Urteil im Abgasskandal, Landgericht Nürnberg-Fürth, Urteil vom 22.08.2019, Aktenzeichen: 9 O 9246/18
— Kläger
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Dr. Ghendler & Ruvinskij Anwaltskanzlei, Aachener Straße 1, 50674 Köln, Gz.: —
gegen
Volkswagen AG, vertreten durch d. Vorstand Herbert Diess u. a., Berliner Ring 2, 38440 Wolfsburg – Beklagte –
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte KSP Kanzlei Dr. Seegers, Dr. Frankenheim, Rechtsanwaltsges.mbH, Kaiser-Wilhelm-Straße 40, 20355 Hamburg, Gz.: —
wegen Abgassoftware
erlässt das Landgericht Nürnberg-Fürth – 9. Zivilkammer – durch den Richter am Landgericht Krüger als Einzelrichter aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 11.07.2019 folgendes
Endurteil
- Die Beklagte wird verurteilt, an die Klagepartei
a) 12.719,26 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit 29.01.2019,
b) Zinsen in Höhe von 4% p.a. ab dem 21.02.2012 bis 28.01.2019 auf einen Betrag in Höhe von 15.050,00 EUR
c) und 604,92 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit 29.01.2019 zu zahlen, jeweils Zug-um-Zug gegen Übereignung und Übergabe des Fahrzeugs VW Golf Comfort TDI, Fahrzeug-Ident.-Nr. –, zu zahlen.
- b)
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- Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
- Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
- Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 13.735,14 € festgesetzt.
Tatbestand
Die Klagepartei begehrt gegen die Beklagte im Wege des Schadensersatzes die Rückabwicklung eines Kaufvertrags über einen PKW.
Die Klagepartei erwarb am 06.07.2015 von der Volkswagen Zentrum Fürth Pillenstein GmbH das aus dem Tenor zu 1. ersichtliche Fahrzeug Skoda Superb (sic!) zu einem Kaufpreis von 15.050,00 € bei einem Kilometerstand von 26.442 km. Das Fahrzeug wurde mit einem Dieselmotor des Typs EA189 ausgestattet, welchen die Beklagte hergestellt hat. Das Fahrzeug wurde der Klagepartei nachfolgend übergeben, der Kaufpreis wurde von ihr an den Verkäufer gezahlt. Durch Finanzierung des Fahrzeugs sind auf Klägerseite Zinsen von 604,92 Euro angefallen.
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In Pressemitteilungen vom 20.09.2015 und 22.09.2015 hat der Vorstandsvorsitzende der Beklagten, Dr. Martin Winterkorn, eingeräumt, dass auf den durch die Beklagte hergestellten Motoren des Typs EA189 eine Software mit Umschaltlogik installiert sei, abhängig davon, ob das Fahrzeug in einem Testlabor den sog. „Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ), Modus 1, durchfährt oder auf der Straße betrieben wird, Modus 0. Nachfolgend hat die Beklagte ein Software-Update dazu bereitgestellt, welches dazu führt, dass im Straßenverkehr ausschließlich noch ein adaptierter Modus 1 zur Anwendung kommt.
Die Klagepartei behauptet, das Fahrzeug habe im Hinblick auf die Abgasreinigung über eine versteckte Software, eine sog. „Abschalteinrichtung“ verfügt, die erkennen könne, ob das Fahrzeug in einem Testlabor oder auf der Straße betrieben werde. Wenn sie einen Testzyklus erkenne, ändere sie die Abgasreinigung, um die Emissionen in Übereinstimmung mit den geltenden Normen zu bringen. Außerhalb des Testzyklus senke die Software die Emissionskontrolle, was zu NOx-Emissionen weit über die zulässigen Grenzen hinaus führe.
