Die Sozialversicherungspflicht ist ein zentrales Thema bei der Gründung einer GmbH oder UG. So ist das Geschäftsführergehalt für Gesellschafter die steuerlich vorteilhafteste Art, vom Gewinn einer GmbH oder UG zu profitieren – falls keine Sozialversicherungsabgaben zu leisten sind. Dennoch drohen Geschäftsführern bei einer Betriebsprüfung der Deutschen Rentenversicherungen empfindliche Steuernachzahlungen, falls nachträglich festgestellt wird, dass ein Geschäftsführerverhältnis sozialversicherungspflichtig war.
Grundsatz der Sozalversicherungspflicht eines Geschäftsführers
Die Sozialversicherungspflicht besteht, falls der GmbH oder UG Geschäftsführer
- in die Arbeitsorganisation des Unternehmens eingebunden ist,
- für seine Tätigkeit einen Lohn erhält und dabei
- keinen maßgeblichen Einfluss auf das Unternehmen ausüben kann.
Eine Sozialversicherungspflicht besteht also, wenn der Geschäftsführer einem Angestellten ähnelt oder gleicht – insbesondere wenig Entscheidungsbefugnis hat und weisungsunterworfen ist. Besteht die Pflicht, umfassen die Sozialversicherungsbeiträge folgende Beiträge:
- Arbeitslosenversicherung
- gesetzliche Krankenversicherung
- Rentenversicherung
- gesetzliche Unfallversicherung
- soziale Pflegeversicherung
Sozialversicherungspflicht eines Fremdgeschäftsführers
Der Fremdgeschäftsführer wird von einer GmbH oder UG eingestellt und gehört nicht zu ihren Gesellschaftern. Deshalb ist er grundsätzlich sozialversicherungspflichtig. Er steht in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis. Insbesondere hat er keinen Einfluss auf Gesellschafterbeschlüsse und trägt kein unternehmerisches Risiko (BSG vom 22.8.1973, Az: 12 RK 24/72). Unbeachtlich ist, dass er über seine Arbeitskraft meistens frei verfügen kann.
Sozialversicherungspflicht eines Gesellschafter-Geschäftsführers
Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH oder UG – auch Eigengeschäftsführer genannt – übernehmen die Führung ihres eigenen Unternehmens. Ob eine Sozialversicherungspflicht besteht, hängt von vielen Faktoren ab – insbesondere
- von den Formulierungen des GmbH bzw. UG Gesellschaftsvertrags und
- den Formulierungen des Geschäftsführervertrags.
Durch eine vorausschauende Gestaltung der Verträge bei der Gründung können wir steuerlich ungünstige Ergebnisse vermeiden. Der Augenmerk liegt dabei auf den Einfluss der einzelnen Geschäftsführer auf die Gesellschaft. Ein Merkmal für eine sozialversicherungsfreie Tätigkeit ist eine selbstständige und beherrschende Stellung und damit freies Schalten und Walten des Geschäftsführers einer GmbH oder UG. Wichtigstes formales Kriterium ist die Höhe der Kapitalbeteiligung.
Geschäftsanteil des Gesellschafter-Geschäftsführers von 50 oder mehr %
Selbstständige Tätigkeit und damit Sozialversicherungsfreiheit wird in der Regel bejaht, wenn der Gesellschafter-Geschäftsführer die Mehrheit der Gesellschaftsanteile einer GmbH oder UG (50 oder mehr %) auf sich vereint. Liegt sein Anteil bei 50 %, können auch Entscheidungen mit der üblichen einfachen Mehrheit in der Gesellschafterversammlung nicht ohne Zustimmung getroffen werden. Bei einem Anteil von über 50 % hat er eine absolute Mehrheit der Stimmrechte und kann fast jede Entscheidung in der Gesellschafterversammlung alleine treffen. Im Fall eines Anteils über 50 % würde ein oder mehrere andere Gesellschafter-Geschäftsführer unter 50 % Anteile haben – für sie würden die weiter unten stehenden Grundsätze gelten.
