Mein Geschäftspartner ist insolvent? Was tun?

1. Fallgestaltung: Kunde in Insolvenz

Diese Konstellation ist eigentlich unproblematisch. Die Zahlungsunfähigkeit eines Kunden ist weder in rechtlicher noch in tatsächlichen Hinsicht besonders kompliziert und daher kalkulier- und absicherbar.

Von der Auswahl des richtigen Vertragspartners mal abgesehen, bestehen folgende Möglichkeiten, sich vor der Zahlungsunfähigkeit und damit einem Forderungsausfall zu schützen:

  • Vereinbarung einer Vorauszahlung oder Ratenzahlung
  • Sicherung durch (Fremd-)Garantie oder Bürgschaft
  • Dingliche Sicherung (Grundpfandrechte, Sicherungsübereignung bzw. -abtretung, Eigentumsvorbehalt)

Wer eines dieser Sicherungsmittel einsetzt, für den sollte das Risiko einer Insolvenz des Vertragspartners überschaubar sein.

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2. Fallgestaltung: Lieferant oder Subunternehmer in der Insolvenz

Schwieriger sind die Konstellationen, in denen ein Lieferant oder Subunternehmer Insolvenz anmelden muss.

Dabei sollten Sie sich folgende Situation vorstellen:

Sie haben einen großen Auftrag erhalten. Gegenstand des Auftrags ist die Errichtung eines Kraftwerks oder einer anderen baulichen Anlage größeren Umfangs. Um die Auftrag ausführen zu können, benötigen Sie Baustoffe diverser Lieferanten und die Hilfe diverser Subunternehmer.

Ihnen steht nur ein sehr begrenzter Zeitraum zur Verfügung und einzelne Arbeitsschritte können nur ausgeführt werden, wenn der vorauszugehende erledigt wurde. Können Sie die vereinbarten Termine nicht einhalten, weil ein Subunternehmer nicht fristgerecht leistet, so sind Sie – wenn dies vereinbart wurde – gezwungen, eine Vertragsstrafe zu zahlen, deren Höhe eine erhebliche Belastung für Ihr Unternehmen darstellen kann. Die anderen Unternehmer, die ihre Tätigkeit wegen des ausgefallenen Subunternehmers nicht verrichten können, werden ungeduldig, springen ab oder verlangen gar Schadensersatz von Ihnen.

An dieser Stelle werden Sie sagen: Das war, das ist der Worst Case. Andererseits könnten man meinen, dass auch hier das Risiko irgendwie kalkulierbar ist, so z.B. anhand der Höhe der maximalen Vertragsstrafe. Zu kurz gedacht. Die Mehrkosten, die entstehen können, wenn der beschriebene Fall eintritt, können die Höhe der zu zahlenden Vertragsstrafe nämlich um ein Vielfaches überschreiten. Da hilft dann auch keine Erfüllungsgarantie. Außerdem besteht die Gefahr, dass der Großkunde abspringt, den Vertrag also kündigt. Der Schaden wäre in diesem Fall enorm und das nur, weil ein Glied in der Kette ausfällt.

Fragen stellen und beantworten

Die Fragen, die Sie sich also stellen müssen, sind die folgenden:

  1. Werden die geschuldeten Leistungen (in angemessener Zeit) noch erbracht?
  2. Welche (Folge-)Kosten sind mit dem aufgetauchten Problem verbunden?

Um diese Fragen beantworten zu können, müssen wir einen kleinen Ausflug in das Insolvenzrecht machen und uns anschauen, wie so ein Insolvenzverfahren abläuft.

Selten kommt es von jetzt auf gleich zur Insolvenz. Im Regelfall befand sich das Unternehmen schon einige Zeit vor Insolvenzreife in Schwierigkeiten. Die drohende Insolvenz deutete sich oft bereits dadurch an, dass der Unternehmer einzelne Auftragnehmer nicht mehr bedient hat oder (Zahlungs- oder Liefer-)Fristen nicht mehr einhalten konnte. Bei Werk- oder Dienstleistern kommt es häufiger vor, dass diese an Sie herantreten und mit der Einstellung ihrer Arbeiten drohen, sollten Sie die vereinbarten Zahlungen nicht sofort leisten.

Liegt Insolvenzreife vor, so ist die Geschäftsführung verpflichtet, einen Insolvenzantrag zu stellen. Laut Insolvenzordnung hat dies schon zu geschehen, wenn die Zahlungsunfähigkeit nur droht. In der Praxis kommt es jedoch leider sehr häufig vor, dass Geschäftsführer ihre Antragspflicht verletzen, was dazu führen kann, dass auch nach Insolvenzreife und in Unkenntnis von dieser noch Verträge geschlossen werden, die kurz darauf nicht mehr erfüllt werden können. Häufig ist es auch nicht die Unternehmensleitung, die den Antrag stellt, sondern ein Gläubiger. Werden z.B. die Sozialversicherungsbeiträge nicht mehr abgeführt, sind es die Sozialversicherungsträger, die zuerst tätig werden und einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens stellen.

