Sittenwidrigkeit von Bürgschaften – Anfechtung der Mitverpflichtungen

Sittenwidrigkeit – Ihr Weg aus den Schulden

Wenn Sie für den Kredit Ihres Partners oder eines nahen Angehörigen haften sollen, obwohl Sie selbst nichts von dem Geld gesehen haben, gibt es für Sie Hoffnung. Auch wenn Sie sich durch einen Vertrag verpflichtet haben, für fremde Schulden einzustehen, können Sie etwas dagegen tun. Denn tausende Mithaftungsverpflichtungen sind sittenwidrig und nichtig und die Banken können von Ihnen keine Zahlung verlangen.

Was dahinter steckt und was Sie tun können, erfahren Sie auf dieser Seite. Oder rufen Sie uns an – unsere kompetenten Rechtsanwälte helfen Ihnen aus der Krise.

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Die Kernpunkte in Kürze

  • Tausende Bürgschaften, Schuldbeitritte und Darlehen sind sittenwidrig und nichtig

  • Banken nutzen die emotionale Verbundenheit der Angehörigen aus

  • Wenn Sie krass finanziell überfordert sind, müssen Sie nicht für fremde Schulden einstehen

  • Bereits gezahlte Raten können ggf. zurückgefordert werden

  • Wir überprüfen Ihre Erfolgsaussichten kostenfrei und unverbindlich

So gehen wir für Sie vor

  • Kostenfreie Erstberatung

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    Wir bemühen uns, die Sache gütlich beizulegen

  • Verteidigung vor Gericht

    Wir setzen Ihre Rechte vor Gericht durch

Fallbeispiel: Sittenwidrigkeit einer Bürgschaft

Herr Lehmann möchte ein Restaurant eröffnen, das ist sein lang ersehnter Traum. Er findet die passende Lokalität, 40 Sitzplätze, Rheinblick, rot-weiß gestreifte Markise. Der frühere Wirt ist alt geworden, er sucht einen Nachfolger. Seinen Gästen will Herr Lehmann französiche Küche anbieten mit ausgewählten Weinen. Herr Lehmann kennt sich gut aus, er besuchte einen Sommelier-Kurs und pflegt engen Kontakt zu einem Winzer aus dem Elsass.

Was Herrn Lehmann fehlt, ist das Kapital – wir sprechen von einer beinahe sechsstelligen Summe. So viel geben die Ersparnisse leider nicht her, an einer Bank führt kein Weg vorbei. Die hohen Zinsen müssen in Kauf genommen werden, das ist Herr Lehmann sein Traum wert. Bei der Bank hält man Herr Lehmanns Konzept für vielversprechend, die Risiken für überschaubar. Doch die Summe ist nicht gering, die Bank verlangt Sicherheiten. Nur hat Herr Lehmann nicht viel. Keine Immobilie, die man verpfänden könnte, keine finanzkräftigen Freunde, die bereit wären, sich für die Rückzahlung zu verbürgen. Allerdings hat Herr Lehmann eine langjährige Lebensgefährtin, Frau Becker. Und Frau Becker glaubt an Herr Lehmann und seine Idee. Eigentlich widersrebt ihr dieser Gedanke, aber bevor die ganze Sache platzt, wäre sie bereit, gemeinsam mit Herr Lehmann den Darlehensvertrag zu unterzeichnen. Zwar arbeitet Frau Becker nur Teilzeit in einem Reisebüro für 950,00 Euro brutto im Monat, bei der Bank ist man jedoch der Auffassung, sich auf diese Weise hinreichend abzusichern. Der Darlehensvertrag wird geschlossen.

Leider läuft es bei Herr Lehmann nicht gut. Die Gründe für das Scheitern lassen sich nicht genau ermitteln. Fakt ist, Herr Lehmann kann das Darlehen nicht mehr bedienen, die Schulden steigen ihm über den Kopf, Herr Lehmann meldet Insolvenz an. Die Bank wendet sich an Frau Becker und fordert sie zur Zahlung auf, die monatliche Rate beträgt 750 Euro. Was soll Frau Becker jetzt tun?

Zehntausende sind betroffen

Das ist ein Fall, wie ihm unsere Kanzlei beinahe täglich begegnet. Wenn ein Darlehensnehmer seine Bank-Verbindlichkeiten nicht mehr erfüllen kann, aus welchen Gründen auch immer, dann wendet sich die Bank an die Ehefrau, den Lebenspartner oder an einen nahen Angehörigen, der zu seiner Zeit aus emotionaler Verbundenheit eine Verpflichtung übernommen hat, der er nun nicht nachkommen kann und der er auch niemals nachkommen konnte. Noch bitterer ist es für den Betroffenen, wenn die Ehe oder die Lebensgemeinschaft bereits aufgelöst wurde und man plötzlich für die Schulden des Ex-Mannes aufkommen soll.
Doch die Bank besteht auf Zahlung. Als Verbraucher mit einem Kreditinstitut zu verhandeln ist nahezu zwecklos. Alle Bitten und Beteuerungen, man wollte nur einem nahen Menschen helfen, man selbst habe von dem Geld keinen Cent gesehen, prallen an der Bank ab wie an einer Wand. Die Bank beruft sich auf den Vertrag und droht mit Inkasso, Vollstreckung, Schufa und allen anderen erdenklichen Übeln.

