Welche Rechtsgeschäfte darf der Insolvenzverwalter anfechten?

  • Anfechtung in der Insolvenz

    Diese Rechtsgeschäfte darf der Insolvenzverwalter anfechten

    Schuldenfrei in 3, 5 oder 6 Jahren ✓ Pfändungsschutz ✓ Keine Wartezeit ✓ Fachanwalt Insolvenz ✓ Geeignete Person § 305 InsO ✓

    ausschnitt aus gesetzbuch. wichtiger paragraph zum thema insolvenz ist markiert.

Anfechtung in der Insolvenz

In Anbetracht der drohenden Überschuldung wird häufig noch alles versucht, um die Gläubiger zumindest teilweise zu bezahlen. Ist die Zahlungskrise schon eingetreten oder steht sie unmittelbar bevor, ist jedoch höchste Vorsicht geboten, was jede Form von Vermögensverfügung angeht.

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Denn bestimmte Rechtsgeschäfte, die in dieser Phase vorgenommen werden, können im Fall der Insolvenz bzw. Privatinsolvenz vom Insolvenzverwalter angefochten werden. Die Anfechtung bewirkt, dass die Rechtshandlung rückwirkend für unwirksam erklärt und zurückgeholt werden kann. Somit nützt zu diesem kritischen Zeitpunkt der Versuch des Schuldners, den Gläubiger noch zumindest vorläufig zu bezahlen, im Ergebnis weder dem Schuldner noch dem Gläubiger.

Betroffen sind in diesem Zusammenhang vor allem solche Rechtsgeschäfte mit denen Vermögensbestandteile (Sachen, Immobilien, Forderungen und Rechte) übertragen werden. Der rechtlich relevante Zeitraum reicht teilweise zurück bis zu zehn Jahre vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens.

Im schlimmsten Fall kann neben der Anfechtbarkeit des Rechtsgeschäfts sogar eine strafbare Handlung vorliegen, z.B. Bankrott (§ 283 StGB) oder Gläubigerbegünstigung (§ 283 c StGB). Dazu muss die Vermögensübertragung allerdings unmittelbar vor oder in der Schuldenkrise vorgenommen werden und es müssen alle sonstigen strafrechtlichen Voraussetzungen erfüllt sein.

Bild von zwei Männern vor einem Laptop

Verträge, die der Schuldner mit nahestehenden Personen in den letzten zwei Jahren vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens abgeschlossen hat, sind unter Umständen anfechtbar.

Als weitere mögliche Konsequenz ist neben der Anfechtbarkeit der Verfügung und der Strafbarkeit der in Rede stehenden Handlung noch die Gefährdung der Restschuldbefreiung zu nennen. Die im Regelfall nach Ende des Insolvenzverfahrens eintretende Befreiung von allen übrig bleibenden Schulden kann nämlich bei Vorliegen von bestimmten anfechtbaren Handlungen teilweise oder ganz versagt werden, § 290 Insolvenzordnung.

Herauszustellen sind zunächst zwei Hauptkriterien für die Anfechtbarkeit von Rechtsgeschäften:

  • Der Gedanke der Gläubigerbenachteiligung spielt eine entscheidende Rolle – diese liegt vor, wenn der Schuldner beispielsweise in irgendeiner Form Vermögen vor den Gläubigern geheim hält.
  • Daneben muss stets eine Kenntnis von der eigenen Zahlungsunfähigkeit und der drohenden Überschuldungssituation beim Schuldner vorliegen.

Die Vorsatzanfechtung, § 133 InsO

Die Vorsatzanfechtung kann rechtserhebliche Handlungen (also jede Vermögensverfügung im weitesten Sinn) umfassen, die bis zu 10 Jahre vor der Insolvenz getätigt wurden, sofern alle Voraussetzungen dieser Anfechtungsform vorliegen:

  • Der Schuldner muss sich bewusst sein (Vorsatz), dass er verschuldet ist und dass er mit der betreffenden Handlung einen bestimmten Gläubiger gegenüber den anderen bevorzugt behandelt.
  • Der begünstigte Gläubiger muss seinerseits wissen, dass der Schuldner die oben beschriebene Kenntnis hat und er muss auch über die finanziellen Schwierigkeiten des Schuldners informiert sein. Die Kenntnis des Gläubigers wird allerdings vermutet, wenn er weiß, dass sich der Schuldner auf dem Weg in eine Überschuldung befindet. Zum Nachweis des sogenannten Benachteiligungsvorsatzes genügen dabei auch schon geringe Indizien.

