Voraussetzungen für Anmeldung einer Deliktsforderung zur Insolvenztabelle

Die für den Schuldner nachteilige zur Insolvenztabelle angemeldete Deliktsforderung 

Eine Deliktsforderung gegen Schuldner – oder Forderung aus unerlaubter Handlung genannt – gehört zu den sogenannten privilegierten Forderungen. Das bedeutet, dass diese Forderungen gegen den Schuldner eine besondere Stellung dahingehend einnehmen, dass die vom Gericht ausgesprochene Restschuldbefreiung solche Forderungen nicht erfasst (§ 302 InsO). Damit kann der Gläubiger auch nach Ende der Schuldnerinsolvenz immer noch gegen den Schuldner aufgrund der Forderung vollstrecken oder auf Befriedigung klagen.

Daher werden Gläubiger eine Forderung, die sich auf eine vorsätzlich unerlaubte Handlung stützen lässt, als solche zur Insolvenztabelle anmelden wollen. Viele Gerichte haben lange Zeit sehr geringe Anforderungen an die Anmeldung einer Deliktsforderung zur Insolvenztabelle gestellt. Diese Praxis dürfte nach einigen zu diesem Thema ergangenen Urteilen zugunsten des Schuldners ein Ende nehmen.

Der folgende Beitrag stellt zunächst die bisherige Praxis bei der Anmeldung dar, benennt dann ihre formellen und sachlichen Voraussetzungen, um die  erhöhten Anforderungen bei der Anmeldung einer Deliktsforderung aufzuzeigen.

Dr. V. Ghendler ist Fachanwalt für Insolvenzrecht und mit seinem bundesweit tätigen Team auf die Entschuldung von Privatpersonen und Unternehmern spezialisiert.

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Bisherige Praxis und Problem für den Schuldner

Bislang haben einige Insolvenzgerichte nicht einmal einen Tatsachenvortrag verlangt, der die behauptete Forderung aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung darlegte. Und falls Insolvenzgerichte doch Angaben hierzu verlangten, wurden diese nicht geprüft. So kam es vor, dass selbst schlagwortartige Ausführungen ausreichten, um die Forderung zur Tabelle aufzunehmen und ihren Deliktscharakter festzuschreiben. Es gab vereinzelt Gerichte, denen es sogar genügte, wenn das entsprechende Feld „Forderung aus vorsätzlich unerlaubter Handlung“ angekreuzt wurde.

Aufgrund der vorgetragenen Rechtspraxis vor dem Insolvenzgericht haben auch die Insolvenzverwalter lange Zeit keine höheren Anforderungen bei der Anmeldung der Deliktsforderung gegenüber den Gläubigern gestellt.

Gesetzliche Voraussetzungen für die Anmeldung einer Deliktsforderung

Bild von ChecklisteWer eine Deliktsforderung zur Insolvenztabelle anmelden möchte, muss die gesetzlichen Vorgaben des § 174 InsO, insbesondere dessen Abs. 2 erfüllen. Es wird hierbei zwischen formellen und sachlichen Vorgaben – auch materielle Voraussetzungen genannt – unterschieden.

Formal setzte die Anmeldung voraus, dass sie schriftlich gegenüber dem Insolvenzverwalter zu erfolgen hat. Hierbei können auch Dokumente beigefügt werden, aus denen sich das Bestehen der Forderung ergibt.

In sachlicher Hinsicht ist sowohl die Höhe als auch der Grund der Forderung anzugeben. Zudem hat der Gläubiger Tatsachen vorzutragen, aus denen sich ergibt, dass eine vorsätzliche begangene unerlaubte Handlung vorliegt (§ 174 Abs. 2 InsO). Die vorgetragenen Tatsachen müssen so konkret, individuell und verständlich sein, dass sowohl Insolvenzverwalter als auch Gläubiger über die Anmeldung der Deliktsforderung im Sinne von berechtigte oder unberechtigte Anmeldung entscheiden können. Eine rechtliche Schlüssigkeitsprüfung, wie sie der Richter vornimmt, ist nicht verlangt. Der Bundesgerichtshof (Urteil vom 9.1.2014 – IX ZR 103/13) präzisiert:

„Der Rechtsgrund der vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung muss in der Anmeldung so beschrieben werden, dass der aus ihm hergeleitete Anspruch in tatsächlicher Hinsicht zweifelsfrei bestimmt ist und der Schuldner erkennen kann, welches Verhalten ihm vorgeworfen wird;“

Es reicht auch nicht die Darlegung irgendeiner unerlaubten Handlung, sondern es müssen zudem Umstände dargelegt werden, die den Vorsatz des Schuldners zeigen. Nur dann wird klar, welche vorsätzliche unerlaubte Handlung die Forderung begründet.