Die Klagepartei behauptet, die Wirksamkeit des Updates sei umstritten, ferner besitze das Fahrzeug danach einen schnelleren Verschleiß, die Lebenserwartung des Fahrzeugs sei reduziert. Zudem hätten Fahrzeuge der gleichen Fahrzeugklasse wie das streitgegenständliche Fahrzeug auf dem Markt für den Wiederverkaufsfall eine allgemeine Wertminderung erlitten. Die Klagepartei argumentiert, die Wirksamkeit des Updates sei umstritten und stelle daher für sie keine Schadensbehebungsmaßnahme dar.
Die Klagepartei beantragt zuletzt:
1) Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerseite einen Betrag in Höhe von
13.130,22 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB, mindestens jedoch 4 % p.a. ab Rechtshängigkeit binnen sieben Tagen nach Übereignung und Übergabe des Fahrzeugs VW Golf Comfort TDI, Fahrzeug-Ident.-Nr. –, zu zahlen.
2) Die Beklagte wird verurteilt, Zinsen in Höhe von 4% p.a. ab dem 21.02.2012 bis
Rechtshängigkeit auf einen Betrag in Höhe von 15.050,00 EUR zu zahlen.
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3) Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerseite einen Betrag in Höhe von 604,92 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
4) Es wird festgestellt, dass die Beklagte sich mit der Entgegennahme des Fahrzeugs aus dem Antrag zu 1) in Annahmeverzug befindet.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte erklärt, die eingebaute Software stelle keine sog. „Abschalteinrichtung” dar, da sie erstens nicht auf das Emissionskontrollsystem einwirke, sondern dazu führe, dass Abgase beim Durchfahren des NEFZ (Neuer Europäischer Fahrzyklus) in den Motor zurückgeführt würden, bevor sie überhaupt das Emissionskontrollsystem erreichten und zweitens nicht im realen Fahrbetrieb auf das Emissionskontrollsystem einwirke. Die Software kenne zwei unterschiedliche Betriebsmodi, die die Abgasrückführung steuerten. Im NOx-optimierten Modus 1, der im NEFZ aktiv sei, komme es zu einer höheren Abgasrückführungsrate. Unter Fahrbedingungen, die im normalen Straßenverkehr vorzufinden seien, sei der partikeloptimierte Modus 0 aktiv. Das Fahrzeug befinde sich im normalen Straßenverkehr durchgehend im Modus 0. Nach der Installation des Software-Updates werde das Fahrzeug nur noch im adaptierten Modus 1 betrieben, der bisher im Ursprungs-Modus 1 praktisch ausschließlich in Prüfsituationen aktiv gewesen sei.
Die Beklagte bestreitet, dass eines ihrer Vorstandsmitglieder im Zeitpunkt des Kaufs des Fahrzeugs durch die Klagepartei Kenntnis von der auf dem Motor des Typs EA189 installierten streitgegenständlichen Software gehabt habe.
Durch das vom KBA genehmigte Software-Update würden keine technischen Nachteile,insbesondere höheren Kraftstoffverbrauch, höhere CO2-Werte oder Reduzierung der Lebensdauer für das Fahrzeug der Klagepartei entstehen.
Auf den schriftsätzlichen Parteivortrag inklusive jeweiliger Anlagen und das Terminsprotokoll wird Bezug genommen.
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Im Haupttermin haben die Parteien einen Kilometerstand zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung von 68.807 km unstreitig gestellt.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig und in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Im Übrigen ist die Klage unbegründet.
- – Zulässigkeit
Die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Nürnberg-Fürth insbesondere ergibt sich daraus, dass nach klägerischem Vortrag der Taterfolg der geltend gemachten unerlaubten Handlung (also Schadenseintritt nach Betrug in mittelbarer Täterschaft durch die Verkäuferin als vorsatzloses Werkzeug) in Fürth begangen worden sein soll.
- – Begründetheit
Der Klagepartei steht hingegen gegen die Beklagte ein Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 263 Abs. 1, 25 Abs. 1 Satz 2 StGB zu.
Die Beklagte haftet als mittelbare Täterin gemäß § 25 Abs. 1 Fall 2 StGB für den durch die Verkäuferin als vorsatzloses Werkzeug begangenen Betrug (§ 263 Abs. 1 StGB) der Klagepartei auf Ersatz der ihr aus dem Kauf des streitgegenständlichen Pkw entstandenen Schäden (§ 823 Abs.
