Bereits abgeschlossenes englisches Verfahren nach Brexit

Sehr geehrte Damen und Herren,
in wenigen Tagen werde ich in GB von meinen Schulden befreit. Da der endgültige Brexit sich aller Voraussicht nach noch ein paar Wochen/Monate hinzieht (im Falle eines Deals ja sogar noch Jahre), kann ich damit rechnen, dass die englische „discharge“ in Deutschland im Rahmen der noch geltenden EUInsVo anerkannt werden muss. Für mich ist das deshalb vorteilhaft, weil ich u.a. auch Verbindlichkeiten habe, die nach dem Insolvenzrecht in Deutschland nicht restschuldbefreiungsfähig gewesen wären.
Nun meine Frage:
Sofern GB die EU einmal endgültig verlassen hat, also auch die EUInsVo für GB nicht mehr gilt, können dann meine Gläubiger (speziell die eben beschriebenen) nachträglich ihre Forderung nach deutschem Insolvenzrecht geltend machen, nach dem Motto: Nun gilt ja das europäische Insolvenzrecht für GB nicht mehr!
Oder kann ich mich da auf ein Rückwirkungsverbot stützen und darauf beharren, dass mein Verfahren noch vor dem endgültigen Brexit stattgefunden hat. Ich habe da etwas im Netz gelesen, wonach man sich da nicht unbedingt in Sicherheit wiegen kann, da die EUInsVo ja nicht vorsieht, dass ein Mitglied austreten könnte… andererseits würde das ja aber auch bedeuten, dass alle Verfahren der letzten 15-20 Jahre bzgl. der Anerkennung wieder neu zu bewerten wären… können Sie mir da Ihre Einschätzung mitteilen?
Vielen Dank im Vorraus
Rudolph

3 Kommentare
  1. Dr. V. Ghendler
    says:

    Sehr geehrter Herr Rudolph,

    sofern entsprechende Übergangsvorschriften in Kraft treten – und diesbezüglich bin ich leider weniger zuversichtlich als Sie es sind – dürfte einem Vollstreckungsschutz auf Basis der Ihnen erteilten Restschuldbefreiung nichts entgegenstehen. Nach heutiger Rechtslage ist kein gesonderter “Akt der Anerkennung” notwendig. Zu Nachweiszwecken könnten Sie selbstverständlich eine beglaubigte Übersetzung der Gerichtsdokumente anfertigen lassen, sind dazu aber nicht gezwungen.

    Mit freundlichen Grüßen

    Dr. V. Ghendler
    Rechtsanwalt

  2. Dr. V. Ghendler
    says:

    Sehr geehrter Herr Rudolph,

    ich darf mich für diese interessante Frage bedanken. Obschon für Sie – die Mitgliedschaft GB in der EU zu diesem Zeitpunkt vorausgesetzt – die EUInsoVO gilt, können Sie nach unserer Rechtsauffassung nicht auf ein Anerkenntnis Ihrer Restschuldbefreiung auf dieser rechtlichen Grundlage bauen. Sofern es einen “harten Brexit” ohne Folgeabkommen geben wird, werden faktisch keine Übergangsvorschriften existieren. Mithin müssen deutsche Gerichte Ihre in GB erteilte Restschuldbefreiung nach deutschem Recht beurteilen. Insbesondere gelten dann die §§ 335 ff. InsO (Insolvenzordnung). Problematisch könnte insbesondere die Frage werden, ob ein englisches Gericht überhaupt für Ihre Verfahrenseröffnung zuständig war. Dies mag nach deutschem Recht anders zu beurteilen sein, als dies bisher auf der Grundlage der EUInsoVO der Fall war. Ohne genauere Kenntnisse aller Umstände Ihres Falles ist eine abschließende Beurteilung Ihrer Frage leider nicht möglich.

    Mit freundlichen Grüßen

    Dr. V. Ghendler
    Rechtsanwalt

    • Rudoph
      says:

      Sehr geehrter Herr Ghendler,
      vielen Dank für die prompte Antwort… da ich nicht von einem harten Brexit ausgehe, stellt sich für mich die Frage, ob ich auch nach Ende der Übergangsfristen noch Angst haben muss, dass die dann bereits Jahre zurück liegende Insolvenz nicht nach der EUInsVo anerkannt werden könnte… m.W. stellt sich die Frage der Anerkennung ja erst, wenn ich im Rahmen einer Vollstreckungsgegenklage versuche eine Vollstreckung abzuwenden, oder?
      D.h. gibt es eine Möglichkeit für mich, solange der Brexit nicht vollzogen ist, quasi in Eigenregie eine Vorab-Anerkennung in Deutschland zu erwirken?
      BG Rudolph

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