Urteil im Abgasskandal, OLG Dresden, Urteil vom 29.04.2020, Aktenzeichen: 9a U 2273/19
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
In dem Rechtsstreit
– Kläger und Berufungskläger –
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Kraus Ghendler Ruvinskij, Aachener Straße 1, 50674 Köln, Gz.: 58083–18
gegen
Volkswagen AG, Berliner Ring 2, 38440 Wolfsburg
vertreten durch den Vorstand
– Beklagte und Berufungsbeklagte –
Prozessbevollmächtigte: KSP Kanzlei Dr. Seegers, Dr. Frankenheim Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Kaiser–Wilhelm–Straße 40, 20355 Hamburg, Gz.: VT1928397
wegen Schadensersatz
hat der 9a. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden durch
Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Albert, Richterin am Oberlandesgericht Lückhoff–Sehmsdorf und Richter am Oberlandesgericht Köhler
aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 04.02.2020
für Recht erkannt:
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Görlitz, Außenkammern Bautzen, vom 22.08.2019,50 705/18, abgeändert und wie folgt neu gefasst: 1.
- Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 26.293,88 EUR nebst Zinsen hieraus 1.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 02.02.2019 binnen sieben Tagen nach Übereignung und Übergabe des Fahrzeugs VW Touran 2,0 TDI zu zahlen.
- Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.754,83 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 02.02.2019 zu zahlen.
- Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen tragen der Kläger 30 % und die Beklagte 70 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung des jeweiligen Vollstreckungsgläubigers durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betr ges leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Beschluss:
Der Streitwert wird für beide Instanzen, für die erste Instanz in Abänderung des Beschlusses
vom 22.08.2019, auf 31.795,28 EUR festgesetzt.
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Der Kläger begehrt Schadensersatz im Hinblick auf ein von ihm erworbenes Fahrzeug, das
vom sog. „Diesel-Abgasskandal“ betroffen ist.
Der Kläger kaufte am 19.06.2014 bei dem Autohaus Elitzsch GmbH ein Fahrzeug VW Touran 2,0 TDI zum Preis von 34.809,36 EUR. Der Kläger finanzierte das Fahrzeug über die Volkswagen Bank. Die Finanzierung ist abgeschlossen. Er zahlte 1.754,83 EUR Zinsen. Zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor
dem Senat betrug die Laufleistung des Fahrzeugs 61.158 Kilometer.
Das Fahrzeug verfügt über einen von der Beklagten hergestellten Dieselmotor des Typs EA 189 EU 5. Die Motorsteuerungssoftware erkennt, ob das Fahrzeug auf dem Prüfstand betrieben wird oder sich im realen Fahrbetrieb befindet. Die ursprünglich installierte Software kannte
zwei Betriebsmodi, nach denen die Abgasrückführungsrate gesteuert wurde. Der Modus 1 war nur aktiv, wenn das Fahrzeug auf dem Prüfstand den Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) durchfuhr. In anderen Fahrsituationen, also bei der Nutzung im Straßenverkehr, war der Modus 0 aktiv. Dieser wies eine gegenüber dem Modus 1 niedrigere Abgasrückführungsrate auf. Die Abgasrückführung bewirkt durch Absenkung der Verbrennungstemperatur einen geringeren Ausstoß von Stickoxiden. Wird eine niedrigere Menge an Abgas zurückgeführt, erhöht sich die Verbrennungstemperatur, und die Abgase enthalten eine höhere Menge an Stickoxiden. Durch das von der Beklagten angebotene und am Fahrzeug des Klägers durchgeführte
Software–Update wurde diese Umschaltlogik beseitigt, d.h. die Abgasrückführung wird im
Fahrbetrieb nach demselben Modus geregelt wie auf dem Prüfstand.
Mit Schreiben vom 18.09.2018 wandten sich die Prozessbevollmächtigten des Klägers an die Beklagte und forderten die Rückzahlung des Kaufpreises sowie nicht bezifferte vorgerichtliche Anwaltskosten Zug um Zug gegen Übereignung des Fahrzeugs. Wegen der Einzelheiten wird auf die Anlage zur Klageschrift Bezug genommen.
Der Senat verweist im Übrigen auf die Feststellungen im angegriffenen Urteil.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zu Begründung hat es ausgeführt, der Kläger habe die tatbestandlichen Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch wegen vorsätz
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lich sittenwidriger Schädigung gemäß § 826 BGB oder Betruges nicht schlüssig vorgetragen. Der Kläger habe sich nicht darauf beschränken dürfen vorzutragen, die Beklagte oder deren Vorstand habe die von ihm aufgeführten deliktischen Verhaltensweisen an den Tag gelegt. Hinsichtlich einzelner konkret benannter Personen bleibe der Sachvortrag des Klägers zu Wissen und Wollen und zu deren Schädigungsvorsatz jeweils bruchstückhaft. Eine Haftung gemäß $$ 6, 27 EG–FGV scheide aus, weil es sich nicht um ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Absatz 2 BGB handele. Wegen der weiteren Begründung wird auf die Entscheidungs gründe des angegriffenen Urteils Bezug genommen.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers. Die Ausführungen zu den Feststellungen innerhalb des in den USA gegen die Beklagte geführten Strafverfahrens dokumentierten, dass die Schädigungshandlungen der Beklagten auch aus dem Vorstand und dem engsten Umfeld heraus gesteuert worden seien. Der Beklagten habe daher die (sekundäre) Darlegungslast ob
legen, sich zu entlasten.