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In das streitgegenständliche Fahrzeug ist ein von der Beklagten hergestellter Motor (EA 189) eingebaut worden, der eine unzulässige Abschalteinrichtung aufweist. Dies steht fest auf Grund des Bescheids des KBA vom 14.10.2015 bzw. 11.12.2015, auf den das KBA in seinem beklagtenseits als Anlage vorgelegten Schreiben Bezug nimmt. Zudem stellt ein Programm, das eine auf dem Prüfstand erhöhte Rückführung und Verbrennung von Abgasen (Modus 1) bei Fahrten auf öffentlichen Straßen abschaltet (Modus 0), eine Konstruktion dar, mit der eine wirksame Kontrolle und Einschränkung der im normalen Betrieb zu erwartenden Emissionen (hier: Stickoxide) verhindert wird.
Diese Tatsache war zum Zeitpunkt des Abschlusses des streitgegenständlichen Kaufvertrags unstreitig weder der Klagepartei noch der Verkäuferin bekannt. Die Beklagte ist aber verpflichtet gewesen (§ 13 StGB), als Herstellerin des Motors über dessen (technische) Abweichung von den gesetzlichen Vorgaben sowohl für den Erhalt der Typengenehmigung (Art. 4 Absatz 2 VO/EG 715/2007) das KBA als auch, weil dies unterblieben war, spätestens zum Zeitpunkt des vorliegen den Fahrzeugkaufs die entsprechenden Kraftfahrzeug-Händler davon zu unterrichten. Es bestand daher bei der Klagepartei ein von der Beklagten durch Verschweigen verursachter Irrtum über das Vorhandensein einer unzulässigen Abschalteinrichtung.
Mangels hinreichend konkreter Darlegungen der Beklagten ist davon auszugehen, dass der Vorstand, ein Mitglied des Vorstands oder ein anderer verfassungsmäßig berufener Vertreter (vgl. S 31 BGB) der Beklagten die Anordnung traf, die streitgegenständliche Manipulationssoftware in den Motor EA 189 einzubauen und dies geheim zu halten. Genauere Feststellungen diesbezüglich sind aufgrund der Besonderheiten der streitgegenständlichen Problematik nicht erforderlich, genauerer Vortrag hinsichtlich der bei der Beklagten verantwortlichen Personen kann von der Klagepartei, die Verbraucher ist und keinerlei Kenntnisse über die Strukturen der Beklagten haben muss, nicht verlangt werden. Vielmehr ist es allein die Beklagte, die interne Ermittlungen durch führen lässt und Auskunft über die handelnden Personen geben könnte, was sie aber weder im vorliegenden Verfahren noch in anderen, dem Gericht bekannten gleichgelagerten Fällen tut.
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Ein Hinweis gemäß § 139 ZPO musste diesbezüglich nicht erfolgen, da die Beklagte mehrfach geäußert hat, Einzelheiten zu handelnden Personen nicht mitteilen zu wollen. Auch nach Hinweisen anderer Gerichte (vgl. LG Offenburg, Urt. v. 12.05.2017, Az. 6 O 119/166, BeckRS 2017, 109841) erfolgte kein konkretisierender Vortrag diesbezüglich. Die Beklagte trägt hinsichtlich ihrer Entscheidungsstrukturen im Hinblick auf die streitgegenständliche Problematik die sekundäre Darlegungslast, insbesondere hinsichtlich des behaupteten Umstands, dass die Entscheidung unterhalb der Vorstandsebene getroffen worden sei (vgl. LG Paderborn, Urt. v. 07.04.2017, Az. 20 118/16). Diese Behauptung ist ohne nähere Begründung nicht glaubhaft. Vielmehr spricht bereits eine tatsächliche Vermutung dafür, dass eine Entscheidung mit dieser Tragweite (unstreitig sind von der streitgegenständlichen Problematik insgesamt mehr als 10 Millionen Fahrzeuge betroffen) nicht unterhalb der Vorstandsebene getroffen werden konnte. Hinzu kommt, dass angesichts der lange bekannten technischen Problematik, die Euro 5-Norm erfüllen zu müssen, ohne dass es gleichzeitig zu (nachteiligen) Leistungsänderungen oder Motorschäden kommt, für den Vorstand der Beklagten ein deutlicher Anlass zu einer genaueren Überprüfung der Abläufe in ihrem eigenen Unternehmen bei der Herstellung der Motoren bestanden hätte, als aus Sicht der für die Motorenentwicklung zuständigen Mitarbeiter die Auflösung dieser technischen Problematik auf einmal gelungen war (vgl. LG Krefeld, Urt. v. 19.07.2017, Az. 70 147/16, BeckRS 2017, 117776).
