Erfährt der Verbraucher nachträglich, dass die Widerrufsbelehrung in seinem Vertrag fehlerhaft war, stellt sich für ihn die Frage, ob er trotz der Aufhebungsvereinbarung seinen Kredit immer noch widerrufen und im Zuge dessen auch die entrichtete Vorfälligkeitsentschädigung zurückfordern darf. Wendet er sich mit diesem Anliegen an die Bank, lautet die Antwort häufig wie folgt:
„Sie haben mit unserem Haus einen Aufhebungsvertrag geschlossen. Mit dem Abschluss sollte das Vertragsverhältnis im Interesse beider Vertragsparteien endgültig und abschließend erledigt werden. Unser Haus durfte spätestens nach Abschluss des Aufhebungsvertrages auf die abschließende Erledigung der Angelegenheit vertrauen“ (Auszug aus einem Ablehnungsschreiben der DSL-Bank).
Dass eine solche Ablehnung nicht einfach hingenommen werden sollte, zeigt die folgende Rechtsprechungsübersicht.
Widerruf trotz Aufhebungsvereinbarung – das sagen die Gerichte
Oberlandesgericht Brandenburg, Urteil vom 17.10.2012 – 4 U 194/11
In Anlehnung an eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 1. Juli 1997 – XI ZR 267/96) urteilten die Brandenburger Richter, dass eine Aufhebungsvereinbarung für das Recht auf Widerruf unschädlich ist und wiesen die Klage einer Sparkasse auf Zahlung der Vorfälligkeitsentschädigung ab.
Die Richter argumentierten wie folgt:
„Eine solche Vereinbarung zwischen Darlehensnehmer und der kreditgebenden Bank über die vorzeitige Ablösung des Kredits, qualifiziert der Bundesgerichtshof zu Recht nicht als Vertragsaufhebung oder Vertragsauflösung, sondern als Modifizierung des Vertragsumfangs ohne Reduzierung des Leistungsumfangs. Damit liegt eine bloße Änderung des Darlehensvertrages vor, die den ursprünglichen Vertrag als solchen – und damit auch das Widerrufsrecht – unberührt lässt.“
Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 23.03.2015 – 31 U 155/14
Auch das OLG Hamm verurteilte das Kreditinstitut in einem aktuellen Urteil zur Rückzahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung, obwohl der Widerruf nach vollständiger Ablösung des Darlehensvertrages und einer im Zuge dessen abgeschlossenen Aufhebungsvereinbarung erklärt wurde.
Die Entscheidungsgründe lauten wie folgt:
„Ohne Erfolg beruft sich die Beklagte darauf, dass das Widerrufsrecht des Klägers durch die im Jahr 2009 erfolgte Vertragsaufhebung gegenstandslos geworden sei. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats steht einem Widerruf des Vertrags nicht entgegen, dass dieser Vertrag durch einen weiteren Vertrag abgelöst worden ist. Da dem Kläger keine korrekte Widerrufsbelehrung erteilt worden ist, kann der Widerruf – unbefristet – erfolgen. Dies gilt selbst dann, wenn der Vertrag vollständig erfüllt ist. Die gegenteilige Ansicht würde dem Gedanken des Verbraucherschutzes nicht gerecht.“
Oberlandesgericht Karlsruhe, Urteil vom 27.02.2015 – 4 U 144/14
Auch die Karlsruher Richter haben jüngst den Widerruf eines Darlehensvertrages trotz einer zuvor geschlossener Aufhebungsvereinbarung für wirksam erklärt. Das Gericht legt allerdings eine differenzierte Betrachtungsweise an den Tag indem es ausführt:
„Ob eine vertragliche Aufhebung eines Darlehensvertrages mit einer Vereinbarung einer Vorfälligkeitsentschädigung ein bestehendes Recht des Darlehensnehmers zum Widerruf dieses Darlehensvertrages entfallen lässt, richtet sich danach, ob der Aufhebungsvereinbarung ein auf eine Rückwirkung zielender Wille der Parteien zu entnehmen ist.“
Das Gericht legte hier den Inhalt der Aufhebungsvereinbarung aus und kam zu dem Schluss, dass eine Rückwirkung für die Vergangenheit nicht beabsichtigt gewesen ist. Wenn man diesen Erwägungen folgen will, so müsste in jedem Einzelfall geprüft werden, was die Parteien bei dem Abschluss der Aufhebungsvereinbarung eigentlich gewollt haben.
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