Pressemitteilung – VW hat sittenwidrig geschädigt
Am 05.03.2019 meldete sich das Oberlandesgericht Karlsruhe in einer Pressemitteilung zu Wort. Die Richter der 13. Zivilkammer befassen sich aktuell mit der Schadensersatzklage eines Dieselkunden gegen den VW-Konzern. In Hinblick auf die mündliche Verhandlung am 12. April 2019 hieß es in der Pressemitteilung “Termin in einer Klage wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung gegen die Volkswagen AG […] und ausführlicher Hinweisbeschluss”. Dieser Hinweisbeschluss ist es, der Abgasskandalgeschädigten in die Karten spielen könnte. Denn die Richter lassen schon jetzt durchblicken, dass sie von einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung im Sinne des § 826 BGB ausgehen. Auch eine Haftung für Verrichtungsgehilfen steht zur Debatte. Der Hinweisbeschluss in kompletter Fassung ist zwar bislang nicht verfügbar. Trotzdem ist davon auszugehen, dass das Gericht im Sinne des Klägers entscheiden wird. Der Beschluss an sich hat bereits enorme Aussagekraft. Denn selbst wenn es zu einer außergerichtlichen Einigung zwischen dem Konzern und dem Kunden kommen sollte – der Beschluss ist in der Welt. Und was einmal gesagt wurde, lässt sich nicht rückgängig machen.
Sittenwidrige Schädigung und Sachmangel – zwei Hinweisbeschlüsse mit zentraler Bedeutung
Der Hinweisbeschluss des OLG ist deswegen so außergewöhnlich, weil er eine vollkommen andere Frage behandelt als der des BGH. Während der BGH sich mit kaufrechtlichen Gewährleistungsansprüchen auseinandersetzte, geht es in dem Verfahren vor dem OLG Karlsruhe um deliktische Ansprüche – um Schadensersatz nach Maßgabe der §§ 823 ff. Das sind zwei Paar Schuhe. Die deliktischen Ansprüche richten sich gegen den Volkswagen-Konzern selbst, die kaufrechtlichen Ansprüche gegen den Autohändler, der den Diesel verkauft hat.
Der Beschluss des BGH ist vor allem für diejenigen hilfreich, die schon gegen den Händler vorgehen. Er stärkt ihre Verhandlungsposition. Weil aber die Verjährungsfrist in den meisten Fällen bereits abgelaufen ist, ist eine Klage gegen den Händler nicht mehr möglich. Für VW-Kunden, die bislang noch keine Rechte im Abgasskandal geltend gemacht haben, hat der Hinweisbeschluss des BGH also eine geringere Aussagekraft.
Anders sieht es bei einem Vorgehen gegen den Hersteller aus. Hier gilt eine dreijährige Verjährungsfrist, die erst mit Kenntnis der anspruchsbegründenden Umstände beginnt. Eine Klage auf Schadensersatz gegen den Hersteller ist also noch bis Ende 2019 möglich. Dementsprechend hat der Hinweisbeschluss des OLG Karlsruhe Signalwirkung. Ein Gericht der zweiten Instanz bestätigt: Das, was Volkswagen über Jahre hinweg gemacht hat, ist eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung. Mit der Klärung dieses Streits stehen und fallen die Ansprüche der meisten Geschädigten. Wer noch zögert, Schadensersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung zu verlangen, hat nun ein weiteres Argument, tätig zu werden.
Geht der Trend zum Hinweisbeschluss?
Für juristische Laien ist der Begriff des Hinweisbeschlusses nur schwer zu greifen. Warum kein Urteil? Ist die Aussagekraft eines solchen nicht weitaus höher? Und warum gibt es verhältnismäßig wenige Urteile zweitinstanzlicher Gerichte, wenn doch so viele Geschädigte gegen die Konzerne vorgehen und die Erfolgsaussichten so gut sind? Tatsächlich gibt es nur wenige oberlandesgerichtliche Urteile im Abgasskandal und auch zum BGH hat es noch nahezu kein Verfahren geschafft. Auf wundersame Weise verläuft sich ein beträchtlicher Teil der Prozesse im Sande. Für die Automobilhersteller ist das zwar eine gute Entwicklung, die aber keineswegs zufällig ist. Denn jedes Negativurteil bringt Publicity und Nachahmer mit sich. Etwas, das vor Ablauf der Verjährungsfristen nicht gewollt ist. Das Zauberwort heißt hier: Außergerichtlicher Vergleich. Vielen Klägern wird vor Ende der ersten oder zweiten Tatsacheninstanz ein Angebot unterbreitet, das sie nicht ablehnen können. Dass diese Vergleiche nicht an die Öffentlichkeit dringen, wird direkt mit vereinbart. Die Vergleichsbereitschaft scheint hoch zu sein, sodass bereits Richter in öffentlichen mündlichen Verhandlungen nach einer Vergleichsbereitschaft fragen, bevor sie ein Urteil schreiben, das dann in den Papierkorb wandert.
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