Verbindlichkeiten beim Stromversorger

Viele Haushalte von Stromsperren betroffen

Die Glühbirnen bleiben dunkel, Elektrogeräte können nicht mehr genutzt werden, die Steckdosen sind ohne Funktion. Die Folgen von Zahlungsrückständen beim Energieversorger können erheblich sein. Neben den Drohungen des Inkassounternehmens ist es für viele Betroffene besonders beängstigend, wenn der Strom abgestellt wird. Gerade im Winter können Stromschulden – bei elektrisch betriebener Heizung- existenzbedrohend sein. Der starke Anstieg der Strompreise trifft Menschen mit geringem Einkommen am härtesten. Im Jahr 2016 wurde deutschlandweit bei rund 330.000 Haushalten der Strom zeitweise abgeschaltet. Die Anzahl der angedrohten Sperren liegt zwanzig mal höher: 6,6 Millionen Kunden wurde eine Sperrung angedroht, wie die Bundesnetzagentur in ihrem Jahresbericht mitteilte.

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Das Dilemma der Strompreise

Im Schnitt steigt der Strompreis seit der Jahrtausendwende um rund 6,5% pro Jahr. Damit liegt die Preissteigerung deutlich über der Inflationsrate. Auch die durchschnittlichen Einkommen insbesondere bei den sozial Schwächeren können damit nicht annähernd Schritt halten. So erstrebenswert der Umweltschutz auch ist, die Energiewende bleibt für Verbraucher teuer. Die Industrie genießt dagegen weitgehenden Schutz vor den Preiserhöhungen. Für Geringverdiener kommen weitere Hürden hinzu: Neue, effiziente Elektrogeräte sind in der Anschaffung teuer. Wer sich diese nicht leisten kann, muss auch noch bei der Stromrechnung draufzahlen. Wer wegen Arbeitslosigkeit viel Zeit zuhause verbringt, hat darüber hinaus auch automatisch einen höheren Stromverbrauch. Sparpotential steckt im Wechsel des Stromanbieters. Doch wer keine positive Schufa-Auskunft vorweisen kann, dem bleibt oft nur der teurere Grundversorgungstarif.

So reagieren Sie auf Stromschulden

Wichtig ist es, bei Stromschulden schnell zu reagieren. Bei Zahlungsrückständen gegenüber dem Energieversorger reagieren viele Betroffene zu spät. Soweit es Ihnen möglich ist, sollten Sie offene Rechnungen auf jeden Fall begleichen. Alternativ sollten Sie den Anbieter auf Ihre Zahlungsschwierigkeiten hinweisen. Denn ist die Versorgung erst einmal unterbrochen, zieht die Wiederherstellung weitere Kosten nach sich – je nach Anbieter zwischen 20 und über 200 Euro.

Voraussetzungen für eine Stromabschaltung

Ganz aus dem Nichts kommt eine Stromabschaltung nicht. Die Voraussetzungen dafür sind in § 19 der Stromgrundversorgungsordnung (StromGVV) geregelt. Es müssen dabei folgende Voraussetzungen vorliegen:

  • Die rückständigen Beträge müssen sich auf mindestens 100 € belaufen (§ 19 Abs. 2 GVV)
  • Der Stromanbieter muss eine Mahnung geschickt haben. Der Versand der Mahnung darf frühestens zwei Wochen nach Zugang der Rechnung erfolgen.
  • Die Stromabschaltung muss angekündigt/angedroht worden sein (Dies erfolgt zumeist gleichzeitig mit der Mahnung).
  • Nach Zugang der Androhung der Stromabschaltung müssen mindestens weitere vier Wochen vergangen sein
  • Drei Werktage vor der tatsächlichen Unterbrechung der Stromversorgung muss dies erneut angekündigt worden sein (§ 19 Abs. 3 GVV)

So treten Sie bei Stromschulden richtig gegenüber Ihrem Stromanbieter auf

Wenn die erste Voraussetzung vorliegt und die Schulden über 100€ betragen, ist es ein Fehler, nicht zu reagieren. Sie sollten stattdessen Ihren Stromanbieter kontaktieren und mit diesem verhandeln. Die Anbieter lassen in der Regel mit sich reden, wenn Sie versichern können, dass Sie eigentlich zahlungswillig sind. Am besten wird das gelingen, wenn Sie von sich aus konkrete Vorschläge zur Schuldentilgung unterbreiten. Immerhin wurde im Jahr 2016 nur bei 5% der angedrohten Stromsperren tatsächlich eine Versorgungsunterbrechung durchgesetzt.

Stundung der Zahlungen

Durchschnittlich steigen die Strompreise im Jahr um 6,5%.