Verträge sind häufig sittenwidrig

Wenn auch Sie sich in einer ähnlichen Notsituation befinden, gibt es für Sie möglicherweise einen Ausweg. Viele solcher Vereinbarungen, z.B. Bürgschaften oder Schuldbeitritte, aber auch Darlehensverträge sind nämlich

sittenwidrig und damit nichtig.

Das bedeutet – die Bank kann Sie daraus nicht in Anspruch nehmen. Inkasso, Vollstreckung, Schufa, sehr wahrscheinlich die Insolvenz bleiben Ihnen erspart. Unter Umständen können Sie sogar bereits gezahlte Raten zurückfordern.

Was versteht man unter Sittenwidrigkeit?

Noch vor etwa zwanzig Jahren ging der Bundesgerichtshof davon aus, dass solange jemand volljährig und bei Verstand ist, er für seine Handlungen die volle Verantwortung übernehmen muss. So verhalte es sich eben in einer Rechtsordnung in der Privatautonomie herrscht. Demnach könne sich jeder nach Belieben verschulden und zwar in jeder erdenklichen Höhe.

1993 änderte sich das. Damals hatte das Bundesverfassungsgericht über den Fall einer 21-jährigen Frau zu entscheiden, die trotz Ihres geringen Einkommens für die Schuld Ihres Vaters in Höhe von 100.000,00 DM die Bürgschaft übernahm. Die kreditgebende Bank nahm die Frau in Anspruch, diese wehrte sich, verlor in allen Instanzen und reichte letztendlich Verfassungsbeschwerde ein. Und sie hatte Erfolg. In Karlsruhe wurde eine jahrzehntealte Rechtsprechung gekippt.

Damals entschieden die Verfassungsrichter, dass es im Vertragsrecht Situationen gibt, bei denen die Privatautonomie einer Korrektur bedarf (BVerfGE 89, 214, 232).

Der Bürgschaftsvertrag der jungen Frau ist ein Paradebeispiel für ein solches Korrekturerfordernis. Zwischen ihr, der geschäftlich unerfahrenen Verbraucherin und der wirtschaftlich versierten und mächtigen Bank, herrschte ein derart grobes strukturelles Missverhältnis, dass die Bank im Wesentlichen die Vertragsbedingungen diktieren konnte.

Es sei nicht hinnehmbar, entschieden die Verfassungsrichter, dass sich ein Mensch allein aufgrund emotionaler Verbundenheit eine Verbindlichkeit aufhalst, unter deren Last er sein gesamtes Leben zu leiden hat. Eine Bank, die diese emotionale Verbundenheit ausnutzt, handelt moralisch verwerflich oder, um mit den Worten der Richter zu sprechen, „in sittlich anstößiger Weise.

Solche Verträge dürfen keinen Bestand haben.

Die junge Frau, die einen langen Weg bis zum Bundesverfassungsgericht gegangen ist, hatte schließlich gewonnen und wurde von der Zahlungspflicht frei.

Welche Voraussetzungen hat die Sittenwidrigkeit?

  1. Sie sind mit dem Hauptschuldner emotional eng verbunden.
  2. Sie hatten kein eigenes persönliches und wirtschaftliches Interesse an dem Kredit.
  3. Sie werden durch die Verpflichtung krass finanziell überfordert.

Emotionale Verbundenheit

Geschützt werden vor allem Ehegatten, Lebenspartnern, Eltern/Kindern, ggf. Arbeitnehmern des Hauptschuldners. Diesen Menschen geht das Schicksal des Hauptschuldners regelmäßig so nahe, dass sie sich aus dem Wunsch, dieses Schicksal zu erleichtern, zu Schritten hinreißen lassen, die ihnen selbst schaden (können).

Doch die Rechtsprechung zur Sittenwidrigkeit ist nicht auf diesen Personenkreis beschränkt. Schließlich ist es nicht ungewöhnlich, dass auch Geschwister oder enge Freunde in Ihrem Wunsch dem Betroffenen aus der Not zu helfen, folgenschwere Verpflichtungen übernehmen.

Hier verlangen die Gerichte allerdings den Nachweis einer gesteigerten emotionalen Verbundenheit, Sittenwidrigkeit ist also stets eine Frage des Einzelfalls.

Kein eigenes Interesse an der Darlehensgewährung

Die Banken haben gelernt. Da Angehörigenbürgschaften nun riskant geworden waren, suchten die Kreditinstitute nach Wegen, die Sittenwidrigkeit zu umgehen. Daher werden die mithaftenden Angehörigen heutzutage in der Regel nicht explizit als Bürgen bezeichnet, sondern in den Darlehensvertrag als Mitdarlehensnehmer aufgenommen.

