Zum 21.06.2016 wurde der Widerrufsjoker für Altverträge gesetzlich abgeschafft. Sog. Alt-Verträge sind Verträge, die bis zum 10.06.2010 geschlossen wurden. Bis dahin hatte die betroffenen Verbraucher, die beim Abschluss seines Immobiliardarlehensvertrags falsch belehrt wurden, ein lebenslanges Widerrufsrecht. Da von diesem Widerrufsrecht aber unheimlich viel Gebrauch gemacht wurde, musste der Gesetzgeber dem Druck der Bankenlobby nachgeben.

Für viele Verbraucher war das ein Schlag ins Gesicht. Sie hatten den Stichtag teilweise nur knapp verpasst. Doch ein Urteil des Landgerichts München I macht Hoffnung: Womöglich ist der Widerrufsjoker für Altverträge gar nicht tot?

Die Gerichte haben sich bislang nämlich nur auf fehlerhafte Widerrufsbelehrungen konzentriert. Was aber ist, wenn wichtige Vertragsunterlagen vollständig fehlen?

Vertragsunterlagen fehlen – was sind die Folgen?

Ein Blick ins Bürgerliche Gesetzbuch zeigt, worauf ich hinaus will: § 356 b – die Vorschrift über das Widerrufsrecht bei Verbraucherdarlehensverträgen. Auch die alte Fassung des § 356b BGB sieht vor, dass der Darlehensgeber dem Darlehensnehmer eine für diesen bestimmte Vertragsurkunde, den schriftlichen Antrag des Darlehensnehmers oder eine Abschrift der Vertragsurkunde oder seines Antrags zur Verfügung stellen muss. Passiert das nicht, beginnt die Widerrufsfrist nicht zu laufen. Der Aufhänger ist hier also keine fehlerhafte Belehrung, sondern die Tatsache, dass dem Kunden wichtige Unterlagen fehlen.

Gehen wir also die Alternativen durch. Das Erfordernis des § 356b ist erfüllt durch Zusenden einer Vertragsurkunde. Der Bundesgerichtshof versteht darunter ein von beiden Vertragsparteien unterzeichnetes schriftliches Original des Vertrags. Ein solches Dokument wird kaum ein Kreditnehmer in seinen Unterlagen finden. Oft erhält er nur zwei Blankoverträge, von denen er ein Exemplar unterschrieben zurücksendet.

Bei den meisten Verträgen fehlt es also schon an der Vertragsurkunde. Die nächste Möglichkeit ist nach § 356b BGB der Vertragsantrag. Den schickt der Kunde aber typischerweise unterschrieben an die Bank und sieht ihn in aller Regel nie wieder.

Bank ist beweisbelastet

Bei den Unterlagen, die der Kunde letztlich hat, handelt es sich auch um keine Abschrift, sodass die gesetzliche Anforderungen in einem Großteil der Fälle wohl nicht erfüllt wurden. Die Bank muss in solchen Konstellationen beweisen, dass der Darlehensnehmer ein Dokument vorliegen hat, welches seine eigene Vertragserklärung – also Unterschrift – enthält. Und das kann sie nicht.

Bei den fehlenden Vertragsunterlagen handelt es sich nicht um einen Einzelfall – vielmehr verhalten sich die Banken in den meisten Fällen genauso. Darlehensnehmer können also ihren Kredit unabhängig von den Fehlern der Widerrufsbelehrung widerrufen. So hat es vor kurzem erst das Landgericht München I entschieden. Bei dieser Entscheidung handelt es sich zwar um einen Einzelfall – aber um einen Einzelfall mit Symbolkraft: