Rechtsgeschäfte relevant, die nach der Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters getätigt werden (sollen). Die Verträge, die davor abgeschlossen wurden, bleiben davon unberührt. Die Ansprüche aus diesen Verträgen sind nur Insolvenz- bzw. Tabellenforderungen, die erst einmal angemeldet werden müssen.
Und jetzt? Da Sie nun nicht der erste sind, dem sich dieses Problem stellt, haben sich die Gerichte um eine Lösung bemüht. Zu diesem Zweck ordnen die Gerichte nunmehr in einigen Fällen an, dass auch der vorläufige Insolvenzverwalter – in begrenztem Umfang – die Verfügungsbefugnis erhält.
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