Verletzung von Art. 3 GG?

Die Änderungen, die sich hierdurch bei der Kreditvergabe ergeben, stellen einen tiefgreifenden Eingriff dar.
Diese Altersdiskriminierung wird etwa vom Immobilienverband Deutschland (IVD) moniert. Er geht in seiner Stellungnahme sogar soweit, hierin eine Grundrechtsverletzung zu sehen. Eine Verletzung des Diskriminierungsverbotes aus Art. 3 Abs. 1 GG wird vom IVD deswegen angenommen, weil es gerade keine sachliche Rechtfertigung für die Ungleichbehandlung gebe. Schließlich müsse der Kreditnehmer nicht davor geschützt werden, schuldenfrei zu sterben. Vorzunehmen wäre daher nur eine hinreichende Sicherung der Darlehensforderung, sofern der Darlehensnehmer vor der vollständigen Tilgung ablebe.
Eine realistische Chance auf ein Immobiliar-Verbraucherdarlehen hat derzeit deswegen nur, wer Eigenkapital hat. Dies geht vor allem zu Lasten junger Paare, Rentner oder derjenigen die während der Sollzinsbindung beziehungsweise der Laufzeit in den Ruhestand gehen wollen.
Der durch die Richtlinie bezweckte Verbraucherschutz läuft aktuell rückwärtig.
Das gestiegene Haftungsrisiko der Banken sorgt für eine Verunsicherung in diesem Sektor, welche zu einer restriktiven und strengen Auslegung führt. Bonitätsprüfungen werden mit besonderer Vorsicht und Strenge durchgeführt und nehmen aufgrund der zu berücksichtigenden Datenfülle mehr Zeit in Anspruch.
Kreditinstitute als Leidtragende
Nicht nur auf Seiten der Verbraucher sind negative Konsequenzen spürbar. Kreditinstitute finanzieren sich über die Vergabe von Krediten. Während die Banken laut Dr. Scholl zuvor aus Eigeninteresse auch Niedrigverdienern Kredite gewährten, um sich notfalls aus dem Grundstück befriedigen zu können, ist das heutzutage nicht mehr ohne weiteres möglich. Verringert sich nun die Rate, bedeutet dies faktisch auch Einbußen.
So meldete der Deutsche Sparkassen- und Giroverband allein im ersten Halbjahr von 2016 einen Rückgang der Kreditzusagen für private Wohnimmobilienkredite um etwa 9 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. In einem Statement des IVD heißt es, dass Volksbanken und Raiffeisenbanken in Niedersachsen (Region Weser-Ems) den Anteil der Kreditanträge, die aufgrund der strengeren Regelungen künftig abgelehnt werden müssen, auf 20 bis 50 Prozent schätzen.
Vermieter = Verbraucher?
Auch der Anwendungsbereich der neuen Regelungen ist nicht abschließend geklärt und bedarf einer gesetzgeberischen Klarstellung. Es ist bisher unklar, ab wann ein Vermieter nicht mehr als Verbraucher im Sinne des § 13 BGB gilt und damit nicht in den Schutzbereich der §§ 505a ff. BGB fällt. Laut dem IVD bestehe zwar eine Tendenz dahin, dass man einen Vermieter, der mehr als drei Wohnungen vermietet, nicht mehr als Verbraucher ansieht, allerdings sei eine Festsetzung dieser Grenze durch den Gesetzgeber im Rahmen der Richtlinienumsetzung wünschenswert.
Mögliche Änderungen und deren Chancen
Die Richtlinie 2014/17/EU enthielt Mindeststandards. In der deutschen Umsetzung liegt eine -grundsätzlich zulässige – Verschärfung dieser. Die Richtlinie sieht aber auch Möglichkeiten für Ausnahmebestimmungen vor, die aber nicht umgesetzt wurden, so der IVD in seinem Positionspapier.
Eine Übernahme des Wortlautes der EU-Richtlinie würde die Altersdiskriminierung bereits entfallen lassen. Kapitel 6 Absatz 5 dieser lautet:
„der Kreditgeber dem Verbraucher den Kredit nur bereitstellt, wenn aus der Kreditwürdigkeitsprüfung hervorgeht, dass es wahrscheinlich ist, dass die Verpflichtungen im Zusammenhang mit dem Kreditvertrag in der gemäß diesem Vertrag vorgeschriebenen Weise erfüllt werden“
Es wäre damit keine höchstpersönliche Erfüllung durch den Kreditnehmer – wie sie von den Kreditinstituten in die deutsche Regelung hineingelesen wird – notwendig. Erben, Bürgen oder Versicherungen dürften gleichsam die Verpflichtungen erfüllen.
Möglicherweise würde sogar die deutsche Version von Gerichten in dieser Weise ausgelegt werden, allerdings ist ein entsprechendes Urteil nicht in Aussicht.
Fazit und Ausblick
Ganz gleich wie drastisch die Auswirkungen der Richtlinienumsetzung erscheinen mögen, besteht trotzdem Anlass zu vorsichtigem Optimismus. Es ist davon auszugehen, dass die Vorsicht der Banken und Kreditinstitute sich langfristig auf ein niedrigeres Niveau bewegen wird. Aufgrund der späten Umsetzung durch den deutschen Gesetzgeber blieb vielen nur wenig Zeit, sich auf die neuen Prüfungsmaßstäbe vorzubereiten.
Insofern kann Dr. Scholl nur beigepflichtet werden, soweit er in der Regelung einen Mehrwert für Verbraucher sieht, die ihre Leistungsfähigkeit nicht einschätzen können.
Dennoch ist der Gesetzgeber hier über das Ziel hinausgeschossen. Nämlich dort, wo die Umsetzung der Richtlinie den autonomen Bürger, der das gesetzliche Leitbild des letzten Jahrhunderts prägte, entmündigt.
Den Bestrebungen der EZB, die Konjunktur im europäischen Wirtschaftsraum anzukurbeln, wird dadurch entgegengewirkt.
Was als Maßnahme zum Verbraucherschutz gedacht war, bevormundet diesen und bremst ihn aus.
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