Die Wohnimmobilienkreditrichtlinie – wer erhält noch einen Kredit?

Die Wohnimmobilienkreditrichtlinie – wer erhält noch einen Kredit?

Die Wohnimmobilienkreditrichtlinie der EU gilt als Reaktion auf geplatzte Immobilienblasen in Irland, UK sowie Spanien und soll verhindern, dass Privatpersonen Kreditverträge abschließen, die sie eigentlich nicht erfüllen können.
Als Folge trat zum 21. März 2016 das die Richtlinie in Deutschland umsetzt (genau: Gesetz zur Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie und zur Änderung handelsrechtlicher Vorschriften) in Kraft.
Sinn und Zweck war es, eine Überschuldung von Verbrauchern zu vermeiden, diese durch umfassende Aufklärungspflichten besser zu schützen und die Kreditinstitute stärker in die Pflicht zu nehmen.
Die Änderungen, die sich hierdurch bei der Kreditvergabe ergeben, stellen einen tiefgreifenden Eingriff dar und haben in der Praxis erhebliche Auswirkungen, die so vielleicht weder beabsichtigt noch erwartet wurden.

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Die Änderungen im Überblick

  • Einführung der §§ 505a – 505d BGB, sowie § 18a KWG als zivilrechtliche Schutzpflichten gegenüber dem Verbraucher
  • Früher kam es ausschließlich darauf an, ob ein Darlehen grundpfandrechtlich besichert ist
  • Heute eröffnet schon der Verwendungszweck (Erwerb/Erhalt von Grundstückseigentum) den Anwendungsbereich der §§ 491 ff. BGB
  • Die Anforderungen an das vorvertragliche Verhalten wurden verschärft
  • Bonitätsprüfung sowie Objektbewertung sind von besonderer Bedeutung (vgl. § 505a Abs. 1 BGB)
  • Bereits erhebliche Zweifel an der Kreditwürdigkeit können ein Kreditvergabeverbot begründen
  • Anlageberater haben deswegen eine umfassende Explorationspflicht (vgl. § 505b BGB), Informationen zu Einnahmen, Ausgaben, sowie zu anderen finanziellen und wirtschaftlichen Umständen werden einbezogen (vgl. § 18a KWG)
  • Verfahren und Angaben, auf die sich die Kreditwürdigkeitsprüfung stützt, müssen dokumentiert werden (vgl. § 505b Abs. 4 BGB)
  • Konsequenzen in der Werbung: Vertragsdetails müssen im Kern beinhaltet sein
  • Ein Verstoß gegen die Pflicht zur Kreditwürdigkeitsprüfung führt zum Nichtbestehen von Schadensersatzansprüchen gegen den Darlehensnehmer, wenn die Pflichtverletzung auf Umständen beruht, die bei ordnungsgemäßer Kreditwürdigkeitsprüfung dazu geführt hätten, dass der Darlehensvertrag nicht zustande gekommen wäre (vgl. § 505d Abs. 3 BGB)

Die Konsequenzen in der Praxis

Vielerorts wird vor allem über negative Folgen des Gesetzes diskutiert, weswegen hier zunächst positive Konsequenzen aufgezeigt werden sollen.
Die strengeren Anforderungen an die Bonitätsprüfung sorgen dafür, dass etwaige Pflichtverletzungen erhebliche Konsequenzen für die Kreditinstitute auslösen. Laut Dr. Bernd Scholl (Institut für Bankenrecht an der Universität zu Köln), könnte es dadurch zu einer Ermäßigung des Zinssatzes (vgl. § 505d Abs. 1 S. 1 BGB) kommen. Bei dem gegenwärtigen Zinsniveau würde das gegebenenfalls auf ein nahezu zinsloses Darlehen hinauslaufen. Außerdem hätte der Kreditnehmer die Möglichkeit, eine außerordentliche Kündigung ohne Vorfälligkeitsentschädigung auszusprechen (vgl. § 505d Abs. 1 S. 3 BGB).
Die Beweislast hinsichtlich einer ordnungsgemäßen Bonitätsprüfung trifft die Kreditinstitute.
Durch diese Verteilung wird die Position der Kreditnehmer gestärkt.
Mit steigender Verantwortung geht aber oft auch eine wachsende Vorsicht einher.
Der Verbraucher bekommt diese unmittelbar und mittelbar zu spüren. Die durch die Vorschrift forcierte Sorgfalt führt zu aufwendigen Rating- und Prüfungsprozessen. Dem Bestreben der Bundesregierung, die private Altersvorsorge durch Grundstückseigentum zu fördern, wird so entgegengewirkt, wie Roberto Maniscalchi von der Financial Partner Beratungsgesellschaft feststellt. Er sieht auch Pendler, die ihr Gehalt in einer anderen Währung beziehen, aber im Bundesgebiet wohnen, als gefährdet an. Kursschwankungen könnten für die Banken als unkalkulierbares Risiko gelten.

