Landgericht Paderborn
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
In dem Rechtsstreit
des Klägers, Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Kraus, Ghendler, Ruvinskij, Aachener Str. 1, 50674 Köln,
gegen
die Generali Deutschland Krankenversicherung AG, vertr. d. di Vorstand Dr. Jochen Petin, K. Gruber, B. Kalteier u. M. Tillmann, Adenauerring 7, 81737 München,
Beklagte,
hat die 4. Živilkammer des Landgerichts Paderborn aufgrund mündlicher Verhandlung vom 17.05.2021 durch die Vorsitzende Richterin am Landgericht Hammerschmidt, den Richter am Landgericht Schnigge und die Richterin Berenbrink
für Recht erkannt:
1. Es wird festgestellt, dass folgende Erhöhungen des Monatsbeitrags in der
zwischen dem Kläger und der Beklagten bestehenden. Kranken /Pflegeversicherung mit der Versicherungsnummer 0000 nicht wirksam geworden sind: a) im Tarif CV3A1 die Erhöhung zum 01.01.2012 bis zum 31.12.2018 um 2,98 €, zum 01.01.2013 bis zum 31.12.2018 um weitere 15,88 €, zum 01.01.2016 bis zum 31.12.2018 um weitere 23,97 € und zum 01.01.2018 bis zum 31.12.2018 i.H.v. 32,19 €;
b) im Tarif KEH750 die Erhöhung zum 01.01.2012 bis zum 31.12.2020 um 25,52 €, zum 01.01.2013 bis zum 31.12.2020 um weitere 59,48 €, zum 01.01.2015 bis zum 31.12.2020 um weitere 33,25 €, zum 01.01.2016 bis zum 31.12.2020 um weitere 14,91 € und zum 01.01.2018 bis zum 31.12.2020 um weitere 27,81 €.
2. Es wird festgestellt, dass der Kläger nicht zur Tragung des jeweiligen Erhöhungsbetrages aus den folgenden Erhöhungen des Monatsbeitrags verpflichtet war:
a) im Tarif CV3A1 aus der Erhöhung um 2,98 € zum 01.01.2012 bis zum 31.12.2018, um weitere 15,88 € zum 01.01.2013 bis zum 31.12.2018, um weitere 23,97 € zum 01.01.2016 bis zum 31.12.2018 und um weitere 32,19 € zum 01.01.2018 bis zum 31.12.2018;
b) im Tarif KEH750 aus der Erhöhung um 25,52 € zum 01.01.2012 bis zum 31.12.2020, um weitere 59,48 € zum 01.01.2013 bis zum 31.12.2020, um weitere 33,25 € zum 01.01.2015 bis zum 31.12.2020, um weitere 14,91 € zum 01.01.2016 bis zum 31.12.2020 und um weitere 27,81 € zum 01.01.2018 bis zum 31.12.2020.
3. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 8.512,39 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 05.01.2021 zu zahlen.
4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
5. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 43 % und die Beklagte 57 %.
6. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für den Kläger jedoch nur gegen Sicherheitsleistung i. H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages. Dem Kläger wird nachgelassen, die gegen ihn gerichtete Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit von Beitragserhöhungen in der privaten Krankenversicherung:
Der Kläger schloss für sich und die mitversicherte Person M. bei der Beklagten am 01.01.1995 einen Vertrag über eine private Kranken /Pflegeversicherung ab (Vers.Nr. 0000). Streitgegenständlich ist der Versicherungsschutz für Krankheitskosten nach dem Tarif CV3A1 für den Kläger sowie nach dem Tarif KEH750 für die mitversicherte Person. Beide Tarife umfassen den Versicherungsschutz für ambulante, stationäre und zahnärztliche Heilbehandlungen.
Die Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) für die Krankheitskosten- und Krankenhaustagegeldversicherung bestehen im Teil I aus den Rahmenbedingungen 2008 (RB/KK 2008) und im Teil II aus den Tarifbedingungen 2008 (TB/KK 2008). In § 11 RB/KK 2008 findet sich in Bezug auf Beitragsanpassungen folgende Regelung: „(1) […] Dementsprechend vergleicht der Versicherer zumindest jährlich für jeden Tarif die erforderlichen mit den in den technischen Berechnungsgrundlagen kalkulierten Versicherungsleistungen und Sterbewahrscheinlichkeiten. Ergibt diese Gegenüberstellung für eine Beobachtungseinheit eines Tarifs eine Abweichung von mehr als dem gesetzlich oder tariflich festgelegten Vomhundertsatz, werden alle Beiträge dieser Beobachtungseinheit vom Versicherer überprüft und, soweit erforderlich, mit Zustimmung des Treuhänders angepasst. […]
(2) Von einer Beitragsanpassung kann abgesehen werden, wenn nach übereinstimmender Beurteilung durch den Versicherer und den Treuhänder die Veränderung der Versicherungsleistungen als vorübergehend anzusehen ist. […]“
Gemäß § 10 TB/KK 2008 zu § 11 Abs. 1 RB/KK 2008 beträgt der maßgebende Vomhundertsatz 5. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die AVB für die Krankheitskosten- und die Krankenhaustagegeldversicherung (Anlage BLD 5a, BI. 225 ff. der Akte) Bezug genommen. Der Beklagte nahm im Tarif CV3A1 folgende Beitragsanpassung vor: zum 01.01.2012 i. H.v. 2,98 €, zum 01.01.2013 i.H.v. 15,88 €, zum 01.01.2018 i.H.v. 32,19 € und zum 01.01.2019 i. H.v. 35,08 €. Weitere Erhöhungen erfolgten im Tarif KEH750 die mitversicherte Person betreffend zum 01.01.2012 i.H.v. 25,52 € und zum 01.01.2018 i.H.V. 27,81 €. Zugleich erhielt der Kläger von der Beklagten verschiedene monatliche Gutschriften, nämlich im Rahmen der Beitragserhöhung zum 01.01.2013 die mitversicherte Person betreffend eine Gutschrift i.H.v 39,95 € befristet bis zum 31.12.2013 und im Rahmen der Beitragserhöhung zum 01.01.2015 die mitversicherte Person betreffend eine Gutschrift i.H.v. 32,48 € befristet bis zum 31.12.2015. Weitere monatliche Gutschriften erhielt der Kläger im Rahmen der Beitragserhöhung zum 01.01.2016 iH.v. 7,30 € ihn selbst betreffend sowie die
mitversicherte Person betreffend i.H.v. 34,10 €; beide Gutschriften waren befristet bis zum 31.12.2016. Im Rahmen der Beitragserhöhung zum 01.01.2018 erhielt der Kläger eine die mitversicherte Person betreffende Gutschrift i.H.v. 11,14 € befristet bis zum 31.12.2018 sowie im Rahmen der Beitragserhöhung zum 01.01.2020 eine ihn selbst betreffende monatliche Gutschrift i.H.v 50,73 € befristet bis zum 31.12.2020.
Die Beitragserhöhungen erfolgten in sämtlichen Tarifen auf Basis des § 203 Abs. 2 WG i.V.m. § 155 Abs. 3 VAG aufgrund veränderter Leistungsausgaben. Über die Prämienerhöhungen informierte die Beklagte den Kläger jeweils schriftlich. Im Rahmen des Informationsschreibens zur Beitragsanpassung zum 01.01.2012 erläuterte die Beklagte die Erhöhungen u.a. wie folgt: „[…] Sie haben Ihren Nachtrag zum Versicherungsschein gelesen und festgestellt, dass Ihre Beiträge zum 1. Januar 2012 steigen. Die Gründe hierfür sind vielfältig. Ein Hauptgrund ist: Die Ausgaben für Versicherungsleistungen sind weiter stark angestiegen. Unsere Kunden nehmen zum einen mehr Leistungen in Anspruch, zum anderen haben aber auch die Kosten im Gesundheitswesen weiter zugenommen. […]“ Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Information zur Beitragsanpassung zum 01.01.2012 (Anlagenkonvolut BLD 6, BI. 242 f, d.A.) Bezug genommen.
