Das Urteil im Wortlaut:
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Aktenzeichen 2 O 115/19
Landgericht Ravensburg
Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Rechtsstreit
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Dr. Ghendler & Ruvinskij, Aachener Straße 1, 50674 Köln, gegen
BMW Bank GmbH, vertreten durch d. Geschäftsführer Markus Walch, den Geschäftsführer Thomas Weber und den Geschäftsführer (Vorsitzender) Hans-Jürgen Cohrs, Lilienthaiallee 1, 80807 München
Prozessbevollmächtigte:
wegen Widerruf/Verbraucherdarlehensvertrag hat das Landgericht Ravensburg – 2. Zivilkammer – durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht Dr. Göller als Einzelrichter aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 09.07.2019 für Recht erkannt:
- Es wird festgestellt, dass die Beklagte aus dem Darlehensvertrag vom 27.08.2016 mit der Darlehensnummer über ursprünglich 26.060,-. € keine Ansprüche auf Zahlung der Zins- und Tilgungsleistungen mehr herleiten kann.
- Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 20.626,56 € nach Übergabe des Fahrzeugs BMW Mini Cooper (Fahrgestellnummer) zu zahlen.
- Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des Fahrzeugs gern, vorstehender Ziff. 2 in Annahmeverzug befindet.
- Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
- Die Widerklage wird abgewiesen.
- Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
- Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, zu Ziff. 2 gegen Sicherheitsleistung In Höhe von 20.626,56 € und zu Ziff. 6 gegen Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
Streitwerte:
Klageantrag Ziff. 1 und 2: 30.560,00 €
Klageantrag Ziff. 3: 500,00 €
Hilfsaufrechnung: 6.153,65 €
Hilfswiderklage: 500,00€
Gesamtstreitwert: 37.713,65 €
Tatbestand
Der Kläger schloss mit der Beklagten gern. Darlehensantrag vom 27.08.2016 einen Verbraucherdarlehensvertrag über einen Nettodarlehensbetrag in Höhe von 26.060,– €, der zweckgebunden dem Kauf eines privat genutzten BMW Mini Cooper (Fahrgestellnummer ) diente (Fahrzeugkaufpreis 30.560,- €). Wegen des Inhalts im Einzelnen wird auf die Anlage B 5 Bezug genommen. In der dem Vertrag beigefügten Widerrufsinformation heißt es unter anderem:
Widerrufsfolgen
Soweit das Darlehen bereits ausbezahlt wurde, haben Sie es spätestens innerhalb von 30 Tagen zurückzuzahlen und für den Zeitraum zwischen Auszahlung und der Rückzahlung’ des Darlehens den vereinbarten Sollzins zu entrichten. Die Frist beginnt mit der Absendung der Widerrufserklärung. Für den Zeitraum zwischen Auszahlung und Rückzahlung ist bei vollständiger Inanspruchnahme des Darlehens pro Tag ein Zinsbetrag in Höhe von 1,41 Euro zu zahlen. Dieser Betrag verringert sich entsprechend, wenn das Darlehen nur teilweise in Anspruch genommen wurde.
I
Verkäuferin des Fahrzeugs war die BMW AG Niederlassung Stuttgart. Die Beklagte bediente sich bei Vorbereitung und Abschluss des Darlehensvertrages der Mitwirkung der BMW AG, insbesondere fungierte diese als Darlehensvermittler der Beklagten und verwendete die von der Beklagten bereitgestellten. Vertragsformulare. Vereinbart wurde weiterhin, dass der Kläger unmittelbar an die Verkäuferin eine Anzahlung auf den Kaufpreis in Höhe von 4,500,- € bezahlt und die, Darlehenssumme von 27.016,88 € (Nettodarlehensbetrag von 26.060,-€ zuzüglich Zinsen von 956,88 €) mittels 35 gleichbleibenden Monatsraten in Höhe von jeweils 597,28 € und einer Schlussrate von 6112,-€ zurückzuzahlen ist. Die vereinbarte Anzahlung hat der Kläger an die Verkäuferin geleistet, den restlichen Kaufpreis hat die Beklagte direkt an die Verkäuferin bezahlt.
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Der Kläger hat Raten in Höhe von insgesamt 16.126,56 € an die Beklagte gezahlt. Zuzüglich der Anzahlung von 4.500,- €. ergibt sich der mit Klageantrag Ziff. 2 verlangte Rückzahlungsbetrag von 20.626,56 €.