Besonders ältere Menschen könnten unter der Umsetzung der EU-Richtlinie und vor allem deren Auslegung durch Kreditinstitute leiden.
Schließlich muss die vollständige Rückführung des Kredites durch den Kreditnehmer innerhalb seiner statistischen Lebenserwartung wahrscheinlich sein – so zumindest wird § 505a Abs. 1 BGB durch Kreditinstitute ausgelegt. Wenn es bei einer Laufzeit von 30 Jahren statistisch unwahrscheinlich erscheint, dass der Kreditnehmer noch entsprechend lang lebt, wird ein Kredit versagt. Ab einem Alter von 60 Jahren ist es durch die neue Regelung also höchst unwahrscheinlich, einen Immobilienkredit zu erhalten. Die statistische Lebenserwartung liegt nämlich knapp über 80 Jahren.

Verletzung von Art. 3 GG?

Bild von einem Miniaturhaus und einem Schlüssel

Die Änderungen, die sich hierdurch bei der Kreditvergabe ergeben, stellen einen tiefgreifenden Eingriff dar.

Diese Altersdiskriminierung wird etwa vom Immobilienverband Deutschland (IVD) moniert. Er geht in seiner Stellungnahme sogar soweit, hierin eine Grundrechtsverletzung zu sehen. Eine Verletzung des Diskriminierungsverbotes aus Art. 3 Abs. 1 GG wird vom IVD deswegen angenommen, weil es gerade keine sachliche Rechtfertigung für die Ungleichbehandlung gebe. Schließlich müsse der Kreditnehmer nicht davor geschützt werden, schuldenfrei zu sterben. Vorzunehmen wäre daher nur eine hinreichende Sicherung der Darlehensforderung, sofern der Darlehensnehmer vor der vollständigen Tilgung ablebe.
Eine realistische Chance auf ein Immobiliar-Verbraucherdarlehen hat derzeit deswegen nur, wer Eigenkapital hat. Dies geht vor allem zu Lasten junger Paare, Rentner oder derjenigen die während der Sollzinsbindung beziehungsweise der Laufzeit in den Ruhestand gehen wollen.
Der durch die Richtlinie bezweckte Verbraucherschutz läuft aktuell rückwärtig.
Das gestiegene Haftungsrisiko der Banken sorgt für eine Verunsicherung in diesem Sektor, welche zu einer restriktiven und strengen Auslegung führt. Bonitätsprüfungen werden mit besonderer Vorsicht und Strenge durchgeführt und nehmen aufgrund der zu berücksichtigenden Datenfülle mehr Zeit in Anspruch.
Kreditinstitute als Leidtragende
Nicht nur auf Seiten der Verbraucher sind negative Konsequenzen spürbar. Kreditinstitute finanzieren sich über die Vergabe von Krediten. Während die Banken laut Dr. Scholl zuvor aus Eigeninteresse auch Niedrigverdienern Kredite gewährten, um sich notfalls aus dem Grundstück befriedigen zu können, ist das heutzutage nicht mehr ohne weiteres möglich. Verringert sich nun die Rate, bedeutet dies faktisch auch Einbußen.
So meldete der Deutsche Sparkassen- und Giroverband allein im ersten Halbjahr von 2016 einen Rückgang der Kreditzusagen für private Wohnimmobilienkredite um etwa 9 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. In einem Statement des IVD heißt es, dass Volksbanken und Raiffeisenbanken in Niedersachsen (Region Weser-Ems) den Anteil der Kreditanträge, die aufgrund der strengeren Regelungen künftig abgelehnt werden müssen, auf 20 bis 50 Prozent schätzen.

