Die Insolvenz eines Genossenschaftsmitglieds

Was passiert bei der Insolvenz eines Genossenschaftsmitgliedes?

Zunächst einmal ist die Insolvenz eines Genossenschaftsmitgliedes wie jede andere Insolvenz zu behandeln.

Im Kern stellt sich dabei jedoch meist die Frage, ob der meist einzige Vermögenswert des Schuldners, der Genossenschaftsanteil bzw. das Auseinandersetzungsguthaben, der Insolvenzmasse zufließt.

Dies ist grundsätzlich zu bejahen, wie sich aus den §§ 35 I, 80 I, 148 I InsO ergibt. Somit kann er auch durch den Insolvenzverwalter im Rahmen einer Privat- oder Regelinsolvenz verwertet werden.

In Kürze:

  • Grundsätzlich sind Genossenschaftsanteile in einem Insolvenzverfahren verwertbar.
  • Von dem grundsätzlichen Aufrechnungsverbot (bspw. hinsichtlich ausstehender Mietzahlungen) gibt es Ausnahmen.
  • Mieter werden in ihrem Wohnrecht jedoch geschützt

In diesem Artikel zeigen wir Ihnen die Einzelheiten rund um die Frage einer Insolvenz eines Genossenschaftsmitgliedes sowie die jeweiligen Besonderheiten, die sich dadurch ergeben.

Andre Kraus ist Fachanwalt für Insolvenzrecht und Gründer der KRAUS GHENDLER RUVINSKIJ Anwaltskanzlei. Seit 2012 ist er auf die Entschuldung und Beratung von Personen mit finanziellen Schwierigkeiten spezialisiert.

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Genossenschaftsanteile sind grundsätzlich verwertbar

Wie bereits dargestellt, kann ein Insolvenzverwalter die Genossenschaftsanteile eines Insolvenzschuldners im Rahmen des Insolvenzverfahrens zu Gunsten der Gläubiger verwerten. Sie fließen, wie auch die meisten übrigen Vermögenswerte, der sogenannten Insolvenzmasse zu und werden Teil der Insolvenztabelle, vgl. § 66a GenG.

Der Insolvenzverwalter kündigt zu diesem Zwecke schlicht und einfach die Mitgliedschaft auf. Dass dies zulässig ist, hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 29.06.2004 bestätigt (Az.: IX ZR 147/03).

Dies ist natürlich mit erheblichen Nachteilen für die Genossenschaft behaftet. Denn das Auseinandersetzungsguthaben fließt der Insolvenzmasse ohne Aufrechnungsmöglichkeit zu. Dazu gibt es jedoch eine Ausnahme:

Dann kann die Genossenschaft mit Forderungen aufrechnen

Wenn bereits vor Verfahrenseröffnung eine Eigenkündigung des Nutzers erfolgt ist, gilt das Aufrechnungsverbot gem. § 96 InsO NICHT. Denn das insolvenzrechtliche Normgeflecht wird grundsätzlich erst mit Eröffnung des Verfahrens wirksam. Dies ist eine Möglichkeit, mit der die Genossenschaft doch noch in den Genuss einer Aufrechnung kommen kann.

Eine andere in der Praxis oft angewandte Methode ist es, über vertragliche Regelungen eine frühzeitige Aufrechnung zu gewährleisten. Konkret wird dabei im Nutzungsvertrag eine individuell vereinbarte Vorausabtretung des Rückzahlungsanspruches für Auseinandersetzungsguthaben sicherheitshalber festgelegt. Somit entsteht der Auszahlungsanspruch der Genossenschaft bereits vor der gesetzlichen Beschlagnahmewirkung des Insolvenzverfahrens.

So werden Mieter geschützt

Seit dem 19.07.2013 sind mit den §§ 66a, 67c GenG Regelungen in Kraft getreten, die die jeweiligen Nutzer einer Wohnungsgenossenschaft schützen. Insbesondere der § 67c GenG soll verhindern, dass die betroffenen Personen durch das Insolvenzverfahren ihre Wohnung verlieren. Diese als unbedingt nötig einzustufende Privilegierung der Mieter einer Wohnungsgenossenschaft, soll einen wirtschaftlichen Neustart ermöglichen. Dass hierzu auch ein Dach über dem Kopf gehört, sollte dabei schließlich selbstverständlich sein.