Etwas anderes ergibt sich auch nicht im Hinblick auf die Rechtsprechung des BGH mit Urteil vom 28.06.2016, Az. VI ZR 536/15. Insoweit unterscheidet die streitgegenständliche Thematik sich grundsätzlich von der Thematik des zitierten BGH-Urteils. So handelte es sich in diesem BGH-Urteil um einen Fall der Prospekthaftung (8 826 BGB), wobei es wohl nur ein Vorstandsmitglied der dortigen Beklagten gegeben hat und der BGH den personellen Charakter der Haftung nach § 826 BGB betont. Vorliegend handelt es sich bei der Beklagten um einen großen Autokonzern, bei dem die Entscheidungsstrukturen für Außenstehende nicht einsehbar sind, wobei zu berücksichtigen ist, dass der Begriff des „verfassungsmäßig berufenen Vertreters“ i.S.d. § 31 BGB weit zu verstehen ist, so dass es sich nicht zwingend um ein Vorstandsmitglied handeln muss. Es genügt, dass ihm durch die allgemeine Betriebsregelung und Handhabung bedeutsame wesensmäßige Funktionen der juristischen Person zur selbständigen, eigenverantwortlichen Erfüllung zugewiesen sind und er die juristische Person insoweit repräsentiert (Palandt/Ellenberger, a.a.O., § 31 BGB, Rn. 6, m.w.N.). Hinzu kommt, dass auch nach BGH-Rechtsprechung die Frage der Wissenszurechnung von Organvertretern der juristischen Personen jedenfalls im Rahmen der Arglist nicht logisch-stringent, sondern nur in wertender Betrachtung zu entscheiden ist (vgl. BGH NJW)
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Daraus folgt, dass bereits aufgrund des bestehenden enormen Informationsgefälles zwischen den Kunden und der Beklagten diese jedenfalls im Rahmen der sekundären Darlegungslast (ggf. Zwischen-)Ergebnisse der internen Ermittlungen vorzutragen hat. Für die Beklagte wäre es möglich, die Entscheidungsstrukturen hinsichtlich der streitgegenständlichen Problematik so nachvollziehbar darzulegen, ohne einzelne Personen der Gefahr strafrechtlicher Verfolgung auszusetzen, dass die oben geäußerte tatsächliche Vermutung widerlegt wird. Ein solcher Vortrag fehlt jedoch.
Der Abschluss des Kaufvertrags und die anschließende Zahlung des Kaufpreises durch die Kla gepartei an die Verkäuferin stellte eine Vermögensverfügung dar, die zur Schadensentstehung führen kann und im Falle einer behördlichen Stilllegungsanordnung oder eines anderweitigen behördlich veranlassten Verlusts der Zulassung bzgl. des Fahrzeugs auch führen wird. Die Beklagte handelte in der Absicht, den Verkäufer als Dritten i.S.d. § 263 StGB zu bereichern. Die unmittelbare Drittbereicherung insoweit vorsatzloser Zwischenhändler stellt sich als notwendige Voraussetzung der Erlangung eines eigenen Vermögensvorteils dar, weil ohne diese kein breiter Vertrieb der Fahrzeuge möglich wäre (LG Krefeld, a.a.O.). Die Bereicherungsabsicht bestand hinsichtlich aller Personen, die das Fahrzeug schließlich in Verkehr bringen oder weiterverkaufen, unabhängig davon, ob es sich um Neu- oder Gebrauchtfahrzeuge handelte. Insbesondere war der Beklagten bewusst, dass die Fahrzeuge mit dem von ihr hergestellten Motor in der Regel mehrfach weiterverkauft werden. Die Beklagte muss die wirtschaftlichen Folgen der garantenpflichtwidrig unterlassenen Mitteilung über die streitgegenständliche Software ungeschehen machen, indem sie Schäden erstattet, die für das Vermögen der Klagepartei aus einer möglichen behördlichen Stilllegungsanordnung bzw. aus einem Verlust der Zulassung bzgl. des Fahrzeugs eintreten.
Der Klagepartei ist in Höhe des sich aus dem Tenor zu 1. ergebenden Betrages ein Schaden entstanden.
Die Beklagte hat die Klagepartei für den Ersatz ihrer Schäden so stellen, wie wenn der auf Grund vorgenannten Täuschung erfolgte Kauf des Fahrzeugs sowie dessen Bezahlung, Übergabe und Übereignung unterblieben wären (§ 249 Absatz 1 BGB).
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- aa)
Daraus folgt zunächst, dass die Beklagte das Fahrzeug bei Erstattung des gezahlten Kaufpreises zurückzunehmen hat.
Die Klagepartei hat (nachvollziehbar) vorgetragen, sie hätte in Kenntnis der Abschalteinrichtung den Vertrag nicht geschlossen. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass es nach der BGH-Rechtsprechung ausreichend ist, wenn die Täuschung für die Vermögensverfügung des Getäuschten zumindest mitbestimmend war, sie muss also nicht alleinige Ursache sein (vgl. BGH, NStZ 1999, 558). Selbst wenn die Leistung der Beklagten objektiv werthaltig wäre, wäre ein Schaden des Käufers anzunehmen, wenn diese für die Zwecke des geschädigten Kontrahenten nicht voll brauchbar ist (vgl. LG Krefeld, a.a.O., m.w.N.). Dies ist vorliegend bereits deshalb der Fall, weil durch den Einsatz der Manipulationssoftware und die damit verbundene öffentliche Diskussion ein Weiterverkauf des Fahrzeugs nur unter Inkaufnahme eines nicht unerheblichen Preis nachlasses möglich ist, auch nach möglicher Durchführung des Software-Updates. Es liegt auch „Stoffgleichheit“ vor. Diese ist anzunehmen, wenn dieselbe Vermögensverfügung des Getäuschten, die den Täter oder einen Dritten bereichern soll, den Schaden unmittelbar herbeiführt, wobei ein der Höhe nach mit dem Schaden identischer Vorteil nicht vorausgesetzt wird (BGH, NJW 1988, 1397). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt: Der Erwerb des Fahrzeugs führte zur Schadensentstehung bei der Klagepartei und gleichzeitig zum Vermögensvorteil bei der Händlerin und auch im Ergebnis bei der Beklagten. Die Beklagte muss die wirtschaftlichen Folgen des Kaufs dadurch ungeschehen machen, dass sie den Kaufpreis gegen Herausgabe des PKWs erstattet (vgl. LG Hildesheim, Urt. v. 17.01.2017, Az. 3 0 139/16). Die Rechtsfolge des Schadensersatzanspruchs ergibt sich aus §§ 249 ff. BGB und entspricht im Ergebnis daher der der Rückabwicklung (vgl. BGH NJW 2011, 1962).