Doch hier schauen die Richter genau hin. Aufgrund der strukturellen Überlegenheit der Banken und ihrer stärkeren Verhandlungsposition, wird dem Wortlaut viel weniger Bedeutung beigemessen als es normalerweise der Fall ist (BGH (XI ZR 325/03).

Das heißt, nur weil Sie im Vertrag als Darlehensnehmer bezeichnet werden, bedeutet es noch lange nicht, dass Sie tatsächlich auch Darlehensnehmer sind. Die Bank hat nicht über Ihre rechtliche Position zu entscheiden, maßgeblich sind die tatsächlichen Umstände der Kreditvergabe.

Die Kontrollfrage hier ist: wer kann über die Verwendung der Darlehenssumme entscheiden?

Haben Sie da ein Wörtchen mitzureden? Kam das Geld unmittelbar auch Ihnen zugute? Wurden damit auch Ihre Schulden bezahlt oder ist das Darlehen in die Renovierung des gemeinsamen Hauses gesteckt worden? Wenn ja, dann haben auch Sie möglicherweise auf direktem Wege aus dem Darlehen profitiert und können daher auch wegen Rückzahlung in Anspruch genommen werden.

Das ist jedoch bei solchen „verkappten Bürgschaften“ meistens nicht der Fall. Es liegt kein echtes Darlehen vor.

Wenn Ihr Ehemann einen Kredit aufgenommen hat, um seine Lieferanten zu bezahlen, die Pachtschulden seiner Gaststätte zu begleichen oder um einen neuen Wagenheber für seine KFZ-Werkstatt anzuschaffen, haben Sie mit diesen Ausgaben nichts zu tun. Über die Verwendung dieser Gelder konnten Sie nie selbständig bestimmen, da kann in dem Darlehensvertrag stehen was will.

Sicher, die Bank beruft sich darauf, dass die Anschaffungen auch Ihnen zugute gekommen sind, schließlich leben Sie mit dem Hauptschuldner in einer Lebensgemeinschaft. Aber auch dieses Argument interessiert die Richter nicht. Bloß mittelbare Vorteile reichen nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht aus, um Ihr eigenes persönliches und wirtschaftliches Interesse zu begründen.

Sie können sich also auch dann von der Kreditverpflichtung lösen, wenn Sie im Darlehensvertrag als gleichwertiger Darlehensnehmer bezeichnet wurden. Denn es kommt alleine darauf an, was zwischen den Parteien tatsächlich gewollt war (BGH – XI ZR 114/03).

Krasse finanzielle Überforderung

Nach nunmehr gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist Ihre Verpflichtung sittenwidrig, wenn Sie dadurch finanziell krass überfordert sind.

Krass finanziell überfordert sind Sie dann, wenn Sie nicht in der Lage sind, die laufenden Zinsen der gesicherten Forderung aus dem pfändbaren Teil Ihres Einkommens und Vermögens zu begleichen (BGH NJW 2000, 1182).

Wie hoch Ihr pfändbares Einkommen ist, können Sie mithilfe unseres Pfändungsrechners herausfinden (LINK zum Pfändungsrechner).

Prognose erforderlich

Zur Ermittlung Ihrer Leistungsfähigkeit wird zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses eine Prognose angestellt. Einbezogen werden Ihre

  • Ausbildung
  • Fähigkeiten,
  • familiären Belastungen
  • u.ä.

Wenn Sie also im Zeitpunkt des Vertragsschlusses z.B. Rentnerin sind und von 1.000,00 EUR im Monat leben müssen, werden Sie kaum wieder in die Arbeitswelt zurückkehren und 50.000,00 EUR im Jahr verdienen. Sind Sie dann z.B. der Darlehensschuld Ihres Lebensgefährten in Höhe von 50.000,00 EUR beigetreten, weil diesem anderenfalls die Existenzgrundlage entzogen wird, ist die Wahrscheinlichkeit sehr groß, dass Sie finanziell krass übefordert sind. In diesem Fall wird vermutet, dass die Bank Ihre emotionale Verbundenheit ausgenutzt hat.

Ganz anders sieht es aus, wenn Sie als vielversprechender 20-jähriger Medizinstudent sich für eine Schuld Ihrer Eltern in ähnlicher Höhe wie oben verbürgen. In diesem Fall darf der Darlehensgeber davon ausgehen, dass Sie das Studium abschließen und als Arzt hinreichend Geld verdienen werden, um im Sicherungsfall für die Schulden Ihrer Eltern aufzukommen.

Wenn auch Sie von einer Bank für die Schulden einer nahen Personen in Anspruch genommen werden, können Sie etwas dagegen tun. Wir unterstützen Sie bei der Durchsetzung Ihrer Rechte. Mit uns begegnen Sie Ihrer Bank auf Augenhöhe.

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Dr. V. Ghendler ist Verbraucheranwalt und Partner unserer Kanzlei. Als Experte für Verbraucherrechte vertritt er mit seinem spezialisierten Team bundesweit die Interessen von Mandanten gegen Banken und Großkonzerne.

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