Einschränkungen in der Höhe der Einziehung

Zudem gibt es auch Einschränkungen hinsichtlich der Höhe der Einziehungsbefugnis des Insolvenzverwalters. Nach § 67c GenG ist ihm nämlich nur noch eine Kündigung (und damit Einziehung) erlaubt, wenn die Anteile einen Betrag in Höhe des vierfachen Netto-Nutzungsentgelts übersteigen, wobei hier der Höchstbetrag von 2000 € gilt. Denn Kapitalanlagen sollen wiederum nicht geschützt werden. Bezugspunkt ist dabei das zum Zeitpunkt der Kündigung bestehende Geschäftsguthaben in der letzten Bilanz – nicht der Geschäftsanteil und nicht der Auseinandersetzungsanspruch.

Dabei hat der Insolvenzverwalt gem. 80 I InsO auch einen Auskunftsanspruch. Die zweite Schwelle von 2000 € greift dann ein, wenn mehrere Geschäftsanteile gezeichnet werden, die das vierfache Nutzungsentgelt übersteigen, jedoch Pflichtanteile der Genossenschaft darstellen. Damit soll die Wohnberechtigung des Mitglieds erhalten werden.

Sofern jedoch über freiwillige Genossenschaftsanteile eingezahlt wurde, ist eine Kündigung des Insolvenzverwalters über die genannte Grenze zulässig.

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Sie haben eine allgemeine Frage zum Thema “Insolvenz eines Genossenschaftsmitgliedes”? Wir beantworten sie hier kostenlos!

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10 Kommentare
  1. C. R.
    says:

    Hallo,

    ich habe eine Baugenossenschaft aufgetan, die in ihrer Satzung folgendes enthalten hat:

    “Das Mitglied der Genossenschaft wird zum Ende des Geschäftsjahres ausgeschlossen, wenn über sein Vermögen ein Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gestellt wurde.”

    Die Mitgliedschaft ist an die Wohnberechtigung gebunden.

    Die Geschäftsanteile weisen einen Wert von unter 2000 Euro aus und können zumindest vom Insolvenzverwalter nicht gekündigt werden.

    Ist es rechtens, dass Person X, wenn er einen Antrag auf Privatinsolvenz stellt von dieser Genossenschaft gekündigt und damit wohnungslos wird?

    Vielen Dank

    Herzliche Grüße

    • Andre Kraus
      says:

      Sehr geehrter Herr R.,

      die insolvenzbezogene Klausel könnte unwirksam sein, da Sie in das Recht des Insolvenzverwalters eingreift, über die Fortsetzung oder Beendigung eines Dauerschuldverhältnisses zu bestimmen. Damit wäre eine hierauf basierende ausgesprochene Kündigung unwirksam. Dies kann aber abschließend nur im Rahmen eines Mandats beurteilt werden. Weitere Informationen enthält hierzu unser Artikel Insolvenzbezogene Kündigungsklausel – Wirksam?

      Mit freundlichen Grüßen

      A. Kraus
      Rechtsanwalt, Fachanwalt für Insolvenzrecht

  2. Paula
    says:

    Schönen guten Tag,
    wie sieht es in der Wohlverhaltensperiode mit der Ausschüttung der Dividenden für die Genossenschaftsanteile aus?

    Die Genossenschaft hält diese fest mit der Begründung der PI, zahlt diese aber auch nicht an den IV/TH aus. Wem stünde dieser Ertrag den zu?

    Lieben Dank
    MfG Paula

    • Dr. V. Ghendler
      says:

      Sehr geehrte Fragestellerin,

      in der Wohlerhaltensphase steht dem Insolvenzverwalter nur noch das pfändbare Arbeitseinkommen zu. Dividenden gehören grundsätzlich nicht dazu.
      Weigert sich die Genossenschaft, sollte eine Klarstellung beim Insolvenzgericht beantragt werden.