Die auf Abschluss des Darlehensvertrages gerichtete Willenserklärung hat der Kläger mit Schreiben vom 23.11.2018 widerrufen. Die Beklagte hat den Widerruf zurückgewiesen.
Der Kläger ist der Auffassung, dass sich der zunächst wirksame Darlehensvertrag durch den wirksamen Widerruf in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt habe. Daher sei er ab Zugang der Widerrufserklärung nicht mehr zur Zahlung der Darlehensraten verpflichtet gewesen, und die Beklagte müsse ihm die bisher geleisteten Darlehensraten zurückerstatten. Nachdem es sich vorliegend bei Kauf- und Darlehensvertrag um verbundene Geschäfte gehandelt habe, sei die Beklagte außerdem zur Rückzahlung der. an die Verkäuferin geleisteten Anzahlung verpflichtet
Der Kläger ist der Auffassung, dass der Widerruf rechtzeitig gewesen sei, weil die Frist für den Widerruf nicht begonnen habe. Er stützt dies darauf, dass im Darlehensvertrag Pflichtangaben gem. Art. 247 §§ 6 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. 3 Abs. 1 Nr. 14; 7 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB gefehlt hätten. Außerdem meint er, wegen zu kleiner Schrift seien die Pflichtangaben nicht lesbar und deshalb nicht klar und verständlich mitgeteilt worden. Weiterhin hält der Kläger die Belehrung auch wegen des in den Allgemeinen Kreditbedingungen der Beklagten enthaltenen Aufrechnungsverbots für fehlerhaft.
Der Kläger beantragt:
- Es wird festgestellt, dass die Beklagte aus dem Darlehensvertrag vom 27.08.2016 mit der
Darlehensnummer über ursprünglich 26.060,- € keine Ansprüche auf
Zahlung der Zins- und Tilgungsleistungen mehr herleiten kann.
- Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 20.626,56 € nebst
Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.12.2018 binnen sieben Tagen nach Übergabe des Fahrzeugs BMW Mini Cooper (Fahrgestellnummer. zu zahlen.
- Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des Fahrzeugs gern, vorstehender Ziff. 2 in Annahmeverzug befindet.
- Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 1.479,89 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit für die außergerichtliche anwaltliche Rechtsverfolgung zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte rügt die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Ravensburg. Nach ihrer Ansicht ist allein das Landgericht München zuständig, da die Beklagte ihren Sitz In dessen Bezirk habe.
Die Beklagte ist der Ansicht, dass der Darlehensvertrag zwischen den Parteien weiterhin wirksam sei, da der Kläger über sein Widerrufsrecht ordnungsgemäß belehrt worden sei; der Widerruf sei deshalb verspätet gewesen. Die Beklagte beruft sich außerdem auf den Einwand der Verwirkung und den Einwand des Rechtemissbrauchs.
Die Beklagte hält den Klageantrag Ziff. 3 auf Feststellung, dass die Beklagte sich mit der Annahme des Fahrzeugs in Annahmeverzug befindet, bereite deshalb für unbegründet, da der Kläger die geschuldete Leistung, nämlich die Herausgabe des Fahrzeuges, nicht in einer den Annahmeverzug begründenden Weise angeboten habe.
Die Beklagte beruft sich hilfsweise darauf, dass der Kläger zur Bezahlung von Wertersatz für den Wertverlust des Fahrzeugs gem.§ 357 Abs. 7 S. 1 BGB verpflichtet sei. Die Beklagte rechnet deshalb hilfsweise gegen den Zahlungsanspruch des Klägers mit einem Wertersatzanspruch. in Höhe von 6.153,65 € auf. Der darüber hinausgehende Wertersatzanspruch ist Gegenstand des nachfolgenden Hilfswiderklageantrags.
Die Beklagte beantragt hilfsweise widerklagend, festzustellen, dass der Kläger verpflichtet ist, der Beklagten Wertersatz für den Wertverlust des BMW Mini Cooper mit der Fahrgestellnummer zu leisten, der auf einen Umgang mit dem Fahrzeug zurückzuführen ist, der zur Prüfung der Beschaffenheit, der Eigenschaften und der Funktionsweise nicht hotwendig war und der. über den anhand der gefahrenen Kilometer zu ermittelnden Wertersatz nach der Wertverzehrtheorie hinausgeht.
