Kein Gläubiger meldet Forderung im Insolvenzverfahren an – Und jetzt?

Was passiert, wenn kein Gläubiger seiner Forderung anmeldet? 

Mandanten fragen uns im Vorfeld eines beabsichtigten Insolvenzverfahrens oder während wir ihres betreuen, wie die Rechtslage ist, wenn keiner ihrer Gläubiger eine Forderung anmeldet. Was beim ersten unbefangenen Lesen doch eher als seltener Fall von den Meisten eingestuft werden würde, stellt sich in der Praxis als immer wieder auftauchendes Phänomen dar. Die Gründe hierfür sind unterschiedlicher Natur. Spätestens mit dem Beschluss des BGH vom 17. März 2005 – IX ZB 214/04 ist jedoch klar, dass dann für den Insolvenzschuldner die schnelle Restschuldbefreiung möglich ist, bevor die eigentliche Frist bis zur Restschuldbefreiung verstrichen ist. Diese Rechtsprechung hat der Gesetzgeber auch gesetzlich in § 300 InsO verankert.

Der folgende Beitrag erläutert Ihnen, warum Gläubiger ihre Forderungen oftmals nicht anmelden, ob eine sofortige Restschuldbefreiung möglich ist und welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, um eine vorzeitige Restschuldbefreiung zu erreichen. 

Andre Kraus ist Fachanwalt für Insolvenzrecht und Gründer der KRAUS GHENDLER RUVINSKIJ Anwaltskanzlei. Seit 2012 ist er auf die Entschuldung und Beratung von Personen mit finanziellen Schwierigkeiten spezialisiert.

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Warum melden Gläubiger keine Forderung an? 

Die Gründe, weshalb Gläubiger ihre Forderungen gegen den insolventen Schuldner nicht anmelden, sind mannigfaltig. Manche Gläubiger bekommen z.B. trotz Eröffnungsbeschluss und Veröffentlichung des Insolvenzverfahrens in dem dafür vorgesehenen Register über Insolvenzbekanntmachung nicht mit, dass über dem Vermögen des Schuldners das Insolvenzverfahren eröffnet wurde; und dies, obwohl die Gläubiger vom Insolvenzgericht durch Zustellung des Eröffnungsbeschluss hiervon eigentlich Kenntnis erlangen sollten und in dem Schreib aufgefordert werden, Ihre Forderungen zur Insolvenztabelle anzumelden.

Anderen Gläubigern erscheint das Prozedere zur Geltendmachung Ihrer Insolvenzforderungen zu lästig. Denn die bloße Behauptung, man habe eine Forderung gegen den Schuldner wird in der Regel vom Insolvenzverwalter bestritten. Damit besteht für alle Gläubiger faktisch von Anfang an die Last, Ihre Forderungen in Bestand und Höhe nachzuweisen. Oft wird diese Mühe gescheut.

Zudem vermuten Gläubiger, dass auch das Insolvenzverfahren nicht zur Befriedigung Ihrer Forderungen führen dürfte. Denn dem Insolvenzverfahren sind meist über einen längeren Zeitraum hinweg fruchtlose Zahlungsaufforderungen vorausgegangen. Dabei ist den Gläubiger meist die Vermögenslosigkeit des Schuldners bewusst und räumen daher auch dem Insolvenzverfahren keine großen Chancen ein, Ihre Forderungen begleichen zu können. 

Ein weiterer Grund besteht in der meist sehr gering ausfallenden Insolvenzquote. D.h. selbst die wirksame Anmeldung der Forderung zur Insolvenztabelle führt im Ergebnis dazu, dass nur ein Bruchteil der Summe an den Gläubiger am Ende des Verteilungsverfahrens ausgeschüttet wird. Das Verhältnis zwischen Aufwand und Ertrag hält Gläubiger daher regelmäßig davon ab, Ihre Forderungen im Insolvenzverfahren anzumelden. 

Sofortige Restschuldbefreiung möglich? 

Grundsätzlich gilt für Insolvenzverfahren, die nach dem 30. September 2020 beantragt worden sind (Neuverfahren), eine 3 jährige Abtretungsfrist. Nach Ablauf von 3 Jahren erhalten Sie die Restschuldbefreiung. Bei Insolvenzverfahren, die vor dem 1. Oktober 2020 beantragt worden sind (Altverfahren), gilt eine differenzierte Dauer bis zur Restschuldbefreiung, die von 3 bis 6 Jahren dauern kann. Sowohl für erstgenannte Insolvenzverfahren als auch für die letztgenannten gilt, dass auch schon vor Ablauf von 3 Jahren eine Restschuldbefreiung möglich ist. Dies regelt für vor dem 1. Oktober 2020 beantragte Insolvenzverfahren § 300 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 InsO a.F. und für nach dem 30. September 2020 beantragte Insolvenzverfahren § 300 Abs. 2 Satz 1 InsO n.F. Meldet kein Gläubiger seine Forderungen an, können Sie bereits die Restschuldbefreiung erhalten, ohne 3 Jahre oder länger warten zu müssen. Auch Ihre Lohnpfändung endet damit vorzeitig. Die genauen Voraussetzungen hierfür und was Sie als Insolvenzschuldner hierfür tun müssen, erfahren Sie im nächsten Abschnitt. 

Voraussetzungen für vorzeitige Restschuldbefreiung 

Die Voraussetzungen für eine sofortige bzw. vorzeitige Restschuldbefreiung schon vor Ablauf der dreijährigen Abtretungsfrist sind für die neuen Insolvenzverfahren sind in § 300 Abs. 2 Satz 1 InsO, für Altverfahren indes in § 300 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 InsO a.F. geregelt. Die Voraussetzungen sind in beiden Fällen identisch:

  1. Sie müssen die vorzeitige Restschuldbefreiung beantragen. Zwar gibt es eine vereinzelt gebliebene Entscheidung des Amtsgerichts Göttingen (Aktenzeichen: 71 IK 123/15 NOM), in der erklärt worden ist, dass der Insolvenzschuldner nicht mal einen Antrag hierfür stellen müsse. Aber diese Entscheidung ist mit dem Wortlaut der Norm nicht vereinbar, die eine Antragstellung hierfür verlangt. Daher verlassen Sie sich nicht darauf, dass die Restschuldbefreiung automatisch vorzeitig erteilt würde, wenn kein Gläubiger am Insolvenzverfahren mit seiner Forderung teilnimmt.
  1. Wie oben angesprochen ist zentrale Voraussetzung für die sofortige bzw. vorzeitige Erteilung der Restschuldbefreiung, dass kein Gläubiger seine Forderung angemeldet hat.
  1. Ferner müssen die im Insolvenzverfahren begründeten Masseverbindlichkeiten bedient worden sein. Was das ist, erklären wir im Abschnitt Was sind Masseverbindlichkeiten und Massekosten? im Beitrag zur Insolvenzmasse. Im Verbraucherinsolvenzverfahren oder Privatinsolvenzverfahren fallen regelmäßig keine Masseverbindlichkeiten an.
  1. Die letzte Voraussetzung formuliert das Gesetz mit den Worten: „hat der Schuldner die Kosten des Verfahrens […] berichtigt“. Bei dieser Formulierung stellten sich Juristen die Frage, ob es ausreicht, dass der Schuldner eine Verfahrenskostenstundung gemäß § 4a InsO bewilligt bekommen hat; oder ist es erforderlich, dass der Insolvenzschuldner tatsächlich die Verfahrenskosten bezahlt hat? Die erste schuldnerfreundliche Ansicht vertrat das o.g. Amtsgericht Göttingen. Die andere Ansicht vertrat das Amtsgericht Norderstedt (Aktenzeichen: 65 IK 218/14). Der Bundesgerichtshof hat in seinem Beschluss vom 22. September 2016 – IX ZB 29/16 klargestellt, dass eine Verfahrenskostenstundung nicht ausreicht. Vielmehr müssen die Verfahrenskosten tatsächlich von Schuldner bezahlt worden sein. Es reicht auch nicht aus, dass sich auf dem Konto des Insolvenzverwalters durch die Pfändung die erforderliche Summe befindet.

Wie Sie die Höhe der Verfahrenskosten ermitteln können, erklärt Ihnen unser verlinkter Beitrag.

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