Über die Gründe der Beitragsanpassung zum 01.01.2013 informierte die Beklagte den Kläger u.a. wie folgt: „[…] Sie haben Ihren Nachtrag zum Versicherungsschein gelesen und festgestellt, dass die Beiträge für die gekennzeichneten Tarife zum 1. Januar 2013 steigen werden. […] Der Gesetzgeber schreibt uns vor, dass wir jedes Jahr die tatsächlich entstandenen Ausgaben für unsere Leistungen mit den Ausgaben vergleichen, die in den Beiträgen einkalkuliert sind. Stellen wir dabei in einem Tarif deutliche Abweichungen fest, müssen wir die Beiträge zum Ausgleich anpassen. […] Warum steigen die Ausgaben? […] Dieser medizinische Fortschritt führt aber auch zu höheren Kosten im Gesundheitssystem. Und: Die Lebenserwartung der Menschen steigt. All das trägt dazu bei, dass die Leistungsausgaben steigen. […]“
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Information zur Beitragsanpassung zum 01.01.2013 (Anlagenkonvolut BLD 6, BI. 247 f. d. A.) Bezug genommen.
Die Information zur Beitragsanpassung zum 01.01.2015 enthielt u.a. folgende Formulierung: „[…] Sie fragen sich sicher, warum Ihre Beiträge steigen. Ein Hauptgrund ist: Die Ausgaben für Versicherungsleistungen sind weiter stark angestiegen. […] Der Gesetzgeber schreibt uns vor, dass wir jedes Jahr die erforderlichen mit den aktuellen Versicherungsleistungen, die in den Beiträgen einkalkuliert sind, vergleichen. Stellen wir dabei in einem Tarif deutliche Abweichungen fest, müssen wir die Beiträge zum Ausgleich anpassen. Nur so können wir unser Leistungsversprechen einhalten. […] Warum steigen die Ausgaben? […] Dieser medizinische Fortschritt führt aber auch zu höheren Kosten im Gesundheitssystem. Und: Die Lebenserwartung der Menschen steigt. All das trägt dazu bei, dass die Leistungsausgaben steigen. […]“ Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Information zur Beitragsanpassung zum 01.01.2015 (Anlagenkonvolut BLD 6, BI.253 f. d.A.) Bezug genommen.
Im Rahmen des Informationsschreibens zur Beitragsanpassung zum 01.01.2016 erläuterte die Beklagte die Erhöhungen u.a. wie folgt:
» […] Sie fragen sich sicher, warum Ihre Beiträge angepasst werden. Ein Hauptgrund ist: die Ausgaben für Versicherungsleistungen haben sich verändert. […] Der Gesetzgeber schreibt uns vor, dass wir jedes Jahr die erforderlichen mit den aktuellen Versicherungsleistungen, die in den Beiträgen einkalkuliert sind, vergleichen. Stellen wir dabei in einem Tarif deutliche Abweichungen fest, müssen wir die Beiträge zum Ausgleich anpassen. Nur so können wir unser Leistungsversprechen einhalten. […] Warum steigen die Ausgaben? Dieser medizinische Fortschritt führt aber auch zu höheren Kosten im Gesundheitssystem. Und: Die Lebenserwartung der Menschen steigt. All das trägt dazu bei, dass die Leistungsausgaben steigen. […]“
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Information zur Beitragsanpassung zum 01.01.2016 (Anlagenkonvolut BLD 6, BI. 259 f. d.A.) Bezug genommen.
Über die Beitragsanpassung zum 01.01.2018 informierte die Beklagte den Kläger U.a. wie folgt:
[…] Um Ihnen Ihre versicherten Leistungen dauerhaft zur Verfügung zu stellen, müssen wir die Beiträge regelmäßig prüfen und den Kosten anpassen. Das ist gesetzlich so geregelt. […] Jedes Jahr prüfen wir neu, ob die tatsächlichen Ausgaben denen entsprechen, die der Beitragskalkulation zugrunde liegen. Wir gleichen dabei auch ab, ob sich die durchschnittlichen Lebenserwartungen geändert haben. Wenn in einem Tarif die Ausgaben für Leistungen von den kalkulierten deutlich abweichen, müssen wir die Beiträge anpassen. Gleiches gilt bei höheren Lebenserwartungen. Das ist gesetzlich so geregelt. […] Gründe für steigende Kosten Die medizinische Versorgung verbessert sich stetig und deswegen steigen auch die Kosten im Gesundheitswesen. […] Auch die demografische Entwicklung führt zu steigenden Kosten für die Krankenversicherer. Wir freuen uns über eine höhere Lebenserwartung; gleichzeitig erhöhen sich so die Kosten für Gesundheit. Der dritte wichtige Grund ist die aktuelle Niedrigzinsphase. (…)”
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Information zur Beitragsanpassung zum 01.01.2018 (Anlagenkonvolut BLD 6, Bl. 261 ff. d.A.) Bezug genommen.
Die Information zur Beitragsanpassung zum 01.01.2019 enthielt u.a. folgende Formulierung: „[…] Jedes Jahr prüfen wir neu, ob die tatsächlichen Ausgaben denen entsprechen, die der Beitragskalkulation zugrunde liegen. Wir gleichen dabei auch ab, ob sich die durchschnittlichen Lebenserwartungen geändert haben. Wenn in einem Tarif die Ausgaben für Leistungen von den kalkulierten deutlich abweichen und diese Änderung nicht vorübergehend ist, müssen wir die Beiträge anpassen. Auch die Prüfung der Lebenserwartungen kann zu einer Beitragsänderung führen. Das ist gesetzlich so geregelt. In diesem Jahr ist der maßgebliche Grund für die Beitragsanpassung die Abweichung in den Leistungsausgaben. […] Gründe für steigende Kosten
Die medizinische Versorgung verbessert sich stetig und deswegen steigen auch die Kosten im Gesundheitswesen. […] Auch die demografische Entwicklung führt zu steigenden Kosten für die Krankenversicherer. Wir freuen uns über eine höhere Lebenserwartung; gleichzeitig erhöhen sich so die Kosten für Gesundheit. Um Ihnen Ihre Leistungen bis ins hohe Alter garantieren zu können, sorgen wir finanziell vor. Wir rechnen dazu mit einem Rechnungszins für die Vorsorgebeträge. Wegen der dauerhaft niedrigen Zinsen müssen wir diesen aktuell senken. […]”
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Information zur Beitragsanpassung zum 01.01.2019 (Anlagenkonvolut BLD 6, BI. 271 f. d.A.) Bezug genommen.
Über die Gründe der Beitragsanpassung zum 01.01.2020 informierte die Beklagte den Kläger u.a. wie folgt: „[…] Jedes Jahr prüfen wir neu, ob die tatsächlichen Ausgaben denen entsprechen, die der Beitragskalkulation zugrunde liegen. Wir gleichen dabei auch ab, ob sich die durchschnittlichen Lebenserwartungen geändert haben. Wenn in einem Tarif die Ausgaben für Leistungen von den kalkulierten deutlich abweichen und diese Änderung nicht vorübergehend ist, müssen wir die Beiträge anpassen. Auch die Prüfung der Lebenserwartungen kann zu einer Beitragsänderung führen. Das ist gesetzlich so geregelt. In diesem Jahr ist der maßgebliche Grund für die Beitragsanpassung die Abweichung in den Leistungsausgaben.[…] Gründe für steigende Kosten Die medizinische Versorgung verbessert sich stetig und deswegen steigen auch die Kosten im Gesundheitswesen. […] Auch die demografische Entwicklung führt zu steigenden Kosten für die Krankenversicherer. Wir freuen uns über eine höhere Lebenserwartung; gleichzeitig erhöhen sich so die Kosten für Gesundheit. Um Ihnen Ihre Leistungen bis ins hohe Alter garantieren zu können, sorgen wir finanziell vor. Wir rechnen dazu schon immer mit einem Rechnungszins für die Vorsorgebeträge. Wegen der dauerhaft niedrigen Zinsen müssen wir diesen aktuell senken. […]”
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Information zur Beitragsanpassung zum 01.01.2020 (Anlagenkonvolut BLD 6, Bl. 277 f. d.A.) Bezug genommen. Die letzte monatliche Beitragszahlung vor Klageerhebung erfolgte in sämtlichen streitgegenständlichen Tarifen am 05.11.2020. Sowohl im Tarif CV3A1 als auch im Tarif KEH750 erfolgten weitere Tariferhöhungen zum 01.01.2021, gegen deren Wirksamkeit der Kläger keine Einwendungen erhebt.
Der Kläger behauptet, dass im Tarif CV3A1 zum 01.01.2016 eine Beitragserhöhung i.H.V. 23,97 € sowie zum 01.01.2020 i.H.V. 88,98 € stattgefunden habe. Im Tarif KEH750 hätten folgende weitere Beitragserhöhungen stattgefunden: Zum 01.01.2013 i.H.v. 59,48 €, zum 01.01.2015 i.H.v. 33,25 € und zum 01.01.2016 i.H.v.
14,91 €.
