Welche Möglichkeiten bestehen, den Anspruch durchzusetzen?

Die gerichtliche Vorgehensweise

Wer einen Anspruch gerichtlich durchsetzen will, muss diesen beziffern können. Ein stichhaltiger Vortrag zur Höhe des Antrags ist absolute Pflicht. Bisher steht noch nicht fest, wie hoch der verabredete Preisaufschlag für die einzelnen Modelle tatsächlich war. Den Aufschlag zu ermitteln ist nur durch ein wettbewerbsökonomisches Gutachten möglich. Wir arbeiten hierzu ausschließlich mit renommierten, namhaften Ökonomen zusammen. Die Preise für ein solches Gutachten variieren zwischen 20.000 € und 150.000 €, je nach Größe des Fuhrparks. Diese Kosten können als Schadensposition im Verfahren geltend gemacht werden. Außerdem besteht die Möglichkeit mit einem Prozess-Finanzierer zusammenzuarbeiten der das gesamte Kostenrisiko einer Klage trägt, also auch die Kosten für ein privates Gutachten. Als Anhaltspunkt dient der Leitfaden der EU-Kommission mit dem sperrigen Namen “Leitfaden zur Ermittlung des Schadensumfangs bei Schadensersatzklagen im Zusammenhang mit Zuwiderhandlungen gegen Artikel 101 oder 102 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union”.

Es besteht die Möglichkeit sich die Kosten für dieses Gutachten mit anderen Geschädigten zu teilen. In diesem Fall werden die Ansprüche gesammelt und in Gruppen zusammengefasst. Anschließend wird ein gemeinsames Gutachten angefertigt, welches die Betroffenen anteilig zahlen, bis die Kosten bei den Herstellern geltend gemacht werden.

Die Durchsetzung der Ansprüche vor Gericht erfolgt wiederum separat, da das deutsche Recht Sammelklagen nach amerikanischem Vorbild nicht kennt. Ob solche Sammelklagen in der Zukunft nicht doch in Einzelfällen erlaubt seien sollen, wird aber zurzeit diskutiert.

In der Vergangenheit sind schon viele positive Gerichtsurteile gegen Kartelle ergangen. Hier eine Auswahl:

  • LG Dortmund Vitaminkartell – Urteil vom 1. April 2004 · Az. 13 O 55/02
  • Kammergericht Berlin Transportbetonkartell – Urteil vom 01.10.2009 – 2 U 10/03
  • OLG Karlsruhe Löschfahrzeugkartell – Urteil vom 31.07.2013, 6 U 51/12
  • LG Berlin 2013 Aufzug- und Fahrtreppenkartell – Urteil vom 6. August 2013, 16 O 193/11
  • EuGH Rechtssache Kone – Urteil des Gerichtshofs (Fünfte Kammer) 5. Juni 2014 – C‑557/12
  • LG Nürnberg-Fürth 2015 Kaffeekartell – Urteil vom 15.10.2015, 6 O 2628/15
  • LG Mannheim März 2015 Schienenkartell – Urteil vom 13.03.2015, 7 O 110/13
  • LG Mannheim Juli 2015 Schienenkartell – Urteil vom 03.07.2015, 7 O 111/14
  • LG Düsseldorf 2015 Autoglaskartell – Urteil vom 19.11.2015, 14 D O 4/14
  • LG Frankfurt am Main 2016 Schienenkartell – Urteil vom 19.11.2015, 14d O 4/14

All diese Verfahren hatten gemeinsam, dass das jeweils entscheidende Gericht zunächst den Bußgeldbescheid als Anscheinsbeweis für den konkreten, durch das Kartell verursachten, Schaden hat genügen lassen. Danach lag es an den Kartellanten, den Gegenbeweis anzutreten, was Ihnen nur in den seltensten Fällen gelang.

2. Die außergerichtliche Vorgehensweise

Das Fehlverhalten der Hersteller steht fest, sehr vielen Käufern ist ein hoher Schaden entstanden. Trotzdem bestehen auf Seiten der geschädigten Speditionen und Transportunternehmen häufig Bedenken, Ansprüche gegen Geschäftspartner geltend zu machen. Dies liegt zum einen an dem Respekt vor den großen Namen der Hersteller. Zum anderen haben viele Geschädigte Sorge, gute, zum Teil langjährige, Geschäftsbeziehungen zu schädigen. Hier kann ein außergerichtliches Vorgehen sinnvoll sein.