Konkreter sind folgende Anfechtungstatbestände zu nennen:

Anfechtungstatbestand Nr. 1 = Verkleinerung der Insolvenzmasse = dadurch Benachteiligung aller Gläubiger

Die Voraussetzungen für diesen Anfechtungstatbestand sind:

  • Der Schuldner weiß bereits, dass er zahlungsunfähig ist.

Wann das genau der Fall ist, ist im Einzelfall umstritten. Falls der Schuldner als Unternehmer einen Betrieb führt, dem es zum Zeitpunkt der relevanten Vermögensübertragung noch gut geht, liegt wahrscheinlich kein Anfechtungstatbestand vor, da hier nicht von einer Kenntnis der eigenen Zahlungsunfähigkeit ausgegangen werden kann.

  • Es muss eine Vermögensverschiebung stattgefunden haben, z.B. Verkauf, Weggabe, Aufgabe von Werten, Übertragung von Sachen, Immobilien, Forderungen und Rechten etc.
  • Hier einige Beispiele:
    • Der Unternehmer kauft in der Krise überteurte Waren
    • Der Unternehmer tritt seine Forderungen gegen Dritte ohne Gegenwert ab
    • Unternehmer vergibt ein langjähriges Darlehen an Dritte zu einem geringen Zinssatz

Andererseits ist nicht jedes Rechtsgeschäft anfechtbar, das der Unternehmer in der Krise getätigt hat.
Erhält der Unternehmer für die Leistung, die er gegeben hat, eine gleichwertige zurück, ist dieses Geschäft nicht anfechtbar. Beispiele:

  • Der Unternehmer kauft Ware für 20.000 € . Die Ware hat tatsächlich diesen Wert
  • Unternehmer beauftragt vor der Insolvenz  einen anerkannten Sanierungsberater zu einem marktüblichen Honorar

Nicht anfechtbar sind außerdem alle Bargeschäfte des Unternehmers, also sofortige Bezahlung bei Erhalt der Leistung.

Anfechtungstatbestand Nr. 2 – Bevorzugung einzelner Gläubiger

Die Voraussetzungen für diesen Anfechtungstatbestand in der Insolvenz sind:

  • Zahlungsunfähigkeit des Schuldners
  • Der Gläubiger, der begünstigt wird, hat auch Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners.
  • Bei Geschäftskontakten gilt: Nach der Rechtsprechung weiß der Gläubiger dann von der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners, wenn er bereits versucht hat, zu vollstrecken, z.B. durch Erwirkung eines Mahnbescheids. Zudem muss die Forderungssumme eine gewisse Höhe betragen.

Gerade also der Versuch, Forderungen zu begleichen, wegen denen bereits Vollstreckungsmaßnahmen gelaufen sind, erweist sich vor dem Hintergrund der Anfechtbarkeit als zwecklos.

  • Für private Kontakte gilt etwas anderes: Bei Angehörigen oder sonstigen nahe stehenden Personen, die als Gläubiger begünstigt werden sollen, vermutet das Gesetz, dass diese Kenntnis von der Überschuldungssituation des Schuldners haben.
  • Der Begriff der Begünstigung ist weit zu verstehen, darunter fallen nicht nur Geldzahlungen an die Gläubiger, sondern auch Vermögensverfügungen in Form von Forderungsabtretung oder Bestellung eines Pfandrechts etc.

 

Anfechtungstatbestand Nr. 3 – Rechtsgeschäfte, zu denen der Schuldner gar nicht verpflichtet ist

 Unter Nr. 3 ist Anfechtung für die Rechtsgeschäfte möglich, zu denen der Schuldner rechtlich nicht verpflichtet war.

  • Beispiele:
          • der Unternehme rgibt gelieferte Ware zurück, obwohl diese nicht unter Eigentumsvorbehalt stand
          • der Unternehmer vereinbart Sicherungsabtretungen, obwohl er dazu nicht verpflichtet war
          • der zahlungsunfähige Unternehmer bezahlt die voraussichtliche (noch nicht fällige) Umsatzsteuer,  um etwaige Strafbarkeit zu vermeiden

Anfechtungstatbestand Nr. 4 – Vermögensübertragung an nahe stehende Person

Verträge, die der Schuldner mit nahestehenden Personen in den letzten zwei Jahren vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens abgeschlossen hat, sind unter Umständen ebenfalls anfechtbar.

