Deutschlandweiter Verkaufsstopp als Reaktion auf angeordneten Rückruf
Spiegel Online bezieht sich in seiner Berichterstattung auf Informationen der Funke Mediengruppe. Am 22.06.2018 sollen alle Mercedes-Benz-Händler eine Order von oben erhalten haben. Darin soll es heißen: ” Wir untersagen Ihnen, die betroffenen Fahrzeuge zuzulassen oder an den Kunden auszuliefern bis eine entsprechende Abhilfe in den Servicebetrieben verfügbar und an den Fahrzeugen umgesetzt ist.” Der Verkauf ist also gestoppt. Grund dafür ist der jüngst angekündigte Rückruf für Daimler Diesel mit der Abgasnorm Euro 6b. Weltweit muss Daimler wegen der Abgasmanipulationen 774.000 Fahrzeuge zurückrufen, 238.000 davon allein in Deutschland. Je mehr Diesel mit der manipulierten Software in der Zwischenzeit vom Händler auf die Straße rollen, desto größer wird diese Zahl. Bevor die Fahrzeuge verkauft werden, soll deswegen erst das Software Update aufgespielt werden. Konkret betroffen sind die folgenden Modelle: C-Klasse (Vier-Zylinder Diesel 1,6 Liter Hubraum), CLA, GLA, GLE, A- und B-Klasse mit dem Motor OM651, Sechs-Zylinder-Diesel-Geländewagen G-Klasse.
Vorheriges Update anstelle von Rückruf
Der Hersteller dreht damit nicht nur den Spieß um. Er nimmt dem potentiellen Kunden auch eine Entscheidung ab. Der eigentliche Ablauf eines Software Updates ist nämlich umgekehrt. Für gewöhnlich erfährt ein Kunde erst nach dem Kauf, dass sein Diesel manipuliert wurde. Es folgt dann ein vom Kraftfahrtbundesamt angeordneter Rückruf. Von der örtlichen Zulassungsstelle wird der Dieselhalter aufgefordert, seinen Wagen zur Nachrüstung in die Werkstatt zu bringen. Dort wird dann das Software Update aufgespielt. Weigert sich der Kunde oder ignoriert er die Aufforderung, wird er noch weitere Schreiben erhalten. Diese enthalten dann, neben der Aufforderung, dem Rückruf nachzukommen, eine Frist. Läuft diese Frist an, droht dem Halter die Stilllegung seines Diesels. Er darf dann mit seinem Fahrzeug nicht mehr am Verkehr teilnehmen und ist damit faktisch enteignet.
Schädliches Software Update? Der Rückruf als Falle
Aber warum weigern sich Kunden, die Nachbesserung an ihrem Diesel vornehmen zu lassen? Ist eine Nachbesserung nicht grundsätzlich gut? Und wenn sogar das Kraftfahrtbundesamt diese anordnet, dürfte doch eigentlich nichts passieren, oder? Mitnichten. Leider gibt es schon länger negative Prognosen zum Software Update, die sich mehr und mehr bewahrheiten. Schon früh bezeichnete die Deutsche Umwelthilfe das Update als Placebo-Update, inzwischen gibt es Gutachten, die das bestätigen. Faktisch ist der Einfluss des Updates auf den Stickoxidausstoß nur minimal und ist deswegen nicht die Lösung für das große Luftverschmutzungsproblem infolge des Abgasskandals. Weiterhin zeichnen sich immer mehr Schäden durch das Update ab. Viele Kunden beklagen sich über ruckelnde Motoren, nachlassende Leistung bei steigendem Verbrauch und einen größeren Verschleiß einzelner Teile. Schäden, deren Ursache nur schwer zu beweisen ist. Wer also unter Spätfolgen des Rückrufs leidet, hat womöglich Schwierigkeiten, Ansprüche geltend zu machen. Das Software Update ist dementsprechend nicht der Ausweg aus dem Abgasskandal – im Gegenteil. Es könnte die Probleme der Dieselkunden sogar verschärfen. Natürlich hat sich das inzwischen auch herumgesprochen. Der ohnehin schon stark geschwächte Gebrauchtwagenmarkt reagiert skeptisch auf Dieselfahrzeuge mit Software Update. Das schlechte Image des Updates ist nicht gerade verkaufsfördernd und drückt den Preis weiter.
Vorheriges Update könnte rechtlich nachteilhaft sein
Dieselkunden, die einen der upgedateten Diesel bei ihrem Mercedes-Händler des Vertrauens kaufen, bekommen diese Probleme somit gratis dazu. Und das ist nicht alles. Der Hersteller könnte mit der Nachrüstung vor dem Verkauf vielleicht sogar ein Fernziel verfolgen. Derzeit machen viele Kunden nämlich Ansprüche wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung vor Gericht geltend. Sie versuchen über diesen Weg eine Rückabwicklung Ihres Autokaufs zu erreichen – mit Erfolg. Ein Kunde, der einen bereits nachgerüsteten Diesel beim Händler kauft, könnte sich diese Rechte abschneiden. Denn je nach Vertragsgestaltung erfährt er im Vorhinein von dem vorherigen Update. Er könnte also darüber informiert sein, dass sein Diesel vom Abgasskandal betroffen war und das Update erhalten hat. Daimler könnte sich dann vor Gericht darauf berufen, dass der Kunde sehenden Auges einen manipulierten und nachgerüsteten Diesel gekauft hat und dessen mögliche Mängel in Folge des Updates Vertragsbestandteil geworden sind. Ob und wie sich der Hersteller auf diese Argumentation berufen kann und wird, ist schwer zu prognostizieren. Auch kann nicht vorhergesagt werden, inwieweit spätere Kunden über die Nachrüstungen aufgeklärt werden und ob deren Schutzwürdigkeit im Zweifel tatsächlich entfällt. In jedem Falle gehen Kunden ein erhöhtes Risiko ein, wenn sie einen Neuwagen beim Händler kaufen, der bereits nachgerüstet ist.
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