Wurde nun ein (zulässiger) Antrag gestellt, kommt es in vielen Fällen vor, dass das Insolvenzgericht ein vorläufiges Insolvenzverfahren durchführt und einen sog. vorläufigen Insolvenzverwalter einsetzt. Dessen Aufgabe ist es, das noch vorhandene Vermögen zu sichern und zu prüfen, ob dieses Vermögen (noch) ausreicht, um die Verfahrenskosten zu decken. Ist letzteres nicht der Fall, so wird das Verfahrens mangels Masse eingestellt. Im Übrigen wird das Unternehmen aber zunächst fortgeführt. Nach ca. drei Monaten kommt es dann zur Eröffnung des eigentlichen Insolvenzverfahrens durch das zuständige Insolvenzgericht.

Nun müssen Sie sich aber folgende Frage stellen. Habe ich genügend Zeit, um die Entscheidung über ob und wie des Verfahrens abwarten zu können? Die Antwort dürfte denkbar einfach ausfallen. Nein, die Zeit habe ich nicht, denn ich brauche Klarheit im Hier und Jetzt und muss sofort reagieren können. Mit einem Subunternehmer in der Insolvenz ist das aber nicht zu machen. Dieser wird Ihnen nur in seltenen Fällen sagen können, wie es um die Erfüllung seiner Pflichten steht. Und die Entscheidung, ob Sie sich von dem Vertrag lösen und sich einen anderen Vertragspartner suchen sollten, wird er Ihnen wohl kaum abnehmen können. Aber davon abgesehen. Wollen Sie jemandem trauen (müssen), der – sofern er nicht untergetaucht ist – versprochen hat, er werde seine Pflichten erfüllen? Der behauptet hat, es bestünden keinerlei Schwierigkeiten finanzieller oder sonstiger Art. Auf keinen Fall.

Sie müssen sich also an den (vorläufigen) Insolvenzverwalter halten, oder? Das Problem dabei ist, dass dieser in den meisten Fällen noch nicht handlungsfähig ist, da er noch nicht voll in das Unternehmen eingestiegen ist. Außerdem geht die Stellung als vorläufiger Insolvenzverwalter grundsätzlich nicht mit der Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Unternehmens einher. In vielen Fällen hat das Gericht zwar einen sog. Zustimmungsvorbehalt angeordnet, der hilft Ihnen aber nicht.  Dieser Vorbehalt hat lediglich zur Folge, dass die Geschäftsführung ihre Geschäfte nicht mehr alleine tätigen kann. Sie bedarf jetzt der Zustimmung des Verwalters, was im schlimmsten Fall dazu führt, dass das Unternehmen faktisch stillsteht.

Vorbehalt nur für Rechtsgeschäfte relevant

Im Übrigen ist dieser Vorbehalt nur für Rechtsgeschäfte relevant, die nach der Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters getätigt werden (sollen).  Die Verträge, die davor abgeschlossen wurden, bleiben davon unberührt. Die Ansprüche aus diesen Verträgen sind nur Insolvenz- bzw. Tabellenforderungen, die erst einmal angemeldet werden müssen.

Und jetzt?  Da Sie nun nicht der erste sind, dem sich dieses Problem stellt, haben sich die Gerichte um eine Lösung bemüht. Zu diesem Zweck ordnen die Gerichte nunmehr in einigen Fällen an, dass auch der vorläufige Insolvenzverwalter – in begrenztem Umfang – die Verfügungsbefugnis erhält.

Zwei Männer reichen sich die Hand.

Je nachdem, ob der insolvente Geschäftspartner Kunde, Lieferant oder Subunternehmer ist, gibt es unterschiedliche Besonderheiten zu beachten.

Aber was heißt das jetzt? Wird der Insolvenzverwalter den Vertrag auch erfüllen?

Ja, denn § 103 der Insolvenzordnung (InsO) vermittelt dem Insolvenzverwalter die Befugnis, den eingegangenen Vertrag zu erfüllen und vom anderen Teil – also Ihnen – die Erfüllung zu verlangen. Die Frage, ob der Insolvenzverwalter von diesem Recht Gebrauch machen wird oder nicht, hängt dabei entscheidend von einer anderen Frage ab. Kommt es, wenn der Vertrag erfüllt wird (d.h. die Auftragsarbeiten ausgeführt werden), zu einem Vermögenszuwachs auf Schuldnerseite? Wenn also die noch ausstehenden Zahlungen, die der insolvente Schuldner erhalten soll, die noch zu erledigenden Aufgaben bzw. Aufwendungen übersteigen, dann lohnt es sich aus Sicht des Insolvenzverwalters, den Vertrag noch zu erfüllen. Sind Sie dagegen in Vorleistung getreten und sind keine (nennenswerten) Leistungen ihrerseits zu erwarten, dann wird der Insolvenzverwalter die Vertragserfüllung ablehnen.

