Fehlerhafte Tageszinsberechnung begründet Widerrufsrecht

Fehlerhafte Tageszinsberechnung begründet Widerrufsrecht – Viele Verträge betroffen


Dass der Widerrufsjoker für Verträge aus der Zeit nach dem 10.06.2010 weiterhin sticht, ist nichts neues. Darlehensnehmer können sich so auch weiterhin durch einen Widerruf nachträglich vom Vertrag lösen und günstig umschulden. Ein Widerrufsrecht besteht, wenn der Kunde nicht oder nur fehlerhaft über sein Widerrufsrecht belehrt . Durch einen Widerruf entfällt für ihn nicht nur die teure Vorfälligkeitsentschädigung – das Kreditinstitut muss ihm außerdem eine Nutzungsentschädigung zahlen. Im Ergebnis kann sich das rechnen. Ersparnisse von bis zu 20 % der ursprünglichen Kreditsumme sind möglich.

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Falsche Pflichtangabe?

Die Liste der potenziellen Fehler ist lang. Mal ist die Widerrufsbelehrung nicht hinreichend hervorgehoben. Ein anderes Mal stößt man gleich auf mehrere widersprüchliche Belehrungen oder es fehlt an wichtigen Pflichtangaben. Das Internet bietet eine große Auswahl an Katalogen, die klassische Fehler auflisten. In den Fokus rückt nun aber ein Fehler, der bisher keine Erwähnung gefunden hat. Unsere Sozietät hat sich intensiv mit der Problematik des Tageszinssatzes auseinandergesetzt und hier gravierende Unstimmigkeiten aufgedeckt. Wenn die Banken den Tageszinssatz tatsächlich mehrheitlich falsch berechnet haben, eröffnen sich hierdurch ganz neue Perspektiven für Darlehensnehmer. Eine Vielzahl von Verträgen, für die bislang keine guten Aussichten bestanden, könnte nun doch widerrufbar sein.

Angabe des Tageszinssatzes ist Pflicht

Um die Problematik nachvollziehen zu können, bedarf es zunächst einer ausführlichen Herleitung des Widerrufsrechts. Zu klären sind die maßgeblichen Fragen:
Warum handelt es sich bei der Angabe des Tageszinssatzes um eine Pflichtangabe? Warum ist die Berechnung der Banken fehlerhaft und warum begründet das ein Widerrufsrecht?
Die Pflichtangaben sind eine zwingende Voraussetzung, durch welche sichergestellt werden soll, dass der Verbraucher hinreichend informiert wird. Er soll einen Überblick über die finanzielle Belastung erhalten. In § 492 Abs. 2 BGB a.F. wird auf verpflichtende Angaben des Art. 247 EGBGB verwiesen.
§ 6 Abs. 2 S.2 dieses Artikels schreibt vor:

„Der pro Tag zu zahlende Zinssatz ist anzugeben.“

Gestaltungshinweis Nr. 5 präzisiert die Anforderungen: Es müsse der genaue Zinsbetrag in Euro pro Tag angegeben werden, Centbeträge als Dezimalstellen. Ist der Tageszinssatz falsch angegeben, fehlt es also an einer wichtigen Pflichtangabe. § 495 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BGB a.F. besagt, dass die Widerrufsfrist nicht zu laufen beginnt, bevor der Darlehensnehmer die Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB a.F. erhalten hat. So sah es auch das LG Hamburg (Urteil vom 23.11.2016) in einem Fall, wo der Tageszinssatz mit 0 € angegeben war. Es muss der nach Vertrag geschuldete Zinssatz angegeben werden. Eine fehlerhafte Widerrufsbelehrung steht der fehlenden Belehrung gleich, so der EuGH (Urteil vom 10.04.2008,). Damit würde aus einer fehlerhaften Berechnung des Tageszinssatzes unmittelbar ein Widerrufsrecht des Darlehensnehmers folgen.

Die Berechnungsmethoden

Die meisten Verträge enthalten eine Angabe zum Tageszinssatz. Allerdings legen die Banken diesem eine alte Berechnungsmethode zugrunde, welche unter Umständen zu einem falschen Ergebnis führt. In der Tat gibt es heutzutage mehr als nur eine Möglichkeit, diesen Zinssatz zu berechnen. Bei Banken beliebt ist die (altbewährte) deutsche kaufmännische Zinsberechnungsmethode, welche für jeden Monat 30 Zinstage und für das Jahr 360 Zinstage veranschlagt. Geläufig ist diese Methode unter dem Stichwort „Bankjahr“. Andere Zinsmethoden stellen auf 365 Tage beziehungsweise die tatsächliche Anzahl der Tage ab(Effektivzinsmethode, englische Zinsmethode). Die Effektivzinsmethode ist Bestandteil der ISMA Rule 25. (ISMA = International Securitis Market Association). Der Unterschied: Verschiedene Tageanzahlen beim Basisjahr. Während diese in vielen EG-Ländern gesetzlich vorgeschrieben ist, findet sich in einem großen Teil der Widerrufsbelehrungen weiterhin die deutsche kaufmännische Berechnungsmethode. Der angegebene Tageszinssatz ergibt sich damit aus folgender Gleichung:

Deutsche kaufmännische Methode:
vollständige Valuta ÷ 100 × Nominalzins ÷ 360 (Tage) = Summe der Tageszinsen in €

Dem gegenüber steht folgende Zinsmethode:

