Urteil im Abgasskandal, Landgericht Trier, Urteil vom 07.05.2019, Aktenzeichen: 5 O 779/18
– Kläger –
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Dr. Ghendler Ruvinskij, Aache ner Straße 1, 50674 Köln
gegen
Volkswagen AG, vertreten durch d. Vorstand, Berliner Ring 2, 38440 Wolfsburg
– Beklagte –
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte KSP Kanzlei Dr. Seegers, Dr. Fran kenheim Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Kai ser-Wilhelm-Straße 40, 20355 Hamburg
wegen Forderung
hat die 5. Zivilkammer des Landgerichts Trier durch den Richter am Amtsgericht Rählmann als Einzelrichter auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 16.04.2019 für Recht erkannt:
- Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerseite einen Betrag in Höhe von 12.607,10 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29.01.2019, Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs Golf Plus 1.6 TDI mit der Fahrzeugidentifikationsnummer –, zu zahlen
Es wird festgestellt, dass der Antrag zu 1) in Höhe von 154,57 € erledigt ist.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte sich mit der Entgegennahme dieses Fahrzeugs in Annahmeverzug befindet.
Die Beklagte wird verurteilt, aus 16.490 € Zinsen in Höhe von 4 % p.a. ab dem 28.08.2014 bis 28.01.2019 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
- Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klagepartei 13 % und die Beklagte 87 % zu tragen.
- Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die klagende Partei nimmt die Beklagte auf Schadensersatz im Zusammenhang mit dem Kauf eines Pkw in Anspruch, in den ein mit Dieselkraftstoff betriebener Motor der von der Beklagten entwickelten Baureihe EA 189 eingebaut ist.
Die klagende Partei kaufte am 28.08.2014 einen Pkw VW Golf zum Preis von 18.650 € mit einem Kilometerstand bei Übergabe von 11.907 km. Am 11.04.2019 hatte der Pkw einen Kilometerstand von 89.053 km.
Das Fahrzeug ist mit einem Dieselmotor mit einem Hubraum von ca. 1,6 l ausgerüstet. Die Schadstoffemissionen des Fahrzeuges sollten der zu diesem Zeitpunkt geltenden Euro 5-Norm gem. der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 entsprechen. Die dazu erlassenen Bestimmungen sehen eine Messung der ausgestoßenen Schadstoffe unter den Bedingungen des so genannten Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) auf einem Rollenprüfstand vor. Die dabei erzielten Werte werden im praktischen Betrieb eines Kraftfahrzeugs im öffentlichen Straßenverkehr regelmä Big überschritten.
Die Motoren der Baureihe EA 189 wiesen indes eine besondere Steuerung der Abgasrückführung auf. Das System erkannte, wenn das Fahrzeug auf einem Rollenprüfstand im NEFZ auf die dabei entstehenden Schadstoffemissionen getestet wurde. Dann wurde es in einem Modus „1″ betrieben, der eine höhere Abgasrückführungsrate und damit verbunden einen geringeren Ausstoß an Stickoxiden (NOx) bewirkte. Außerhalb des NEFZ und damit insbesondere im gewöhnlichen Straßenverkehr schaltete das Fahrzeug dagegen in einen Modus ,,0″, in dem die Abgasrückführung geringer, der Stickoxidausstoß folglich höher ausfiel. Dadurch konnte der Aus stoß von Dieselpartikeln gegenüber dem Modus ,1″ verringert werden.
Das Kraftfahrtbundesamt wertet diese Steuerung als unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 715/2007. Es erließ im Oktober 2015 gegen die Beklagte Nebenbestimmungen zur Typgenehmigung auf der Grundlage von § 25 Abs.2 der EG-FahrzeuggenehmigungsV, um die Vorschriftsmäßigkeit der bereits im Verkehr befindlichen Fahrzeuge zu gewährleisten. In der Folge davon rufen die zum Volkswagen-Konzern gehörenden Unternehmen die Fahrzeuge mit Motoren der Baureihe EA 189 in die Werkstätten zurück, um sie technisch zu überarbeiten.
Im Fall der 2,0 T-Motoren wird eine geänderte Software aufgespielt. Danach werden die Motoren nur noch in einem veränderten Modus ,1″ betrieben. Bei 1,6 l-Motoren wird zusätzlich noch ein sogenannter Strömungsgleichrichter eingebaut. Das Kraftfahrtbundesamt hat die Nachrüstung für den streitgegenständlichen Fahrzeugtyp freigegeben.