Der Kläger beantragt,die Widerklage abzuweisen.
Der Kläger ist der Ansicht, er schulde infolge der falschen Belehrung keinen Wertersatz nach § 357 Abs. 7 BGB.
Entscheidungsgründe
I.
Die Klage ist zulässig. Die örtliche Zuständigkeit für den ursprünglichen Antrag Ziff; 1 (nunmehr abgeändert in den Klagantrag Ziff. 4) folgt aus § 29 ZPO, da es sich um eine negative Feststellungsklage des Klägers als Darlehensnehmer gegen die beklagte Bank handelt. Nach richtiger Ansicht ist für Klagen dieses Typs der Wohnsitz des Darlehensnehmers maßgebend (Zöller/Schultzky, ZPO, 32. Aufl. 2018, § 29 Rn. 25 »negative Feststellungsklage“ m. w. Nachw.).
Die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Ravensburg für die zuletzt gestellten Klageanträge Ziff. 1 bis 3 folgt ebenfalls aus § 29 ZPO, da der Wohnsitz des Klägers der gemeinsame Erfüllungsort für die Erbringung der. Leistungen zur Rückabwicklung bei widerrufenen verbundenen Verträgen ist, wenn es sich dabei uni eine Verbindung eines Kaufvertrags über die Lieferung einer Sache und einen Darlehensvertrag handelt. Für die Leistungspflichten nach Rücktritt von einem Kaufvertrag ist dies die herrschende Meinung. Das Gleiche muss wegen der vergleichbaren Interessenlage auch bei Widerruf eines Kaufvertrages gern. § 355 BGB gelten (Palandt/Grüneberg, BGB, 78. Aufl. 2019, § 269 Rn. 16 m. w. Nachw;). Bei dem Widerruf eines Darlehensvertrages, der mit einem Kaufvertrag verbunden ist, entfällt gern, § 358 Abs. 2 BGB auch die Bindung an den Kaufvertrag, und die Bank tritt gern, § 358 Abs. 4 S. 5 BGB hinsichtlich der Rechtsfolgen des Widerrufs in die Rechte und Pflichten des Unternehmers aus dem verbundenen Kaufvertrag ein, so dass konsequenterweise der gemeinsame Erfüllungsort für die beiderseitigen Ansprüche nach Widerruf der beiden verbundenen Verträge am Wohnsitz des Käufers liegt.
Ein Rechtsschutzbedürfnis besteht im Hinblick auf die Zwangsvollstreckung (vgl. §§ 322 Abs. 2, 3; 274 Abs. 2 BGB) auch für den Klageantrag Ziff. 2 (Feststellung des Annahmeverzugs). Gegen die Zulässigkeit der Hilfswiderklage der Beklagten bestehen ebenfalls keine Bedenken.
II.
Die negative Feststellungsklage gern. Klagantrag Ziff. 1 ist begründet, da sich der Darlehensvertrag durch den Widerruf des Klägers vom 17.08.2018 in ein
Rückabwicklungsverhältnis umgestaltet hat, und die Beklagte somit keinen Anspruch mehr auf Zahlung der Zins- und Tilgungsleistungen hatte.
1.
Gern. § 495 Abs. 1 BGB, Art. 247 § 6 Abs. 1, Abs. 2 EGBGB (BGB und EGBGB jeweils in der bei Darlehensantragstellung am 27.08.2016 geltenden Fassung) ist der Darlehensnehmer klar und verständlich über das Widerrufsrecht zu informieren (Palandt/Weidenkaff, BGB, 78. Aufl. 2019, Art. 247 § 6 EGBGB Rn; 5). Die Angaben müssen umfassend, unmissverständlich und eindeutig sein. Der Verbraucher soll durch, sie nicht nur von seinem Widerrufsrecht Kenntnis erlangen, sondern auch in die Lage versetzt werden, dieses auszuüben. Leitbild ist der normal informierte, angemessen aufmerksame und verständige Verbraucher (BGH, Urteil vom 22.11.2016, – XIZR .434/15 juris Rn. 14).