Der Kläger vertritt die Auffassung, dass die streitgegenständlichen Erhöhungen in den Tarifen CV3A1 und KEH750 unwirksam seien. Es liege keine ordnungsgemäße Begründung nach § 203 Abs. 5 WG vor. Der Zweck des Mitteilungserfordernisses nach § 203 Abs. 5 WG liege darin, dem Versicherungsnehmer zu verdeutlichen, dass weder sein individuelles Verhalten noch eine freie Entscheidung des Versicherers die Beitragsanpassung ausgelöst habe, sondern die Anpassung nach gesetzlich vorgeschriebenen Mechanismen erfolge. Die Beklagte sei verpflichtet, die maßgeblichen Gründe jeweils deutlich darzulegen; die Begründung dürfe sich nicht
nur in einer formelhaften Wiedergabe des Gesetzestextes erschöpfen. Mitgeteilt werden müsse, welche der wesentlichen Rechnungsgrundlagen (Versicherungsleistungen und/oder Sterbewahrscheinlichkeiten) sich nicht nur vorübergehend und oberhalb des geltenden Schwellenwerts verändert habe. Diesen Anforderungen würden sämtliche Beitragsanpassungsschreiben der Beklagten nicht gerecht: Aus ihnen werde nicht ersichtlich, welche Rechnungsgrundlage sich verändert und die Beitragsanpassung ausgelöst habe. Der Hinweis auf gestiegene Leistungsausgaben als Hauptgrund sei insoweit unzureichend. Es bleibe zweifelhaft, ob auch eine Veränderung der Sterbewahrscheinlichkeiten die Beitragsanpassung ausgelöst habe. Zudem könne den Schreiben nicht entnommen werden, dass eine Veränderung oberhalb des geltenden Schwellenwerts stattgefunden habe, da – wenn überhaupt – nur von „deutliche[n] Abweichungen“ die Rede sei: Auch das konkrete Ergebnis der aktuellen Überprüfung sei den Versicherungsnehmern nicht mitgeteilt worden. Hinsichtlich der Beitragserhöhungen zum 01.01.2019 und zum 01.01.2020 sei ihm der maßgebliche Grund für die Beitragserhöhung zwar knapp mitgeteilt worden, jedoch habe er aufgrund des fehlenden Tarifbezugs nicht erkennen können, warum in den streitgegenständlichen Tarifen Erhöhungen vorgenommen worden seien. Ebenfalls gehe aus dem Mitteilungsschreiben nicht deutlich hervor, ob es sich um eine dauerhafte und über dem maßgeblichen Schwellenwert liegende Abweichung der Leistungsausgaben handele. Eine Nachholung der nach 8 203 Abs. 5 WG erforderlichen Begründung sei möglich, führe jedoch nur zu einer ex nunc-Wirksamkeit der Beitragserhöhung. Dies gelte jedoch nicht für die Erhöhungen im Tarif CV3A1 zum 01.01.2016 und 01.01.2018 sowie im Tarif KEH750 zum 01.01.2016 und 01.01.2018, bei denen der auslösende Faktor jeweils – dies ist zwischen den Parteien unstreitig – unter 10% gelegen habe. Insoweit seien die Erhöhungen endgültig unwirksam, da die entsprechende Klausel in den AVB, in welcher der Schwellenwert hinsichtlich der Versicherungsleistungen auf 5% gesenkt worden sei, als nicht wirksam einzustufen sei.
Des Weiteren vertritt der Kläger die Auffassung, dass die geltend gemachten Ansprüche nicht verjährt seien. Von den anspruchsbegründenden Tatsachen habe er bis zum heutigen Tage keine Kenntnis, da er weder eine den Anforderungen des § 203 Abs. 5 WG entsprechende Mitteilung erhalten noch Kenntnis von den Berechnungen habe, auf welche die Beklagte ihre Beitragskalkulation stütze.
Nachdem der Kläger ursprünglich noch beantragt hatte, auch die Unwirksamkeit einer behauptet stattgefunden Beitragserhöhung um 11,14 € im Tarif KEH750 zum 01.01.2019 festzustellen und die Beklagte zur Zahlung eines Betrags i.H.v. 16.373,97 € an ihn zu verurteilen, hat er die Klage mit Schriftsatz vom 11.05.2021 insoweit teilweise zurückgenommen.
Der Kläger beantragt nunmehr,
1. festzustellen, dass folgende Erhöhungen des Monatsbeitrags in der zwischen
ihm und der Beklagten bestehenden Kranken-/Pflegeversicherung mit der mit der Vers.-Nr. 0000 unwirksam sind:
a) in den Tarifen für ihn
aa) im Tarif CV3A1 die Erhöhung zum 01.01.2012 in Höhe von 2,98 €, bb) im Tarif CV3A1 die Erhöhung zum 01.01.2013 in Höhe von 15,88 €, cc) im Tarif CV3A1 die Erhöhung zum 01.01.2016 in Höhe von 23,97 €, dd) im Tarif CV3A1 die Erhöhung zum 01.01.2018 in Höhe von 32,19 €, ee) im Tarif CV3A1 die Erhöhung zum 01.01.2019 in Höhe von 35,08 €, ff) im Tarif CV3A1 die Erhöhung zum 01.01.2020 in Höhe von 88,98 €,
b) in den Tarifen für Mitversicherte Person
aa) im Tarif KEH750 die Erhöhung zum 01.01.2012 in Höhe von 25,52 €.
bb) im Tarif KEH750 die Erhöhung zum 01.01.2013 in Höhe von 59,48 €,
cc) im Tarif KEH750 die Erhöhung zum 01.01.2015 in Höhe von 33,25 €,
dd) im Tarif KEH750 die Erhöhung zum 01.01.2016 in Höhe von 14,91 €,
ee) im Tarif KEH750 die Erhöhung zum 01.01.2018 in Höhe von 27,81 €,
und er nicht zur Zahlung des jeweiligen Erhöhungsbetrages verpflichtet, sowie der Gesamtbeitrag unter Berücksichtigung der erfolgten Absenkungen auf insgesamt 936,49 € zu reduzieren ist.
2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 16.117,75 € nebst Zinsen hieraus i.H.v.
fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen;
3. festzustellen, dass die Beklagte
a) ihm zur Herausgabe von Nutzungen verpflichtet ist, welche sie aus dem
Prämienanteil gezogen hat, den er auf die unter 1) aufgeführten Beitragserhöhungen gezahlt hat,
b) die nach 3a) herauszugebenden Nutzungen i.H.v. 5 Prozentpunkten über
dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu verzinsen hat.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte vertritt die Auffassung, dass die geltend gemachten Feststellungsanträge zu 1) und zu 3) unzulässig seien. Dem Kläger fehle bezüglich des Klageantrags zu 1) das erforderliche Feststellungsinteresse, da er sich zum einen nicht gegen die zum 01.01.2021 erfolgten weiteren Beitragsanpassungen wende. Damit stehe die Richtigkeit des zukünftig zu zahlenden Beitrages fest. Zum
anderen fehle das Feststellungsinteresse für alle, älteren Beitragsanpassungen, soweit diese für den Leistungsantrag aufgrund der eingetretenen Verjährung nicht mehr relevant seien. Hinsichtlich des Klageantrags zu 3) liege das erforderliche Feststellungsinteresse ebenfalls nicht vor, da der Kläger im Wege eines Leistungsantrags vorgehen könne. Da er sich nur gegen die bis zum 01.01.2020 erfolgten Beitragsanpassungen wende, sei die Entwicklung des vom Kläger begehrten Anspruchs auf Herausgabe von Nutzungen abgeschlossen und bezifferbar.
Die Beklagte behauptet, dass im CV3H1 folgende weitere Beitragserhöhungen stattgefunden hätten: Zum 01.01.2016 1.H.v. 16,67 € und zum 01.01.2020 i.H.v. 38,25 €. Ferner seien die Prämien im Tarif KEH750 wie folgt erhöht worden: Zum 01.01.2013 i. H.v. 19,53 €, zum 01.01.2015 i.H.v. 22,31 € und zum 01.01.2016 i.H.V. 13,29 €.
Die Beklagte ist der Ansicht, dass die Beitragsanpassungen formell ordnungsgemäß vorgenommen worden seien, da nur mitgeteilt werden müsse, bei welcher Rechnungsgrundlage eine nicht nur vorübergehende und den festgelegten Schwellenwert überschreitende Veränderung eingetreten sei. Die von ihr an den Kläger versandten Beitragsanpassungsschreiben enthielten diese erforderliche Information. Zudem sei zu beachten, dass ältere möglicherweise unwirksame : Beitragsanpassungen nicht in die Zukunft fortwirkten, wenn in dem betreffenden Tarif
zu einem späteren Zeitpunkt eine weitere wirksame Prämienanpassung erfolgt sei. Die Beklagte erhebt die Einrede der Verjährung. Sie vertritt die Auffassung, dass für den Beginn der Verjährung der Zeitpunkt maßgeblich sei, an dem der Kläger von den jeweiligen Beitragsanpassungen Kenntnis erlangt habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Die Klage ist am 07.12.2020 beim Landgericht Paderborn eingegangen und der Beklagten am 04.01.2021 zugestellt worden.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig.
Die Klage ist nicht nur hinsichtlich des Klageantrags zu 2), sondern auch hinsichtlich der Klageanträge zu 1) und zu 3) zulässig.
Der Klageantrag zu 1) ist als Zwischenfeststellungsklage zulässig.
Dem Kläger könnte möglicherweise ein gegenwärtiges Feststellungsinteresse hinsichtlich früherer Beitragsanpassungen in den Tarifen CV3A1 und KEH750 fehlen, da er sich nicht gegen die weiteren in diesen Tarifen erfolgten Beitragsanpassungen zum 01.01.2021 zur Wehr setzt (vgl. BGH, Urteil vom 19.12.2018, Az. IV ZR 255/17, juris Rn. 17 m.w.N.). Allerdings ist zu beachten, dass der Kläger die Klage bereits zu einem Zeitpunkt anhängig gemacht hat, zu dem die Erhöhung der Beiträge zum 01.01.2021 noch nicht stattgefunden hatte. Dieses Argument würde für das Vorhandensein eines Feststellungsinteresses zum Zeitpunkt der Klageerhebung sprechen. Ist eine Feststellungsklage gemäß § 256 Abs. 1 ZPO in zulässiger Weise erhoben worden, braucht ein Kläger auch nicht nachträglich zur Leistungsklage überzugehen, wenn diese im Laufe des Rechtsstreits möglich wird (st. Rspr. vgl. etwa BGH, Urteil vom 28.09.2005, Az. I ZR 82/04, juris Rn. 8; Urteil vom 19.12.2018, Az. IV ZR 255/17, juris Rn. 21). Eine abschließende Entscheidung darüber, ob dem Kläger im vorliegenden Fall das Feststellungsinteresse nach § 256 Abs. 1 ZPO fehlt, kann im vorliegenden Fall unterbleiben. Denn in der hier zu beurteilenden Fallgestaltung ist ein Feststellungsinteresse nicht erforderlich. Bei dem Klageantrag zu 1) handelt sich um eine Zwischenfeststellungsklage gemäß § 256 Abs. 2 ZPO, bei der die Vorgreiflichkeit das sonst für die Feststellungsklage erforderliche Feststellungsinteresse entbehrlich macht (vgl. BGH, Urteil vom 16.12.2020, Az. IV ZR 294/19, juris Rn. 20 m.w.N.). Die begehrte Feststellung der Unwirksamkeit der Prämienerhöhung ist eine Vorfrage für den Leistungsantrag, da sie bei dessen Bescheidung zwingend vorab zu klären ist. Zugleich geht das Rechtsschutzziel des Feststellungsantrags über das Rechtsschutzziel der Leistungsantrags hinaus (vgl. BGH, Urteil vom 23.04.2013, Az. II ZR 74/12, juris Rn. 29; Urteil vom 19.12.2018, Az. IV ZR 255/17, juris Rn. 17; Urteil vom 16.12.2020, Az. IV ZR 294/19, juris Rn. 20). Denn bei einer Stattgabe des Leistungsantrags erwächst nur der Leistungsbefehl, nicht aber die diesen Ausspruch tragenden tatsächlichen Feststellungen und die Beurteilung des vorgreiflichen Rechtsverhältnisses in materielle Rechtskraft, sodass letztere in einem anderen Prozess abweichend beurteilt werden könnten (Zöller/Greger, ZPO, 33. Auflage 2020, § 256 ZPO, Rn. 21).
2
Der Klageantrag zu 3) ist ebenfalls zulässig. Ein Vorrang der Leistungsklage besteht im vorliegenden Fall nicht. Das Argument der Beklagten, die Entwicklung des Anspruchs sei im vorliegenden Fall bereits abgeschlossen, verfängt im vorliegenden Fall nicht. Denn zum Zeitpunkt der Klageerhebung war das Jahr 2020 noch nicht abgeschlossen, sodass sich der Anspruch auf Herausgabe der Nutzungen insoweit noch in der Entwicklung befunden hat. Befindet sich ein anspruchsbegründender Sachverhalt im Zeitpunkt der Klageerhebung noch in der Entwicklung, so steht der Umstand, dass im Zeitpunkt der Klageerhebung eine Bezifferung teilweise möglich wäre, der Bejahung des Feststellungsinteresses jedenfalls dann nicht entgegen, wenn der Anspruch seiner Natur nach sinnvollerweise erst nach Abschluss seiner Entwicklung beziffert werden kann (OLG Köln, Urteil vom 29.10.2019, Az. 1-9 U 127/18, juris Rn. 30; BGH, Urteil vom 19.12.2018, Az. IV ZR 255/17, juris Rn. 19 f.).
Die Klage ist in dem sich aus dem Tenor ergebenden Umfang begründet. Im Übrigen ist sie unbegründet.
1.
Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Feststellung der Unwirksamkeit der Beitragserhöhungen im Tarif CV3A1 zum 01.01.2012 bis zum 31.12.2018 um 2,98 €, zum 01.01.2013 bis zum 31.12.2018 um weitere 15,88 €, zum 01.01.2016 bis zum 31.12.2018 um weitere 23,97 € und zum 01.01.2018 bis zum 31.12.2018 um weitere 32,19 €. Ein Anspruch auf Feststellung der Unwirksamkeit der genannten Beitragserhöhungen im Tarif CV3A1 über den 31.12.2018 hinaus besteht nicht, da in diesem Tarif zum 01.01.2019 eine weitere wirksame Beitragsanpassung stattgefunden hat. Zudem besteht ein Anspruch auf Feststellung der Unwirksamkeit der Beitragserhöhung im Tarif KEH750 zum 01.01.2012 bis zum 31.12.2020 um 25,52 €, zum 01.01.2013 bis zum 31.12.2020 um weitere 59,48 €, zum 01.01.2015 bis zum 31.12.2020 um weitere 33,25.€, zum 01.01.2016 bis zum 31.12.2020 um weitere 14,91 € und zum 01.01.2018 bis zum 31.12.2020 um weitere 27,81 €. Ein Anspruch auf Feststellung der Unwirksamkeit der genannten Beitragserhöhungen im Tarif
Tarif zum
KEH750 über den 31.12.2020 hinaus besteht nicht, da in diesem 01.01.2021 eine weitere wirksame Beitragsanpassung stattgefunden hat.
a)
Die Beklagte hat, neben den unstreitigen Beitragsanpassungen im Tarif CV3A1 zum 01.01.2016 eine Prämienerhöhung i.H.v. 23,97 € durchgeführt. Dies ergibt sich aus den zur Akte gereichten Versicherungsscheinen. Daraus ist ersichtlich, dass der Beitrag bis zum 31.12.2015 monatlich 339,06 € betragen hat und zum. 01.01.2016 auf 363,03 € erhöht worden ist. Die vom 01.01.2016 bis 31.12.2016 gewährte Gutschrift i.H.v. 7,30 € wirkt sich nicht auf die Höhe der Beitragsanpassung, sondern auf die Höhe des Rückforderungsanspruchs aus. Des Weiteren ist zum 01.01.2020 im Tarif CV3A1 eine Beitragsanpassung um 88,98 € durchgeführt worden. Der bis zum 31.12.2019 zu zahlende monatliche Beitrag i.H.v. 430,30 € ist zum 01.01.2020 auf 519,28 € erhöht worden. Gleichzeitig ist bis zum 31.12.2020 eine monatliche Gutschrift i. H.v. 50,73 € gewährt worden, um die Beitragserhöhung abzumildern.
Auch die Behauptung des Klägers, dass im Tarif KEH750 zum 01.01.2013 eine Beitragserhöhung i.H.v. 59,48 € pro Monat stattgefunden hat, ist durch die vorgelegten Versicherungsscheine belegt. Der ab dem 01.01.2012 zu zahlende Beitrag belief sich auf 217,41 €. Diesen hat die Beklagte zum 01.01.2013 auf 276,89 € erhöht und zugleich, um die Höhe der Beitragsanpassung für einen gewissen Zeitraum abzumildern, eine zeitlich befristete Gutschrift i.H.v. 39,95 € bis zum 31.12.2013 gewährt. Ebenfalls zutreffend berechnet worden sind vom Kläger die Beitragserhöhungen im Tarif KEH750 zum 01.01.2015 und 01.01.2016. Der bis zum 31.12.2014 für die mitversicherte Person zu zahlende Betrag belief sich auf 276,89 €. Diesen Beitrag hat die Klägerin zum 01.01.2015 auf 310,14 €, mithin um 33,25 € erhöht. Zugleich hat die Beklagte eine bis zum 31.12.2015 befristete monatliche Gutschrift i.H.v. 32,48 € gewährt, die sich nicht auf die Höhe der Beitragsanpassung, sondern nur auf die Höhe des Rückforderungsbetrages auswirkt. Zum 01.01.2016 hat die Beklagte den Beitrag von 310,14 € auf 325,05 €, d.h. um 14,91 € erhöht und eine monatliche Gutschrift i. H.v. 11,14 — befristet bis zum 31.12.2016 – gewährt.
b)
Gemäß § 203 Abs. 5 WG hat der Versicherer dem Versicherungsnehmer die für die Neufestsetzung oder Änderung maßgeblichen Gründe mitzuteilen. Zu den maßgeblichen Gründen zählt die Angabe der Rechnungsgrundlage, welche sich nicht nur vorübergehend und in einer über dem Schwellenwert liegenden Weise verändert hat. Bei den Rechnungsgrundlagen handelt es sich um die in § 203 Abs. 2 S. 3 WG genannten Versicherungsleistungen und Sterbewahrscheinlichkeiten. Nicht mitteilen muss der Versicherer hingegen, in welcher Höhe sich die Rechnungsgrundlage verändert hat. Auch die Veränderung weiterer Faktoren, welche die Prämienhöhe beeinflussen (z.B. der Rechnungszins), müssen dem Versicherungsnehmer nicht mitgeteilt werden (BGH, Urteil vom 16.12.2020. Az. IV ZR 294/19, juris Rn. 26 ff.; Urteil vom 16.12. 20, Az. IV ZR 314/19, juris Rn. 21 ff.). Erforderlich ist zudem, dass die Mitteilung nach § 203 Abs. 5 WG einen konkreten Bezug zu der jeweiligen Beitragserhöhung hat. Eine Formulierung, die dem Versicherungsnehmer hingegen nur allgemein und formelhaft erklärt, wie im Rahmen der Überprüfung der Beiträge vorgegangen wird, ist zur Erfüllung der Voraussetzungen des § 203 Abs. 5 WG nicht ausreichend (BGH, Urteil vom 16.12.2020. Az. IV ZR 294/19, juris Rn. 39; Urteil vom 16.12.2020, Az. IV ZR 314/19, juris Rn. 35).
aa)
Die streitgegenständlichen Beitragserhöhungen in den Tarifen CV3A1 und KEH750 zum 01.01.2012 sind nicht den Anforderungen des § 203 Abs. 5 WG entsprechend begründet worden. Es fehlt bereits an einem hinreichend klaren Bezug auf die maßgebliche Rechnungsgrundlage. Die Beklagte hat in ihrem Informationsschreiben mitgeteilt, dass es vielfältige Gründe für das Ansteigen der Beiträge gebe, der Hauptgrund aber in einem Anstieg der Kosten liege. Ein Versicherungsnehmer ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse kann aus der von der Beklagte gewählten Formulierung den – fehlerhaften – Schluss ziehen, dass neben einem Anstieg der Versicherungsleistungen weitere Faktoren die Beitragsanpassung ausgelöst haben. Diese Unklarheit wirkt sich zu Lasten der Beklagten aus. Zudem wird aus dem Informationsschreiben nicht hinreichend deutlich, dass der Mechanismus der Beitragsanpassung auf gesetzlichen Vorgaben beruht, sodass das Mitteilungsschreiben seinen diesbezüglichen Zweck nicht erfüllt.
bb) Die Beitragserhöhungen zum 01.01.2013 sind nicht in einer den Anforderungen des $ 203 Abs. 5 WG entsprechenden Weise begründet worden. Die Beklagte hat es versäumt, über die abstrakte Mitteilung zur Vorgehensweise im Rahmen einer Beitragsanpassung hinaus einen konkreten Bezug zur Beitragserhöhung zum 01.01.2013 herzustellen. Sie hat insbesondere das Ergebnis der aktuellen Überprüfung nicht mitgeteilt, sondern nur allgemein und floskelhaft erklärt, wann es im Allgemeinen zu einer Beitragsanpassung kommt.
cc) Nicht den Anforderungen des § 203 Abs. 5 WG entsprechend sind auch die Beitragserhöhungen zum 01.01.2015 und 01.01.2016 begründet worden. Hier fehlt nach Ansicht der Kammer eine hinreichend klare Bezugnahme auf die maßgebliche Rechnungsgrundlage, da die Beklagte insoweit nur einen „Hauptgrund“ für das Ansteigen der Beiträge mitgeteilt hat, nämlich einen starken Anstieg (2015) bzw. eine Veränderung (2016) der Ausgaben für Versicherungsleistungen. Durch diese Formulierung kann ein Versicherungsnehmer ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse nicht erkennen, dass die streitgegenständlichen Beitragsanpassung allein durch eine wesentliche Veränderung der Rechnungsgrundlage Versicherungsleistungen ausgelöst worden sind. Dies gilt umso mehr, als die Beklagte in dem Abschnitt „Warum steigen die Ausgaben?” neben steigenden Kosten im Gesundheitssystem auch die Lebenserwartung der Menschen genannt hat. Da der Begriff „Lebenserwartung“ in der Praxis synonym zu den ,Sterbewahrscheinlichkeiten“ verwendet wird, könnte ein Versicherungsnehmer ohne Versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse annehmen, dass die Beitragsanpassung neben der Veränderung der Rechnungsgrundlage Versicherungsleistungen auch durch eine Veränderung der Sterbewahrscheinlichkeiten ausgelöst worden ist. Zudem ist zumindest für die Beitragsanpassung zum 01.01.2016 das Ergebnis der aktuellen Überprüfung nicht in einer hinreichend deutlichen Form mitgeteilt worden. Aus der Angabe, dass die Versicherungsleistungen sich „verändert“ hätten, musste der Kläger nicht den Schluss ziehen, dass in den streitgegenständlichen Tarifen eine Veränderung oberhalb des Schwellenwerts stattgefunden hat.
dd) Die Prämienanpassung zum 01.01.2018 entspricht ebenfalls nicht den Anforderungen des § 203 Abs. 5 WG. Nach Ansicht der Kammer fehlt es auch insoweit an einer hinreichend klaren Bezugnahme auf die maßgebliche Rechnungsgrundlage. Der Versicherungsnehmer kann der Mitteilung der Beklagten, auch dem Sinnzusammenhang nach, nicht entnehmen, dass die Beitragsanpassung durch eine Abweichung bei der Rechnungsgrundlage Versicherungsleistungen ausgelöst worden ist. Denn im Rahmen der abstrakten Erläuterung hat die Beklagte mitgeteilt, dass sie jährlich sowohl die Versicherungsleistungen als auch die Sterbewahrscheinlichkeiten überprüfe. Die Erläuterung der. Beklagten, dass die Beiträge den Kosten angepasst werden müssten, hilft insoweit zur Klärung der Frage, welche der beiden Rechnungsgrundlagen sich maßgeblich verändert hat, nicht weiter. Denn die Beklagte fasst unter den Oberbegriff „Kosten“ nicht nur Ausgaben für Versicherungsleistungen, sondern – wie sich aus dem Abschnitt „Gründe für steigende Kosten“ ergibt – auch gestiegene Kosten aufgrund der demografischen Entwicklung sowie eine Veränderung des Rechnungszinses. Ferner hat die Beklagte das Ergebnis der aktuellen Überprüfung zum 01.01.2018 nicht mitgeteilt.
ee) Die Beitragserhöhungen zum 01.01.2019 und 01.01.2020 sind den Anforderungen des § 203 Abs. 5 WG entsprechend begründet worden. Insoweit hat die Beklagte zunächst abstrakt den gesetzlich vorgesehenen Mechanismus der Beitragsanpassung geschildert. Sie hat insbesondere dargestellt, dass ein deutliche, nicht nur vorübergehende Abweichung der Versicherungsleistungen und Sterbewahrscheinlichkeiten vorliegen müsse. Durch die Mitteilung, dass bei Vorliegen dieser Voraussetzungen der gesetzlich vorgesehene Beitragsanpassungsmechanismus ausgelöst werde, konnte der Versicherungsnehmer erkennen, dass die Beitragsanpassung nicht auf seinem individuellen Verhalten oder einer freien Entscheidung des Versicherers beruht. Nach Ansicht der Kammer genügte insoweit auch die Formulierung, dass eine deutliche Abweichung der maßgeblichen Rechnungsgrundlage vorliegen müsse. Denn dem Versicherungsnehmer muss weder die Höhe des Schwellenwerts noch die Höhe des auslösenden Faktors mitgeteilt werden. Einen zusätzlichen Erkenntnisgewinn des Versicherungsnehmers hätte daher eine Formulierung, dass eine „oberhalb des geltenden Schwellenwerts“ liegende Veränderung der Versicherungsleistungen vorliegen müsse, gegenüber der gewählten Formulierung nicht erbracht. Im Anschluss an die abstrakte Beschreibung hat die Beklagte einen konkreten Bezug zu der jeweiligen Beitragsanpassung hergestellt und das Ergebnis der aktuellen Überprüfung mitgeteilt.
Aufgrund der nicht ausreichenden Begründung sind die Tariferhöhungen in den Tarifen CV3A1 und KEH750 zum 01.01.2012, 01.01.2013, 01.01.2015, 01.01.2016, 01.01.2018 nicht nach Ablauf der in § 203 Abs. 5 WG genannten Frist durch Übersendung der ursprünglichen Erhöhungsschreiben wirksam geworden. Ein Anspruch auf Feststellung der Unwirksamkeit besteht hinsichtlich des Tarif CV3A1 bis zum 31.12.2018, da zum 01.01.2019 eine wirksame Neufestsetzung der Beiträge stattgefunden hat. Im Tarif KEH750 besteht ein Anspruch auf Feststellung der Unwirksamkeit bis zum 31.12.2020, da in diesem Tarif zum 01.01.2021 eine wirksame Neufestsetzung des Beitrags stattgefunden hat.
a)
Die „Heilung“ einer formell unwirksamen Begründung ist grundsätzlich möglich, wenn eine den Anforderungen des § 203 Abs. 5 WG genügende Begründung später nachgeholt wird. Die Nachholung der erforderlichen Begründung wirkt allerdings nur ex-nunc, sodass eine Rückwirkung auf die ursprünglichen Erhöhungszeitpunkte ausgeschlossen ist (vgl. BGH, Urteil vom 19.12.2018, Az. IV ZR 255/17, juris Rn. 66 ff.; Urteil vom 16.12.2020, Az. IV ZR 294/19 juris Rn. 41 f.; Urteil vom 16.12.2020, Az. IV ZR 314/19, juris Rn. 38 f.). Die erforderlichen Angaben bezüglich der Tarife CV3A1 und KEH750 erfolgten erst in der Klageerwiderung vom 15.03:2021. Da die Klageerwiderung den Klägervertretern im März 2021.zugegangen ist, ist die Heilung ex nunc erst zum 01.05.2021 erfolgt.
b)
Eine „Heilung” ex-nunc durch Nachholung der erforderlichen Begründung kommt bezüglich der Prämienerhöhungen im Tarif CV3A1 zum 01.01.2016 und 01.01.2018 sowie im Tarif KEH750 zum 01.01.2016 und 01.01.2018 nicht in Betracht, da diese Beitragserhöhungen endgültig unwirksam sind. Denn die Veränderung der Versicherungsleistungen überschreitet insoweit jeweils nicht einen Schwellenwert von 10%.
aa) Es ist grundsätzlich zulässig, bei der Rechnungsgrundlage Versicherungsleistungen einen geringeren Schwellenwert als die gesetzlich vorgesehenen 10% zu vereinbaren (§ 203 Abs. 2 S. 4 WG i.V.m. § 155 Abs. 3 S. 2 VAG). Der Entscheidungsspielraum der Versicherer, den Schwellenwert abzusenken, war gesetzgeberisch ausdrücklich gewünscht, mit dem Ziel, hohe Beitragssprünge zu vermeiden. Die Beklagte hat das ihr zustehende Ermessen ausgeübt, dabei jedoch mit § 11 RB/KK 2009 eine Klausel verwendet, die gegen (halb)zwingendes Gesetzesrecht verstößt.
bb) Zunächst ist festzuhalten, § 11 Abs. 2 RB/KK 2009 im vorliegenden Fall unwirksam ist, da die Regelung von gesetzlichen Vorschriften abweicht. Denn gemäß § 203 Abs. 2. S. 1 WG findet eine Beitragsanpassung nur ausgelöst, wenn eine nicht nur vorübergehenden Abweichung der maßgeblichen Rechnungsgrundlage vorliegt. Handelt es sich hingegen um eine vorübergehende Abweichung, so ist eine Anpassung im Gegenschluss nicht statthaft (Langheid/Wandt/Boetius, 2. Aufl. 2017, WG 8 203 Rn. 785). Gemäß § 208 S. 1 WG kann von der Vorschrift des § 203 Abs. 2 S. 1 WG nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers abgewichen werden. Dies hat die Beklagte jedoch durch § 11 Abs. 2 RB/KK 2009 getan. Denn § 11 Abs. 2 RB/KK 2009 gewährt der Beklagten nach dem Verständnishorizont eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse ein Entscheidungsermessen, ob sie die Beitragsanpassung auch im Fall einer nur vorübergehenden Anpassung vornimmt (vgl. LG Bonn, Urteil vom 02.09.2020, Az. 9 O 396/17 , juris Rn. 33; OLG Köln, Urteil vom 22.09.2020, Az. 9 U 237/19, juris Rn. 66; Werber, VersR 2021, 288, 289). Diesem Ergebnis steht nach Ansicht der Kammer das Urteil des BGH vom 22.09.2004 (Az. IV ZR 97/03) nicht entgegen. In dieser Entscheidung hat der BGH keine Entscheidung zur Wirksamkeit einer Beitragsanpassungsklausel wie § 11 Abs. 1, Abs. 2 RB/KK 2009 getroffen, sondern Prämienanpassungen nach der früheren Rechtslage beurteilt, d.h. jener vor dem Inkrafttreten des Dritten Durchführungsgesetzes/EWG zum VAG am 29.07.1994 (LG Bonn, Urteil vom 02.09.2020, Az. 90 396/17, juris Rn. 36; OLG Köln, Urteil vom 22.09.2020, Az. 9 U 237/19, juris Rn. 67).
CC)
Nach Überzeugung der Kammer führt die Unwirksamkeit der § 11 Abs. 2 RB/KK 2009 zur Unwirksamkeit des § 11 Abs. 1 RB/KK 2009. Denn in der Gesamtschau handelt es sich bei den beiden Absätzen nicht um zwei teilbare Klauseln. S 11 Abs. 1 und Abs. 2 RB/KK 2009 sind insgesamt als einheitliche Klausel zu bewerten (vgl. LG Bonn, Urteil vom 02.09.2020, Az. 9 0 396/17 , juris Rn. 35; OLG Köln, Urteil vom 22.09.2020, Az. 9 U 237/19, juris Rn. 68; Werber, VersR 2021, 288, 289), die aus Gründen der Übersichtlichkeit sprachlich voneinander getrennt worden ist. § 11. Abs. 2 RB/KK 2009 bezieht sich inhaltlich auf § 11 Abs. 1 RB/KK 2009. In § 11 Abs. 1 RB/KK 2009 ist nur festgelegt, dass bei einer Abweichung der Rechnungsgrundlagen von mehr als dem gesetzlich oder tariflich festgelegten Vomhundertsatz eine Überprüfung und, soweit erforderlich, eine Anpassung der Beiträge vorgenommen wird. Nach dem Wortlaut des § 11 Abs. 1 RB/KK 2009 erfolgt die Überprüfung also stets bei einem Überschreiten des maßgeblichen Schwellenwerts, unabhängig davon, ob die Veränderung vorübergehend oder dauerhaft ist. Für sich genommen wären § 11 Abs. 1 RB/KK 2009 nach der vorzunehmenden verwenderfeindlichsten Auslegung unwirksam, da die Klausel gegen die halbzwingende Vorschrift des § 203 Abs. 2 S. 1 WG verstößt. Die Beklagte hat somit durch § 11 Abs. 2 RB/KK 2009 den – wenngleich misslungenen (s.0.) – Versuch unternommen, § 11 Abs. 1 RB/KK 2009 gesetzeskonform auszugestalten. Nicht zuzustimmen ist in diesem Zusammenhang der in der Literatur geäußerten Auffassung, dass durch den Passus „soweit erforderlich” in Klauseln wie der vorliegenden bereits immanent zum Ausdruck gebracht worden sei, dass es sich um eine nicht nur vorübergehende Änderung handeln müsse (Boetius, VersR 2021, 95 102). Denn der Mechanismus der Beitragsanpassung erfolgt zweistufig: zunächst ist zu überprüfen, ob eine nicht nur vorübergehende Veränderung der maßgeblichen Rechnungsgrundlage oberhalb des geltenden Schwellenwerts erfolgt. Erst anschließend ist zu überprüfen, ob sich auch die weiteren für die Beitragshöhe maßgeblichen Rechnungsgrundlagen verändert haben und deshalb im Ergebnis eine Beitragserhöhung zu erfolgend hat. Der Passus „soweit erforderlich” bezieht sich nach Ansicht der Kammer erkennbar auf diese zweite Stufe der Prüfung.