Er beantragt,
das Urteil des Landgerichts Görlitz vom 22.08 2019, Az. 5 O 705/19, aufzuheben und
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 30.040,45 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozent punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB, mindestens jedoch 4 % p.a. ab dem 02.10.2018 binnen sieben Tagen nach Übergabe des Fahrzeugs Volkswagen Touran 2,0 TDI, zu zahlen,
die Beklagte zu verurteilen, Zinsen in Höhe von 4 % p.a. ab dem 20.06.2014 bis Rechtshängigkeit auf einen Betrag in Höhe von 34.809,36 EUR zu zahlen,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.754,83 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozent
punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB ab Rechtshängigkeit zu zahlen,
festzustellen, dass die Beklagte sich mit der Entgegennahme des Fahrzeugs aus dem
Antrag zu 1 im Annahmeverzug befindet,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 2.033,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozent punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit Rechtshängigkeit für die außergerichtliche anwaltliche Rechtsverfolgung zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil und meint u.a., dass dem Kläger mit Kauf des in Streit stehenden Fahrzeugs kein Schaden entstanden sei. Denn nicht nur, dass er das Fahrzeug seither uneingeschränkt nutze, drohe auch seit dem Aufspielen des Updates nicht mehr die Gefahr einer Stilllegung.
Wegen des weiteren Sach– und Streitstandes wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
Die zulässige Berufung ist zum Teil begründet. Entgegen der vom Landgericht vertretenen Auffassung steht dem Kläger gegen die Beklagte ein Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB in Höhe des von ihm gezahlten Kaufpreises abzüglich eines Wertersatzes für die gezogenen Nutzungen zu, der nur gegen Übereignung und Übergabe des Fahrzeugs zu zahlen ist. Zinsen kann der Kläger erst ab Rechtshängigkeit verlangen, ein Anspruch auf Erstattung außergerichtlicher Rechtsverfolgungskosten steht ihm nicht zu. Der Antrag auf Feststellung des Annahmeverzugs ist unbegründet.
Die Beklagte haftet dem Kläger dem Grunde nach aus § 826 BGB auf Schadensersatz.
Nach dieser Vorschrift ist schadensersatzpflichtig, wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt.
- a) Mit dem Inverkehrbringen des Fahrzeugs mit manipulierter Motorsteuerung handelte die Beklagte sittenwidrig.
Sittenwidrig ist ein Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter, der durch die umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Dafür genügt es im Allgemeinen nicht, dass der Handelnde vertragliche Pflichten oder das Gesetz verletzt oder bei einem anderen einen Ver mögensschaden hervorruft. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zu Tage tretenden
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Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann (BGH, Urteil vom 19. November 2013 – VI ZR 336/12 –, juris, Rn. 9). Dabei kann sich die Verwerflichkeit auch aus einer bewussten Täuschung ergeben (BGH, Urteil vom 28. Juni 2016 – VI ZR 536/15 -, juris, Rn. 16).
Gemessen hieran ist das Handeln der Beklagten sittenwidrig. Die Beklagte hat über Jahre na hezu alle Modelle, die mit einem Vierzylinder–Dieselmotor ausgerüstet waren, für die Käufer
nicht erkennbar mit einer Abschalteinrichtung versehen, die erkannte, ob das Fahrzeug sich
auf dem Prüfstand befindet. Bei dieser Einrichtung handelte es sich um eine unzulässige Ab schalteinrichtung gemäß Art. 5 Abs. 2 Verordnung (EG) Nr. 715/2007 (BGH, Beschluss vom 8. Januar 2019 – VIII ZR 225/17 –, juris, Rn. 9 ff.). Die betroffenen Fahrzeuge waren daher an sich nicht zulassungsfähig, was zu einer Untersagung des Betriebes des Fahrzeugs auf öf
fentlichen Straßen hätte führen können (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 18 ff.).
Der Senat teilt die Auffassung des 10a. Zivilsenats des OLG Dresden uneingeschränkt, dass die „verantwortlichen Personen auf Seiten der Beklagten […] ein System zur planmäßigen Ver schleierung ihres Vorgehens gegenüber den Aufsichtsbehörden und den Verbrauchern ge schaffen [haben). Allein plausibles Motiv ist insoweit, sich einen Wettbewerbsvorteil zu ver schaffen, weil man noch nicht über eine Technik verfügte, um die gesetzlichen Abgasvor
schriften einzuhalten, oder weil man aus Gewinnstreben die Entwicklung und den Einbau der
notwendigen Vorrichtungen unterließ. Die verantwortlichen Personen haben die Ahnungslosig
keit der Verbraucher, für die die Anschaffung eines Pkw in der Regel eine wirtschaftliche Ent
scheidung von erheblichem Gewicht mit deutlichen finanziellen Belastungen darstellt, bewusst zum Vorteil der Beklagten ausgenutzt. Die daraus ersichtliche Gesinnung, aus Gewinnstreben
massenhaft den Käufer zu täuschen, Wettbewerber zu benachteiligen und Umwelt– und Ge
sundheitsschäden zu riskieren, lässt das Verhalten insgesamt als sittenwidrig erscheinen (OLG Oldenburg a.a.O. Rn. 17; OLG Hamm a.a.O. Rn. 64). Insbesondere das Ausmaß der Täuschung und der für die Käufer drohende Schaden begründen die Verwerflichkeit dieses Verhaltens (OLG Karlsruhe a.a.O. Rn. 24 f.).” (Urteil vom 05. März 2020 – 100 U 1907/19 – BeckRS 2020, 3280, beck-online; vgl. im Ergebnis ebenso OLG Köln im Urteil vom 10. März 2020 – 4 U 219/19 –, juris, Rn. 69, sowie eine Vielzahl weiterer dort genannter Oberlandesge richte).
- b) Der Einbau der manipulierten Software und die damit einhergehende Schädigung der Käu
fer erfolgten auch vorsätzlich.
Schädigungsvorsatz im Sinne des § 826 BGB erfordert das Bewusstsein, dass das Handeln
die ernstliche Möglichkeit des schädigenden Erfolges haben werde. Der Vorsatz braucht sich
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zwar nicht auf den genauen Kausalverlauf und den Umfang des Schadens zu erstrecken, muss jedoch die gesamten Schadensfolgen sowie Richtung und Art des Schadens umfas sen. Es genügt, dass der Ersatzpflichtige den entstandenen Schaden zumindest bedingt vorsätzlich zugefügt hat (BGH, Urteil vom 11. November 2003 – VI ZR 371/02 -, juris, Rn. 26). Dabei braucht der Täter nicht im einzelnen zu wissen, welche oder wie viele Personen durch sein Verhalten geschädigt werden; vielmehr reicht aus, dass er die Richtung, in der sich sein Verhalten zum Schaden irgendwelcher anderer auswirken könnte, und die Art des möglicherweise eintretenden Schadens vorausgesehen und mindestens billigend in Kauf genommen hat (BGH, Urteil vom 19. Juli 2004 – || ZR 402/02 –, juris, Rn. 47).
Diese Voraussetzungen liegen vor, auch wenn nicht feststeht, welche Personen für die Beklagte gehandelt haben. Für diejenigen, die bei der Beklagten entschieden haben, die Software einzusetzen, lag es auf der Hand, dass die Abschalteinrichtung nicht ausnahmsweise nach Art. 5 Abs. 2 Satz 2 Buchst. c) VO (EG) Nr. 715/2007 zulässig und damit verboten war. Die vorgeschriebene Emissionsprüfung wäre vollständig ihres Sinns beraubt, wenn Fahrzeuge in einem Zustand getestet werden dürften, der im normalen Fahrbetrieb nie eintritt. Folglich lag ebenso auf der Hand, dass die so ausgerüsteten Fahrzeuge nicht zulassungsfähig waren, ih nen die Stilllegung drohte und die Käufer der Fahrzeuge dadurch einen erheblichen Schaden
erleiden könnten.
- c) Dieses vorsätzlich sittenwidrige Handeln ist der Beklagten gemäß § 31 BGB zuzurechnen, auch wenn die tätigen Personen nicht bekannt sind (vgl. statt vieler OLG Köln, a.a.O., Rn. 88 ff.; OLG Saarbrücken, Urteil vom 14. Februar 2020 – 2U 128/19 -, juris, Rn. 45 ff.).
Die Vorschrift setzt für die Zurechnung voraus, dass ein verfassungsmäßig berufener Vertre
ter den objektiven und den subjektiven Tatbestand verwirklicht hat. Die ihrem Wortlaut nach für
den eingetragenen Verein geltende Vorschrift ist nach allgemeiner Meinung auch auf Kapitalgesellschaften, hier also die Beklagte als Aktiengesellschaft, anwendbar
(MÜKoBGB/Leuschner, 8. Aufl. 2018, § 31 Rn. 3). Die nicht näher bekannten Mitarbeiter der Beklagten, die die vorsätzlich sittenwidrige Handlung wie dargestellt begangen haben, müssen somit verfassungsmäßig berufene Vertreter der Beklagten gewesen sein. Dabei ist nicht erforderlich, dass der Handelnde gesetzlicher Vertreter der in Anspruch genommenen Gesellschaft ist oder auch nur Vertretungsmacht hat (BGH, Urteil vom 15. Januar 1985 – VI ZR 8/83 –, Rn. 20, juris). Der Bundesgerichtshof hat die Haftungszurechnung im Sinne einer Repräsentantenhaftung interpretiert (z. B. BGH, a.a.O., Rn. 21; s. die Übersicht bei MükoBGB/Leuschner, 8. Aufl. 2018, § 31 Rn. 14).
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Der Senat hat seiner Entscheidung zu Grunde zu legen, dass verfassungsmäßige Vertreter der Beklagten gehandelt haben. Denn die Beklagte hat weder die handelnden Personen be nannt noch Umstände dargelegt, die es ihr nicht möglich erscheinen ließen, dies zu tun.
Zwar ist grundsätzlich der Anspruchsteller darlegungs– und beweispflichtig für alle anspruchs begründenden Tatsachen. In bestimmten Fällen ist es aber Sache der Gegenpartei, sich im Rahmen der ihr nach § 138 Abs. 2 ZPO obliegenden Erklärungspflicht zu den Behauptungen der beweispflichtigen Partei substanziiert zu äußern. Eine sekundäre Darlegungslast trifft den
Prozessgegner der primär darlegungsbelasteten Partei in der Regel dann, wenn diese keine
nähere Kenntnis der maßgeblichen Umstände und auch keine Möglichkeit zur weiteren Sach
aufklärung hat, während der Bestreitende alle wesentlichen Tatsachen kennt und es ihm un schwer möglich und zumutbar ist, nähere Angaben zu machen (BGH, Urteil vom 18. Dezem ber 2019 – XII ZR 13/19 -, juris, Rn. 35).
So liegt der Fall hier. Dem Kläger ist nur bekannt, dass die Beklagte die Abschalteinrichtung in nahezu allen Vierzylinderdieselmotoren über Jahre verwendet hat. Erkenntnisse darüber, wer
dies entschieden hat, sind ihm nicht zugänglich. Da die Beklagte sämtliche maßgeblichen Um
stände kannte, hätte es ihr im Rahmen ihrer sekundären Darlegungslast oblegen, näher vor zutragen, inwieweit ein Mitarbeiter, der nicht als „verfassungsmäßig berufener Vertreter“ im Sinne des § 31 BGB anzusehen ist, für die Installation der Software verantwortlich sein soll (OLG Dresden, a.a.O., Rn. 31 ff.; OLG Köln, a.a.O., Rn. 93, mit zahlreichen Nachweisen aus der obergerichtlichen Rechtsprechung für die vorliegende Fallkonstellation). Dem ist sie nicht
nachgekommen.
- d) Die der Beklagten somit zurechenbare vorsätzlich sittenwidrige Handlung ist ursächlich für einen Vermögensschaden, den der Kläger erlitten hat, und zwar in Form der Eingehung einer
ungewollten Verbindlichkeit.
Ein Schaden ist nicht nur dann gegeben, wenn sich bei dem Vergleich der infolge des haf
tungsbegründenden Ereignisses eingetretenen Vermögenslage mit derjenigen, die ohne jenes Ereignis eingetreten wäre, ein rechnerisches Minus ergibt. Auch bei objektiver Werthaltigkeit von Leistung und Gegenleistung kann jemand dadurch einen Vermögensschaden erleiden, dass er durch ein haftungsbegründendes Verhalten zum Abschluss eines Vertrages gebracht worden ist, den er sonst nicht geschlossen hätte, und die Leistung für seine Zwecke nicht voll brauchbar ist (BGH, Urteil vom 21. Dezember 2004 – VI ZR 306/03 –, juris, Rn. 16). So liegt der Fall hier. Der vom Kläger erworbene Wagen entsprach nicht den Zulassungsvorschriften
und hätte an sich nicht zugelassen werden dürfen. Es bestand die Gefahr, dass es stiligelegt
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wird und nicht genutzt werden darf. Bei dieser Sachlage ist davon auszugehen, dass die schädigende Handlung für den Abschluss des Kaufvertrages kausal war. Denn ein verständi ger Käufer wird kein Kraftfahrzeug erwerben, das der realen Gefahr einer Stilllegung unterliegt (OLG Köln, a.a.O., Rn. 57) und bei dem im maßgeblichen Zeitpunkt des Erwerbs in keiner Weise absehbar ist, ob dieses Problem überhaupt beseitigt werden kann (OLG Koblenz, Urteil vom 12. Juni 2019 – 5 U 1318/18 -, juris, Rdnr. 91).
Die Argumentation der Beklagten, es habe zum Zeitpunkt des Kaufs keine Diskussion über Stickoxidwerte gegeben und es dürfe nicht rückblickend unterstellt werden, dass sich der Klä ger für Stickoxidwerte interessiert hätte, übersieht, dass es darum nicht geht. Der an die Be
klagte gerichtete Vorwurf ist, Autos verkauft zu haben, die nicht den Zulassungsvorschriften
entsprochen haben. Darüber ist in der Tat nicht diskutiert worden, weil das unzulässige Vorge
hen der Beklagten nicht bekannt war. Es ist aber der Haftung aus § 826 BGB immanent, dass der Haftende seine vorsätzlich sittenwidrige Handlung geheim hält.
Der Ursächlichkeit steht auch nicht entgegen, dass der Kläger das Fahrzeug nicht direkt von der Beklagten gekauft hat; eine vertragliche Rechtsbeziehung zwischen Schädiger und Ge schädigtem ist nicht erforderlich (vgl. OLG München, Urteil vom 15. Januar 2020 – 20 U 3247/18 –, juris, Rn. 39; OLG Köln, a.a.O., Rn. 61 ff.).
- e) Der Schaden ist auch vom Schutzzweck der Norm erfasst.
Es kommt dabei nicht auf den Schutzzweck der VO (EG) 717/2007 an. Im Rahmen der Haf tung aus § 826 BGB wird nicht zentral auf den zu hohen Stickoxidausstoß abgestellt, sondern auf die sich aus der verbotenen Abschalteinrichtung ergebende Folge, dass so ausgerüstete Fahrzeuge nicht zulassungsfähig sind. Es mag zwar sein, dass bei geringfügigen Verstößen, die keinen wertbildenden Umstand betreffen, eine Haftung ausscheidet. Aber hier handelte es sich um einen entscheidend wertbildenden Umstand, nämlich um die Frage, ob das gekaufte Fahrzeug nach Art. 5 der VO (EG) 717/2007 überhaupt betrieben werden darf. Es kommt da bei auf den Zeitpunkt der Verwirklichung des Tatbestands an; die spätere Entwicklung ist ohne
Einfluss (vgl. auch OLG Köln, a.a.O., Rn. 64 f. mit umfangreichen weiteren Nachweisen).
Der Höhe nach kann der Kläger Schadensersatz in Höhe des Kaufpreises unter Anrechnung gezogener Vorteile gegen Rückgabe des Fahrzeugs verlangen. Es ergibt sich ein Zahlungsan spruch von 26.293,88 EUR.
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- a) Nach § 249 Abs. 1 BGB hat der zum Schadensersatz Verpflichtete den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Damit kann der Geschädigte zwar nicht die Herstellung des gleichen Zustandes verlangen, wie er vor dem Eintritt des schädigenden Ereignisses bestanden hat; dies wäre in den meisten Fällen auch kaum zu erreichen. Es kommt vielmehr darauf an, den Geschädigten wirtschaftlich möglichst so zu stellen, wie er ohne das schadensstiftende Ereignis stünde (BGH, Urteil vom 28. Oktober 2014 – VI ZR 15/14 -, juris, Rn. 25). Daher hat derjenige, der für den
Abschluss eines ungewollten Vertrages haftet, im Grundsatz den Geschädigten so zu stellen
wie er stünde, hätte er den Vertrag nicht abgeschlossen. Er hat also den Kaufpreis zu erstat ten und erhält im Gegenzug das Eigentum am Kaufgegenstand, hier dem Fahrzeug.
- b) Der Schaden entfiel hier nicht durch das spätere Aufspielen des Software-Updates. Denn dadurch ist die ungewollte Belastung mit der Verbindlichkeit nicht entfallen. Unabhängig von der Frage, ob dieses überhaupt geeignet ist, den Schaden zu beseitigen, kommt es auf des sen Wirkung nicht an. Maßgeblich für die Frage des Schadens ist der Zeitpunkt des Erwerbs des Fahrzeugs (OLG Koblenz, a.a.O., Rn. 98; OLG Köln, a.a.O., Rn. 50 ff.; OLG Dresden, Ur teil vom 5. März 2020 – 100 U 1834/19, BeckRS 2020, 3277, beck-online; OLG Saarbrücken, a.a.O., Rn. 40). Zu diesem Zeitpunkt war der Schadenseintritt erfolgt, und dem Deliktsrecht ist
eine Nacherfüllungsverpflichtung, wie sie das Kaufrecht vorsieht, fremd. Hinzu kommt, dass
der Kläger das Software–Update nicht aus Gründen der Schadensbeseitigung hat durchführen
lassen, sondern weil das Fahrzeug von der vom KBA angeordneten Rückrufaktion betroffen war und andernfalls eine Betriebsuntersagung gedroht hätte (OLG Koblenz, a.a.O. Rn. 98).
Im Übrigen ist das Fahrzeug trotz Aufspielens des Updates weiterhin „bemakelt” (so zutref fend OLG München, Urteil vom 15. Oktober 2019 – 24 U 797/19 -, juris). Die Langzeittauglich keit des Updates ist bis heute nicht unstreitig festgestellt (OLG Schleswig, Urteil vom 22. No vember 2019 – 17 U 44/19 –, juris); Folgen für den Verkehrs– und Wiederverkaufswert sind wahrscheinlich, jedenfalls nicht ausgeschlossen (KG, Urteil vom 26. September 2019 – 4 U
77/18 -, juris).
Rechtlich bewertet der Senat das aufgespielte Update daher lediglich als Angebot zur Verhin derung weiterer Nachteile (so auch OLG München, a.a.O., Rn. 34 m.w.N), nicht aber als vom Kläger akzeptierte Mangelbeseitigungsmaßnahme (vgl. OLG Saarbrücken, a.a.O.), eine An nahme dieser Leistung an Erfüllung statt oder einen Verzicht des Klägers auf Schadenser satzansprüche (OLG Köln, a.a.O., Rn. 52).
- c) Nicht zu berücksichtigen sind hypothetische Reserveursachen (a. A. Riehm, Deliktischer
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Schadensersatz in den „Diesel-Abgas–Fällen“, NJW 2019, 1105, 1107; OLG Frankfurt, Be schluss vom 25. September 2019 – 17 U 45/19–, juris, Rn. 42).
Legitimes Ziel dieser Auffassung ist, den Geschädigten nicht besser zu stellen, als er ohne den Autokauf stünde. Die Frage, wofür ein Geschädigter ohne die Täuschung sein Geld ver wendet hätte, würde jedoch zu vielfältigen Spekulationen führen (etwa darüber, ob der Kläger statt des streitgegenständlichen Dieselfahrzeugs ein anderes Dieselfahrzeug, ein Benzin betriebenes Fahrzeug eines anderen Herstellers oder gar kein Fahrzeug erworben hätte). Entscheidend ist aber, welchen Schaden der Geschädigte tatsächlich durch den in Rede stehen den Kaufvertrag erlitten hat. Der Schaden des Klägers liegt hier gerade in der ungewollten Verbindlichkeit durch Abschluss des Kaufvertrages. Die Kompensation der Tatsache, dass ihm dadurch auch der Vorteil der Nutzung des Fahrzeuges zur Verfügung stand, ist – wie noch auszuführen sein wird – durch Anrechnung des Nutzungswertes zu berücksichtigen (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 05.03.2019 – 13 U 142/18, juris, Rn. 112; OLG Hamm, a.a.O. Rn. 85). Dem ist zu folgen, da auf diese Weise die dem Kläger real entstandenen Vorteile schadensmindernd berücksichtigt werden (OLG Dresden, Urteil vom 5. März 2020 – 10a U 1834/19, a.a.O.).
- d) Nach dem allgemeinen schadensrechtlichen Prinzip der Vorteilsausgleichung braucht die
Schadensersatzpflicht der Beklagten nur gegen Herausgabe der Vorteile erfüllt zu werden, die
mit dem schädigenden Ereignis in adäquatem Zusammenhang stehen. Der Anspruch des Ge
schädigten ist daher von vornherein nur mit der Einschränkung begründet, dass gleichzeitig die Vorteile, die ihm aus dem aufgrund des Verhaltens der Beklagten geschlossenen Vertrag erwachsen sind, an die Beklagte herausgegeben werden (BGH, Urteil vom 28. Oktober 2014 – VI ZR 15/14 -, juris, Rn. 39).
(1) Dies betrifft zunächst das streitgegenständliche Fahrzeug, an dem der Kläger Eigentum
und Besitz erlangt hat. Beides ist an die Beklagte herauszugeben. Der Kläger beantragt nicht die – an sich auszusprechende – Verurteilung Zug um Zug, sondern nur die Verurteilung zur Zahlung sieben Tage nach Übergabe des Fahrzeugs. Der Tenor war entsprechend zu fassen, weil nicht mehr zugesprochen werden darf, als beantragt wurde (§ 308 Abs. 1 ZPO).
(2) Auch die gezogenen Nutzungen sind zu berücksichtigen (überzeugend OLG München, a.a.O., Rn. 69; OLG Dresden, a.a.O.; OLG Saarbrücken, a.a.O., Rn. 57; OLG Köln, a.a.O., Rn. 112). Die gegenteilige Auffassung führt letztlich zu einem Strafschadensersatz, der dem deutschen Recht fremd ist (gegen einen Abzug gerade mit Verweis auf die „Präventionsfunktion“ des Deliktsrechts: Heese, Herstellerhaftung für manipulierte Diesel-Kraftfahrzeuge, NJW
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2019, 257, 261). Es sind vorliegend keine Gründe dafür ersichtlich, dass dadurch die Beklagte als Schädigerin unangemessen entlastet würde und die Anrechnung der Kläger als Geschädigtem nicht zumutbar wäre (vgl. ausführlich und überzeugend Ulrici, JZ 2019, 1131 ff.). Im Gegenteil: Würde auf den Vorteilsausgleich verzichtet, hätte dies im Extremfall zur Folge, dass der Käufer das Fahrzeug über die Jahre vollständig abnutzen könnte und hierfür den vol len Kaufpreis zurückerhielte. Ein solches Ergebnis wäre aus Sicht des Senats – trotz des sit tenwidrigen Handelns der Beklagten – unangemessen.
Der Senat berechnet die gezogenen Nutzungen linear (vgl. nur OLG Köln, a.a.O., Rn. 123 ff., OLG Schleswig, Urteil vom 31. Januar 2020 – 17 U 95/19 -, juris, Rn. 42; OLG München, a.a.O., Rn. 67) anhand der im Rücktrittsrecht anerkannten Formel unter Ansatz einer ge schätzten Gesamtlaufleistung des Fahrzeugs von 250.000 km (vgl. f. viele OLG Köln, a.a.O., m.w.N.).
Der Wagen wurde als Neuwagen, also ohne eine Vorlaufleistung, erworben, so dass sich bei einer aktuellen Laufleistung von 61.158 km ein Wert der gezogenen Nutzungen von (61.158 km x 34.809,36 EUR : 250.000 km =) 8.515,48 EUR ergibt.
Es verbleibt damit ein Schaden in Höhe von (34.809,36 EUR – 8.515,48 EUR =) 26.293,88 EUR.
Der Kläger hat Anspruch auf Zinsen aus diesem Betrag in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit (§§ 288 Abs. 1, 286 Abs. 1 Satz 2 BGB). Ein weiterer Zinsanspruch steht ihm nicht zu.
- a) Verzug ist erst mit Rechtshängigkeit – hier am 01.02.2019 – Zinsen sind daher ab dem 02.02.2019 zu entrichten (§ 187 BGB analog). Ein früherer Verzugseintritt durch Mahnung lässt sich dem Vortrag nicht entnehmen. Das Schreiben vom 18.09.2018 erfüllt nicht die Anforderungen an eine Mahnung im Sinne des § 286 BGB. Es fehlt an der hinreichenden Be
stimmtheit der geforderten Leistung. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs fehlt
es am Verschulden des Schuldners, wenn er die geschuldete Forderung nicht allein ausrech nen kann, weil diese von internen Daten des Gläubigers abhängt, die ihm nicht bekannt sind (BGH, Urteil vom 12. Juli 2006 – X ZR 157/05 –, Rn. 16, juris). So lag es hier. Im genannten Schreiben ist die Beklagte zur Zahlung des Kaufpreises aufgefordert worden, der ihr auch mit geteilt wurde. Die Beklagte war aber nur zur Zahlung des Betrages verpflichtet, der sich nach
Abzug der Nutzungsentschädigung ergab. Das haben die Prozessbevollmächtigten des Klägers in dem Schreiben auch eingeräumt. Gleichwohl haben sie den Kilometerstand des Fahr zeugs, der zur Berechnung der Nutzungsentschädigung unerlässlich ist, nicht mitgeteilt. Da mit konnte die Beklagte den geltend gemachten Betrag nicht berechnen.
- b) Ein Anspruch des Klägers auf Zahlung von Zinsen gemäß § 849 BGB für die Zeit vor Rechtshängigkeit, mithin vor dem 02.02.2019, besteht nicht.
Diese Norm, bei der es sich um eine Ausnahmeregelung handelt, soll einen Ausgleich dafür schaffen, dass der Geschädigte für die Zeit der Vorenthaltung bzw. Instandsetzung gehindert war, die Sache zu nutzen (OLG Celle, Urteil vom 22. Januar 2020 – 7 U 445/18 –, juris, Rn. 73 m.w.N.; OLG Frankfurt, Urteil vom 27. November 2019 – 17 U 290/18 -, juris). Dies ist vorlie gend indes nicht der Fall. Dem Kläger wurde der Kaufpreis nicht mit der Folge entzogen, dass er keine Nutzungen daraus gezogen hätte. Der Wagen wurde (und wird) vom Kläger genutzt. Der Kläger hat das Kapital somit im Sinne einer vollständigen Kompensation für die Nutzung des Fahrzeugs eingesetzt und den entsprechenden Vorteil daraus gezogen (vgl. z.B. OLG Schleswig, a.a.O., Rn. 46; OLG München, a.a.O., Rn. 74 ff.; a.A. OLG Köln, a.a.O., Rn. 145
ff.). Ein Ersatzanspruch besteht daher nicht.