Schlagen Sie dem Anbieter eine vorübergehende Stundung des gesamten Betrags vor. Dabei handelt es sich quasi um ein zinsloses Darlehen. Dies verschafft Ihnen ein zeitliches Polster, bevor es mit der Stromabschaltung ernst wird. Den Vorschlag können sie beispielsweise untermauern, indem Sie dem Anbieter die Gründe für die vorübergehenden Zahlungsschwierigkeiten nennen. Dazu sollten Sie ausführen, dass in Zukunft wieder Mittel bereitstehen werden, beispielsweise durch eine Steuerrückzahlung, eine Bonuszahlung Ihres Arbeitgebers oder eine ausstehende Forderung von Ihnen. Dabei ist es hilfreich, wenn Sie den konkreten Zeitpunkt sowie die Höhe und den Grund für den Vermögenszuwachs nennen können. Den Anspruch auf diese Forderung, die Ihnen in Zukunft zusteht, können Sie auch direkt an Ihren Stromanbieter abtreten. Dieses Vorgehen nennt sich “Sicherungsabtretung”. Damit kann der Stromanbieter seinen Anspruch sichern.

Ratenzahlung

In der Regel akzeptieren die Anbieter auch eine Ratenzahlung, wenn Sie den gesamten ausstehenden Betrag nicht auf einmal zurückzahlen können. Dabei zahlen Sie zusätzlich zur monatlichen Stromrechnung noch einen Anteil zur Tilgung des ausstehenden Betrags. Je höher die monatliche Tilgung, desto eher wird der Stromanbieter diesen Vorschlag akzeptieren.

Stromschulden bei ALG II oder Sozialhilfe

Stromkosten sind in der Berechnung des Regelsatzes enthalten. Doch aufgrund der stark gestiegenen Preise können Betroffene immer öfter ihre Rechnung nicht bezahlen. Ausnahmsweise kann das Jobcenter bzw. Sozialamt weitere Kosten übernehmen. Dies gilt insbesondere, wenn

  • am Jahresende eine Nachzahlung fällig wird oder
  • eine Androhung der Stromsperrung erfolgt ist.

Das Jobcenter gewährt Ihnen dann entweder ein Darlehen oder eine Beihilfe, denn der Strom darf Ihnen nicht ohne weiteres abgestellt werden.

Wenn Sie eine falsche oder überhöhte Rechnung erhalten haben

In manchen Fällen kann es angebracht sein, dem Mitarbeiter des Energieversorgers Hausverbot zu erteilen. Dies sollten Sie jedoch nicht tun, wenn die Forderung des Anbieters in voller Höhe gerechtfertigt ist. In Ihrem eigenen Haus besitzen Sie das Hausrecht. Auch als Mieter können Sie “zur Abwehr störender Handlungen Dritter” Hausverbot erteilen. So weit sollte es allerdings nicht kommen, wenn Sie rechtzeitig der falschen oder überhöhten Rechnung widersprochen haben. Möglicherweise hat jedoch Ihr Vermieter die Stromabschläge einbehalten und nicht an den Anbieter weitergeleitet. Auch in diesem Fall können Sie sich mit einem Hausverbot gegen den Mitarbeiter sowie anwaltlicher Unterstützung gegen Ihren Vermieter zur Wehr setzen.

Unverhältnismäßigkeit der Liefersperre

Eine Stromunterbrechung ist ausgeschlossen, wenn die Voraussetzungen der sogenannten “Verhältnismäßigkeitsklausel” aus § 19 Abs. 2 Satz 2 StromGVV vorliegen. Dafür muss zunächst festehen, dass die Folgen der Stromsperre nicht im Verhältnis zur Schwere des Zahlungsverzuges stehen. Argumente, die dafür sprechen, sind:

  • ein erstmaliger Zahlungsverzug
  • nur niedriger Zahlungsrückstand
  • laufende Bemühungen zur Schuldentilgung
  • eine Liefersperre hätte schwerwiegende Folgen insbesondere für Kleinkinder, Kranke, Alte, Behinderte etc.
  • Heizungsausfall würde zu Gesundheitsschäden führen
  • Heimarbeitsplatz wird zum Erwerb des Lebensunterhalts benötigt
  • in der Tiefkühltruhe befinden sich wertvolle Nahrungsmittel

Als weitere Voraussetzung gilt, dass eine hinreichende Zahlungsaussicht besteht. Hier ist das Argument entweder

  • Zahlungsfähigkeit aus dem Arbeitslohn / Gehalt oder
  • zusätzliche Sozialleistungen wie ergänzende Sozialhilfe, Darlehen zur Zahlung der Stromschulden etc.

Praxistipps bei einer Stromsperre

Wenn der Stromanbieter den Strom bereits abgeschaltet hat, hilft in der Regel nur noch eine komplette Zahlung der aufgelaufenen Rückstände. Dazu kommen die zusätzlichen Kosten für die Einstellung und die Wiederaufnahme der Stromversorgung. In diesem Fall muss der Stromanbieter den Strom wieder anschalten. Falls er dieser Pflicht nicht umgehend nachkommt, kann ein Rechtsanwalt für Sie eine einstweilige Verfügung beantragen und den Stromanbieter so zum Einschalten des Stroms bringen. Auch und insbesondere bei offensichtlich falschen Abrechnungen sollten Sie sich nicht vor einer rechtlichen Auseinandersetzung mit dem Energieunternehmen scheuen.

Als Bezieher von ALG II (Hartz IV) können Sie sich an das Jobcenter wenden und eine Kostenübernahme beantragen. Mit der bewilligten Kostenübernahme können Sie beim Stromversorger vorsprechen. In der Regel wird dann der Strom noch am selben Tag wieder angestellt.

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