Die Vor- und Nachteile der englischen Insolvenz im Einzelnen
Entsprechend sollten Schuldner gut abwägen, ob eine Insolvenz nach englischem Recht weiterhin für sie in Frage kommt. Wir haben daher die bedenkenswerten Eigenheiten des englischen Rechts nochmals aufbereitet:
1. Privatinsolvenz England: Restschuldbefreiung und pfändbares Einkommen
Im Rahmen einer englischen Insolvenz wird die Restschuldbefreiung innerhalb eines Jahres erteilt. Diese vermeintlich kurze Dauer des Insolvenzverfahrens wird aber durch die gestreckte Abtretung der pfändbaren Einkünfte des Schuldners konterkariert. Bedauerlicherweise bleibt ein Schuldner auch zwei Jahre nach bereits erteilter Restschuldbefreiung durch das sog. „Income Payment Agreement“ dazu verpflichtet, den pfändbaren Anteil seiner erwirtschafteten Einkünfte für die Befriedigung der Gläubiger zur Verfügung zu stellen.
2. Privatinsolvenz England: Teilweise Restschuldbefreiung bei unerlaubter Handlung
Während in Deutschland sämtliche auf unerlaubte Handlung gestützten Ansprüche von der Restschuldbefreiung ausgenommen sind, werden in England nur Ansprüche, die auf „fraud“, also Betrug oder betrügerischen Handlungen beruhen, nicht von der Restschuldbefreiung erfasst. So wird z.B. Insolvenzverschleppung, welche oftmals gegenüber GmbH-Geschäftsführern von Sozialversicherungsträgern unterstellt wird, und in England nicht als „fraud“ angesehen.
Allerdings sind auch nach englischem Recht Geldstrafen und Bußgelder nicht von der Restschuldbefreiung des Insolvenzverfahrens umfasst. Eine “Flucht auf die Insel” lohnt sich also bei entsprechender Verurteilung nicht.
3. Privatinsolvenz England: Häufiger Wegfall der Restschuldbefreiung
Anders als in Deutschland, wo nach rechtmäßig erteilter Restschuldbefreiung und ohne die Geltendmachung von Versagensgründen der Beschluss des Insolvenzgerichts in Rechtskraft erwächst, gibt es nach englischem Recht eine solche Sicherheit nicht. So kann in England durch Annullierung – und ohne zeitliche Begrenzung – die Restschuldbefreiung noch nachträglich entfallen.
Während sich die englischen Gerichte in der Vergangenheit deutlich großzügiger zeigten, versucht man neuerdings dem anhaltenden Insolvenztourismus durch eine wesentlich härtere Gangart entgegenzutreten (High Court Case No 19421/2008). Insbesondere zweifeln englische Richter regelmäßig an der Verlagerung des Lebensmittelpunktes des Schuldners nach England, dem sog. “COMI”. Lag dieser zum Zeitpunkt der Antragstellung tatsächlich nicht in England, wird das Insolvenzverfahren nachträglich annulliert.
Selbst wenn seitens der englischen Gerichte keine Bedenken bestehen, erkennen auch vermehrt deutsche Richter die bereits erteilte Restschuldbefreiung nicht an (vgl. BGH, Beschluss vom 15. 11. 2010, NotZ 6/10 – OLG Köln). Entgegen ihrer Erwartungen sehen sich viele Schuldner so weiterhin den Vollstreckungsmaßnahmen der Gläubiger ausgesetzt.
Lesen Sie hier mehr zum Brexit und der COMI-Problematik.
Eine echte Alternative zur englischen Insolvenz : Das deutsche Insolvenzplanverfahren
Aufgrund der neueren Entwicklungen – insbesondere der deutlich schärferen, gerichtlichen Kontrollen – erscheint die englische Insolvenz nicht länger ein probates Mittel für eine effektive und rechtssichere Schadenregulierung zu sein. Viele unserer Mandanten sind durch diese unklare Rechtslage verunsichert. Zur Regelung einer Schuldensituation empfehlen wir daher das Insolvenzrecht des Landes in Anspruch zu nehmen, in welchem die Schulden bzw. Forderungen ihren Ursprung finden. Auf diesem Wege lässt sich eine abschließende und rechtssichere Befreiung von Verbindlichkeiten erwirken.
Für deutsche Schuldner stellt insbesondere das Insolvenzplanverfahren eine sinnvolle Alternative zur englischen Insolvenz dar. Mandanten, die besonderen Wert auf eine schnelle Entschuldung legen, erhalten auf diesem Wege auch die Möglichkeit, sich in weniger als einem Jahr zu konsolidieren.
Lesen Sie hier mehr zu den Erfolgsaussichten eines Insolvenzplans.
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