Sind die Angaben nicht klar und verständlich, beginnt die Widerrufsfrist erst zu laufen, wenn die Belehrungen nachgeholt werden (§§ 356b Abs. 2 S. 1, 492 Abs. 2, 6 BGB, Art. 247 §§ 6 bis 13 EGBGB).
Die vorliegende vertragliche Widerrufsinformation ist im Hinblick auf die Rechtsfolgen des Widerrufs missverständlich, weil die Rechtsfolgen des Widerrufs für den Darlehensnehmer in der Widerrufsinformation unrichtig dargestellt. werden. Der Verbraucher wird dort unrichtig belehrt, er müsse nach dem Widerruf die Darlehensvaluta an den Darlehensgeber zurückzahlen, ‘ und außerdem wird er unrichtig belehrt, er müsse für den Zeitraum zwischen der Auszahlung und der Rückzahlung des Darlehens den vereinbarten Sollzins entrichten.
Die Pflicht, den. Darlehensnehmer über sein Widerrufsrecht zu unterrichten, folgt bei verbundenen Geschäften nicht aus Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB, sondern (in Umsetzung von Art. 10 Abs. 2 lit: q Richtlinie 2008/48/EG) aus Art. 247 § 12 Abs. I S. 2 Nr. 2 b EGBGB (Herresthal, Der Widerruf von Verbraucherdarlehen und damit verbundener Kfz.- Kaufverträge, ZIP 2018, S. 753 ff.). Danach hat der Darlehensgeber in den Darlehensvertrag Informationen über die sich aus den §§ 358 und § 359 oder § 360. des Bürgerlichen Gesetzbuches ergebenden Rechte und über die Bedingungen für die Ausübung dieser Rechte aufzunehmen. Mithin ist nach dieser Vorschrift auch auf den Widerrufsdurchgriff hinzuweisen und auf die besonderen Modalitäten der Rückabwicklung gern. § 358 Abs. 4 BGB einzugehen (Herresthal, a.a. O., S. 763).
< Zu informieren ist der Darlehensnehmer somit bei der vorliegenden Verbindung eines Kaufvertrags mit einem Darlehensvertrag auch darüber, dass der Darlehensgeber nach Widerruf bei verbundenen Geschäften keinen Anspruch auf Rückzahlung der Darlehensvaluta gegenüber. dem Darlehensnehmer hat. Die Regelung des § 358 Abs. 4 S. 5 BGB führt nach h. M. in Rechtsprechung und Literatur dazu, dass der Anspruch des Darlehensgebers auf Rückzahlung der Darlehensvaluta mit dem Anspruch des Darlehensnehmers auf Rückzahlung des Kaufpreises gegenüber dem Verkäufer saldiert wird, ohne dass es dazu einer Aufrechnung bedarf (BGH, Urteil vom 03.03.2016 - IX ZR 132/15 Urteil vom 01.03.2011 - II ZR 297/08 Palandt/Grüneberg, BGB, 78. Aufl. 2019, § 358 Rn. 21; m. w. Nachw.; Staudinger/Herresthal, BGB, Neubearbeitung 2016, § 358 Rn. 199; a. A. OLG Stuttgart, Urteil vom 29.04.2019 - 6 U 78/18 -). ’
- Daraus folgt zwingend, dass nach dem Widerruf keine Verzinsung der Darlehensvaluta gern. § 357a Abs. 3 S. 1 BGB mehr geschuldet wird. Aufgrund der Saldierung des Darlehensrückzahlungsanspruchs mit dem Kaufpreisrückzahlungsanspruch gibt es nach Widerruf des Darlehens keine Grundlage mehr für einen Zinsanspruch (Staudinger/Herresthal, a.a.O, § 358 Rn. 207.1; a. A, OLG Stuttgart, Urteil vom 29.04.2019 – 6 U 78/18′ Soweit das OLG Stuttgart (Urteil vom 29.04.2019, a. a. 0., S. 10) den Anspruch des Darlehensgebers auf Zinszahlung ab Widerrufserklärung bis zur Rückzahlung auf die vollharmonisierende Wirkung der Verbraucherkreditrichtlinie (Richtlinie 2008/48/EG) gründet, kann dem nicht gefolgt werden. Die Richtlinie enthält für die Rückabwicklung verbundener Verträge in Art. 15 keine konkrete Regelung, sondern überlässt die Ausgestaltung gern. Art. 15 Abs. 2 S. 2 den Mitgliedstaaten. Eine richtlinienkonforme Auslegung im oben genannten Sinne hat daher keine ausreichende Grundlage.
