VW trägt die Beweislast
Selbst wenn der Eigentümer sein Fahrzeug erst nach der Aufdeckung des Abgasskandals im September 2015 gekauft hat, ist nicht automatisch erwiesen, dass er schon beim Kauf von dem Mangel an seinem Fahrzeug Kenntnis hatte. Die bundesweiten Landgerichte hatten zuvor mehrfach Klagen von Fahrzeugbesitzern abgewiesen mit der Begründung, diese hätten von dem vorher bekannt gewordenen Abgasskandal wissen müssen. Doch das OLG gab nun zu bedenken, dass dies nicht unbedingt ausreicht. VW selbst müsse dezidiert beweisen, dass der jeweilige Kunde im individuellen Fall wusste, dass genau sein Auto manipuliert war. Dies könne etwa durch eine nachweisbare Vereinbarung im Kaufvertrag der Fall sein, nicht aber schon dadurch, dass der Fall in den Medien präsent war.
Volkswagen ließ es bei “Kauf nach Kenntnis”-Fällen auf Urteil ankommen
Wer als Kunde bislang von einer Klage abgesehen hat, weil er das Auto erst nach September 2015 gekauft hat, der sollte schnell handeln.
Die Volkswagen AG war nicht bereit, in diesen sogenannten “Kauf nach Kenntnis”-Fällen den betroffenen Dieselbesitzern Vergleichsangebote zu unterbreiten, sondern ließ es auf eine Gerichtseintscheidung ankommen. Der Konzern war sich offenbar sicher, rechtlich hier die besseren Karten zu haben. Nun gab es daher die erste mündliche Verhandlung vor einem Oberlandesgericht im niedersächsischen Oldenburg.
Das OLG äußerte jedoch eine für VW äußerst unangenehmes, vorläufige Meinung. Die wichtigste Aussage war, dass der Konzern nur pauschale Aussagen zur Kenntnis von der Betroffenheit des Fahrzeuges gemacht habe. VW sei aber in derartigen Fällen nie auf den genauen Einzelfall eingegangen oder habe dargelegt, wann genau man einen Kunden informiert hat – vermutlich, weil es eine derartige nachprüfbare Information des individuellen Kunden nie gab. Das Gericht hat genau darauf hingewiesen, dass VW die Beweislast trägt und allgemeine Aussagen oder Annahmen, dass ein Kunde es ja durch Medienberichte hätte wissen müssen, nicht ausreichend sind.
Das bedeutet der Prozess am OLG Oldenburg für betroffene VW-Kunden
Während sich viele Käufer auf eine Verbesserung der Rechtslage freuen dürfen, schließlich können sie nun auch mit erfolgreicher Durchsetzung eines Schadensersatzanspruchs rechnen, wäre ein entsprechendes Urteil für VW ein schwerer Schlag. Den Konzern könnte ein solches Urteil, sollte es der vorläufigen Meinung des Gerichts entsprechen, wegen zahlreicher zu erwartender Klagen teuer zu stehen kommen. Darüber hinaus hat das OLG in Aussicht gestellt, ein Sachverständigengutachten in Auftrag geben zu wollen, das die negativen Folgen des Software-Updates prüft. Auch dies dürfte bei VW keine Freude auslösen, sollte bekannt werden, dass das Update nicht geeignet ist, einen rechtskonformen Zustand herzustellen.
Wer als Kunde bislang von einer Klage abgesehen hat, weil er das Auto erst nach September 2015 gekauft hat, der sollte schnell handeln und seine Schadensersatzansprüche kostenlos prüfen lassen.
Auswirkungen auf die Musterfeststellungsklage?
Der Prozess am OLG Oldenburg könnte auch Auswirkung auf die Musterfeststellungsklage haben, die ab dem 30. September dieses Jahres vor dem OLG Braunschweig verhandelt wird. Bei dieser Klage können Verbraucherschützer für die Betroffenen gerichtlich gegen Unternehmen vorgehen. Ungefähr 400.000 Dieselbesitzer haben sich in dem Fall der Sammelklage bereits angeschlossen. Da dort auch die “Kenntnisfälle” Thema sein werden, könnten die zuständigen Richter am OLG Braunschweig auf die Argumentation der Oldenburger Kollegen Bezug nehmen.
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