- bb)
Der der Klagepartei entstandene Schaden, der auch darin liegt, dass die Klageparteitäuschungs bedingt zum Erwerb eines so (offenkundig) nicht gewollten Fahrzeugs veranlasst wurde, und die damit verbundene Unsicherheit hinsichtlich der Werthaltigkeit des Fahrzeugs würde auch nicht nach Durchführung des von der Beklagten entwickelten Software-Updates entfallen. Die (technische) Tauglichkeit des Software-Updates ist umstritten. Das betrifft vor allem (etwaige) Schäden am Motor und dessen dauerhafte Haltbarkeit.
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– Seite 10 –
Diese Gefahren sind durch die Bestätigung des KBA nicht ausgeschlossen. Nach den dortigen Angaben sind für die Fahrzeugklasse auch des streitgegenständlichen Fahrzeugs u.a. die Schadstoff- und Geräuschemissionen, unveränderte Leistung des Motors sowie Kraftstoffverbrauchswerte überprüft worden. Damit fehlt aber die für die Käufer der betroffenen Fahrzeuge entscheidende Aussage, dass auf Grund des Updates keine Schäden am Motor auftreten und er für die übliche Dauer halten werde. I.Ü. fehlen konkrete Angaben dazu, was genau geprüft wurde, also z.B. wie viele Fahrzeuge von einem Fahrzeugtyp, welche Vergleichswerte der Prüfung zugrunde lagen etc. Eine Garantie o.ä. hat die Beklagte au Berdem bislang unstreitig nicht abgegeben. Die von der Beklagten inzwischen angebotenen „vertrauensbildenden Maßnahmen“ werden nur unter einer Vielzahl von Bedingungen gewährt (dies ist aus anderen Verfahren aus dem streitgegenständlichen Themenkomplex gerichtsbekannt), die enormes Streitpotential aufweisen und daher auch nicht als Garantie oder garantieähnliche Erklärung angesehen werden können. Eine verlässliche Erklärung der Beklagten, das Software-Update werde weder Schäden am Motor auslösen noch dessen Haltbarkeit verkürzen, wurde nicht vorgelegt. Eine Prüfung durch das KBA diesbezüglich erfolgte offenbar auch nicht, die Prüfung des KBA erfolgte nach dem Wortlaut des vorgelegten Schreibens im Hinblick darauf, ob die für die betroffenen Fahrzeuge vorgestellte Anderung der Applikationsdaten geeignet sei, die Vorschriftsmäßigkeit der genannten Fahrzeuge herzustellen. Dass durch das Software-Update keinerlei Schäden am Fahrzeug entstehen, ist daher nicht sichergestellt. Würde das Software-Update zu Folgeschäden am Fahrzeug (z. B. Motorschäden, höherer Verbrauch, verminderte Leistung) führen, wären dies keine neuen Sachmängel, sondern die Mangelbeseitigung wäre gescheitert, so dass es nicht zu einem neuen Gewährleistungsprogramm inkl. Verjährungsneubeginn käme (vgl. Reinking/Eggert: Der Autokauf, 13. Aufl., Rn. 692a, m.w.N.). Da es für die Käufer nicht absehbar ist, zu welchem Zeitpunkt mögliche Schäden auftreten können (was möglicherweise erst Jahre nach dem Software-Update erfolgt), hätten sie im Fall eines späteren Schadenseintritts keine Möglichkeit mehr, vom Vertrag zurückzutreten. Hinzu kommt, dass nach BGH-Rechtsprechung der Käufer die Darlegungs- und Beweislast dafür trägt, dass es sich um das erneute Auftreten des Mangels und nicht um unsachgemäße Behandlung nach erneuter Übernahme durch den Käufer handelt, wenn dies nach vorausgegangener Nachbesserung durch den Verkäufer ungeklärt bleibt (BGH NJW 2011, 1664, m.w.N.). Auch diesbezüglich besteht daher ein ganz erhebliches Kostenrisiko und auch keine Planungssicherheit für den Kläger. Soweit die Beklagte beantragt, zur Unschädlichkeit des Software-Updates für den Motor des Klägers ein Gutachten eines Sachverständigen zu erholen sowie Dirk Neumann als sachverständigen Zeugen zu vernehmen, muss die Klagepartei, die zur weiteren Verwendung ihres Fahrzeugs schnelle Gewissheit benötigt, solche sachverständigen Untersuchungen und Erläuterungen erst während eines gerichtlichen Verfahrens weder hinnehmen noch abwarten.
