IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
In dem Rechtsstreit
Kläger und Berufungskläger,
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Dr. Ghendler Ruvinskij, Aachener Str. 1, 50674 Köln
gegen
Volkswagen AG, vertreten durch den Vorstandsvorsitzenden Herbert Diess, Berliner Ring 2, 38440 Wolfsburg,
Beklagte und Berufungsbeklagte,
Prozessbevollmächtigte:
KSP Kanzlei Dr. Seegers, Dr. Frankenheim Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Kaiser Wilhelm-Straße 40, 20355 Hamburg,
hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm auf die mündliche Verhandlung vom 10.08.2020 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Hütte, den Richter am Oberlandesgericht Dr. Kentgens und den Richter am Oberlandesgericht Hornung
für Recht erkannt:
Auf die Berufung des Klägers wird das am 20.03.2019 verkündete Urteil des
Landgerichts Münster teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 12.469,51 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 12.12.2018 zu zahlen.
Die Beklagte wird weiter verurteilt, an den Kläger 958,19 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 12.12.2018 zu zahlen.
Im Übrigen bleibt die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits 1. Instanz tragen der Kläger 1/3 und die Beklagte 2/3. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger zu /4 und die Beklagte zu 4.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beide Parteien können die Zwangsvollstreckung der jeweiligen Gegenseite durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
Der Kläger kaufte am 04.02.2014 bei der Knubel GmbH & Co. KG in Münster einen neuen Pkw W Tiguan 2,0 Liter für 30.590,01 € (Anl. K1).
Das Fahrzeug verfügt über den Dieselmotor EA 189 der Beklagten, der eine gesetzeswidrige Softwareprogrammierung zur Manipulation der Abgaswerte auf dem Prüfstandmodus enthielt. Im Zuge der Aufdeckung und Fortentwicklung des sog. Abgasskandals erhielt das Fahrzeug ein entsprechendes Software-Update.
Das Fahrzeug wurde bei der Volkswagen Bank finanziert. Der Finanzierungsvertrag enthielt ein zwischen dem Kläger und dem Fahrzeughändler vereinbartes verbrieftes Rückgaberecht zu einem vorher festgelegten Preis für den Darlehensnehmer (Anl. zum Schriftsatz vom 04.08.2020). Hinsichtlich der letzten Darlehensrate wurde die Vereinbarung getroffen, dass der Händler bei Vertragsgemäßer Zahlung der Darlehensraten mit Ausnahme der Schlussrate verpflichtet ist, das Fahrzeug zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Schlussrate zurückzukaufen, vorliegend zu einem Rückkaufpreis von 14.240,96 €, wobei Anpassungen des Preises abhängig von der Kilometerleistung des Fahrzeugs erfolgen sollten.
Am 15.02.2018 machte der Kläger – bei einer Gesamtfahrleistung von 40.434 km – von seinem verbrieften Rückgaberecht Gebrauch und veräußerte das Fahrzeug zu einem Preis von 14.487,71 € an den Händler zurück.
Mit Schreiben vom 19.02.2018 (Anl. K 2) forderte der Kläger die Beklagte zur Rückzahlung des Kaufpreises und zur Zahlung der außergerichtlichen Anwaltskosten Zug um Zug gegen Übereignung des Fahrzeugs auf.
Der Kläger hat mit der vorliegenden Klage von der Beklagten Schadensersatz i.H.v. 12.716,26 € verlangt nach der folgenden Berechnung:
Kaufpreis
+ Finanzierungskosten 1. Verbrieftes Rückgaberecht 1. Nutzungsentschädigung
30.590,01 €
1.314,72 € 14.240,96 €
4.947,51 € 12.716,26 €.
Er hat gemeint, die Beklagte sei gemäß § 826 BGB verpflichtet, das Fahrzeug gegen Erstattung des Kaufpreises zurückzunehmen. Er hat behauptet, er hätte das Fahrzeug bei Kenntnis der Umstände nicht gekauft. Die Manipulationssoftware sei mit Wissen und Wollen des Vorstands der Beklagten in die Fahrzeuge eingebaut worden. Die angebotene und bei ihm durchgeführte Software-Update-Nachrüstung sei ungeeignet, die Abgasprobleme zu lösen.
Der Kläger hat beantragt:
- Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 12.716,26 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB ab dem 06.03.2018 binnen 7 Tagen nach Übergabe des Fahrzeugs Volkswagen Tiguan, zu zahlen.
- Die Beklagte wird verurteilt, Zinsen in Höhe von 4 % p.a. ab dem 04.02.2014 bis Rechtshängigkeit auf einen Betrag in Höhe von 30.590,01 € zu zahlen.
- Es wird festgestellt, dass die Beklagte sich mit der Entgegennahme des Fahrzeugs aus dem Antrag zu 1) in Annahmeverzug befindet.
- Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.317,57 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit Rechtshängigkeit für die außergerichtliche anwaltliche Rechtsverfolgung zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat mit näheren Ausführungen eine deliktische Ersatzpflicht in Abrede
gestellt.
Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, bei der Manipulationssoftware der Beklagten handele es sich zwar um einen Mangel im Sinne des Gewährleistungsrechts. Dies könne jedoch nicht als deliktische und sittenwidrige Schädigung angesehen werden.
Wegen der weiteren Einzelheiten der wechselseitigen Sachvorträge und der Entscheidungsgründe wird auf die betreffenden Ausführungen des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen.
Der Kläger wehrt sich hiergegen mit seiner Berufung, mit der er eine abändernde Verurteilung der Beklagten begehrt. Er macht geltend, ihm stehe ein Anspruch u.a. aus den § 826 BGB i.V.m. $ 31 BGB analog zu. Die sittenwidrige Schädigungshandlung sei in dem Inverkehrbringen des mit einer Abschalteinrichtung versehenen Fahrzeugs zu sehen. Der mit dem Abschluss des Kaufvertrages entstandene Schaden sei nicht deshalb entfallen, weil er von seinem verbrieften Rückgaberecht Gebrauch gemacht habe und das Fahrzeug nicht mehr vorhanden sei. Er müsse sich lediglich den Betrag in Abzug bringen lassen, den er bei der Veräußerung des Fahrzeugs erhalten habe.
Der Kläger hat zunächst beantragt,
abändernd nach den erstinstanzlichen Klageanträgen zu erkennen.
Zuletzt hat er nach Rücknahme der vorherigen Anträge zu 2) und 3)
beantragt,
teilweise abändernd
- die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 12.716,26 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB ab dem 06.03.2018 zu zahlen;
- die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.317,57 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit Rechtshängigkeit für die außergerichtliche anwaltliche Rechtsverfolgung zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt das Urteil mit näheren Ausführungen. Sie macht weitergehend geltend, der Klageanspruch scheitere bereits deshalb, weil der Erwerb des Fahrzeugs durch ein Darlehen mit verbrieftem Rückgaberecht finanziert worden sei. Dieses habe dem Darlehensnehmer die Möglichkeit eröffnet, das Fahrzeug bei Fälligkeit der Schlussrate des Darlehens zu einem bereits bei Vertragsschluss festgesetzten Kaufpreis an den Händler zurückzugeben. Der angebliche Schaden sei spätestens mit der Rückveräußerung des Fahrzeugs am 15.02.2018 entfallen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach– und Streitstandes wird auf die
gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Die zulässige Berufung des Klägers ist teilweise begründet und führt zur Abänderung des landgerichtlichen Urteils und zur Verurteilung der Beklagten in Höhe von 12.469,51 € sowie weiterer 958,19 € nebst bezeichneter Zinsen. Die weitergehende Berufung war zurückzuweisen.
- Antrag zu 1): Zahlung i.H.v. 12.716.26 €
Der Zahlungsanspruch ist in Höhe von 12.469,51 € begründet.
- Haftung dem Grunde nach
Die Beklagte haftet grundsätzlich für den dem Kläger entstandenen Schaden in Höhe des Kaufpreises von 30.590,01 € gem. $S 826, 31 BGB. Die Beklagte hat ihm in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise vorsätzlich einen insoweit ersatzfähigen Schaden zugefügt.
- a) Täuschung über unzulässige Abschalteinrichtung
- aa) Das haftungsbegründende Handeln der Beklagten liegt in dem Inverkehrbringen des Fahrzeugs mit einer manipulierten Motorsteuerungssoftware. Vorangegangen war eine Täuschung des Kraftfahrt Bundesamtes, dem die Beklagte bei der Erlangung der jeweiligen Typengenehmigungen durch die Verwendung der unzulässigen Abschalteinrichtung vorgespiegelt hatte, das Fahrzeug werde auf dem Prüfstand unter den Motorbedingungen betrieben, die auch im normalen Fahrbetrieb zum Einsatz kommen. Um die Typengenehmigung auf kostengünstigem Wege zu erhalten, hat sie, die Beklagte, dadurch über die Einhaltung der gesetzlichen Abgaswerte getäuscht (BGH, Urteil vom 25.05.2020, VI ZR 252/19, juris, Rn. 18). Das Inverkehrbringen war unter diesen Umständen sittenwidrig und stand wertungsmäßig einer unmittelbaren arglistigen Täuschung der Käufer und damit auch des Klägers gleich (BGH, a.a.O. Rn. 23, 25). Der Käufer eines Fahrzeugs setzt die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben als selbstverständlich voraus. Ob dem Inverkehrbringen darüber hinaus eine konkludente Erklärung des Fahrzeug oder Motorherstellers etwa des Inhalts beizumessen ist, der Einsatz des Fahrzeugs im Straßenverkehr sei uneingeschränkt zulässig, insbesondere sei der Fortbestand der Betriebserlaubnis nicht durch Manipulationen gefährdet (so etwa OLG Hamm, 13. Zivilsenat, Urt. v. 0.09.2019, 13 U 149/18, juris, Rn. 45), kann deshalb dahinstehen (vgl. BGH, a.a.O. Rn. 26).
- bb) Da die Beklagte grundsätzlich für das in dem Inverkehrbringen des Motors zum Einbau in dem betroffenen Fahrzeug mit der Abgas-Software liegende Handeln haftet, ist es rechtlich unerheblich, dass nicht die Beklagte Vertragspart nerin der Klägerin war. Die haftungsbegründende Handlung der Beklagten liegt nämlich darin, dass das Inverkehrbringen des Motors beim Abschluss des Kaufvertrags des Klägers fortwirkt, weil dieser einen Pkw mit dem Aggregat EA 189 erworben hat, von dem er erwarten durfte, dass der Hersteller des Motors diesen in einem für die Zulassung ordnungsgemäßen Zustand hergestellt und zum Einbau in das Fahrzeug vorgesehen hatte. Stattdessen weist das Aggregat EA 189 entsprechend der Definition in Art. 3 Nr. 10 VO 715/2007/EG eine unzulässige Abschalteinrichtung auf.
- cc) Der Kläger hat durch das einer arglistigen Täuschung gleichstehende Verhalten der Beklagten einen kausal verursachten Irrtum erlitten. Er durfte bei dem Fahrzeugkauf erwarten, dass das Fahrzeug im Hinblick auf seine Abgaswerte uneingeschränkt zulassungsfähig und betriebstauglich ist. Das war der Pkw mit dem Motor der Beklagten EA 189 zum Zeitpunkt des Kaufs vom 002.2014 wegen der unzulässigen Abgas-Software nicht. Es bestand aus den obigen Gründen das konkrete Risiko der Betriebsuntersagung. In diesem Zusammenhang hat der Bundesgerichtshof ausdrücklich den Erfahrungssatz gebilligt, dass auszuschließen ist, dass ein Käufer ein Fahrzeug erwirbt, dem eine Betriebsbeschränkung oder Betriebsuntersagung droht und bei dem nicht abzusehen ist, ob dieses Problem behoben werden kann (BGH, Urteil vom 25.05.2020, VI ZR 252/19, juris, Rn. 49, 51). Ob die Software zu einem Wertverlust beim Wiederverkauf führt, ist entgegen den Berufungsangriffen der Beklagten ebenso unerheblich wie die Frage, ob es dem Kläger nach den Umständen des Einzelfalls vorrangig nicht um die Abgas-Software an sich bzw. die Abgaswerte, sondern um andere Motive gegangen ist. Allein entscheidend ist, dass die Beklagte über das Inverkehrbringen eines uneingeschränkt zulassungsfähigen Motors getäuscht hat und der Kläger den Pkw in Kenntnis der Manipulationssoftware nicht erworben hätte.
- b) Objektive Zurechnung zur beklagten AG analog $ 31 BGB
Das festzustellende schädigende Verhalten ist der Beklagten analog § 31 BGB objektiv zuzurechnen, denn der Senat muss zugrunde legen, dass ein oder mehrere der Organe der beklagten AG an der Entscheidung über den Einbau der Steuerungssoftware verantwortlich beteiligt waren. Der Kläger, der keinen Einblick in die internen Entscheidungsstrukturen und etliche Jahre zurückliegenden tatsächlichen Vorgänge bei der Entwicklung der Software und dem Einbau in die Aggregate EA 189 im Hause der Beklagten hat, genügte
seiner primären Darlegungslast mit der Behauptung, dass nach allgemeiner Lebenserfahrung sicher davon auszugehen sei, dass eine Entscheidung von so großer technischer und wirtschaftlicher Reichweite im Konzern der Beklagten nicht auf der unteren oder mittleren Facharbeiter- bzw. Ingenieursebene, sondern in Kenntnis und mit Billigung zumindest des für Motorsteuerungssoftware zuständigen Vorstandsmitgliedes der Beklagten getroffen worden ist. In vergleichbarer Fallkonstellation mit vergleichbarem tatsächlichen Vortrag der Parteien hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass hinreichende Anhaltspunkte für eine Kenntnis des Vorstands der Beklagten vorlägen und ihr eine weitergehende als mit dem stets ähnlichen Hinweis auf noch nicht abgeschlossene sehr umfassende, bisher keine Kenntnis des Vorstands ergebende interne Ermittlungen sekundäre Darlegung möglich und zumutbar sei (BGH, Urteil vom 25.05.2020, VI ZR 252/19, juris, Rn. 37 ff., 39). Die Berufungsangriffe der Beklagten, dass die Darlegungen des Klägers nicht ausreichten, sie – die Beklagte – keine sekundäre Darlegungslast treffe, sie jedenfalls mit ihrem o. g. Vortrag im vorliegenden Verfahren ihrer sekundären Darlegungslast hinreichend nachgekommen sei und ihr weitergehende Angaben nicht möglich und zumutbar seien, greifen vor diesem Hintergrund nicht durch:
- aa) Der Kläger hatte zunächst im Rahmen des ihm ohne Einblick in die Unternehmensabläufe bei der Beklagten Möglichen primär darzulegen, dass die inkriminierten Täuschungshandlungen auf Veranlassung bzw. mit Billigung der für die beklagte AG handelnden Organe, also des Vorstandsvorsitzenden bzw. des/der für die Planung und Umsetzung von Abgas-Software zuständigen Vorstandsmitgliedes/r i.S.d. AktG, erfolgt sind. Die Anforderungen an die primäre Darlegungslast des Klägers dürfen dabei nicht überspannt werden. Grundsätzlich genügt die allgemeine Behauptung des Vorliegens der Tatsache, die für das Tatbestandsmerkmal erforderlich ist. Nur wenn man allgemeine Behauptungen ausreichen lässt und von weiterer Substantiierung absieht, wird man dem Umstand gerecht, dass der Anspruchsteller in Fällen wie dem Vorliegenden jeweils außerhalb des Geschehensablaufs steht und ihm entsprechende Kenntnisse aus strukturellen Gründen fehlen (BGH, Urteil vom 25.05.2020, VI ZR 252/19, juris; OLG Koblenz, Urteil vom 16.09.2019, 12 U 61/19, juris). Vor diesem Hintergrund genügte die Behauptung des Klägers, dass dem Vorstand der Beklagten sämtliche oben erörterten Umstände bekannt gewesen seien, konkret, dass der Vorstandsvorsitzende b die oder eines der
Vorstandsmitglieder der Beklagten den Einbau der Abschalteinrichtung in die betroffenen Fahrzeugtypen veranlasst bzw. gebilligt hätten, weil es bei der wirtschaftlichen und organisatorischen Reichweite der Maßnahme der Beklagten als ausgesprochen lebensfremd erschiene, dass diese nur auf der Mitarbeiterebene ersonnen und umgesetzt worden wäre. Mehr konnte und musste er nicht vortragen. Weitergehender Vortrag war ihm nämlich mangels Einblicks in die Unternehmensstruktur und die internen Entscheidungsprozesse nicht möglich und konnte nicht verlangt werden.
- bb) Demgegenüber ist die Beklagte ihrer sekundären Darlegungslast nicht hinreichend nachgekommen.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (a.a.O.) genügt das einfache Bestreiten nämlich dann nicht mehr, wenn die primär darlegungspflichtige Partei außerhalb des für ihren Anspruch erheblichen Geschehensablaufs steht und die andere Partei die wesentlichen Tatsachen kennt und die Darlegung dieser zuzumuten ist. Die primär nicht darlegungspflichtige Partei trifft dann eine sekundäre Darlegungslast (BGH, a.a.O., sowie Urteil v. 30.03.2017, I ZR 19/16, BeckRS 2017, 108569). Entgegen der Auffassung der Beklagten greifen diese Grundsätze nicht nur bei schuldrechtlichen oder dinglichen, insbesondere vertraglichen Lebenssachverhalten, sondern nach der Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofs grundsätzlich auch im deliktischen Bereich (BGH, a.a.O.). Der Kläger als geschädigter Pkw-Käufer kann nicht mehr vortragen, als dass bei lebensnaher Betrachtung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bei einer derart weitreichende Kosten und Folgen auslösenden Maßnahme eines Weltkonzerns die Handlungen nicht ohne Veranlassung und Wissen des Vorstandsvorsitzenden bzw. des oder der für die Leitung und Überwachung der Entwicklung der Abgas-Software hausintern verantwortlichen Vorstandsmitgliedes/r erfolgt sind.
Die von der Beklagten zitierte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Darlegungs- und Beweislast bei einer vorsätzlichen Schädigungshandlung bei der Fondsprospekt-Haftung (BGH, Urteil v. 28.06.2016, VI ZR 536/15, BeckRS 2016, 17448 = NJW 2017, S. 250) kann nach der Entscheidung vom 25.05.2020 (a.a.O.) nicht mit Erfolg für die Auffassung herangezogen werden, dass im Rahmen der vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung keine sekundäre
Darlegungslast greifen könne. Vorliegend geht es nicht um eine Auskunfts- bzw. Aufklärungspflichtverletzung, sondern um konkretes Handeln/Anweisen zum Einbau von Abschalteinrichtungs-Software in Millionen Pkw, die anschließend an Kunden verkauft worden sind, also um aktives Handeln. In diesem Zusammenhang steht nicht eine Vermutung im Raum, sondern dass im Rahmen des den Parteien jeweils subjektiv möglichen Tatsachenvortrags die Beklagte sich nach Ort, Zeit und Umständen substantiiert dazu zu erklären hat, wie die groß angelegte, in Planung und Umsetzung sehr aufwändige Maßnahme ohne verantwortliches Handeln und Wissen des Vorstandsvorsitzenden bzw. zumindest des oder der für die Leitung dieses Bereichs verantwortlichen Vorstandsmitgliedes/r erfolgt sein soll.
Die Beklagte genügt an diesem Maßstab gemessen den Anforderungen der se kundären Darlegungslast nicht. Es fehlt insoweit konkretes Vorbringen zu den internen Geschehnissen im Zusammenhang mit der Beauftragung, der Bezahlung, dem Empfang, der Kontrolle und der Verwendung der oben erwähnten Motorsteuerungssoftware. Die Beklagte legt auch nicht konkret dar, dass und wie einzelne Mitarbeiter unter Ausschluss des Vorstandes die mangelhafte Software pflichtwidrig beauftragen, bezahlen und verwenden ließen. Entsprechend den Feststellungen des Bundesgerichtshofs in einem gleich gelagerten Fall in seinem Urteil von 25.05.2020 (a.a.O.) erscheint es als lebensfremd anzunehmen, dass wirtschaftlich und strukturell derart weitreichende Grundsatzentscheidungen allein auf der Mitarbeiterebene der Ingenieure und Techniker getroffen worden sein sollen. Auch wenn die internen Ermittlungen, wie von der Beklagten behauptet, zum Zeitpunkt der Entscheidung des Senats noch immer andauern sollten, hätte die Beklagte zumindest in der Lage sein müssen, konkrete Zwischenergebnisse mitzuteilen bzw. anhand der seinerzeit bei Vertragsschluss konkret implementierten Unternehmensstrukturen darzulegen, inwieweit es einzelnen Mitgliedern möglich gewesen sein soll, eine
solche Software ohne Kenntnis des Vorstandes zu implementieren. An solchem Vortrag fehlt es indes bis zum Schluss.
Insgesamt muss der Senat danach davon ausgehen, dass das inkriminierte Handeln der Mitarbeiter der Beklagten, also das Inverkehrbringen des Motors EA 189 mit der Abgas-Software für den Pkw der Klägerin, mit Billigung aller oder des
verantwortlichen Vorstands-Organmitglieds der Beklagten erfolgt und ihr objektiv zurechenbar ist.
- c) Sittenwidrigkeit
Die Beklagte hat auch sittenwidrig gehandelt. Auf Grundlage der rechtlichen Feststellungen des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 25.05.2020, VI ZR 252/19, juris, Rn. 16 ff.), denen sich der Senat für den vorliegend zu beurteilenden vergleichbaren Fall anschließt, ist das Verhalten der Beklagten im Verhältnis zum Kläger objektiv als sittenwidrig zu qualifizieren. Die Beklagte hat auf der Grundlage einer für ihren Konzern getroffenen grundlegenden strategischen Entscheidung bei der Motorenentwicklung im eigenen Kosten- und damit auch Gewinninteresse durch bewusste und gewollte Täuschung des Kraftfahrt Bundesamtes (KBA) systematisch, langjährig und in Bezug auf den Dieselmotor der Baureihe EA189 in siebenstelligen Stückzahlen in Deutschland Fahrzeuge in Verkehr gebracht, deren Motorsteuerungssoftware bewusst und gewollt so programmiert war, dass die gesetzlichen Abgasgrenzwerte mittels einer unzulässigen Abschalteinrichtung nur auf dem Prüfstand eingehalten wurden. Damit ging einerseits eine erhöhte Belastung der Umwelt mit Stickoxiden und andererseits die Gefahr einher, dass bei einer Aufdeckung dieses Sachverhalts eine Betriebsbeschränkung oder untersagung hinsichtlich der betroffenen Fahrzeuge erfolgen könnte. Zudem missbrauchte die Beklagte durch ihr Vorgehen systematisch das Vertrauen potentieller Käufer in ihr Ansehen und ihre Kompetenz als einer der größten deutschen Autohersteller-Konzerne. Ein solches Verhalten ist im Verhältnis zu einer Person, die eines der bemakelten Fahrzeuge in Unkenntnis der illegalen Abschalteinrichtung erwirbt, besonders verwerflich und mit den grundlegenden Wertungen der Rechts- und Sittenordnung nicht zu vereinbaren. Die Sittenwidrigkeit ergibt sich aus einer Gesamtschau des festgestellten Verhaltens der Beklagten unter Berücksichtigung des verfolgten Ziels, der eingesetzten Mittel, der zutage getretenen Gesinnung und der eingetretenen Folgen (vgl. BGH, a.a.O.).
Unter Abwägung aller Gesichtspunkte, maßgeblich dem Motiv der Kostensenkung und Gewinnmaximierung einerseits und der Folge der Gefährdung von erheblichen Vermögensinteressen vieler Kunden andererseits,
verstößt das Vorgehen der Beklagten gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden, so dass es sich um eine sittenwidrige Täuschung handelt.
- d) Schädigungsvorsatz
Soweit die Beklagte darlegt, dass sie keinen Schädigungsvorsatz gehabt habe, greift dies aus den gleichen Gründen wie oben im Rahmen der objektiven Zurechnung nach § 31 BGB analog dargelegt nicht durch.
- aa) Der gemäß § 826 BGB erforderliche Vorsatz enthält ein Wissens- und ein Wollenselement. Der Handelnde muss die Schädigung des Anspruchstellers gekannt bz vorausgesehen und in seinen Willen aufgenommen, jedenfalls aber für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen haben. Dabei braucht der Täter nicht zu wissen, welche oder wie viele Personen durch sein Verhalten geschädigt werden. Vielmehr reicht es aus, dass er die Richtung, in der sich sein Verhalten zum Schaden irgendwelcher anderer auswirken könnte, und die Art des möglicherweise eintretenden Schadens vorausgesehen und mindestens billigend in Kauf genommen hat (BGH, Urteil vom 19.07.2004, II ZR 402/02, BGHZ 160, S. 149, 156; BGH, Urteil vom 25.05.2020, VI ZR 252/19, juris, Rn. 60 ff.). Es genügt nicht, wenn die relevanten Tatumstände lediglich objektiv erkennbar waren und der Handelnde sie hätte kennen können oder kennen müssen oder sie sich ihm sogar hätten aufdrängen müssen. In einer solchen Situation ist lediglich Fahrlässigkeit gegeben. Es kann aber durchaus gerechtfertigt sein, im Einzelfall aus dem Wissen einer natürlichen Person auf deren Willen zu schließen. Aus der Art und Weise des sittenwidrigen Handelns kann sich die Schlussfolgerung ergeben, dass mit Schädigungsvorsatz gehandelt worden ist.
- bb) An diesem Maßstab gemessen ist der Senat vorliegend von dem (auch) auf die Käufer der mit der unzulässigen Abschalteinrichtung versehenen Fahrzeuge bezogenen Schädigungsvorsatz der handelnden Personen – des vormaligen Leiters der Entwicklungsabteilung und der für die Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten der Beklagten verantwortlichen vormaligen Vorstände – überzeugt. Da diese nach den obigen Feststellungen die grundlegende und mit der bewussten Täuschung des KBA verbundene strategische Entscheidung in Bezug auf die Entwicklung und Verwendung der unzulässigen Software
jedenfalls kannten und jahrelang umsetzten, ist schon nach der Lebenserfahrung davon auszugehen, dass ihnen als für die zentrale Aufgabe der Entwicklung und des Inverkehrbringens der Fahrzeuge zuständigem Organ oder Verfassungsmäßigem Vertreter ($ 31 BGB) bewusst war, in Kenntnis des Risikos einer Betriebsbeschränkung oder -untersagung der betroffenen Fahrzeuge werde niemand – ohne einen erheblichen, dies berücksichtigenden Abschlag vom Kaufpreis – ein damit belastetes Fahrzeug erwerben.
Bezogen auf den maßgeblichen Zeitpunkt des Inverkehrbringens des Fahrzeugs mit der manipulierten Motorsoftware ist davon auszugehen, dass den damaligen Vorständen bewusst war, dass niemand in Kenntnis dieses Risikos ein solches Fahrzeug uneingeschränkt erwerben würde. Dieser Schädigungsvorsatz hat sich in der Folgezeit bis zum Kauf im Februar 2014 fortgesetzt. Auf eine bewusste Täuschung des Käufers zum Zeitpunkt des Kaufs kommt es, zumal die Beklagte hieran überhaupt nicht beteiligt war, nicht an.
- e) Kausaler Vermögensschaden
Der Schadensersatzanspruch aus $S 826, 31, 249 ff. BGB richtet sich auf Ersatz des negativen Interesses (vgl. Palandt-Sprau, BGB, 79. Aufl., § 826 Rn. 15). Der Kläger kann verlangen, so gestellt zu werden, wie er stehen würde, wenn er das streitgegenständliche Fahrzeug nicht erworben hätte.
- aa) Der Schaden liegt trotz der Möglichkeit des Aufspielens des Software-Updates in dem Erwerb eines mit der Steuerungssoftware ausgerüsteten Fahrzeugs (vgl. BGH, Urteil vom 25.05.2020, juris, Rn. 48; OLG Hamm, Urteil vom 10.09.2019, l 13 U 149/18, juris, Rn. 49; OLG Frankfurt, Beschluss vom 25.09.2019, 17 U 45/19, juris, Rn. 18; OLG Köln, Beschluss vom 03.01.2019, 18 U 70/18, juris, Rn. 34). Der Kläger ist mit dem Kaufvertragsabschluss über den mit einem Motor mit der manipulierten Abgas-Software ausgestatteten Pkw eine ungewollte Verpflichtung eingegangen. Der Schaden ist deshalb eingetreten, weil der Vertragsschluss als unvernünftig anzusehen ist. Der Kläger hat mit dem Pkw eine Leistung erhalten, die für seine Zwecke nicht voll brauchbar war und ist (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 48).
Zwar erfüllt das Fahrzeug seinen primären Zweck, das betriebs- und Verkehrs technisch sichere Fahren. Damit hat es den gewollten Nutzwert im engeren Sinne. Es verfügte aber über eine Einrichtung, bei deren Bekanntwerden die Typengenehmigung für das Fahrzeug nicht erteilt worden wäre. Aufgrund der Einrichtung unterlag es einer Rückrufaktion der Beklagten, zu der diese durch den bestandskräftigen Bescheid des Kraftfahrt-Bundesamtes verpflichtet worden ist, um die unzulässige Software zu entfernen. Ohne die Durchführung des Software-Updates drohte eine Betriebsuntersagung. Zweck des Erwerbs war aber die uneingeschränkte Teilnahme am Straßenverkehr, ohne dass durch weitere Maßnahmen eine drohende Betriebsuntersagung abzuwehren gewesen wäre. Der Nutzwert des streitgegenständlichen Pkw ist also für den Kläger von vornherein eingeschränkt gewesen.
- bb) Dieser bereits bei Vertragsschluss eingetretene Schaden wird nicht durch etwaige kaufrechtliche Gewährleistungsansprüche gegen den Vertragspartner, also vorliegend die F Knubel GmbH & Co. KG, kompensiert, weil solche Ansprüche zum einen einer kürzeren Verjährungsfrist unterliegen und zudem nicht ausreichen, um die dargelegten Nachteile zu kompensieren.
- cc) Der Schaden ist auch weder entfallen durch die Vereinbarung eines verbrieften Rückgaberechts im Rahmen der Finanzierung des Fahrzeugs noch durch die Veräußerung und die Übereignung dessen an die Fahrzeughändlerin.
(1) Allein durch die Vereinbarung eines verbrieften Rückgaberechts zu einem von vornherein festgelegten Kaufpreis ist der geltend gemachte Schaden nicht entfallen. Dieser lag darin, dass der Kläger eine ungewollte Verbindlichkeit eingegangen war, weil die Leistung für seine Zwecke nicht voll brauchbar war (BGH a.a.O.). Der darin liegende Nachteil wurde nicht kompensiert durch die Möglichkeit, in einigen Jahren das Fahrzeug – nach Zahlung der bis dahin geschuldeten Darlehensraten – zu einem festen Preis zurückverkaufen zu können. In der Zwischenzeit bestand die Gefahr der Betriebseinschränkung oder -untersagung. Auf die objektive Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung stellt der BGH ausdrücklich nicht ab. Ein rechnerisches Minus ist für die Bejahung des Schadens nicht erforderlich.
(2) Ebenso wenig liegt in der Veräußerung des Fahrzeugs im Februar 2018 eine Befreiung von der ungewollten Verpflichtung in diesem Sinne. Die ungewollte Verpflichtung beruhte gerade darauf, dass die für den Kaufpreis erlangte Gegenleistung für die Zwecke des Klägers nicht voll brauchbar war, wobei es auf die Sicht ex ante ankommt (BGH a.a.O. Rn. 54). Bereits der (ungewollte) Vertragsschluss begründete einen Schadensersatzanspruch (BGH a.a.O. Rn. 56). Dieser ist gerichtet auf die Erstattung der Aufwendungen für den Erwerb des Fahrzeugs unter Abzug der gezogenen Nutzungen und Vorteile. Erst bei einem derartigen Schadensausgleich sind die mit dem ungewollten Vertrag einhergehenden Belastungen beseitigt. Eine Schadenskompensation kommt allenfalls dann in Betracht, wenn der mit dem Weiterverkauf erzielte Kaufpreis zuzüglich der abzusetzenden Nutzungsentschädigung den ursprünglichen Kaufpreis erreicht oder übersteigt. Dies ist im Streitfall indes nicht der Fall. Da sich der Kläger den erzielten Kaufpreis insoweit anrechnen lassen muss und dies hier auch tut, ist er durch das Schadensereignis und den jetzt geltend gemachten Schadensersatzanspruch auch nicht ungerechtfertigt bereichert.
Die Auffassung des OLG Celle (Urt. v. 04.12.2019, 7 U 434/18) dahin, der Kläger sei durch den Verkauf im Rahmen des Verbrieften Rückgaberechts von dem ungewollten Kaufvertrag wieder befreit und schadlos gestellt, überzeugt demgegenüber nicht. Der Kaufvertrag wurde nicht etwa rückabgewickelt, sondern der Käufer hat lediglich nach Jahren das erworbene Fahrzeug, nachdem er auch die mit dem sittenwidrig herbeigeführten Kaufvertrag einhergehenden Finanzierungskosten zu einem wesentlichen Teil getragen hat, verwertet. Der Umstand, dass der dafür zu zahlende Preis im Vorhinein festgelegt war, ist dabei nicht entscheidend.
Entsprechend hat auch das OLG München (Urt. v. 17.12.2019, 18 U 3363/19) entschieden, dass der Umstand, dass die Kaufsache wegen zwischenzeitlicher Veräußerung nicht mehr vorhanden ist, den mit dem Abschluss des Kaufvertrags entstandenen Schaden nicht entfallen lässt, sondern nur dazu führt, dass der an die Stelle des erworbenen Pkw getretene Veräußerungspreis auf den ursprünglichen Kaufpreis anzurechnen ist. Die durch den ungewollten Kaufvertrag verursachten finanziellen Belastungen wurden dadurch auch nicht rückgängig gemacht. Der Kläger ist zwar nicht mehr im Besitz des streitgegenständlichen Pkw, hatte aber finanzielle Aufwendungen, die er mit der
Rückveräußerung im Rahmen des verbrieften Rückgaberechts nicht vollständig ersetzt erhalten hat.
Dabei bezieht sind das verbriefte Rückgaberecht nach der konkreten Vereinbarung vom 04.02.2014 (Anl. zum Schriftsatz vom 04.08.2020) tatsächlich auch nur auf die letzte Darlehensrate (Schlussrate), nachdem der Kläger im Darlehensverhältnis sämtliche bereits vorausgehenden Darlehensraten vollständig beglichen hatte. Diese kausal durch die sittenwidrige Handlung der Beklagten mitverursachten finanziellen Belastungen sind insofern keineswegs
durch den Rückkauf im Verhältnis zum Händler ausgeglichen worden.