Schuldnerschutz – Welche Anforderungen sind an die Anmeldung einer Deliktsforderung zu stellen?

Der Insolvenzverwalter hat grundsätzlich die Pflicht, Mängel im Anmeldeverfahren anzuzeigen, um dem Gläubiger bei der Wahrnehmung seiner Interessen zu unterstützen. Hieraus folgt die konkretisierte Pflicht des Insolvenzverwalters, den Gläubiger bei unschlüssig zur Anmeldung  dargelegten Deliktsforderungen hierauf aufmerksam zu machen.

Beispiel 1: Schwarzfahren

A ist mehrfach schwarzgefahren und vom entsprechenden Verkehrsbetrieb jedes Mal mit einem erhöhten Beförderungsentgelt belegt worden. A ist insolvent. Der Verkehrsbetrieb hat die gegen A bestehende Forderung auf Zahlung des erhöhten Beförderungsentgelts zur Insolvenztabelle als Deliktsforderung angemeldet. Dabei aber keine Angaben zum Vorsatz des Schuldners gemacht, da doch jeder wisse, das Schwarzfahren verboten sei.

Beispiel 2: Vollstreckungsbescheid

G ist Gläubiger und Inhaber einer titulierten Forderung aufgrund eines Vollstreckungsbescheid gegen Schuldner S. Darin ist vermerkt, dass die Forderung aus unerlaubter Handlung (Betrug) herrühre. S ist insolvent. G meldet die Forderung als Deliktsforderung ohne weitere Angaben an und fügt nur die Vollstreckungsurkunde als Nachweis bei.

In Beispiel 1 stellt sich die Frage, ob im Streitfall das Insolvenzgericht die angemeldete Insolvenzforderung zulässt oder zurückweist und ihren Deliktscharakter verneint. In einem ähnlichen Fall hat das Amtsgericht Köln zu Recht entschieden, dass die Anmeldung der Forderung als Deliktsforderung unzulässig ist. Denn der Gläubiger hat einmal nicht ausreichend dargelegt, dass der Schuldner vorsätzlich gehandelt hat.  Zudem und für den Fall entscheidend ist, dass die Forderung auf Zahlung des erhöhten Beförderungsentgelts nicht auf einen zivilrechtlichen Anspruch wegen vorsätzlicher unerlaubter Handlung zurückgeht, sondern eine Folge einer Vertragsstrafe ist. Für einen notwendigen zivilrechtlichen Anspruch hat der Gläubiger nämlich keine ausreichende Begründung für den entstandenen Schaden geliefert. Denn das Schwarzfahren selbst löst noch keinen messbaren Schaden beim Verkehrsbetrieb aus.

Auch in Beispiel 2 stellt sich die Frage, ob das Insolvenzgericht die angemeldete Forderung als Deliktsforderung eintragen lässt. In einem ähnlichen Fall entscheid das Insolvenzgericht zugunsten des Schuldners. Denn es reiche nicht aus, bloß einen Vollstreckungsbescheid, der “Betrug” als Grund für die titulierte Forderung nennt, anzugeben und daher auf einen Tatsachenvortrag zu verzichten. Denn aus dem Vollstreckungsbescheid wird weder die vorgeworfene Handlung für den Schuldner deutlich, noch ergibt sich hieraus ein vorsätzliches Verhalten des Schuldners.

Anhand der Beispiele wird deutlich, dass die vormals herrschende lasche Praxis bei der Anmeldung von Deliktsforderungen zur Insolvenztabelle ein Ende genommen hat. Zukünftig müssen hinreichend substantiierte Darlegungen erfolgen, die einmal die unerlaubte Handlung darlegen und zum anderen den Vorsatz des Schuldners aufzeigen. Damit wird der strategischen Nutzung von Forderungsanmeldung als Deliktsforderung, um hieraus gegen Schuldner auch nach erteilter Restschuldbefreiung vorgehen zu können, ein Riegel vor geschoben.