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– Seite 11 –
Es ist auch davon auszugehen, dass die betroffenen Fahrzeuge – auch nach der Durchführung des Updates – einen geringeren Wiederverkaufswert haben, dies bereits aufgrund der Berichterstattung in den Medien und der auch aktuell bestehenden Rechtsunsicherheit z.B. hinsichtlich drohender (Teil)Fahrverbote für Dieselfahrzeuge.
- CC)
Vom Preis sind die aus der Nutzung des Fahrzeugs vom Zeitpunkt der Übergabe bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gezogenen Vorteile abzuziehen, wobei der Abzug der Nutzungsentschädigung im Rahmen der Vorteilsanrechnung erfolgt (vgl. BGH NJW 2015, 3160 zur Zug-um-Zug-Verurteilung bei fehlender Gleichartigkeit zwischen Ersatzanspruch und Vorteil). Die Nutzungsentschädigung errechnet sich für das streitgegenständliche Fahrzeug aus der Multiplikation des Kaufpreises (brutto) mit der von der Klagepartei zurückgelegten Fahrstrecke geteilt durch die beim Kauf zu erwartende restliche Laufleistung. Dazu schätzt das Gericht die für das Fahrzeug zu erwartende gesamte Laufleistung auf 300.000 km, bei Kauf also noch 273.558 km. Dem klägerischen Vortrag zu dem für den Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vorgetragenen Kilometerstand von 68.807 km ist die Beklagtenseite nicht entgegengetreten. Daraus folgen gezogene Nutzungen von 2.330,74 €. Diese sind mit dem zu erstattenden Kaufpreis zu saldieren.
- dd)
Von dem gemäß § 249 Abs. 1 BGB zu ersetzenden Schaden sind auch die Finanzierungskosten in der aus dem Tenor ersichtlichen Höhe erfasst, welche unstreitig geblieben sind.
- ee)
Die Zinsentscheidung hinsichtlich dieses Anspruchs ergibt sich aus § 288 Abs. 1 BGB, wobei Verzugsbeginn bereits mit dem Tattag des vorliegenden Delikts, spätestens also mit dem hier beantragten Verzinsungsdatum, unabhängig von einer Mahnung eintritt, da sich dieser Anspruch auch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 Abs. 1 StGB ergibt. Gem. § 286 Abs. 2 Nr. 4 BGB ist der Verzugseintritt im Falle besonderer Gründe unter Abwägung der beiderseitigen Interessen ausnahmsweise auch ohne Mahnung möglich. Um einen solchen besonderen Fall handelt es sich im Falle der Geltendmachung von Schäden, die aus einer unerlaubten Handlung beziehungsweise einer Schutzgesetzverletzung erwachsen
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– Seite 12 –
Der so Handelnde unterfällt nicht dem Schutzzweck des § 286 Abs. 1 BGB, der darin besteht, den säumigen Schuldner an seine Zahlungspflicht zu erinnern. Dass § 849 BGB eine Verzinsung des zu ersetzenden Betrages ohne Mahnung nur bei der Entziehung oder Beschädigung einer Sache eintreten lässt, steht dem nicht entgegen (a.A. LG Saarbrücken, BeckRS 2017, 120402), denn § 849 BGB ist insoweit nicht abschließend, sondern als Ausfluss eines allgemeinen Rechtsgedankens zu verstehen (BGH NJW-RR 2008, 918; Palandt/Grüneberg Rn. 25; MüKoBGB/Ernst BGB § 286 Rn. 70; BeckOK BGB/Lorenz BGB § 286 Rn. 37). Der klägerische Antrag auf Feststellung von Annahmeverzug ist hingegen unbegründet, da sich die Beklagte mit der Rücknahme des Fahrzeugs nicht in Annahmeverzug gemäß § 293 BGB befindet.