dd)
Selbst wenn man – entgegen der Überzeugung der Kammer – annehmen würde, dass es sich bei § 11 Abs. 1 RB/KK 2009 um eine inhaltlich selbständige und vom Bestand des Abs. 2 unabhängige Regelung handelte, verstieße diese jedoch ihrerseits gegen § 203 Abs. 2 S. 1 WG als halbzwingendes Gesetzesrecht. Denn nach der verwenderfeindlichsten Auslegung wäre eine Überprüfung und Anpassung der Beiträge auch bei einer nur vorübergehenden Abweichung der Rechnungsgrundlagen möglich. Da § 11 Abs. 1 RB/KK 2009 unwirksam ist, läuft die sich auf § 11 Abs. 1 RB/KK 2009 beziehende Regelung des S 10 TB/KK 2009 ins Leere. Aus sich heraus ist die Regelung des § 10 TB/KK 2009 nicht verständlich.
Allerdings ist zu beachten, dass in der Zwischenzeit bis zum 01.05.2021 in den Tarifen CV3A1 und KEH750 weitere wirksame Beitragserhöhungen stattgefunden haben. Die nächste Wirksame Beitragserhöhung, welche auf die unwirksamen Beitragserhöhungen zum 01.01.2012, 01.01.2013, 01.01.2016, 01.01.2018 im Tarif CV3A1 folgte, fand zum 01.01.2019 statt. Die nächste wirksame Beitragsanpassung, die im Tarif KEH750 auf die unwirksamen Beitragsanpassungen zum 01.01.2012, 01.01.2013, 01.01.2015, 01.01.2016 und 01.01.2018 folgte, fand zum 01.01.2021 statt. Bei einer Beitragsanpassung handelt es sich nicht nur um eine Festsetzung eines Erhöhungsbetrages, sondern um eine vollständige Neufestsetzung für den neu kalkulierten Zeitraum. Ob eine frühere Prämienerhöhung fehlerhaft war, ist für die Wirksamkeit der Neufestsetzung und der daraus folgenden erhöhten Beitragspflicht des Versicherungsnehmers ohne Bedeutung (BGH, Urteil vom 16.12.2020, Az. IV ZR 294/19, juris Rn. 55). Aufgrund dieser vollständigen Neufestsetzung in den Tarifen CV3A1 und KEH750 zum 01.01.2019 bzw. 01.01.2021. stand fest, auf welche Höhe sich der ab dem 01.01.2019 bzw. 01.01.2021 zu zahlende Beitrag jeweils belief. Unabhängig davon, ob aufgrund der zwischenzeitlich erfolgten wirksamen. Neufestsetzung dogmatisch noch Raum bleibt für eine Heilung vorausgegangener Beitragsanpassungen ex-nunc zum 01.05.2021, besteht nach Ansicht der Kammer jedenfalls kein Anspruch auf Feststellung der Unwirksamkeit über den 31.12.2018 (Tarif CV3A1) bzw. 31.12.2020 (Tarif KEH750) hinaus. Denn die unwirksamen Beitragsanpassungen im den Tarifen CV3A1 bzw. KEH750 wirken aufgrund der Neufestsetzung nicht über den 31.12.2018 bzw. 31.12.2020 hinaus.
Der Anspruch des Klägers auf Feststellung der Unwirksamkeit der streitgegenständlichen Prämienerhöhung ist nicht verjährt. Bezüglich der Verjährung von Feststellungsansprüchen ist zu unterscheiden zwischen Anträgen auf Feststellung von Leistungspflichten aus einem Schuldverhältnis (§ 241 Abs. 1 BGB) und Ansprüchen auf Feststellung eines anderweitigen Rechtsverhältnisses oder einer Rechtslage. Ansprüche auf Feststellung von Leistungspflichten müssen abgewiesen werden, wenn die in Betracht kommenden Ansprüche nach materiellem Recht verjährt sind. Ansprüche auf Feststellung eines anderweitigen Rechtsverhältnisses oder einer Rechtslage hingegen verjähren nicht, weil sie nicht auf einem Anspruch im Sinne des § 194 Abs. 1 BGB beruhen. Denn in diesen Konstellationen wird von dem Beklagten kein Tun oder Unterlassen verlangt, sondern er hat eine sonstige Beurteilung gegen sich gelten zu lassen (BGH, Urteil vom 02.12.2010, Az. IX ZR 247/09, juris Rn. 12 m.w.N.). Vorliegend handelt es sich um einen solchen „unverjährbaren” Feststellungsanspruch, da der Kläger mit dem Klageantrag zu Ziffer 1 im Wesentlichen die Feststellung der Unwirksamkeit der Prämienerhöhungen begehrt und damit kein Tun oder Unterlassen von der Beklagten verlangt.
III.
Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Rückzahlung rechtsgrundlos gezahlter Prämien i.H.v. 8.512,39 € nebst Rechtshängigkeitszinsen aus 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB, § 291 ZPO zu.
Der Kläger war aufgrund der formell unwirksamen Prämienerhöhungen in den Tarifen CV3A1 und KEH750 zum 01.01.2012, 01.01.2013, 01.01.2015, 01.01.2016 und 01.01.2018 nicht verpflichtet, die erhöhten Beiträge zu zahlen, welche auf die formell unwirksamen Erhöhungen zurückzuführen sind. Aufgrund der wirksamen Neufestsetzungen in beiden Tarifen zum 01.01.2019 bzw. 01.01.2021 ist der Rückzahlungsanspruch jedoch auch die bis zum 31.12.2018 bzw. 31.12.2020 geleisteten Beiträge beschränkt.
Allerdings ist der Anspruch des Klägers auf Rückzahlung der bis zum 31.12.2016 auf die unwirksamen Beitragserhöhungen gezahlten Prämien verjährt. Eine entsprechende Verjährungseinrede ist von der Beklagten erhoben worden. Die Klage ist zwar erst am 04.01.2021 zugestellt worden, doch ist der Kostenvorschuss bereits am 28.12.2020 gezahlt worden, sodass ein Fall des 167 ZPO vorliegt. Damit tritt die Wirkung der Hemmung i.S.d. § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB bereits zum Zeitpunkt der Anhängigkeit der Klage im Dezember 2020 ein. Hinsichtlich des Verjährungsbeginns des Anspruchs auf Rückzahlung rechtsgrundlos geleisteter Prämien aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB ist auf den Zeitpunkt abzustellen, an dem der Versicherungsnehmer Kenntnis von den die Rückforderung begründenden Umständen erhält. Dabei ist es ausreichend, wenn der Versicherungsnehmer die Tatsachen kennt bzw. grob fahrlässig nicht kennt (§ 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB), aus denen sich der Anspruch ergibt. Rechtliche Schlüsse, welche sich aus den Tatsachen ergeben, muss der Versicherungsnehmer hingegen nicht gezogen haben, etwa dass die Prämienerhöhung unwirksam ist (OLG Köln, Urteil vom 07.04.2017, Az. 20 U 128/16, juris Rn. 15; KG Berlin, Beschluss vom 18.10.2019, Az. 6 U 19/18; vgl. dazu auch allgemeiner BGH, Urteil vom 29.01.2008, Az. XI ZR 160/07; juris Rn. 26). Die erforderliche Kenntnis von den den Anspruch begründenden Umständen liegt im Allgemeinen vor, wenn dem Gläubiger die Erhebung einer Klage auf Rückerstattung, sei es auch nur in Form der Feststellungsklage, Erfolg versprechend, wenn auch nicht risikolos, möglich ist (vgl. BGH, Urteil vom 26.02.2013, Az. XI ZR 498/11, juris Rn. 27).