- Höhe des Schadensersatzes
- a) Der Höhe nach ist dem Kläger grundsätzlich ein gem. $$ 249 Abs. 2, 251 BGB ersatzfähiger Schaden im Umfang des Kaufpreises von 30.590,01 € und der Finanzierungskosten von 1.314,72 € entstanden.
- b) Hierauf ist gemäß den obigen Ausführungen der tatsächlich erzielte Veräußerungspreis i.H.v. 14.487,71 € an Dieser Betrag tritt als Surrogat an die Stelle des Fahrzeugs im Hinblick auf die ansonsten vorzunehmende Zug-um-Zug-Abwicklung.
Dem Kläger ist in diesem Zusammenhang nicht im Hinblick auf § 254 BGB vorzuwerfen, dass er zur Minimierung des Schadens von dem vereinbarten verbrieften Rückgaberecht Gebrauch gemacht hat, als die Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen gegen die Beklagte noch unklar war.
Ferner ist abzuziehen ein Anspruch der Beklagten gegen den Kläger auf Nutzungsersatz unter dem Gesichtspunkt der Vorteilsausgleichung entsprechend § 251 Abs. 1 BGB i.H.v. 4.947,51 €.
- aa) Das dem Schadensersatzrecht immanente Bereicherungsverbot erlaubt nicht die Außerachtlassung der gezogenen Nutzungen. Das Bereicherungsverbot, verankert in $8 249 Abs. 1 u. 2, 251 Ab 1 BGB, ist ein anerkanntes
Grundprinzip des deutschen Schadensrechts. Der Schadensersatzanspruch dient primär der Schadensbeseitigung beim Geschädigten und nicht der Bestrafung des Schädigers. Nach der gesetzlichen Systematik der $S 826, 249 ff. BGB gilt das auch, wenn die Schädigung in besonders verwerflicher Weise auf vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung beruht. Die Schadensbeseitigung beim Geschädigten schließt entsprechend der Differenzhypothese die Anrechnung von etwaigen erlangten Vorteilen durch die Tat ein.
- bb) Der Höhe nach hat der Bundesgerichtshof in seiner Grundsatzentscheidung
die lineare Berechnung des Nutzungsvorteils ausgehend vom Kaufpreis unter Berücksichtigung der Laufleistung ausdrücklich gebilligt (BGH a.a.O. Rn. 80, 82). Bis zum Verkauf des Fahrzeugs ist der Kläger hiermit 40.434 km gefahren. Die Berechnung des Klägers ausgehend von einer von ihm angegebenen Gesamt und Restlaufleistung von 250.000 km:
30.590,01 x 40.434
250.000
= 4.947,51 €,
ist von daher nicht zu beanstanden. Ein höhere Laufleistung des Fahrzeugs (gegen § 308 ZPO) ist nicht zugrunde zu legen.
Es errechnet sich danach insgesamt ein Ersatzanspruch in Höhe von 12.469,51
- Zinsanspruch
Der Zinsanspruch folgt aus 88 291, 288 Abs. 1 BGB.
- Antrag zu 2: Außergerichtliche Anwaltskosten
- 1. Diese sind bezogen auf die Zahlungsaufforderung vom 19.02.2018 gerechtfertigt nach einem Gegenstandswert in Höhe von 12.469,51 €. Das Fahrzeug war am 02.2018 bereits rückverkauft. Der berechnete
Nutzungsvorteil war bereits erzielt.
Bei einer anzusetzenden 1,3 Gebühr von 604 € (bis 13.000 €) = 785,20 € + Auslagenpauschale 20 € (= 805,20 €) + MwSt. 152,99 € errechnet sich ein Betrag von 958,19 €.
- Der Zinsanspruch ab Rechtshängigkeit (12.12.2018) rechtfertigt sich aus Verzug, $$ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1, 291 BGB.
III. Nebenentscheidungen
- Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf 88 92 Abs. 1, 269 Abs. 3, 708 Nr. 10 und 711 ZPO.
Bei der Kostenentscheidung war der vormalige Antrag zu 2) die Deliktszinsen betreffend wirtschaftlich und rechnerisch mit zu berücksichtigen, so dass die Kosten entsprechend jeweils zu quotieren waren. Dieser Antrag zu 2) ist in II. Instanz vor dem Senatstermin durch Schriftsatz vom 06.08.2020 zurückgenommen worden. Terminsgebühren sind insoweit nicht mehr
entstanden.
- 2. Die Revision war zuzulassen im Hinblick auf eine Divergenz zur obergerichtlichen Rechtsprechung des OLG Celle bei der Schadensbetrachtung unter dem Aspekt des Rückkaufs, $ 543 Abs. 2 ZPO.
Dr. Hütte
Hornung
ROLG Dr. Kentgens
ist wegen Urlaubs an der Unterschrift gehindert
Dr. Hütte
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