Regelinsolvenz oder Privatinsolvenz: Es kommt auf den Umfang der Nebentätigkeit an
Die bei einer Vermögensverwaltungsgesellschaft mit einem monatlichen Bruttoeinkommen von 1.360 € vollzeitbeschäftigte Schuldnerin beantragte zunächst das Verbraucherinsolvenzverfahren nebst Restschuldbefreiung. Am 28. Januar 2008 meldete sie ein Gewerbe für Schreibarbeiten an, mit dem sie 2009 einen Umsatz von 840 € erzielte. Am 28. März 2008 nahm ihr Verfahrensbevollmächtigter den Insolvenzantrag mit der Begründung zurück, dass es nicht gelungen sei, den ursprünglich vom hiesigen Versagungsantragsteller in Aussicht gestellten Verzicht auf die Qualifikation seiner Forderung als unerlaubte Handlung umzusetzen. Aufgrund eines im November 2009 gestellten Insolvenzantrags mit Antrag auf Restschuldbefreiung, mit dem sie zugleich einen Insolvenzplan vorlegte, eröffnete das Insolvenzgericht am 18. Februar 2010 das Regelinsolvenzverfahren. Der Plan sieht vor, dass die Schuldnerin gegen Zahlung eines Betrages von 20.000 € von dritter Seite, der nach Abzug der Kosten des Verfahrens an die Gläubiger verteilt werden soll, die Restschuldbefreiung erlangt. Im Abstimmungstermin am 10. November 2010 nahm die Mehrheit der Gläubiger gegen den Widerstand des Versagungsantragstellers den Plan an.
Bundesgerichtshof: Regelinsolvenz nicht unter der Bagatellgrenze
Der BGH führte dazu aus:
„Der Grundsatz, dass ein Schuldner auch dann unter die Vorschriften des Regelinsolvenzverfahrens fällt, wenn er neben einer abhängigen Beschäftigung einer wirtschaftlich selbständigen Nebentätigkeit nachgeht, gilt nur dann, wenn die Nebentätigkeit einen nennenswerten Umfang erreicht und sich organisatorisch verfestigt hat; eine nur gelegentlich ausgeübte Tätigkeit, die sich nicht zu einer einheitlichen Organisation verdichtet hat, ist keine selbständige Erwerbstätigkeit.
Erreichen die Einkünfte aus der Tätigkeit nicht einmal die Bagatellgrenze des § 3 Nr. 26 EStG (derzeit 2.100 € im Jahr), spricht vieles für das Fehlen einer verfestigten organisatorischen Einheit (vgl. Graf-Schlicker/Sabel, aaO). Die Schuldnerin hat 2009 mit ihrer selbständigen Tätigkeit nur einen Umsatz von 840 € erzielt. Die Schwelle zur Erheblichkeit der Tätigkeit war folglich bei weitem nicht überschritten.“
Privatinsolvenz bei einer selbstständigen Tätigkeit mit Einkünften unter 2.100 €
Sie unterfallen also der Privatinsolvenz – nicht der Regelinsolvenz – auch wenn Sie neben einer abhängigen Beschäftigung eine selbständige Tätigkeit ausüben, solange diese keinen nennenswerten Umfang hat, also unter der Bagatellgrenze von 2100 € im Jahr liegt.
Guten Tag Herr Rechtsanwalt Dr. V. Ghendler,
ich habe nach dem Studium etliche sozialversicherungspflichtige Jobs gehabt. Mal 3 Monate bei Bertelsmann hier, dann 3 Monate im Krankenhaus. (…) Zudem habe ich 2 Bücher im Selbstverlag veröffentlicht. Da bekomme ich im Jahr vielleicht 200 Euro, wenn überhaupt.
Welche Art der Insolvenz kann ich (nur) durchlaufen? Wie wird der “Nebenverdienst” gewertet?
Mit freundlichen Grüßen
MJ
Sehr geehrter Herr J.,
vielen Dank für Ihre Frage. Solange aus der selbstständigen Nebentätigkeit nicht mehr als 19 Gläubiger resultieren, was anhand Ihrer Angaben nicht anzunehmen ist, kommt für Sie die Privatinsolvenz in Frage.
Gerne beraten wir Sie zu Ihren Entschuldungsmöglichkeiten. Rufen Sie uns hierzu unter 0221 – 6777 0055 an und vereinbaren Sie einen kostenlosen Erstberatungstermin.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. V. Ghendler
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Insolvenzrecht
Sehr geehrte Damen und Herren,
wie wird es mit einem angemeldeten Gewerbe und zunächst erst einmal mit der Kleinunternehmerregelung getätigten Selbstständigkeit gehandhabt? D.h. es werden Einnahmen durch Affiliate Marketing generiert oder aber es wird reselling betrieben. Bei Ersterem werden direkt Gewinne generiert und beim reselling gibt es auch Ausgaben. Somit beinhalten die Umsätze Gewinne und Ausgaben. Führt dies zu Problemen bei einer möglichen Privatonsolvenz?
Sehr geehrter Fragesteller,
vielen Dank für Ihre Frage. Zur Beurteilung kommt es darauf an, ob dieses als Nebengewerbe oder als Haupttätigkeit ausgeübt wird. Letztendlich wird der Insolvenzverwalter entscheiden, ob er die Tätigkeiten freigibt.
Gerne biete ich Ihnen an, diese Frage im Rahmen einer kostenlosen Erstberatung zu beantworten. Rufen Sie uns zwecks Terminvereinbarung gerne unter 0221 – 6777 0055 an oder senden Sie eine E-Mail an info@anwalt-kg.de
Mit freundlichen Grüßen
Dr. V. Ghendler
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Insolvenzrecht
Hallo, ich bin in Privatinsolvenz und seit kurzem bin ich selbstständigkeit als Nebentätigkeit. Das Verfahren ist noch eröffnet. Die Selbstständigkeit wurde freigegeben.
Von meinem Arbeitseinkommen werden die pfändbaren Beträge bereits an den Verwalter abgeführt.
Wird jetzt mein Einkommen aus der Selbstständigkeit auf mein Arbeitseinkommen angerechnet und daraus das pfändbare Einkommen bestimmt?
Sehr geehrter Fragesteller,
diese Frage ist im Gesetz nicht genau beantwortet. In der Regel wird es aber so gehandhabt: Wenn Sie neben einer Vollzeitstelle noch selbstständig im Nebenerwerb tätig sind, wird auch hier nicht Ihr genaues Einkommen geprüft und daran der pfändbare Betrag ermittelt, sondern es wird ein fiktives Einkommen zugrunde gelegt.
Dies trägt aber nicht voll zur Erhöhung Ihres pfändbaren Einkommens bei, sondern wird so behandelt wie eine Überstundenvergütung. Diese wäre zur Hälfte pfändbar. Somit ist meiner Einschätzung nach die Hälfte des fiktiven Einkommens, also des Einkommens, welches bei ähnlicher Tätigkeit in einem Angestelltenverhältnis zu erzielen wäre, als pfändbar angesetzt.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. V. Ghendler
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Insolvenzrecht