Die klagende Partei behauptet, sie sei im Zusammenhang mit der damaligen Entscheidung zum Kauf dieses Pkw getäuscht worden. Die Beklagte habe in den zum Vertrieb des Fahrzeugs aus gegebenen Prospekten die Kaufinteressenten falsch informiert. Insbesondere habe sie dort unzutreffend behauptet, dass das Fahrzeug die gültigen Bestimmungen über die Schadstoffemissionen einhalte. Tatsächlich sei das nicht der Fall gewesen, weil es sich bei der streitgegenständlichen Steuerung um eine sogenannte unzulässige Abschaltvorrichtung gehandelt habe. Das Fahrzeug habe deshalb die Voraussetzungen der Euro 5-Norm nicht erfüllt mit der Folge, dass die Behörden bei Kenntnis des Sachverhalts die Typgenehmigung nicht erteilt hätten.
Das Fahrzeug sei unbehebbar mangelhaft, da als Folge der geänderten Software z.B. der Kraftstoffverbrauch erhöht sei und ein höherer Verschleiß eintrete. Zudem könne das Fahrzeug auf dem Gebrauchtwagenmarkt nur noch zu einem deutlich reduzierten Preis verkauft werden.
Die Unternehmensleitung der Beklagten, insbesondere Mitglieder des Vorstands, hätten die Funktion der in dem Abgasrückführungssystem eingesetzten Software und deren fehlende Übereinstimmung mit den europäischen Abgasvorschriften gekannt.
Die Beklagte müsse deshalb den gezahlten Kaufpreis abzüglich eines Nutzungswertersatzes gegen Rückgabe des streitgegenständlichen Fahrzeugs erstatten. Es sei eine Gesamtlaufleistung von 350.000 km zu berücksichtigen.
Nachdem die Klagepartei mit der am 28.01.2019 zugestellten Klage zunächst in der Hauptforderung 14.610,85 € verlangt hatte, hat sie die Klage mit Schriftsatz vom 11.04.2019 diesbezüglich in Höhe von 216,40 € ohne Zustimmung der Beklagten für erledigt erklärt und beantragt nunmehr:
- Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerseite einen Betrag in Höhe von 14.394,45 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB, mindestens jedoch 4 % p.a. ab Rechtshängigkeit binnen sieben Tagen nach Übergabe des Fahrzeugs Golf Plus 1.6 TDI mit der Fahrzeugidentifikationsnummer –, zu zahlen.
- Die Beklagte wird verurteilt, Zinsen in Höhe von 4 % p.a. ab dem 28.08.2014 bis Rechtshängigkeit auf einen Betrag in Höhe von 18.650 € zu zahlen.
- Es wird festgestellt, dass die Beklagte sich mit der Entgegennahme des Fahrzeugs aus dem Antrag zu 1) in Annahmeverzug befindet.
- Es wird festgestellt, dass der Antrag zu 1) sich in Höhe von 216,40 € erledigt hat und die darauf gerichtete Klage ursprünglich zulässig und begründet war.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte behauptet, die klagende Partei unter keinem in Betracht kommenden Gesichtspunkt getäuscht oder gar sittenwidrig gehandelt zu haben.
Das Fahrzeug sei nicht mit einem Mangel behaftet gewesen. Werde ein solcher unterstellt, sei er jedenfalls unerheblich. Es habe die Vorgaben der Euro 5-Norm eingehalten und tue das auch weiterhin. Die EG-Typgenehmigung sei und bleibe wirksam. Die Klägerseite könne den Pkw uneingeschränkt nutzen.
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Die nach der Euro 5-Norm für Schadstoffemissionen geltenden Grenzwerte bezögen sich ausschließlich auf Messungen unter den besonderen Bedingungen des NEFZ. Dagegen seien die im normalen Fahrbetrieb (Realbetrieb) ausgestoßenen Schadstoffmengen irrelevant. Dazu ent hielten die Produktbeschreibungen des Pkw auch keine Angaben.
Insbesondere handele es sich bei der beanstandeten Steuerung nicht um eine unzulässige Ab schalteinrichtung. Sie habe auf das Emissionskontrollsystem keinen Einfluss, sondern auf die der Abgasnachbehandlung technisch vorgelagerte Abgasrückführung, bei der es sich ihrerseits um eine innermotorische Maßnahme handele.