2.
Die Gesetzlichkeitsfiktion gern. Art. 247 § 6 Abs. 2 S. 1 und § 12 Abs. 1 S. 3 EGBGB greift zugunsten der Beklagten nicht ein.
Ob die Beklagte das Muster gern, Anl. 7 zu Art. 247 § 6 Abs. 2 und § 12 Abs. 1 EGBGB richtig verwendet hat, kann im Ergebnis offen bleiben. Die Beklagte kann sich auf diesen Musterschutz schon deshalb nicht berufen, weil sie in Ziff. 10.3 der Allgemeinen Darlehensbedingungen die Aufrechnungsbefugnis und das Zurückbehaltungsrecht des Darlehensnehmers gravierend eingeschränkt hat.
Nach dispositivem Recht könnte sich der Darlehensnehmer nach einem Darlehenswiderruf gegen den. laut der vorliegenden. unrichtigen Widerrufsinformation angeblich bestehenden Darlehensrückzahlungsanspruch der Bank zur Wehr setzen indem er mit. seinem Kaufpreisrückzahlungsanspruch gegen diesen Anspruch aufrechnet. Ziff. 10.3 der Allgemeinen Darlehensbedingungen der Beklagten erlaubt dem Darlehensnehmer jedoch nur die Aufrechnung mit unbestrittenen oder rechtskräftig titulierten Forderungen, und auch die Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts wird ihm nur gestattet, wenn es auf Ansprüchen aus dem Darlehensvertrag beruht. Durch diese Einschränkungen wird dem Darlehensnehmer die an sich bestehende Möglichkeit genommen, mit Ansprüchen gegen den Verkäufer aufzurechnen (etwa mit der Förderung auf Rückzahlung des Kaufpreises) öder aus diesem Verhältnis zumindest ein Zurückbehaltungsrecht herzuleiten.
Hinzu kommt, dass eine solche Einschränkung der Aufrechnungsbefugnis in AGB von ■Darlehensverträgen nach der BGH-Rechtsprechung eine unzulässige Erschwerung des Widerrufsrechts gern. § 361 Abs. 2 S. 1 BGB darstellt und darin außerdem eine unangemessene Benachteiligung des Kunden gern. § 307 Abs..1, Abs. 2 Nr. 1/BGB zu sehen ist (BGH, Urteil vom 20.03.2018 – XI ZR 309/16 -Juris Rn. 19 ; Urteil vom 25.04.2017 -XI ZR 108/16 juris Rn. 21).
Angesichts dieser zusätzlichen und außerdem rechtlich unzulässigen Erschwernis für den Darlehensnehmer verstoßt es gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB), wenn sich die Beklagte auf den Musterschutz beruft. Wenn die Beklagte den Darlehensnehmer nicht nur unrichtig über die Rechtsfolgen des Widerrufs informiert, sondern darüber hinaus die nach dispositivem Recht bestehenden Einwendungen des Darlehensnehmers beschneidet, ihn also doppelt benachteiligt, und dazu noch unter Verstoß gegen §§ 361 Abs. 2, 307 BGB, erscheint die Berufung auf den Musterschutz als rechtsmissbräuchlich.
3.
Dem Widerruf, steht nicht der Einwand der Verwirkung oder der Einwand des Rechtsmissbrauchs entgegen.
Für die Annahme einer Verwirkung fehlt es bereits am erforderlichen Zeitmoment. Zum Zeitpunkt des Widerrufs war der Darlehensvertrag erst rund zwei Jahre gelaufen und :der vereinbarte Rückzahlungszeitraum für das Darlehen war noch nicht beendet.
Es ist auch nicht rechtsmissbräuchlich, wenn ein Verbraucher von seinem gesetzlichen Widerrufsrecht Gebrauch macht und dabei davon profitiert, dass die Widerrufsfrist wegen einer unrichtigen Widerrufsinformation nicht angelaufen ist Der Gesetzgeber hat dies ausdrücklich so vorgesehen. Die Motive des Käufers für die Ausübung seines Widerrufsrechts sind dabei völlig unerheblich (genauso irrelevant wie die Motive einer Bank oder eines Darlehensnehmers bei Abschluss eines Darlehensvertrages). Der Widerrufsberechtigte kann über den Widerruf völlig frei entscheiden.