Nämlich dann, wenn man nachweisen kann, dass durch den Vertrag Gläubiger benachteiligt wurden. Das ist fast immer der Fall, wenn eine Überschuldung droht und trotzdem noch Vermögensgegenstände veräußert werden, die im Fall der Insolvenz durch den Insolvenzverwalter verwertet werden dürften, z.B. ein wertvolles Musikinstrument, ein Kfz, …

Die Voraussetzungen für diesen Anfechtungstatbestand sind:

      • Der Schuldner weiß, dass er zahlungsunfähig ist, s.o.
      • Die nahe stehende Person hat ebenfalls Kenntnis von der Überschuldungssituation. Wie bereits oben erläutert, wird bei Vermögensübertragungen innerhalb von zwei Jahren vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Kenntnis bei nahe stehenden Personen vermutet, § 133 Insolvenzordnung. Für Schenkungen und sonstige Übertragungen ohne Gegenleistung gilt diese Vermutungsregel sogar für Rechtsgeschäfte innerhalb der letzten vier Jahre vor Einreichung des Insolvenzantrags, § 134 Insolvenzordnung.

Falls in Ihrem Fall eine Vermögensverschiebung anhand der oben erklärten Anfechtungstatbestände anfechtbar sein könnte, könnte die Durchführung eines Insolvenzverfahrens in England eine alternative Lösung sein. – Dort gelten schwächere Anfechtungsvorschriften. Hierzu können wir Sie gerne detailliert beraten.

Hier sind einige Tipps speziell an Unternehmer/Selbstständige.

Sie haben eine allgemeine Frage zum Thema “Welche Rechtsgeschäfte darf der Insolvenzverwalter anfechten?”? Wir beantworten sie hier kostenlos!

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18 Kommentare
  1. Ben
    says:

    Guten Tag,

    Ich befinde mich jetzt auf dem Weg in die Regelinsolvenz – Antrag wird bald eingereicht. Bis Herbst letzten Jahres (und ca. 3 Jahre zurück) spielte ich im Online-Casino. Seither nicht mehr.( Auf den Auszügen sind Summen ersichtlich, jedoch für mein Empfinden kein Bezug zu Casinos. Wirkt eher wie Kreditkarte. Oder gibt es erkennbare Zahlencodes) Ist das onlinespielen eine strafrechtliche Handlung die mir abgesehen davon auch die RSB kosten kann weil Verschwendung? Erkläre ich mich direkt dem Insolvenzverwalter oder sollte ich mir zuvor einen Anwalt nehmen? Danke für Ihre Antwort

    • Andre Kraus
      says:

      Sehr geehrter Fragesteller,

      zu Ihrer Frage haben wir den Artikel Spielsucht – Kann die Insolvenz versagt werden? verfasst. Er enthält wichtige Informationen für Sie. Falls Sie durch die Regelinsolvenz die Schuldenfreiheit anstreben, bieten wir Ihnen anwaltliche Betreuung an. Sie können sich gerne hierüber zunächst unverbindlich im Rahmen unserer kostenlosen Erstberatung am Telefon (0221 6777 00 55) informieren oder unser Online-Formular nutzen.

      Mit freundlichen Grüßen

      A. Kraus
      Rechtsanwalt, Fachanwalt für Insolvenzrecht

  2. Karla
    says:

    Kann privat geliehenes Geld, welches zurückbezahlt wurde (800 Euro) durch Insolvenzverwalter angefochten und zurückgefordert werden?

    • Dr. V. Ghendler
      says:

      Sehr geehrte Fragestellerin,

      ja, auch die Rückzahlung eines fälligen Darlehens könnte der Insolvenzanfechtung unterliegen. Es handelt sich dann um einen Fall sogenannter kongruenter Deckung gemäß § 130 Abs. 1 InsO.
      Die Voraussetzungen einer erfolgreichen Anfechtung sind:
      – Zahlung erfolgte innerhalb von drei Monaten vor dem Insolvenzantrag
      – Dem Zahlungsempfänger war die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners bekannt

      Mit freundlichen Grüßen

      Dr. V. Ghendler
      Rechtsanwalt, Fachanwalt für Insolvenzrecht

  3. Karla
    says:

    Wie weit zurück überprüft der Insolvenzverwalter die Kontoauszüge vor Antragstellung (Privatinsolvenz)? Muss man hierbei jeden nicht klar zuordbaren Posten rechtfertigen?

    • Andre Kraus
      says:

      Sehr geehrte Fragestellerin,

      die Prüfpflicht reicht grundsätzlich sehr weit, sodass aufgrund Ihrer Mitwirkungspflichten angehalten sind, auf Fragen grundsätzlich Auskünfte zu geben. Die Antwortpficht ist nicht unbegrenzt, sondern hängt von den Einzelfallumständen ab.

      Mit freundlichen Grüßen

      A. Kraus
      Rechtsanwalt, Fachanwalt für Insolvenzrecht

  4. Sebastian
    says:

    Guten Tag,
    ich bin seit beinahe einem Jahr in einem Insolvenzverfahren. Es ist eröffnet und ich führe pfändbare Beträge an einen Insolvenzverwalter ab. (Schweizer Gehalt).
    Von dem unpfändbaren Teil habe ich einen Mietzins für eine WG gezahlt, wo ich im April ausgezogen bin. Da die ehemalige Mitbewohnerin das Schloss ausgetauscht hat, und dies eine verbotene Eigenmacht darstellt, prüfe ich derzeit, Regressansprüche geltend zu machen. Wenn mir diese gerichtlich zugesprochen werden, es geht um ca. 3000,00€, muss ich diese dann auch an den Insolvenzverwalter abführen?
    Gruss,
    Bastian W.

    • Dr. V. Ghendler
      says:

      Sehr geehrter Herr W.,

      grundsätzlich fällt ein Anspruch, der entstanden ist, bevor die Wohlverhaltensphase begonnen hat, in die Insolvenzmasse.

      Mit freundlichen Grüßen

      Dr. V. Ghendler

  5. Tom
    says:

    Guten Tag, ist eine formlose schriftliche Abschichtungsvereinbarung, die ich mit meinen Geschwistern im Rahmen einer Erbengemeinschaft unterschrieben habe, anfechtbar? Sie entstand etwa 1 Jahr vor meiner privaten Insolvenzantragsstellung 2015.
    Ich habe damals auf meine Rechte als Mitglied der Erbengemeinschaft verzichtet und damit natürlich auch auf den Anspruch auf mögliches zukünftiges Auseinandersetzungsguthaben – nachträglich auftauchende Verbindlichkeiten sollen von der Gemeinschaft getragen werden. Fällt so eine Vereinbarung unter die Rubrik “Anfechtung”, falls zukünftig noch Guthaben auftauchen sollte? Vielen Dank für Ihre Mühe!

    • Dr. V. Ghendler
      says:

      Sehr geehrter Fragesteller,

      eine Ausschlagung eines Erbes kann durch den Insolvenzverwalter nicht angefochten werden. Dies ergibt sich aus § 83 InsO.

      Mit freundlichen Grüßen

      Dr. V. Ghendler
      Rechtsanwalt, Fachanwalt für Insolvenzrecht

  6. Rainer
    says:

    Ich habe im April 2019 einen Antrag gestellt, zur Eröffnung eines Insolvenzverfahrens. Im Juni, Juli und August plante ich einen Umzug. Eine Nachmieterin konnte schon Mitte Juni einziehen, ich habe weiterhin bis Ende August Miete an den Vermieter überwiesen und dann von der Nachmieterin in bar erhalten. Das wurde nun an den Insolvenzverwalter gemeldet, was muss ich befürchten?

    • Dr. V. Ghendler
      says:

      Sehr geehrter Fragesteller,

      wenn Sie den pfändbaren Anteil Ihres Einkommens stets in voller Höhe an den Insolvenzverwalter gezahlt haben, haben Sie grundsätzlich nichts zu befürchten. Es lag keine Benachteiligung der Gläubiger oder Bevorzugung einzelner Gläubiger vor.
      Sie sollten dem Insolvenzverwalter mitteilen, dass es sich um unpfändbares Einkommen gehandelt hat, welches Sie von der Nachmieterin zurückerhalten haben.

      Mit freundlichen Grüßen

      Dr. V. Ghendler
      Rechtsanwalt, Fachanwalt für Insolvenzrecht

  7. Leon
    says:

    Guten Tag,

    als langjähriger Mitarbeiter eines KFZ Hauses habe ich vor einigen Monaten einen Audi deutlich unter Marktpreis von meinem Chef abkaufen dürfen. Dies wurde im Rahmen einer Gehaltsdiskussion als zusätzlicher “Bonus” beschrieben. Die Transaktion wurde entsprechend versteuert sodass das Geschäft in sich rechtskräftig ist. Jetzt ist mein alter Arbeitgeber insolvent. Muss ich sorgen haben, dass der Insolvenzverwalter den Verkauf anfechtet?