Handelt es sich – wie vorliegend – um Beitragserhöhungen, die wegen einer formell unzureichenden Begründung unwirksam sind, liegt eine grob fahrlässige Unkenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen bereits dann vor, wenn der Versicherungsnehmer das formell unwirksame Beitragsanpassungsschreiben erhält (OLG Köln, Urteil vom 28.01.2020, Az. 9 U 138/19, juris Rn. 156 ff.; LG Stuttgart, Urteil vom 12.07.2019, Az. 3 O 442/18, juris Rn. 13; LG Arnsberg, Urteil vom 16.05.2019, Az. 1 0 127/18, juris Rn. 84 f.; LG Nürnberg, Urteil vom 26.04.2019, Az. 8 0 7533/18, juris Rn. 26). Denn einem Schreiben, welches den Anforderungen des § 203 Abs. 5 WG nicht genügt, kann der Versicherungsnehmer nichts entnehmen, was ihm die Prüfung der Erforderlichkeit der Beitragsanpassung ermöglicht.
Dem Kläger ist es auch verwehrt, sich auf eine unklare Rechtslage im Hinblick auf die Anforderungen des § 203 Abs. 5 WG zu berufen. Zwar können bei besonders unübersichtlicher und verwickelter Rechtslage ausnahmsweise erhebliche Zweifel den Verjährungsbeginn bis zur Klärung ausschließen (BGH, Urteil vom 25.02.1999, Az. IX ZR 30/98, juris Rn. 15 m.w.N.). Eine Rechtslage ist jedoch nicht schon dann unsicher und zweifelhaft, wenn eine Rechtsfrage umstritten und noch nicht höchstrichterlich entschieden ist. Bei einer solchen Konstellation ist dem Gläubiger die Erhebung der Klage jedenfalls nicht unzumutbar, wenn er gleichwohl bereits vor einer höchstrichterlichen Entscheidung seinen Anspruch gegenüber dem Schuldner geltend macht und dadurch zu erkennen gibt, vom Bestehen des Anspruchs auszugehen (BGH, Urteil vom 21.02.2018; Az. IV ZR 385/16, juris Rn. 17). Da der Kläger trotz der bis dato noch nicht ergangenen höchstrichterlichen Entscheidung über die Anforderungen der Mitteilungspflicht des § 203 Abs. 5 WG Klage gegen die Beklagte erhoben hat, hat er zu erkennen gegeben, vom Bestehen des Anspruchs auszugehen (ähnlich auch OLG Koblenz, Beschluss vom 30.03.2020, Az. 10 U 674/18)
3.
Es bleiben daher folgende Ansprüche, die noch nicht verjährt sind:
2019
2020
Summe
71,52
Tarif CV3A1 CV3A1 CV3A1
CV3A1
Zeit 1.1.12 1.1.13 1.1.16
1.1.18
Erhöhung
2,98 15,88 23,97
32,19
2017 35,76 190,56 287,64
381,12
575,28
2018 35,76 190,56 287,64
386,28
306,24 713,76 399,00 178,92
386,28
KEH750
1.1.12
25,52
KEH750 1.1.13 KEH750 1.1.15 KEH750 1.1.16
59,48 33,25 14,91
713,76 399,00 178,92
306,24 280,72 713,76 654,28 399,00 365,75 178,92 164,01
1.199,44 2.795,56 1.562,75 700,77
KEH750 1.1.18 27,81
333,72
abzgl. Gutschrift
133,68
333,72
305,91
839,67
Summe
8.512,39
Der Zinsanspruch besteht seit dem 05.01.2021 aus § 291 ZPO.
IV.
Der vom Kläger geltend gemachte Feststellungsantrag zu 3) ist nicht begründet.
Der dem Feststellungsantrag zu 3a) zu Grunde liegende Anspruch auf Herausgabe gezogener Nutzungen könnte sich aus § 818 Abs. 1 BGB ergeben. Der Anspruch auf Herausgabe von Nutzungen, welche die Beklagte bis zum 31.12.2016 aus den rechtsgrundlos geleisteten Beiträgen gezogen haben könnte, ist aufgrund der erhobenen Verjährungseinrede jedenfalls nicht durchsetzbar. Da es sich bei dem korrespondierendeni Feststellungsantrag Ziffer 3a) um einen Antrag auf Feststellung von Leistungspflichten aus einem Schuldverhältnis (§ 241 Abs. 1 BGB) handelt, muss dieser Antrag wegen der Verjährung des zugrunde liegenden materiellen Anspruchs insoweit abgewiesen werden (s.o.).
Soweit es theoretisch denkbar ist, dass die Beklagte auch für die nicht verjährten Zeiträume Nutzungen aus den rechtsgrundlos gezahlten Prämien gezogen haben könnte, fehlt es diesbezüglich an ausreichendem Vortrag des insoweit darlegungs und beweisbelasteten Klägers (vgl. BGH, Urteil vom 19. Dezember 2018, Az. IV ZR 255/17, juris Rn. 20). Insoweit verkennt die Kammer nicht, dass mangels ausreichender Erkenntnislage keine überspannten Anforderungen an den diesbezüglichen Vortrag des Klägers zu stellen sind. Vorliegend hat der Kläger jedoch keinerlei Vortrag dazu getätigt, ob und inwieweit er überhaupt davon ausgeht, dass die Beklagte Nutzungen aus den rechtsgrundlos geleisteten Prämien gezogen hat.
Ein Anspruch auf Feststellung, dass die herauszugebenden Nutzungen ab Rechtshängigkeit zu verzinsen sind [Klageantrag zu 3b)], besteht nicht. § 291 BGB greift als Anspruchsgrundlage für. Prozesszinsen bei einer Klage, die auf die Feststellung einer Verbindlichkeit gerichtet ist, nicht ein (BGH, Urteil vom 16.12.2020, Az. 294/19, juris Rn. 59).
Die Kostenentscheidung folgt aus §8 92 Abs. 1, 269 Abs. 3 S. 2 ZPO. Die
· Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 709 S.
1, 711 ZPO.
VI. Der von Beklagtenseite beantragte Schriftsatznachlass auf den Schriftsatz vom 11.05.2021 war nicht zu gewähren. Soweit die Beklagte den Schriftsatznachlass für erforderlich erachtete, um zur Problematik § 11 RB/KK 2009 vortragen zu können, handelt es sich bei der Frage der Wirksamkeit der Klausel um eine rechtliche Frage, die auch ohne weiteren Vortrag von Beklagtenseite von der Kammer umfassend zu prüfen war. · Im Übrigen enthielt der Schriftsatz vom 11.05.2021 keine entscheidungserheblichen neuen Tatsachen.
VII. Der Streitwert wird auf 28.845,95 € festgesetzt. Bezüglich des Antrages zu Ziffer 1 auf Feststellung der Unwirksamkeit der Prämienerhöhungen ist § 9 ZPO i.V.m. § 48 Abs. 1 GKG anzuwenden (so auch OLG Köln, Urteil vom 29.10.2019, Az. 9 U 127/18, juris Rn. 147). D. h. die streitgegenständlichen Erhöhungsbeiträge i.H.v. 371,19 € sind mit 42 zu multiplizieren. Danach ergibt sich ein Wert von 15.589,98 €. Darauf ist ein Abschlag i.H.v. 20% vorzunehmen, da es sich bei dem Klageantrag zu 1) nach Überzeugung der Kammer um eine Zwischenfeststellungsklage i.S.d. § 256 Abs. 2 ZPO handelt (vgl. Zöller/Greger, 33. Auflage 2020,§ 256 ZPO Rn: 30 m.w.N.). Es verbleibt ein Wert i. H.v. 12.471,98 €. Zu addieren ist der ursprüngliche Klageantrag zu 2) i.H.v.
16.373,97 €. Der Klageantrag zu 3) bleibt gemäß § 4 Abs. 1 ZPO außer Ansatz.
Rechtsbehelfsbelehrung:
Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,
1. wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder 2. wenn die Berufung in dem Urteil durch das Landgericht zugelassen worden ist. Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem Oberlandesgericht Hamm, Heßlerstr. 53, 59065 Hamm, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils (Datum des Urteils, Geschäftsnummer und Parteien) gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.
Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Oberlandesgericht Hamm zu begründen.
Die Parteien müssen sich vor dem Oberlandesgericht Hamm durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.
Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.
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