III.
Der Klageantrag .Ziff. 2 ist begründet.
1.
Der Widerruf ist. nicht verfristet, da die Beklagte den Kläger nicht ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht informiert hat (s. o.).
2.
Nachdem der Darlehensvertrag durch den Widerruf in ein Rückabwicklungsschuldverhältnis umgewandelt worden ist, steht dem Kläger gern. §§ 355 Abs. 3, 357a Abs. 1, 358 Abs. 4 S. 5 BGB ein Anspruch gegen die Beklagte auf Rückzahlung der an die Beklagte geleisteten Darlehensraten in Höhe von 16.126,56 €, aber auch der aus eigenen Mitteln des Klägers an die Verkäuferin geleisteten Anzahlung in Höhe von 4.500,— € zu, da nach dem Zweck des § 358 Abs. 4 S. 5 BGB die Rückabwicklung ausschließlich zwischen Darlehensnehmer und Darlehensgeber erfolgen soll (vgl. BGH, Urteil, vom 10,03.2009 – XI ZR 33/08 juris Rn, 27; Palandt/Grüneberg, BGB, 78. Aufl. 2019, § 358 Rn. 21). Insgesamt beläuft sich der Rückzahlungsanspruch also auf 20.626,56 €.
Die Übergabe des Fahrzeugs wird zwar als Vorleistung geschuldet. Dennoch hat gern. § 322 Abs. 2 BGB eine Verurteilung der Beklagten zur Leistung nach Empfang der Gegenleistung zu erfolgen.
Die. Hauptforderung ist nicht zu verzinsen, da sie erst nach Herausgabe des Fahrzeugs geschuldet wird und wegen dieser Vorleistungspflicht noch nicht fällig ist.
3.
Die Hilfsaufrechnung durch die Beklagte mit einem angeblichen Anspruch auf Wertersatz in Höhe von 6.153,65 € greift nicht durch, denn die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Wertersatz gem., § 357 Abs. 7 BGB liegen nicht, vor. Im vorliegenden Fall war nämlich die Belehrung über die Rechtsfolgen des Widerrufs nicht korrekt. Folglich schuldet der Kläger keinen Wertersatz:
Der Anspruch auf Wertersatz setzt gern. § 357 Abs. 7 Nr. 2 BGB voraus, dass der Unternehmer seine Informationspflicht gern. Art. 247 § 12 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 b EGBGB ordnungsgemäß erfüllt hat. Bei verbundenen Verträgen wie in vorliegendem Fall gilt § 357 BGB über § 358 Abs, 4 S. 1 BGB entsprechend, wobei die Pflicht, , den Darlehensnehmer über sein Widerrufsrecht zu unterrichten, nicht aus Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB, sondern aus Art.. 247 § 12 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 b EGBGB folgt (Herresthal, Der Widerruf von Verbraucherdarlehen und damit verbundener Kfz.-Kaufverträge, ZIP 2018, S. 753 ff., s, auch oben II. 1.).
Die Belehrung muss ordnungsgemäß, also vollständig und richtig sein; bei einer fehlerhaften Belehrung besteht kein Wertersatzanspruch (LG Berlin, Urteil vom 29.01.2019 – 4 0 20/18 diesel-widerruf.de). Der teilweise vertretenen Auffassung, dass § 357 Abs. 7 restriktiv in dem Sinne auszulegen sei, dass die Belehrung nur in Bezug auf die Wertersatzpflicht richtig sein müsse (LG München, Urteil vom 09.02.2018 – 29 0 14138/17-, juris Rn. 77; Nordholtz/Bleckwenn, Widerrufsbelehrung bei verbundenen Verträgen und Wertersatzpflicht des Verbrauchers, NJW 2017,2497), kann nicht gefolgt werden. Eine richtlinienkonforme Auslegung steht einem solchen Verständnis entgegen. Denn in Art 14 Abs. 2 S. 2 i. V. m. Art. 6 Abs. 1 h) Richtlinie 2011/83/EG ist hierzu unmissverständlich geregelt, dass der Verbraucher in keinem Fall für den Wertverlust der Waren haftet, wenn” er nicht in klarer und verständlicher Weise über die Bedingungen; Fristen und Verfahren für die. Ausübung des Widerrufsrechts gern. Art. 11 Abs. 1 sowie das Muster-Widerrufsformular gemäß Anhang I Teil B belehrt wurde.