Vermieter = Verbraucher?

Auch der Anwendungsbereich der neuen Regelungen ist nicht abschließend geklärt und bedarf einer gesetzgeberischen Klarstellung. Es ist bisher unklar, ab wann ein Vermieter nicht mehr als Verbraucher im Sinne des § 13 BGB gilt und damit nicht in den Schutzbereich der §§ 505a ff. BGB fällt. Laut dem IVD bestehe zwar eine Tendenz dahin, dass man einen Vermieter, der mehr als drei Wohnungen vermietet, nicht mehr als Verbraucher ansieht, allerdings sei eine Festsetzung dieser Grenze durch den Gesetzgeber im Rahmen der Richtlinienumsetzung wünschenswert.
Mögliche Änderungen und deren Chancen
Die Richtlinie 2014/17/EU enthielt Mindeststandards. In der deutschen Umsetzung liegt eine -grundsätzlich zulässige – Verschärfung dieser. Die Richtlinie sieht aber auch Möglichkeiten für Ausnahmebestimmungen vor, die aber nicht umgesetzt wurden, so der IVD in seinem Positionspapier.
Eine Übernahme des Wortlautes der EU-Richtlinie würde die Altersdiskriminierung bereits entfallen lassen. Kapitel 6 Absatz 5 dieser lautet:

„der Kreditgeber dem Verbraucher den Kredit nur bereitstellt, wenn aus der Kreditwürdigkeitsprüfung hervorgeht, dass es wahrscheinlich ist, dass die Verpflichtungen im Zusammenhang mit dem Kreditvertrag in der gemäß diesem Vertrag vorgeschriebenen Weise erfüllt werden“

Es wäre damit keine höchstpersönliche Erfüllung durch den Kreditnehmer – wie sie von den Kreditinstituten in die deutsche Regelung hineingelesen wird – notwendig. Erben, Bürgen oder Versicherungen dürften gleichsam die Verpflichtungen erfüllen.
Möglicherweise würde sogar die deutsche Version von Gerichten in dieser Weise ausgelegt werden, allerdings ist ein entsprechendes Urteil nicht in Aussicht.

Fazit und Ausblick

Ganz gleich wie drastisch die Auswirkungen der Richtlinienumsetzung erscheinen mögen, besteht trotzdem Anlass zu vorsichtigem Optimismus. Es ist davon auszugehen, dass die Vorsicht der Banken und Kreditinstitute sich langfristig auf ein niedrigeres Niveau bewegen wird. Aufgrund der späten Umsetzung durch den deutschen Gesetzgeber blieb vielen nur wenig Zeit, sich auf die neuen Prüfungsmaßstäbe vorzubereiten.
Insofern kann Dr. Scholl nur beigepflichtet werden, soweit er in der Regelung einen Mehrwert für Verbraucher sieht, die ihre Leistungsfähigkeit nicht einschätzen können.
Dennoch ist der Gesetzgeber hier über das Ziel hinausgeschossen. Nämlich dort, wo die Umsetzung der Richtlinie den autonomen Bürger, der das gesetzliche Leitbild des letzten Jahrhunderts prägte, entmündigt.
Den Bestrebungen der EZB, die Konjunktur im europäischen Wirtschaftsraum anzukurbeln, wird dadurch entgegengewirkt.
Was als Maßnahme zum Verbraucherschutz gedacht war, bevormundet diesen und bremst ihn aus.

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Ilja Ruvinskij ist Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht und Partner unserer Kanzlei. Mit seinem spezialisierten Team setzt er bundesweit Verbraucherrechte gegen Banken und Großkonzerne durch.

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