    • Andre Kraus
      says:

      Sehr geehrter Herr Fragesteller,

      auf Basis der von Ihnen mitgeteilten Informationen, lässt sich grundsätzlich sagen, dass eine Anfechtung jedenfalls nicht zu erwarten ist, wenn Sie von der finanziellen Krise Ihres Arbeitgebers nichts wussten und mehr als drei Monate zwischen dem Erwerb des Fahrzeugs und dem Eröffnungsantrag zurückliegen.

      Mit freundlichen Grüßen

      A. Kraus
      Rechtsanwalt, Fachanwalt für Insolvenzrecht

  8. Friedrich
    says:

    Sehr geehrte Damen und Herren,

    lt. HGB Parag. 369 steht einem Gläubiger ein Zurückbehaltungsrecht für offene Forderungen gegenüber dem Schuldner zu. Wenn der Gläubiger nun erkennt, dass die Krise beim Schuldner zunimmt und eine Insolvenz droht und in diesem Rahmen die weitere Belieferung (Bearbeiten von Kundenware/Werkvertrag) gegen Vorkasse einführt, darf der Gläubiger Ware zurückbehalten, die bereits im Zuge einer Vorkasse beglichen wurde? Der Gläubiger verknüpft die Auslieferung der bereits bezahlten Ware an die komplette Begleichung sämtlicher offener Forderungen.

    Vielen Dank bereits heute für Ihre Antwort.

    • Andre Kraus
      says:

      Sehr geehrter Fragesteller,

      wenn ich Sie richtig verstehe, dann trifft § 369 HGB auf die von Ihnen beschriebene Situation nicht zu. Denn § 369 HBG gibt dem Kaufmann nur ein Zurückbehaltungsrecht an Waren, die im Eigentum des Schuldners stehen oder alternativ an Waren, die im Eigentum des Gläubigers stehen, zugleich aber wieder zurück übereignet werden müssten. Der von Ihnen beschriebene Fall könnte aber von einem Zurückbehaltungsrecht aus § 273 BGB erfasst sein.

      Mit freundlichen Grüßen

      A. Kraus
      Rechtsanwalt, Fachanwalt für Insolvenzrecht

  9. Thomas
    says:

    Angenommen, man kauft bei einem Anbieter Goldbarren (zum üblichen Preis, d.h. aktueller Goldwert+geringer prozentualer Aufschlag, wie er nunmal üblich ist) und dieser Anbieter geht kurze Zeit später insolvent, hat dann ein Insolvenzverwalter einen Anspruch auf die Rückgabe des Goldes? Bezahlt wurde per Banküberweisung.

    Umgekehrt: Man verkauft Goldbarren wieder gegen Geld an einen Anbieter (mit einem üblichen geringen prozentualen Abschlag, d.h. der Anbieter verdient hieran ja), d.h. man gibt Goldbarren an den Anbieter und erhält dafür dessen Gegenwert in Euros auf sein Konto überwiesen und dieser Anbieter geht insolvent, kann dann ein Insolvenzverwalter das erhaltene Geld zurückfordern und Geld+Gold behalten und man muss auf die Insolvenzquoten warten?
    Vielen Dank!

    • Dr. V. Ghendler
      says:

      Sehr geehrter Fragesteller,

      bei den von Ihnen geschilderten Fällen würde es auf weitere Details ankommen. Der erste Fall dürfte kein Beispiel für eine mögliche Insolvenzanfechtung sein, wenn der gezahlte Preis dem Marktwert entspricht.

      Wenn im zweiten Fall der Anbieter dem Verkäufer mitteilt, dass er den vereinbarten Preis nicht sofort zahlen kann und um Zahlungsaufschub bittet, könnte dies ein Indiz für Zahlungsschwierigkeiten sein. Insbesondere wenn der Anbieter über mehrer Monate den Preis nicht zahlen kann bzw. will. In diesem Fall könnte eine Insolvenzanfechtung in Betracht kommen. Wenn der Verkäufer jedoch keinerlei Anhaltspunkte dafür hatte und das gesamte Geschäft unmittelbar in Bar bzw. per sofortiger Überweisung und zum Marktwert abgeschlossen wurde, wäre es kein Fall für eine Insolvenzanfechtung.

      Mit freundlichen Grüßen

      Dr. V. Ghendler
      Rechtsanwalt, Fachanwalt für Insolvenzrecht

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