Die Beklagte bestreitet, dass die klagende Partei einem Irrtum unterlegen sei, sich insbesondere vor der Kaufentscheidung mit dem Abgasverhalten und dem Stickoxidausstoß auseinandergesetzt habe.
Es sei auch kein Schaden entstanden, da das Fahrzeug in seiner Nutzbarkeit nicht ein-ge schränkt und seinem Wert nicht gemindert sei. Jedenfalls nach Durchführung der technischen Überarbeitung habe die Klägerseite keinen Grund mehr für Beanstandungen. Sie habe keine negativen Auswirkungen auf den Betrieb oder die Haltbarkeit des Fahrzeugs. Auch ein merkantiler Minderwert bestehe nicht.
Für das weitere Vorbringen der Parteien wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig.
Das Landgericht Trier ist gem. § 32 ZPO nach dem Gerichtsstand der unerlaubten Handlung auch für die gegen die Beklagte gerichtete Klage örtlich zuständig. Dazu reicht es aus, dass in der Klageschrift die besonderen Voraussetzungen dafür schlüssig vorgetragen wurden. Ob die Beklagte tatsächlich aus einer unerlaubten Handlung zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat die Kammer im Rahmen der Begründetheit der Klage zu entscheiden.
Behauptet die klagende Partei in schlüssiger Weise, durch eine unerlaubte Handlung in ihrem Vermögen geschädigt worden zu sein, so besteht ein Gerichtsstand (auch) dort, wo der Schaden eintritt. Das ist regelmäßig, so auch in diesem Fall, der Wohnsitz der klagenden Partei.
Die Klage ist überwiegend begründet.
Die Beklagte ist dem Grunde nach gem. SS 823 Abs.2 BGB i.V.m. 263 StGB; 826, 31, 831 BGB verpflichtet, der klagenden Partei Schadensersatz Zug um Zug gegen Herausgabe des streitgegenständlichen Fahrzeugs zu leisten.
Die Beklagte hat den Tatbestand des Betrugs nach § 263 StGB als Schutzgesetz des § 823 Abs.2 BGB verwirklicht (ständige Rechtsprechung LG Trier, vgl. Urteil vom 26.09.2018 -50 114/18-).
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Die Täuschung wurde durch aktives Handeln verübt. Der Schwerpunkt der Täuschungshandlung liegt in der konkludenten Erklärung, dass das Typengenehmigungsverfahren ordnungsgemäß durchlaufen wurde und der Motor deshalb mangelfrei sei.
Tatsächlich war der Motor nach § 434 Abs. 1 S.2 Nr.2 BGB mangelhaft.
Im vorliegenden Fall hat die Beklagte den Motor der Baureihe EA189 mit einer Software zur Motorsteuerung ausrüsten lassen, die zwei Betriebsmodi und darunter einen im Sinne der Abgasrückführung optimierten Betriebsmodus vorsah.
Bei der in dem Abgasrückführungssystem eingebauten Software handelt es sich um eine unzulässige Abschalteinrichtung mit der Folge, dass den mit diesen Motoren ausgerüsteten Fahrzeugen die EG-Typgenehmigung zu versagen gewesen wäre.
CU
Im NEFZ wurde in einem Modus ,1″ eine höhere Abgasrückführung eingeschaltet, die bewirkte, dass dem eigentlichen Emissionskontrollsystem Abgase mit einem von vornherein niedrigeren Gehalt an Stickoxiden (NOx) zugeführt wurden. Es war nicht vorgesehen, dass dieser schadstoffarme Modus, mit dem allein die Werte der Euro 5-Norm erreicht werden konnten, unter irgendwelchen Bedingungen im praktischen Fahrbetrieb zum Einsatz kommen sollte. Vielmehr sollten die Fahrzeuge im öffentlichen Straßenverkehr ausschließlich im stickoxidreicheren (aber partikelärmeren) Modus ,0″ betrieben werden.
Auf dieser Grundlage wurden die Typengenehmigungen der so ausgerüsteten Fahrzeuge er wirkt, ohne die dafür zuständige Behörde hiervon in Kenntnis zu setzen. Darin allein liegt, mit Rücksicht auf die daraus folgende Rechtsunsicherheit für die Typengenehmigung und die Betriebszulassung der entsprechend ausgerüsteten Fahrzeuge ein gravierender Mangel, § 434 Abs. 1 S.2 BGB (OLG Köln, Beschluss vom 03.01.2019-18 U 70/18-).
