4. Welche Forderungen nehmen an der Restschuldbefreiung teil?
Grundsätzlich werden alle Insolvenzschulden (bankruptcy debts) von der Schuldbefreiung erfasst. Gemäß s. 382 Insolvency Act 1986 sind dies zunächst alle Ansprüche und Forderungen gegen Sie als Schuldner, die zum Zeitpunkt des Verfahrensbeginns bestehen und durchsetzbar sind. Dazu gehören auch die bis zum Verfahrensbeginn aufgelaufenen Zinsen. Weiterhin erfasst werden Verbindlichkeiten, die erst nach Verfahrensbeginn entstehen beziehungsweise fällig werden, soweit sie auf einem bereits vor Verfahrenseröffnung begründeten Rechtsverhältnis beruhen. Hierher gehören etwa zukünftige, bedingte oder der Höhe nach noch unbestimmte Ansprüche (unliquidated claims).
Während in Deutschland sämtliche auf unerlaubte Handlung gestützten Ansprüche von der Restschuldbefreiung ausgenommen sind, werden in England nur Ansprüche, die auf „fraud“, also Betrug oder betrügerischen Handlungen beruhen, nicht von der Restschuldbefreiung erfasst. Ein Tatbestand wie z.B. Insolvenzverschleppung, der in Deutschland gegenüber GmbH-Geschäftsführern insbesondere von Sozialversicherungsträgern häufig unterstellt und als unerlaubte Handlung qualifiziert wird, wird in England nicht als „fraud“ angesehen, wenn keine betrügerischen oder Gläubiger benachteiligenden Handlungen damit verbunden sind.
Geldstrafen und Bußgelder unterfallen in beiden Ländern nicht der Restschuldbefreiung. Grundsätzlich ist individuell zu prüfen, was unter die Restschuldbefreiung fallen kann.
5. Möglichkeit der nachträglichen Annullierung der Restschuldbefreiung nach Abschluss des Verfahrens
Im Gegensatz zum deutschen Recht ist die Restschuldbefreiung im englischen Recht unabhängig von der Verwertung des Schuldnervermögens. Dementsprechend spielt dort keine Rolle, ob und ggf. wie viel Vermögen vorhanden ist und wie lange die Verwertung dauert.
Während in Deutschland die Restschuldbefreiung, wenn sie nach der Wohlverhaltensphase erteilt wird und keine Versagensgründe geltend gemacht werden, rechtskräftig wird, gibt es im englischen Recht keine Rechtskraft der Restschuldbefreiung. Über eine Annullierung des Verfahrens kann – ohne zeitliche Begrenzung – die Restschuldbefreiung außer Kraft gesetzt werden, allerdings nur, wenn die Voraussetzungen für eine Annullierung vorliegen. Eine abschließende, rechtssichere und verbindliche Entschuldung ist somit leichter in Deutschland zu gewährleisten, als in England. Eine empfehlenswerte Alternative stellt in jedem Falle das Insolvenzplanverfahren dar. Werden die Bedingungen des Insolvenzplans erfüllt, erhält der Schuldner die endgültige und rechtsverbindliche Restschuldbefreiung.
Dein Kommentar
An Diskussion beteiligen?Hinterlasse uns Deinen Kommentar!