Das außergerichtliche Verfahren hat den Vorteil, dass Ansprüche nicht genau beziffert werden müssen. Der Schaden wird anhand eines Kurzgutachtens ermittelt und anschließend beim Hersteller geltend gemacht. Dabei sollte größter Wert auf eine besonnene und professionelle Verhandlungsführung gelegt werden. Es gilt eine gütliche Einigung zu erzielen, die auf der einen Seite zukünftige Geschäftsbeziehungen nicht gefährdet aber auf der anderen Seite auch berücksichtigt, dass sich die Hersteller erwiesenermaßen zum Nachteil ihrer Kunden abgesprochen haben.

Aufgrund der Compliance bzw. Regeltreue der Unternehmen ist davon auszugehen, dass diese ebenfalls daran interessiert sind, die Angelegenheit ohne Rechtsstreitigkeiten beizulegen. Das Image der Unternehmen hat durch die Berichterstattung in den Medien bereits deutlich gelitten. Eine außergerichtliche Vorgehensweise wäre daher ein Entgegenkommen der Kunden, welches von Seiten der Kartellanten honoriert werden sollte.

Jedoch ist, gerade in der Anfangsphase, zu befürchten, dass die Unternehmen sich weigern werden kleineren Geschädigten Schadensersatz zu zahlen, da Sie darauf spekulieren, dass diese die Prozess- und Gutachterkosten nicht auf sich nehmen werden. In diesen Fällen sollten kleinere Unternehmen, mit einer Fuhrparkgröße unter 200 LKW, jedoch nicht nachgeben. Schließlich besteht immer die Möglichkeit, den Prozess finanzieren zu lassen und sich so mit den Herstellern auf finanzielle Augenhöhe zu stellen.

In den jeweiligen Auseinandersetzungen ist in jedem Fall diplomatisches Fingerspitzengefühl und taktisches Geschick erforderlich, um eine für beide Seiten befriedigende Lösung zu finden.

 

Welche Folgen hat das für die Geschädigten?

Betroffen sind sämtliche Käufer und Leasingnehmer die zwischen 1997 und 2011 einen neuen mittelschweren oder schweren LKW der genannten Hersteller erworben haben. Aufgrund des von den Produzenten abgesprochenen Preisaufschlages haben sowohl Käufer als auch Leasingnehmer ungefähr 10% – 25% zuviel gezahlt. Dieses Geld können Geschädigte jetzt einfordern, zuzüglich Zinsen. Wurde der LKW geleast, erhalten Geschädigte die zuviel gezahlten Leasingraten zurück. Bei einem fremdfinanzierten Kauf erhalten die Geschädigten auch die Zinsbelastung die durch den ungerechtfertigten Preisaufschlag verursacht wurde zurück.

Der dahingehende Schadensersatzanspruch ergibt sich aus § 33 Abs. 3 GWB. Da dem einzelnen Endabnehmer kaum ein Nachweis der geheimen Absprachen der Hersteller möglich ist, sind die Feststellungen der EU-Kommission gemäß für die nationalen Gerichte bindend.

 

Dieser Anspruch kann gegen jeden betroffenen Hersteller geltend gemacht werden, unabhängig davon bei welchem Hersteller der LKW erworben wurde. So kann beispielsweise der Käufer eines neuen mittelschweren LKW von MAN einen Anspruch auf Schadensersatz auch gegen Daimler oder DAF geltend machen.

Der Geschädigte kann dabei zwischen verschiedenen Vorgehensweisen wählen. Es empfiehlt sich in jedem Fall, unverbindlich prüfen zu lassen ob eine Verjährung der Ansprüche droht.

Was haben die Hersteller abgesprochen?

Insgesamt haben die Verantwortlichen der betroffenen Konzerne ihre Vorgehensweise zunächst bei geheimen Treffen und anschließend auf elektronischem Wege in drei Themenbereichen abgesprochen

1. Das Koordinieren von Bruttolistenpreisen für mittlere und schwere Lkw im Europäischen Wirtschaftsraum

Das Bruttolisten Preisniveau bezieht sich auf die Fabrikpreise von Lastkraftwagen, wie sie von jedem Hersteller festgelegt werden. Im Allgemeinen sind diese Bruttolistenpreise die Basis für die Preisfindung in der LKW-Industrie.  Der endgültige Preis, den der Kunde zahlt, basiert dann auf weiteren Anpassungen auf nationaler und lokaler Ebene.

2. Der Zeitpunkt für die Einführung von Emissionstechnologien für mittlere und schwere Lkw entsprechend der EU-Abgasnormen

3. Die Weitergabe der für die Emissionen Technologien erforderlichen Kosten an die Kunden, um die immer strengeren europäischen Emissionsnormen zu erfüllen

Lesen Sie hierzu bei Interesse auch die offizielle Pressemitteilung der EU-Kommission sowie die Stellungnahme der EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager.