Voraussetzungen für die Erhöhung des Pfändungsfreibetrags wegen erhöhter Lebensführungskosten?
Die Erhöhung des monatlichen Pfändungsfreibetrags kann beansprucht werden, wenn Sie als Schuldner nachweisen, dass bei Anwendung des Pfändungsfreibetrags nach der Pfändungstabelle der notwendige Lebensunterhalt für Sie selbst und für die Personen, denen Sie Unterhalt zu gewähren haben, nicht gedeckt ist (§ 850f Abs. 1 lit. a) ZPO).
Dafür ist nachzuweisen, dass der Lebensunterhalt mit dem nach § 850c ZPO grundsätzlich gewährten Pfändungsfreibetrag nicht bestreitbar ist. Beispiele hierfür sind:
- erhöhte Kosten für Lebensmittel wegen krankheitsbedingter Sonderernährungsweise (z.B. bei Diabetikern, vgl. BGH NJW 192, 1594)
- wegen Invalidität entstehende Mehrkosten für besondere Therapien, welche von der Krankenkasse nicht übernommen werden
- teurere Miete für Wohnraum, der auf körperliche Behinderung des Schuldners abgestimmt ist und wenn hierfür kein Wohngeld beziehbar ist (vgl. LG Heilbronn InVo 2000, 358f.)
- Mehrkosten wegen Aufenthalt im Wohnheim oder Seniorenheim (vgl. BGH NJW-RR 2009, 1459)
Weitergehende Informationen zur Erhöhung des Pfändungsfreibetrags bei körperlichen oder gesundheitlichen Einschränkungen erhalten Sie in unseren gesonderten Artikel Erhöhung des Pfändungsfreibetrags bei Krankheit oder Behinderung.
Die Voraussetzungen werden auch erfüllt, wenn eine Lage der Sozialhilfebedürftigkeit besteht. Dabei reicht es nicht diese einfach zu behaupten, sondern diese ist dem Vollstreckungsgericht nachzuweisen. Der Nachweis erfolgt in der Regel durch Bescheinigung vom zuständigen Sozialamt, welches den fiktiven Sozialhilfebedarf angibt. Allerdings ist das Vollstreckungsgericht bei Prüfung der Voraussetzungen an die Bescheinigung nicht gebunden, sollte es Zweifel an Sozialhilfebedürftigkeit hegen. Dies dürfte jedoch eher die Ausnahme sein. Der Umfang der Erhöhung des Pfändungsfreibetrags bemisst sich grundsätzlich nach den §§ 19, 28 SGB II und den §§ 27 ff. SGB XII.
Das Vorstehende gilt sinngemäß für den erhöhten Bedarf an Lebensunterhalt für unterhaltsberechtigte Personen des Schuldners.
Schließlich nimmt das Vollstreckungsgericht eine Abwägung zwischen dem Gläubigerinteresse auf Pfändung und Ihrem Schuldnerinteresse auf Erhöhung des Pfändungsschutzes vor. Überwiegen die Belange des Gläubigers nicht, haben Sie einen Anspruch auf Erhöhung.
Hallo,
ich habe seit Jahren ein P-Konto und beabsichtige eine PI. Die eidesstattliche Versicherung ist gerade ausgelaufen. Mein täglicher Arbeitsweg mit dem Auto meines Lebensgefährten beträgt insgesamt ca 70 km. Bei den aktuellen Benzinpreisen und allgemein steigenden Kosten für Lebensunterhalt usw, erwägt mein Chef eine Lohnanpassung (derzeit bekomme ich Mindestlohn und bin knapp an der Pfändungsfreigrenze). Im Monat habe ich ca 300 € Bezinkosten+Versicherung um zur Arbeit zu gelangen. Kann man diese Fahrkosten nutzen um die Pfändungsfreigrenze zu erhöhen?
Ich bin niemanden unterhaltsverpflichtet. Wohne auf dem Dorf und kann den kaum vorhandenen öffentlichen Nahverkehr nicht nutzen.
Sehr geehrte Frau M.,
danke für Ihre Frage. Ja, bei hohen Fahrtkosten zur Arbeitsstätte kann die Pfändungsfreigrenze angehoben werden (Grundlage: § 850f Abs. 1 Nr. 2 ZPO “besondere Bedürfnisse aus beruflichen Gründen”). Dann kommt für Kilometer oberhalb des “üblichen Rahmens” von ca. 20 bis 30km noch eine Kilometerpauschale zum Abzug.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. V. Ghendler
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Insolvenzrecht
Hallo Herr Kraus,
ich arbeite als im Außendienst und bin mindestens von Montag bis Freitag sozusagen auf Montage, dadurch entstehen mir höhere Lebenshaltungskosten als in einem Job bei dem ich jeden Tag zuhause sein kann. Macht es Sinn in diesem Fall einen Antrag auf Erhöhung des Freibetrages zu stellen? Oder hat das bei einer Lohnpfändung durch das Finanzamt eher geringe Erfolgsaussichten?
Sehr geehrter Herr E.,
ein solcher Antrag ist grundsätzlich risikolos für Sie und dessen Erfolgschancen steigen, je konkreter Sie darlegen können, wie hoch Ihr Mehrbedarf ausfällt.
Mit freundlichen Grüßen
A. Kraus
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Insolvenzrecht
Hallo, ich habe im letzten Jahr meine PI beantragt. Da meine Kinder über 18 sind u seit Sommer nicht mehr im Haushalt leben, beziehe ich nun nur noch meine Erwerbstätigkeitsrente. Mit 28 bin ich schwer erkrankt u kann seither nicht mehr arbeiten. Durch schwere Depressionen u eine soziale Phobie bin ich auf einen PKW angewiesen, das Auto gehört meinem Vater, ich muss die Versicherung auf meinen Namen bezahlen u natürlich die Instandhaltung, Steuer u Benzin. Dadurch erstehen enorme extra Kosten. Ich kann seit 20 Jahren nicht mehr öffentliche Verkehrsmittel nutzen u auch nicht mit anderen fahren. Zudem hatte ich eine lebenswichtige Magen u Darm OP u muss seither lebenslang teure vitaminprodukte nehmen u mich zudem mit einer teuren spezialnahrung ernähren, da mein Magen u darm die wichtigen Teile aus der Nahrung nicht mehr aufnehmen kann. Von meiner Rente werden mir momentan ca 100 Euro mtl von PI genommen, durch die Medikamente, Supplements, Proteinnahrung, Vitaminspritzen u sbh 70G mit großen Einschränkungen im täglichen Leben (keine Veranstaltungen u öffentliche Verkersmittel) komme ich mtl auf soviel Kosten, das das Geld sehr sehr knapp ist. Habe ich eine Chance bei Antrag auf Pfändungsfreibetragerhöhung? Vielen herzlichen Dank
Sehr geehrte Frau A.,
einen Antrag auf Erhöhung des Pfändungsfreibetrags können Sie risikolos beim Insolvenzgericht stellen. Schildern Sie ausführlich Ihren Mehrbedarf und fügen Sie Belege hinzu, ggf. auch ärztliche Bescheinigungen. Ich bin zuversichtlich, dass das Insolvenzgericht in Ihrem Sinne entscheiden wird.
Mit freundlichen Grüßen
A. Kraus
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Insolvenzrecht