Effektivzinsmethode:
vollständige Valuta ÷ 100 × Nominalzins ÷ 365/366 (Tage) = Summe der Tageszinsen in €

Die besseren Argumente sprechen dafür, dass der Berechnung 365, beziehungsweise 366 Tage (eben die tatsächliche Zahl) zugrunde gelegt werden müssen. Das würde jede Widerrufsbelehrung fehlerhaft machen, in der mit 360 Tagen gerechnet wird. Zwar ist die deutsche kaufmännische Methode in der Rechtsprechung weitestgehend gebilligt. Das sorgt aber noch lange nicht dafür, dass ein dahingehender allgemeiner Handelsbrauch besteht (Beck Online: Großkommentar BGB § 488). An einer gesetzlichen Regelung der Zinsberechnungsmethode fehlt es. Deswegen stellt sich die Frage: Darf die Zinsberechnungsmethode frei gewählt werden?

Der Gesetzgeber des BGB und des HGB kannte um 1900 nur eine Berechnungsmethode – nämlich die deutsche kaufmännsiche. Zurückzuführen war deren Gebrauch auf einfache Umstände. In Ermangelung kompakter Rechenmaschinen suchte man nach möglichst einfachen Rechnungsmodellen. Das 18. Und 19. Jahrhundert war von Kalenderreformen geprägt. Im Ergebnis konnte nur eine pauschale Zinsberechnungsmehtode zu Rechtssicherheit führen. Heutzutage hingegen ist es ein Leichtes, Zinstage kalendergenau zu bestimmen. Eine kalendermäßige Unsicherheit, die ausgeglichen werden muss? Fehlanzeige. Warum also an der deutschen kaufmännischen Methode festhalten, wenn eine exakte Berechnung nicht nur möglich, sondern spielend leicht und gleichzeitig auch transparenter ist? Der technische Fortschritt zeigt: Die Effektivzinsmethode ist weitaus zeitgemäßer als die deutsche kaufmännische Methode (Quelle: zinsmethoden.de).

Zudem geht die Verwendung der deutschen kaufmännischen Methode vorliegend signifikant zulasten des Verbrauchers, er hätte für den gleichen Zeitraum einen zu hohen Betrag zu entrichten. Eine Vereinbarung der Berechnungsmethode kann auch inter partes geschehen – beispielsweise durch eine individualvertragliche Abrede oder durch AGB. Die AGB der Berliner Sparkasse, die wir exemplarisch untersucht haben, weist lediglich unter der Überschrift „Einlagengeschäft“ einen Hinweis auf, dass für die Zinsberechnung jeder Monat zu 30 Tagen gerechnet wird. Damit wird die deutsche kaufmännische Methode zwar zugrunde gelegt, eine ausdrücklichere Formulierung wäre aus Gründen der Transparenz nicht nur wünschenswert, sondern zwingend. Selbst wenn die 360-Tage-Rechnung in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen aufgeführt ist, muss ein mündiger Verbraucher, der von einem 365-Tage-Jahr ausgeht, mit einer solchen Klausel rechnen? Eine solche Klausel könnte intransparent oder überraschend sein und den Verbraucher insoweit benachteiligen.

Insofern könnte dessen Vertrauen auf einen geringeren Tageszinssatz schutzwürdig sein.
Ein weiterer Anhaltspunkt dafür, dass der Berechnung des Tageszinssatzes der Parameter „365 Tage“ zugrunde gelegt werden sollten, ist § 191 BGB, der zur Berechnung von Zeiträumen ebenfalls 365 Tage heranzieht. Es ist somit davon auszugehen, dass der Effektivzinsmethode Vorzug gegeben werden sollte.

Die Folge: Widerrufsjoker sticht bei falschem Tageszinssatz

In der Konsequenz sind sämtliche Widerrufsbelehrungen, die sich auf die 360-Tage-Formel stützen, als fehlerhaft anzusehen. Sie weisen einen zu hohen Tageszinssatz auf. Darlehensnehmern ist deswegen zu raten, ihre Darlehensverträge überprüfen zu lassen. Unsere Kanzlei ist nach der Durchführung von mehr als 500 Verfahren, sowohl außergerichtlich als auch gerichtlich im Bereich des Darlehenswiderrufs sehr erfahren und weiß, worauf es bei der Verhandlung mit der Bank ankommt. Wir übernehmen sowohl die Kommunikation mit der Rechtsschutzversicherung wie auch mit dem betreffenden Kreditinstitut. Nutzen Sie die Möglichkeit eines kostenlosen Erstberatungsgesprächs und lassen Sie die Chancen und Risiken eines Widerrufs kompetent einschätzen.

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2 Kommentare
  1. Steffen H.
    says:

    Sehr geehrte Damen und Herren,

    bezüglich der “fehlerhaften Zinsberechnungsmethode mit 360 Tagen” in Kreditverträgen gibt es nach meiner Kenntnis nur LG bzw. OLG Entscheidungen. Gibt es diesbezüglich eine BGH Rechtsprechung oder wann kann mit einer solchen gerechnet werden?

    Vielen Dank!

    mfg

    Steffen Höppner

    • Dr. V. Ghendler
      says:

      Sehr geehrter Herr Höppner,

      wir werden auf unserer Webseite über aktuelle Entwicklungen berichten. Ein Urteil des BGH zum Widerruf von Autokrediten wird in Kürze erwartet.

      Mit freundlichen Grüßen

      Dr. V. Ghendler
      Rechtsanwalt

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