Das Kraftfahrtbundesamt hat im Oktober 2015 einen Bescheid auf Grundlage von § 25 Abs. 2 der EG-Fahrzeuggenehmigungsverordnung erlassen, worauf basierend auch für bereits im Ver kehr befindliche Fahrzeuge nachträgliche Nebenbestimmungen zur Typgenehmigung angeordnet werden können, um deren Vorschriftsmäßigkeit zu gewährleisten. Dieser Bescheid ist jedenfalls nach Lesart des Kraftfahrtbundesamts und des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur Anlass und Grundlage der von den Unternehmen des Volkswagen-Konzerns durchgeführten Rückrufaktion, in deren Zug die unzulässige Abschalteinrichtung entfernt und die Vorschriftsmäßigkeit der Kraftfahrzeuge hergestellt werden soll.
Das bedeutet im Umkehrschluss zwingend, dass die Behörden den damaligen Zustand der mit einem EA 189-Motor ausgerüsteten Kraftfahrzeuge nicht für konform mit der EG-Typgenehmigung halten.
Folgerichtig verweigern die Zulassungsstellen auf Anweisung des BMVI seit dem 15.10.2015 Neu fahrzeugen mit EA 189-Motoren die Zulassung. Solche Fahrzeuge können nur dann erstmals zum Straßenverkehr zugelassen werden, wenn im Rahmen der Rückrufaktion von VW die unzu lässige Abschalteinrichtung entfernt worden ist (Bericht der Untersuchungskommission Volks wagen” S.13).
Die Volkswagen AG ist gegen den Bescheid nicht vorgegangen, weshalb er bestandskräftig geworden ist und damit sowohl sie selbst als Inhaberin der EG-Typgenehmigung, als auch die Verwaltungsbehörden bindet.
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Das Kraftfahrtbundesamt lässt sich die erfolgten Maßnahmen für jedes Fahrzeug zurückmelden und beabsichtigt, ausstehende Fahrzeuge behördlich nachverfolgen zu lassen (Bericht der „Untersuchungskommission Volkswagen” S. 13). Hier steht die Entziehung der Betriebserlaubnis im Raum (OLG München, Beschluss vom 23.03.2017-3 U 4316/16-).
Zumindest durch einen Verrichtungsgehilfen hat die Beklagte den Tatbestand des Betruges gem. § 263 StGB erfüllt. Im Hause der Beklagten muss es einen oder auch mehrere Mitglieder des Vorstandes, § 31 BGB, oder zumindest abhängig Beschäftigte, § 831 BGB, gegeben haben, die die genaue Wirkungsweise des in den Motoren der Baureihe EA189 eingebauten Abgasrückführungssystems kannten und sich für deren Produktion entschieden.
Es ist logisch zwingend, dass mindestens eine Person, entweder in der Funktion eines Vorstandsmitglieds der Beklagten oder in der Position eines an die Weisungen des Vorstands gebundenen Arbeitnehmers, die Entscheidung getroffen haben muss, die Abgasrückführung der Motoren der Baureihe EA189 mit der im Tatbestand näher bezeichneten Umschaltlogik zu steuern. Die in dieser Weise entwickelten Motoren waren dazu bestimmt, von mehreren zum Volkswagenkonzern gehörenden Herstellern bei der serienmäßigen Produktion von Kraftfahrzeugen verwendet zu werden, die wiederum auf dem europäischen Markt vertrieben werden sollten. Die Umschaltlogik sollte ausschließlich zu dem Zweck verwendet werden, über das Vorliegen einer Korrelation zwischen der Einhaltung der Grenzwerte auf dem Prüfstand und der Höhe der Grenzwerte im normalen Straßenbetrieb zu täuschen. Auf diese Weise sollte die Bestätigung der Einhaltung der Abgaswerte, die ohne diese Umschaltlogik nicht hätte erlangt werden können, erschlichen werden. Dabei wurde zum einen im Rahmen des Genehmigungsverfahrens getäuscht. Zu dem wurden Händler und Käufer und so auch die klagende Partei über die ordnungsgemäße Erlangung der Typengenehmigung und die Einhaltung der maßgeblichen Abgaswerte in dem Sin ne, dass die Korrelation zwischen den auf dem Prüfstand gemessenen Werten und den Werten im normalen Straßenverkehr vorhanden ist und nicht durch das Eingreifen einer Umschaltlogik ausgehebelt wird, getäuscht.