Ein etwaiges Schreiben der Klagepartei an die Beklagte mit der Aufforderung zur Annahme des Fahrzeugs hat die Klagepartei nicht vorgetragen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 92 Abs. 2 Satz 1 ZPO und entspricht dem anteiligen Unterliegen der jeweils kostenbelasteten Partei, vorliegend unterliegt die Klagepartei nur geringfügig.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf 8 709 S. 1, 2 ZPO.
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Der Streitwert war entsprechend der klägerseitigen Bewertung des Zahlungsantrags festzusetzen. Nebenforderungen bleiben außer Betracht. Der Antrag auf Feststellung des Annahmeverzugs hat keinen eigenständigen wirtschaftlichen Wert (BGH NJW-RR 2010, 1295; OLG Düssel dorf, Urt. v. 28.10.2016, Az. 1-22 U 84/16, BeckRS 2016, 118018; OLG Naumburg, NJW-RR 2012, 1213).
Rechtsbehelfsbelehrung:
Gegen die Entscheidung kann das Rechtsmittel der Berufung eingelegt werden. Die Berufung ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 600 Euro übersteigt oder das Gericht des ersten Rechtszuges die Berufung im Urteil zugelassen hat.
Die Berufung ist binnen einer Notfrist von einem Monat bei demOberlandesgericht Nürnberg Fürther Str. 110 90429 Nürnberg einzulegen.
Die Frist beginnt mit der Zustellung der vollständigen Entscheidung, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung der Entscheidung.
Die Berufung muss mit Schriftsatz durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt eingelegt werden. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung der angefochtenen Entscheidung und die Erklärung enthalten, dass Berufung eingelegt werde.
Die Berufung muss binnen zwei Monaten mit Anwaltsschriftsatz begründet werden. Auch diese Frist beginnt mit der Zustellung der vollständigen Entscheidung. Gegen die Entscheidung, mit der der Streitwert festgesetzt worden ist, kann Beschwerde eingelegt werden, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt oder das Gericht die Beschwerde zugelas sen hat. Die Beschwerde ist binnen sechs Monaten bei dem Landgericht Nürnberg-Fürth Fürther Str. 110 90429 Nürnberg einzulegen.
Die Frist beginnt mit Eintreten der Rechtskraft der Entscheidung in der Hauptsache oder der anderweitigen Erledigung des Verfahrens. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf der sechsmonatigen Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. Im Fall der formlosen Mitteilung gilt der Beschluss mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gemacht.
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Die Beschwerde ist schriftlich einzulegen oder durch Erklärung zu Protokoll der Geschäftsstelle des genannten Gerichts. Sie kann auch vor der Geschäftsstelle jedes Amtsgerichts zu Protokoll erklärt werden, die Frist ist jedoch nur gewahrt, wenn das Protokoll rechtzeitig bei dem oben genannten Gericht eingeht. Eine anwaltliche Mitwirkung ist nicht vorgeschrieben.
Rechtsbehelfe können auch als elektronisches Dokument eingereicht werden. Eine einfache E-Mail genügt den gesetzlichen Anforderungen nicht.
Das elektronische Dokument muss mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder – von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden.
Ein elektronisches Dokument, das mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen ist, darf wie folgt übermittelt werden: – auf einem sicheren Übermittlungsweg oder – an das für den Empfang elektronischer Dokumente eingerichtete Elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) des Gerichts.
Wegen der sicheren Übermittlungswege wird auf § 130a Absatz 4 der Zivilprozessordnung verwiesen. Hin sichtlich der weiteren Voraussetzungen zur elektronischen Kommunikation mit den Gerichten wird auf die Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERW) in der jeweils geltenden Fassung sowie auf die Internetseite www.justiz.de verwiesen.
gez.
Krüger Richter am Landgericht
Verkündet am 22.08.2019
gez.
Schlebe, JAng Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
BAYERI
Für die Richtigkeit der Abschrift Nürnberg, 23.08.2019
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