      Mit freundlichen Grüßen

      Dr. V. Ghendler
      Rechtsanwalt, Fachanwalt für Insolvenzrecht

  3. Dennjamin
    says:

    Hallo, ich ziehe zum 1.12.21 in eine Genossenschaftswohnung, die Genossenschaftsanteile in Höhe von 1042€ wurden durch meine Eltern eingezahlt. Die Kaltmiete beträgt 328€, Warmmiete 430€. Außerdem habe ich die oben genannte Vorausabtretung unterschrieben. Da ich nun um eine Privatinsolvenz nicht mehr herumkomme, wüsste ich gern, ob meine Wohnung bzw die Genossenschaftsanteile damit “sicher” sind?
    Und noch eine weitere Frage, fernab des oben genannten Themas: ich bin Alleinstehend und habe keine Kinder, arbeite mit 140h pro Monat (also 35h/Woche) jedoch in Teilzeit – könnte mich ein Insolvenzverwalter dazu “zwingen”, mich anderweitig zu bewerben? Meine Anstellung ist unbefristet und ich werde von meinem Arbeitgeber nach Tarifvertrag bezahlt. Mein Stundenmodell ist in der Branche (Handel) bereits das maximale, mehr Stunden bekommen in der Regel nur Führungskräfte – wofür ich nicht qualifiziert bin.

    Viele Grüße

    • Dr. V. Ghendler
      says:

      Sehr geehrter Fragesteller,

      vielen Dank für Ihre Frage. Grundsätzlich wäre es in dem Fall meines Erachtens so, dass der Wert des Genossenschaftsanteils unterhalb des Schwellenwerts (vier mal Kaltmiete) liegt und somit die Kündigung gemäß § 67c GenG ausgeschlossen ist.
      Eine verbindliche Beurteilung kann ich nur im Rahmen eines Mandats geben.

      Mit freundlichen Grüßen

      Dr. V. Ghendler
      Rechtsanwalt, Fachanwalt für Insolvenzrecht

  4. Hi. A.
    says:

    Hallo,

    wenn ich bereits in einem Insolvenzverfahren bin und dieses nächstes Jahr abgeschlossen ist, kann ich trotzdem noch eine Wohnung annehmen zudem ich in eine Baugenossenschaft eintreten muss?

    Mit freundlichen Grüßen

    Hiag

    • Dr. V. Ghendler
      says:

      Sehr geehrter Fragesteller,

      grundsätzlich ist dies in der Wohlverhaltensphase problemlos möglich. Natürlich müssen die Genossenschaftsanteile aus dem unpfändbaren Vermögen/Einkommen erworben werden.

      Mit freundlichen Grüßen

      Dr. V. Ghendler
      Rechtsanwalt, Fachanwalt für Insolvenzrecht

  5. Schaalklaus
    says:

    Hallo,

    in einer Genossenschaft,für Wohnungsbau wurde für einen eigenen Hausbau ein Genossenachsaftsnteil von xxT E eingezahlt.
    Nach 5 Jahren ist die Genolssenschaft insolvent.
    Kann der Kunde seinen Anteil zurückfordern und einen Titel beim Insovenzverwalterf erhalten?

    Danke für Ihre Antwort

    • Andre Kraus
      says:

      Sehr geehrter Fragesteller,

      wenn die Genossenschaft insolvent ist, läuft eine Rückforderung in der Regel ins Leere. Sie können die Forderungen gegen einen insolventen Schuldner zur Eintragung in die Insolvenztabelle eintragen. Gelangt die Forderung zur Insolvenztabelle, kommt die Eintragung einer Titulierung der Forderung gleich. Der Insolvenzverwalter selbst ist aller Regel nicht befugt eine Titulierung vorzunehmen.

      Mit freundlichen Grüßen

      A. Kraus
      Rechtsanwalt, Fachanwalt für Insolvenzrecht

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