Dass diese Täuschung möglicherweise nicht durch die Person, bzw. den Personenkreis, der über den Einsatz der Umschaltlogik entschieden hat, direkt verübt wurde, ändert an der Erfüllung des Tatbestandsmerkmals der Täuschung nichts. Denn insofern ist es ausreichend, wenn der Täter sich eines sogenannten absichtslosen Werkzeugs bedient, das seinerseits von dem Täter im Unklaren über die wahren Verhältnisse gelassen wurde und auf Grund dieses Unwissens nach dem Plan des Täters auf die Willensbildung der Käufer und hier der klagenden Partei eingewirkt hat. Es handelt sich insoweit um einen Fall der mittelbaren Täterschaft gemäß § 25 Abs.2 StGB.
Auf Grund dieser Täuschungshandlung erlag die klagende Partei auch vorliegend dem Irrtum, dass die Voraussetzungen für die Genehmigungsfähigkeit bei dem von ihm gekauften Fahrzeug vorliegen und die Typengenehmigung nicht unter Einsatz einer unzulässigen Abschalteinrichtung erlangt worden sei.
Auf Grund dieses Irrtums kaufte die klagende Partei das vorliegende Fahrzeug. Hätte sie gewusst, dass die Typengenehmigung lediglich durch die Verwendung einer unzulässigen Abschaltlogik erlangt worden ist und die Voraussetzungen einer wirksamen Typengenehmigung durch das streitgegenständliche Fahrzeug im Zeitpunkt des Vertragsschlusses in Wahrheit nicht erfüllt waren, hätte er den Kaufvertrag nicht abgeschlossen. Kein Käufer würde einen Kaufvertrag über ein Fahrzeug abschließen, dass die erforderlichen Zulassungsvorschriften nicht erfüllt und daher vom Widerruf der Typengenehmigung bedroht ist.
Im Abschluss des streitgegenständlichen Kaufvertrages lag daher die irrtumsbedingte Vermögensverfügung.
Der Vermögensschaden liegt darin, dass das mangelhafte Fahrzeug aufgrund der Bedrohung von einer zwangsweisen Stilllegung einen erheblich geringeren Wert aufweist, als der Kaufpreis, der in Erwartung der Mangelfreiheit gezahlt wurde (LG Trier, Urteil vom 26.09.2018, a.a.O.).
Der Täter handelte auch in der Absicht rechtswidriger und stoffgleicher Drittbereicherung. Bereichern wollte er zum einen den Hersteller, aber auch nachgeschaltete Händler und Gebrauchtwagenhändler. Die Drittbereicherung diente mittelbar dem Ziel des Täters, den Absatz der Motoren und Fahrzeuge der Herstellerin zu fördern. Die Bereicherung ist auch stoffgleich, da es sich um den Vorteil des Abschlusses von Verträgen handelt, die bei Nichtvorliegen der Willensmängel nicht zu diesen Bedingungen abgeschlossen worden wären.
Das Handeln des Täters war auch rechtswidrig und schuldhaft.
Die Beklagte hat sich nicht gem. § 831 Abs. 1 S.2 BGB entlastet. Nach dieser Vorschrift tritt die Ersatzpflicht nicht ein, wenn der Geschäftsherr bei der Auswahl der bestellten Person und, sofern er Vorrichtungen oder Gerätschaften zu beschaffen oder die Ausführung der Verrichtung zu leiten hat, bei der Beschaffung oder der Leitung die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet oder wenn der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt entstanden sein würde. Die genannten Voraussetzungen einer Haftungsbefreiung liegen nicht vor. Hierzu hätte die Beklagte vortragen müssen.
Darüber hinaus liegt eine der Beklagten eine nach $$ 31, 831 BGB zurechenbare sittenwidrige Schädigung nach § 826 BGB vor (OLG Köln, a.a.O.).
Sittenwidrig ist ein Verhalten immer dann, wenn es nach seinem unter zusammenfassender Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermittelnden Gesamtcharakter in dem Sinne dem Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden zuwiderläuft, dass es mit grundlegenden Wertungen der Rechts- und Sittenordnung nicht vereinbar ist (BGH, Urt. v. 19.11.2013 – VI ZR 336/12-).