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6 Kommentare
  1. Rodenberg
    says:

    Nachtrag… zu den beschriebenen Vorgang. Mein Schlusstermin/Prüfungstermin(2 Monate nach Insolvenzeröffnung) fand nun statt und es ergab das nur ein Gläubiger den Rechtsgrund vorsätzlich unerlaubte Handlung angemeldet hat.

    Können jetzt noch die angemeldeten Gläubiger der Insolvenztabelle den Rechtsgrund nachtragen nachdem Schlusstermin eigentlich nicht oder?

    Ich müsste so ja 3 Jahre besorgt leben das dies noch von den angemeldeten der InsoTabelle noch mir jederzeit blühen kann?

    Gruß Rodenberg

    • Dr. V. Ghendler
      says:

      Sehr geehrter Herr R.,

      grundsätzlich ist es so, dass der Rechtsgrund der unerlaubten Handlung spätestens bis zum Schlusstermin angemeldet sein muss, so entschied auch der BGH (Aktenzeichen IX ZR 53/18).
      Sollte allerdings wie oben angemerkt auch ein Versagungsgrund der gesamten Restschuldbefreiung vorliegen, etwa weil vorsätzlich oder grob fahrlässig falsche Angaben gemacht wurden, so könnte ein Gläubiger dies auch nachträglich noch geltend machen, zumindest wenn er erst später davon erfahren hat.

      Mit freundlichen Grüßen

      Dr. V. Ghendler
      Rechtsanwalt, Fachanwalt für Insolvenzrecht

  2. Rodenberg
    says:

    Dankeschön für die rasche Rückmeldung Herr KRAUS. Es lag mir auf den Herzen, da heute mein Prüfungstermin /Schlusstermin anliegt, ich bin 2 Monate nach Insolvenzeröffnung und bis auf einer hatte nur ein Gläubiger diese Handlung der vorsätzlich unerlaubten Handlung in der Insolvenztabelle angemeldet,leider mit Kopie meiner Selbstauskunft das ich nicht meine zu diesen Zeitpunkt kompletten Schulden angegeben hätte(habe welche angegeben anscheinend nicht ausreichend ,da der Kredit damals vermittelt wurde. Wenn es dabei bleibt, wäre es dennoch eine erfolgreiche Insolvenz in der sie mich sehr gut betreut haben.

    Alles Gute.

    • Dr. V. Ghendler
      says:

      Sehr geehrter Herr R.,

      grundsätzlich gibt es in § 290 InsO die Regelung, dass eine versagung der Restschuldbefreiung beantragt werden kann, wenn “der Schuldner in den letzten drei Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag vorsätzlich oder grob fahrlässig schriftlich unrichtige oder unvollständige Angaben über seine wirtschaftlichen Verhältnisse gemacht hat, um einen Kredit zu erhalten, Leistungen aus öffentlichen Mitteln zu beziehen oder Leistungen an öffentliche Kassen zu vermeiden,

      Bitte beachten Sie, dass in diesem Rahmen leider nicht näher geprüft werden kann, ob diese Voraussetzungen erfüllt sind.

      Mit freundlichen Grüßen

      Dr. V. Ghendler
      Rechtsanwalt, Fachanwalt für Insolvenzrecht

  3. Rodenberg
    says:

    Guten Tag sehr geehrte Damen und Herren,
    Darf ein Gläubiger der in die Insolvenztabelle eingetragen ist mit zum Beispiel den Forderungsgrund Kredit sich nach den Prüfungstermin vom Gericht noch es erlauben den Rechtsgrund vorsätzlich begangenen unerlaubte Handlung ändern? Oder ist das nicht mehr möglich?

    • Andre Kraus
      says:

      Sehr geehrter Herr R.,

      gemäß § 177 Abs. 1 Satz 3 InsO halte ich es bis zum Ende des Schlusstermins für noch möglich, dass sich der Rechtsgrund für eine Forderung ändern lässt.

      Mit freundlichen Grüßen

      A. Kraus
      Rechtsanwalt, Fachanwalt für Insolvenzrecht

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