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Zudem kann der Kläger, der im Rahmen der $$ 826, 249 ff. BGB so zu stellen ist, wie er ste hen würde, wenn er nicht auf die Gültigkeit des Kaufvertrages vertraut hätte (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 79. Auflage, vor $ 249 Rn. 17, und Palandt/Sprau, a.a.O., Einf. v. § 823, Rn. 24) auch die vergeblich aufgewendeten Kosten der Kaufpreisfinanzierung, nament lich die für das Darlehen aufgewendeten Zinsen in Höhe von unstreitig 1.754,83 EUR, ersetzt verlangen (vgl. nur OLG Karlsruhe, Urteil vom 06.11.2019 – 13 U 37/19 -, juris, Rn. 106; OLG Stuttgart, Urteil vom 26. November 2019 – 10 U 154/19 –, juris, Rn. 83). Der Anspruch auf Zinsen hieraus ergibt sich aus SS 288 Abs. 1, 286 Abs. 1 Satz 2 BGB.
Die Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten kann der Kläger nicht verlangen. Zwar sind sie grundsätzlich vom Schadensersatzanspruch nach § 826 BGB erfasst. Allerdings kann nicht festgestellt werden, dass dem Kläger überhaupt entsprechende Kosten entstanden sind. Die Beklagte hat vorgetragen, dass der Kläger rechtsschutzversichert sei und ein eventueller Anspruch daher auf den Rechtsschutzversicherer übergangen sein dürfte. Hierauf hat der Kläger nichts mehr erwidert. Dass er selbst die vorgerichtlichen Kosten gezahlt habe oder auch
nur von seinem Rechtsanwalt in Anspruch genommen worden sei, hat er schon nicht behaup
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tet. Darauf, dass die geltend gemachten Gebühren der Höhe nach übersetzt sind, kommt es daher nicht mehr an. Ein Hinweis auf den mangelnden Vortrag war nicht erforderlich, weil nur eine Nebenforderung betroffen ist (§ 139 Abs. 2 Satz 1 ZPO).
Die Feststellung, dass sich die Beklagte im Annahmeverzug befinde, kann der Kläger nicht verlangen. Denn die Beklagte befindet sich nicht im Annahmeverzug. Ein den Annahmeverzug der Beklagten begründendes Angebot des Klägers liegt nicht vor. Zwar kann ein wörtliches Angebot auch in dem auf Zug–um–Zug-Leistung gerichteten Klageantrag liegen. Dies gilt jedoch – von geringfügigen Zuvielforderungen abgesehen – nicht, wenn das Angebot an überhöhte For derungen geknüpft ist (BGH, Urteil vom 20. Juli 2005 – VIII ZR 275/04 –, juris). Der Kläger hat sein Angebot auf Herausgabe des Fahrzeugs von einer nicht unerheblichen Zuvielforderung
abhängig gemacht, nämlich der Erstattung des vollen Kaufpreises unter Abzug eines deutlich
zu geringen Wertersatzes für gezogene Nutzungen sowie eines überhöhten Zinsbetrages. Das hat sich bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz nicht ge ändert. Da nicht erkennbar ist, dass der Kläger zum Zeitpunkt der Antragstellung bereit gewe sen wäre, das Fahrzeug unter teilweisem Verzicht auf seine Forderung herauszugeben, kann ein Annahmeverzug auf Seiten der Beklagten auch nicht im Hinblick darauf zu Grunde gelegt werden, dass die Beklagte zu erkennen gegeben hat, der Rückgängigmachung des Kaufvertrages im Wege des Schadensersatzes schon dem Grunde nach nicht entsprechen zu wollen (ebenso in einem vergleichbaren Fall: OLG Saarbrücken, Urteil vom 14. Februar 2020 – 2 U 128/19 -, Rn. 65 – 67, juris).
Die Kostenentscheidung folgt aus $ 92 ZPO. Auch die teilweise Abweisung des Zinsantrages stellt ein bei der Kostenentscheidung zu berücksichtigendes Teilunterliegen dar (vgl. Zöller/Herget, ZPO, 33. Aufl., § 92 Rn. 3). Der Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit liegen 88 708 Nr. 10, 711 ZPO zu Grunde.
Die Revision ist zuzulassen, weil die Sache grundsätzliche Bedeutung hat ($ 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO). Zudem bedarf es wegen der divergierenden Entscheidungen der Oberlandesgerichte zur Haftung der Beklagten nach § 826 BGB dem Grund nach, zur Frage des Vorteils
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ausgleichs durch Anrechnung der gezogenen Nutzungen und zum Zinsanspruch nach § 849 BGB zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung einer Entscheidung des Revisionsge richts (8 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 ZPO; vgl. OLG Köln, a.a.O., Rn. 169).
Albert
Lückhoff-Sehmsdorf
Köhler
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