BGH erteilt Hinweisbeschluss trotz außergerichtlichen Vergleichs
Ein Hinweisbeschluss wie der des BGHs vom 08.01.2019 (Az.: VIII ZR 225/17) hat zunächst einmal nicht die gleiche Aussagekraft wie ein Urteil. Zivilprozessrechtlich gesehen handelt es sich um einen Beschluss, in welchem das Gericht einen nach § 139 Abs. 1 bis 3 ZPO erforderlichen Hinweis erteilt. Dabei geht es meist um wichtige Tatsachen, mit denen der Anspruch des Klägers steht und fällt. Im vorliegenden Fall nutzten die Richter des achten Zivilsenats die Möglichkeit des Hinweisbeschlusses, um ihre Einschätzung zur rechtlichen Bedeutung der Abschalteinrichtung zu geben.
Der Fall selbst wird wohl aber nicht mehr entschieden werden. Ein Autokäufer hatte den VW-Vertragshändler wegen eines Schummeldiesels verklagt. Nach einem Vergleich hat der klagende Autokäufer seine Revision nun zurückgenommen. Kurz bevor die Entscheidung des BGHs anstand. Ein Vorgang, der nicht unbekannt ist. Wie es scheint, wollen die Automobilriesen ein Grundsatzurteil durch den Bundesgerichtshof um jeden Preis vermeiden. Ein solches würde die unteren Zivilgerichte in ihren Entscheidungen beeinflussen und könnte zu weiteren Klagen führen. Zwar gibt es keine normative Bindungswirkung von Urteilen höherer Gerichte. Trotzdem orientieren sich die Amts- und Landgerichte häufig an den Entscheidungen des BGH, um eine Aufhebung in der nächsthöheren Instanz zu vermeiden. Ein Grundsatzurteil könnte daher die gesamte Rechtsprechung im Abgasskandal revolutionieren. Hinzu käme ein erheblicher Imageverlust der Automobilindustrie, die ohnehin schon unter dem Misstrauen potentieller Kunden leidet. Schon länger wird den Automobilriesen vorgeworfen, Klägern mit guten Erfolgsaussichten lukrative Vergleichsangebote zu unterbreiten, um ein Urteil zu verhindern. Dass es trotz des Vergleichs dieses Mal zu einer Positionierung des BGH gekommen ist, ist eine kleine Sensation.
BGH: Abschalteinrichtung ist ein Sachmangel
Die Richter des achten Zivilsenats ließen sich nicht mundtot machen. In einer Pressemitteilung informierten Sie darüber, dass bereits vor der Einigung der Parteien ein umfassender Hinweisbeschluss des Senats ergangen sei. In diesem habe der BGH darauf hingewiesen, dass die verwendete Abschalteinrichtung einen Sachmangel im Sinne des § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB darstelle. Außerdem sei der Anspruch gegen den Händler auf Lieferung eines Ersatzfahrzeugs nicht deshalb ausgeschlossen, weil das Fahrzeug in der gekauften Generation nicht mehr hergestellt wurde. Der festgestellte Sachmangel ist Grundvoraussetzung dafür, dass der Käufer der mangelhafteten Sache Gewährleistungsrechte geltend machen kann. Er kann dann die Reparatur verlangen, den Ersatz durch eine vergleichbare Sache oder sogar vom Vertrag zurücktreten. Der Hinweisbeschluss des BGHs hat für Geschädigte des Dieselskandals also durchaus Signalwirkung.
Was ändert der Hinweisbeschluss für welche Verfahren?
Leider ist es keineswegs so, dass der Hinweisbeschluss blind auf alle Fälle übertragbar ist. Im Gegenteil: Denn er bezog sich lediglich auf Klagen gegen den Verkäufer des Fahrzeugs. Deren Position ist durch den Beschluss deutlich gestärkt worden. Zumindest eine der vielen streitigen Rechtsfragen dürfte hiermit geklärt sein. Andere wie etwa das Fristsetzungserfordernis für eine etwaige Nacherfüllung oder die Erheblichkeit der Pflichtverletzung bleiben weiterhin offen.
Ein Großteil der bei den Gerichten anhängigen Klagen richtet sich aber gegen den Hersteller. Vorwürfe der vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung und des Betruges stehen hier im Raum. Und diese haben augenscheinlich nicht besonders viel mit der Mangelhaftigkeit des Wagens zu tun. Trotzdem könnte der Hinweisbeschluss auch die Position der Kläger, die gegen Konzerne wie Mercedes oder VW vorgehen, verbessern. Denn das Abweichen von der üblichen Beschaffenheit wirkt sich auch hier aus. Gerade bei der Frage, ob es sich vorliegend um einen Betrug handelt, ist das Verschweigen eines tatsächlich bestehenden Sachmangels von Bedeutung. Schon zuvor waren einige Landgerichte davon ausgegangen, dass es sich bei dem Dieselschummel um Betrug handelt und der Käufer deswegen einen Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB habe. So geht beispielsweise das Landgericht Tübingen (Urteil vom 24. Juli 2018 (Az.: 5 O 55/18)), aber auch das Landgericht Bayreuth (Urteil vom 23. Oktober 2017 (Aktz.: 23 O 227/17)) davon aus, dass das Fahrzeug aufgrund falscher Angaben über die Abgaswerte nie in den Verkehr gebracht werden durfte. Aufgrund drohender Fahrverbote unterliege der (auch hier verbaute) Motor EA 189 einer “generellen Betrugs-Bemakelung”. Dementsprechend kann sich der Hinweisbeschluss des BGHs auch für die Kläger in anderen Verfahren positiv auswirken.
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