Ein derartiger, als sittenwidrig zu bewertender Verstoß gegen die Rechts- und Sittenordnung kann rein tatsächlich nicht nur in einer bereits nach § 123 BGB rechtlich missbilligten Täuschung eines Vertragspartners oder eines später hinzutretenden Dritten liegen, sondern schon in der Veräußerung eines z.B. wegen eines Unfallschadens mangelhaften Kfz an einen Zwischenerwerber, wenn nämlich in dem konkreten Fall damit zu rechnen war, dass derselbe es unter Verschweigen des Mangels weiterveräußern würde.
Sittenwidrig handelt, wer eine Sache, von deren Mangelhaftigkeit er weiß, in der Vorstellung in den Verkehr bringt, dass die betreffende Sache von dem Erwerber in unverändert mangelhaftem Zustand an ahnungslose Dritte, die in Kenntnis der Umstände von dem Geschäft Abstand nähmen, veräußert werden wird.
Indem die Beklagte den mit der Abgassoftware manipulierten Motor in Verkehr brachte, wusste sie zurechenbar (s.0.), dass Händler die damit ausgestatteten Kfz an ahnungslose Kunden weiterveräußern würden.
Sie ist daher berechtigt, den Kaufpreis Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs von der Beklagten ersetzt zu verlangen.
Sie muss sich aber die Vorteile anrechnen lassen, die sie zwischenzeitlich durch die Nutzung des Pkw erlangt hat. Den Nutzungswert schätzt das Gericht gem. § 287 Abs. 1 ZPO. Die voraussichtliche Gesamtnutzungsdauer eines Pkw der Mittelklasse liegt bei 200.000 bis 250.000 km. Daran ändert es nichts, dass es durchaus eine beträchtliche Anzahl von Fahrzeugen geben mag, die auch eine bedeutend höhere Laufleistung erreichen. Das Gericht berücksichtigt, dass ein Dieselmotor im Durchschnitt eine etwas längere Lebensdauer hat als ein mit Ottokraftstoff betriebener Motor. Deshalb legt es seiner Berechnung eine Gesamtlaufleistung von 250.000 km zu grunde.
Insoweit ist der Kaufpreis von 18.650 € mit den von der klagenden Partei gefahrenen Kilometern, nämlich 77.146 km zu multiplizieren und das Ergebnis durch die zu erwartende Gesamtlaufleistung sprich 250.000 km, abzüglich bei Übergabe an die klagende Partei gefahrener Kilometer, hier 11.907 km, zu teilen. Dies ergibt einen Wert der gezogenen Nutzungen von 6.042,90 € und den tenorierten Erstattungsbetrag.
Für die Zeit von Zahlung des Kaufpreises bis zum Eintritt d. Rechtshängigkeit hat die Beklagte gem. §§ 849, 246 BGB Zinsen in Höhe von 4 % zu zahlen.
Die Vorschrift ist auf alle Fälle der unerlaubten Handlung, auch den eines Betrugs, anwendbar, die die Entziehung einer Sache zur Folge haben. Darunter fallen auch Geldbeträge. Die Gewährung eines Zinsanspruchs ohne Rücksicht auf die Verzugsvoraussetzungen beruht auf dem Umstand, dass die Kompensation der Sachentziehung durch Erstattung den eingetretenen Schaden nicht vollständig ausgleicht, weil der Betroffene für die Zeit der Vorenthaltung gehindert war, die Sache zu nutzen. Da die durch den Entzug der Nutzungsmöglichkeit eingetretenen Nachteile häufig nur schwer bezifferbar und nachweisbar sind, kommt § 849 dem Betroffenen entgegen und gewährt de facto eine pauschale Nutzungsentschädigung durch Verzinsung des Wertersatz anspruchs (MÜKoBGB/Wagner & 849 Rn 2).
Im hier zu entscheidenden Fall hat die klagende Partei für den von ihr geleisteten Geldbetrag (Kaufpreis) zwar eine Kompensation in Form der Nutzung des streitgegenständlichen Pkw erhalten. Andererseits muss sie sich dafür aber einen Nutzungswert anrechnen lassen. Es ist deshalb gerechtfertigt, die Beklagte mit den gesetzlich angeordneten Rechtsfolgen zu belasten, die sich daraus ergeben, dass sie der Klagepartei betrügerisch den für den Kauf verwendeten Geldbetrag entzogen hat.
Der Zinsanspruch ab Rechtshängigkeit ergibt sich aus SS 280, 286, 288, 291 Abs. 1 BGB.
Der Feststellungantrag ist begründet. Hinsichtlich der Rücknahme des Fahrzeugs befindet sich die Beklagte im Annahmeverzug, da sie dies spätestens aufgrund ihres Antrags zur Klageabweisung abgelehnt hat, SS 293, 295 BGB. Dementsprechend konnte ein wörtliches Angebot den An nahmeverzug auslösen. Das Feststellungsinteresse ergibt sich aus §§ 756, 765 Nr. 1 ZPO.
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Dem Feststellungsantrag in Höhe der Teilerledigung ist zu 5/7 stattzugeben, da die Klage in Bezug auf die zwischen der Klageeinreichung und der mündlichen Verhandlung gefahrenen Kilometer auf Basis einer Gesamtlaufleistung von 250.000 km zulässig und begründet war.
III. Die Kostenentscheidung ergeht nach 8 92 Abs. 1 ZPO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 1 ZPO.
Der Streitwert wird auf 14.610,85 € festgesetzt und richtet sich nach der ursprünglichen Klageforderung.
Rechtsbehelfsbelehrung:
Gegen die Entscheidung kann das Rechtsmittel der Berufung eingelegt werden. Die Berufung ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 600 Euro übersteigt oder das Gericht des ersten Rechtszuges die Berufung im Urteil zugelassen hat.
Die Berufung ist binnen einer Notfrist von einem Monat bei dem Oberlandesgericht Koblenz Stresemannstraße 1 56068 Koblenz einzulegen.
Die Frist beginnt mit der Zustellung der vollständigen Entscheidung, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung der Entscheidung.
Die Berufung muss mit Schriftsatz durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt eingelegt werden. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung der angefochtenen Entscheidung und die Erklärung enthalten, dass Berufung eingelegt werde.
Die Berufung muss binnen zwei Monaten mit Anwaltsschriftsatz begründet werden. Auch diese Frist beginnt mit der Zustellung der vollständigen Entscheidung.
Gegen die Entscheidung, mit der der Streitwert festgesetzt worden ist, kann Beschwerde eingelegt werden, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt oder das Gericht die Beschwerde zugelassen hat.
Die Beschwerde ist binnen sechs Monaten bei dem Landgericht Trier Justizstraße 2, 4, 6 54290 Trier einzulegen.
Die Frist beginnt mit Eintreten der Rechtskraft der Entscheidung in der Hauptsache oder der anderweitigen Erledigung des Verfahrens. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf der sechsmonatigen Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. Im Fall der formlosen Mitteilung gilt der Beschluss mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gemacht.
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Die Beschwerde ist schriftlich einzulegen oder durch Erklärung zu Protokoll der Geschäftsstelle des genannten Gerichts. Sie kann auch vor der Geschäftsstelle jedes Amtsgerichts zu Protokoll erklärt werden; die Frist ist jedoch nur gewahrt, wenn das Protokoll rechtzeitig bei dem oben genannten Gericht eingeht. Eine anwaltliche Mitwirkung ist nicht vorgeschrieben.
Rechtsbehelfe können auch als elektronisches Dokument eingereicht werden. Eine einfache E-Mail genügt den gesetzlichen Anforderungen nicht.
Das elektronische Dokument muss – mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder – von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden.
Ein elektronisches Dokument, das mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen ist, darf wie folgt übermittelt werden:
auf einem sicheren Übermittlungsweg oder an das für den Empfang elektronischer Dokumente eingerichtete Elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) des Gerichts.
Wegen der sicheren Übermittlungswege wird auf § 130a Absatz 4 der Zivilprozessordnung verwiesen. Hin sichtlich der weiteren Voraussetzungen zur elektronischen Kommunikation mit den Gerichten wird auf die Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERW) in der jeweils geltenden Fassung sowie auf die Internetseite www.justiz.de verwiesen,
Rählmann Richter am Amtsgericht
Verkündet am 07.05.2019
Stüttgen, Justizsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Beglaubigt:
(Dienstsiegel)
(Stüttgen), Justizsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
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