Was lernen wir daraus? Sollte der Auftrag von der Mitwirkung anderer abhängen und sich über einige Monate ziehen, macht es keinen Sinn, den Subunternehmer im Voraus zu bezahlen. Stattdessen sollte Zug um Zug geleistet werden oder der Subunternehmer erst bezahlt werden, wenn die Arbeiten abgeschlossen sind. Ggf. kann das zu errichtende Werk ja in Teilen abgenommen und vergütet werden. Ein Unternehmer, der bereits in Schieflage geraten ist, wird solche Zahlungsbedingungen freilich kaum akzeptieren. Ob der Insolvenzverwalter von seinem Wahlrecht Gebrauch machen wird und dabei die für Sie günstige Entscheidung trifft, wird sich aber erst im Hauptverfahren herausstellen. Im vorläufigen Insolvenzverfahren ist die gewünschte Entscheidung regelmäßig nicht zu bekommen. Insoweit müssen Sie abwarten.  Es lohnt sich aber, mit dem (vorläufigen) Insolvenzverwalter in Kontakt zu bleiben, um das Ergebnis schnellstmöglich in Erfahrung zu bringen.

Abwarten?

Wenn Ihnen dieser Zeitraum nicht zur Verfügung steht, sollten Sie eine Kündigung oder einen Rücktritt in Erwägung ziehen. Dabei gilt es allerdings folgendes zu beachten:

Wer keinen anderen Subunternehmer an der Hand hat, der die gewünschten Arbeiten zeitnah ausführen kann, der hat nichts gewonnen.

Im Übrigen bedarf es für die Wirksamkeit der Kündigung natürlich eines Kündigungsgrundes.

Häufig wurden Klauseln in den Vertrag aufgenommen, die es dem einen Teil ermöglichen sollen, sich im Falle einer Insolvenz bzw. Beantragung einer solchen von dem Vertrag lösen zu können.  

Sieht die Klausel vor, dass bei bzw. wegen der Eröffnung des Hauptverfahrens gekündigt werden darf, so ist diese unwirksam. Würde man Gegenteiliges annehmen, würde man dem Insolvenzverwalter nämlich das Wahlrecht nehmen. Ob eine Klausel, die eine Kündigung bereits wegen der Antragsstellung möglich macht, wirksam ist, ist hoch umstritten. Sie sollten sich also nicht auf den Kündigungsgrund „Insolvenz“ verlassen.  

Sinnvoll ist es, die Kündigung (bzw. den Rücktritt) auf eine Vertragspflichtverletzung (z.B. nicht oder nicht rechtzeitige Erfüllung) oder einen anderen vertraglich vereinbarten Kündigungs- oder Rücktrittsgrund zu stützen. Aber auch hier ist Vorsicht geboten, wer z.B. den Rücktritt erklärt, der bewirkt, dass das ursprüngliche Vertragsverhältnis in ein sog. Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt wird. Das heißt, er muss alle bereits erhalten Gegenstände und Leistungen herausgeben. Unkörperliche Leistungen können regelmäßig nicht herausgegeben werden und sind deshalb in Geld zu ersetzen. Der eigene Anspruch auf Rückgewähr des gezahlten Geldes ist dabei eine bloße Insolvenzforderung, die wie alle anderen behandelt wird.

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Aber was kann ich machen, wenn der Vertrag wirksam gekündigt wurde oder der Insolvenzverwalter sich weigert, den Vertrag zu erfüllen?

In einem solchen Fall kann es von Vorteil sein, wenn man einen anderen Auftragnehmer an der Hand hat, der an die bereits geleisteten und durch Anzahlung abgegoltenen Arbeiten anknüpfen kann. Im besten Fall hat man sich die Werk- bzw. Fertigungsunterlagen direkt nach Vertragsschluss bzw. Erstellung aushändigen lassen. Diese können dann die Arbeitsgrundlage für den anderen Unternehmer bilden. Wurde die Herausgabe zwar vereinbart, ist diese aber noch nicht erfolgt, so können Sie sich an den Insolvenzverwalter halten, was freilich nur zum Erfolg führen wird, wenn der Vertrag noch besteht, d.h. noch nicht wirksam gekündigt wurde.

Die in diesen Zusammenhängen oftmals erwähnte Anfechtung der Zahlung oder der Erfüllungswirkung führt oft nicht zu dem gewünschten Ergebnis und soll deshalb an dieser Stelle nur erwähnt werden.

Schlussendlich lässt sich sagen, dass es keine Musterlösung für die hier aufgeworfenen Probleme gibt. Eines sollte allerdings klar geworden sein: Es ist besonders wichtig, schnell zu agieren. Gehen Sie deshalb auf den (vorläufigen) Insolvenzverwalter zu und wirken Sie auf eine schnelle Lösung des Problems hin. Ziehen Sie eine rechts- und fachkundige Person hinzu und lassen Sie sich beraten und kommunizieren Sie aufkommende Probleme rechtzeitig mit den anderen Vertragspartnern. Und wie sonst im Leben gilt auch hier, Vorsicht ist besser als Nachsicht. Gestalten Sie Ihre Verträge also so, dass Sie die richtige Wirkung entfalten, wenn der Fall eintritt, für den diese Verträge konzipiert wurden.

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