Im vorliegenden Fall hat die Beklagte ihre Informationspflicht gern. Art. 247 § 12 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 b EGBGB nicht ordnungsgemäß erfüllt, und sie kann sich auch nicht auf den Musterschutz berufen. Insoweit wird auf die Ausführungen oben unter II. 1. und 2. verwiesen.
IV.
Gern. Klageantrag Ziff. 3 war festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des Fahrzeugs in Annahmeverzug befindet Die Beklagte hat das im Klagantrag Ziff. 2 liegende Angebot des Klägers zur Herausgabe des Fahrzeugs definitiv abgelehnt, indem sie. auf der Wirksamkeit des Darlehensvertrages beharrt hat’ und der Klage mit umfänglichem Klagabweisungsantrag entgegengetreten ist. Daher war das in dem Klagantrag Ziff. 2 liegende wörtliche Angebot des Klägers gem. §§293, 295 S. 1 BGB ausreichend, so dass sich die Beklagte nunmehr mit der Rücknahme in Annahmeverzug befindet.
V.
Der Klagantrag Ziff. 4 betreffend die außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten ist unbegründet, da dem Kläger kein. Anspruch gegen die Beklagte auf Erstattung seiner Rechtsanwaltskosten zusteht. Nach den Grundsätzen der Vorteilsausgleichung liegt in den von dem Kläger aufgewendeten Anwaltskosten kein Schaden, denn der durch die fehlerhafte Widerrufsbelehrung ausgelöste Anspruch auf Rückabwicklung ohne Anrechnung eines Wertersatzanspruchs ist als Vorteil dem entstandenen Schaden (Verpflichtung zur Bezahlung der Anwaltskosten) gegenzurechnen. Nachdem dieser Vorteil des Klägers betragsmäßig größer ist als die Rechtsanwaltskosten, verbleibt nach der Vorteilsausgleichung kein Restschaden.
VI.
Die Hilfswiderklage hat keinen Erfolg, da der Kläger schon dem Grunde nach keinen Wertersatz für eine Verschlechterung der Sache schuldet (s. o. III. 3).
VII.
Nach §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO hat die Beklagte sämtliche Kosten zu tragen, da die teilweise Klagabweisung wegen der im Klagantrag Ziff. 2 geforderten Zinszahlung und wegen der im Klagantrag Ziff. 4 geforderten Bezahlung von Anwaltskosten einen im Verhältnis zum Gesamtstreitwert geringfügigen Betrag betrifft und dadurch keine Mehrkosten entstanden sind.
Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 709 ZPO
Rechtsbehelfsbelehrung:
Gegen die Entscheidung, mit der der Streitwert festgesetzt worden ist; kann Beschwerde eingelegt werden, wenn der Wert, des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt’ oder das Gericht die Beschwerde zugelassen hat. Die Beschwerde ist binnen sechs Monaten bei dem Landgericht Ravensburg, Manenplatz 7, 88212 Ravensburg einzulegen.
Die Frist beginnt mit Eintreten der Rechtskraft der Entscheidung in der Hauptsache oder der anderweitigen Erledigung des Verfahrens. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf der sechsmonatigen Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. Im Fall der formlosen Mitteilung gilt der Beschluss mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gemacht.
Die Beschwerde ist schriftlich einzulegen oder, durch Erklärung zu Protokoll der Geschäftsstelle des genannten Gerichts. Sie kann auch vor der Geschäftsstelle jedes Amtsgerichtes zu Protokoll erklärt werden; die Frist ist jedoch nur gewahrt, wenn das Protokoll rechtzeitig bei dem oben genannten Gericht eingeht. Eine anwaltliche Mitwirkung ist nicht vorgeschrieben. Rechtsbehelfe können auch als elektronisches Dokument eingelegt werden. Eine Einlegung per E-Mail Ist nicht zulässig. Wie Sie bei Gericht elektronisch einreichen können, wird auf www.ejustice-bw.de beschrieben.
Ausgefertigt! – Beglaubigt!
Ravensburg, den 02.08.19
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