Geschäftsanteil des Gesellschafter-Geschäftsführers von unter 50%
Wenn der Gesellschafter-Geschäftsführer keine absolute Mehrheit der Stimmrechte besitzt, würde er bei einem meistens üblichen einfachen Mehrheitserfordernis in der GmbH oder UG Gesellschafterversammlung überstimmt werden. Damit liegt im Normalfall eine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit. Der Minderheitsgesellschafter hat keine beherrschende Stellung. Zwar liegt bei besonders wichtigen Satzungsänderungen eine zwingende Erfordernis einer 3/4 Mehrheit vor (§ 53 Abs. 2 GmbHG bei Satzungsänderungen) vor. Zur Sozialversicherungsfreiheit ist es jedoch nach Rechtsprechung des BGH erforderlich, dass ein über einen Kapitalanteil von 25 % liegender Gesellschafter-Geschäftsführer auch die übrigen “normalen” Entscheidungen der Gesellschafter blockieren kann (“Sperrminorität”).
Ausnahmen von der Sozialversicherungspflicht des Minderheitsgesellschafters
Bei einem Minderheitsgesellschafter kann ausnahmsweise durch das Hinzukommen weiterer Kriterien die Sozialversicherungspflicht entfallen:
Keine Sozialversicherungspflicht durch Sperrminorität
Wichtigstes Instrument hierfür ist die Festlegung einer sogenannten Sperrminorität. Eine Sperrminorität legt auf unterschiedliche Weisen fest, dass ein Minderheitsgesellschafter trotz seines geringen Anteils am Stammkapital Entscheidungen der Gesellschafterversammlung blockieren kann.
Unechte Sperrminorität
Eine sogenannte “unechte” Sperrminorität ist bereits gesetzlich vorgesehen und findet in den meisten Gesellschaftsverträgen Einfluss – die zwingende Erfordernis einer 3/4 Mehrheit bei satzungsändernden Entscheidungen (§ 53 Abs. 2 GmbHG) oder der Auflösung der Gesellschaft (§ 60 Abs. 1 GmbHG). Damit hätte jeder Gesellschafter, der mindestens 25% der Stimmrechte besitzt, eine Sperrminorität. “Unecht” heißt sie, weil ein Minderheitsgesellschafter mit weniger als 25 % Anteil keine Sperrminorität hat. Dementsprechend genügt sie nicht für den Ausschluss der Sozialversicherungspflicht bei Gesellschaftern-Geschäftsführern mit einem solchen geringen Anteil.
Echte Sperrminorität
Eine sogenannte “echte” Sperrminorität hingegen erfordert in allen Entscheidungen der Gesellschafterversammlung die Zustimmung aller Gesellschafter und somit Einstimmigkeit. Sie führt dadurch zur Sozialversicherungsfreiheit.
Vorteile und Nachteile der Sperrminorität
Das Entfallen der Sozialversicherungspflicht ist ein Vorteil der echten Sperrminorität (bei Minderheitsgesellschaftern < 25 %) und unechten Sperrminorität (bei Minderheitsgesellschaftern > 25 %). Sie kann jedoch auch Nachteile haben. So müssen alle Entscheidungen, die über den normalen Geschäftsbetrieb hinausgehen, zwischen allen Gesellschaftern abgesprochen werden. Dies kann organisatorisch schwierig sein.
Indizien für Sozialversicherungsfreiheit ohne Sperrrminorität
Auch ein Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführer, der die Entscheidungen der Gesellschafterversammlung nicht blockieren kann, weil er keine Sperrminorität besitzt, kann sozialversicherungsfrei werden. Dazu sollten möglichst viele anerkannte Indizien eines weisungsfreien und an eine Selbstständigkeit grenzenden Geschäftsfüherverhältnisses vorliegen. Sie ergeben sich meistens aus den Gründungsunterlagen, dem Gesellschaftsvertrag oder dem Geschäftsführervertrag der GmbH oder UG sowie aus den faktischen Umständen der Tätigkeit des Geschäftsführers. Indizien für eine Sozialversicherungsfreiheit ohne Sperrminorität sind:
- Tragung eines Unternehmerrisikos: Der Minderheitsgesellschafter kann einen Teil des Unternehmensrisikos durch eine stark gewinnabhängige Gehaltskomponente tragen – die sogenannte Tantieme. Sie wird im Geschäftsführeranstellungsvertrag getroffen. Dabei darf das Fixgehalt nicht zu hoch sein. Ein Unternehmerrisiko für einen nicht beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer ohne Sperrminorität kann auch durch die Gewährung eines besonders hohen Darlehens durch den Geschäftsführer an die Gesellschaft vorliegen. Ebenso ein Indiz für eine Sozialversicherungsfreiheit ist die Übernahme einer Bürgschaft für Verbindlichkeiten der GmbH oder UG.
- Stimmbindungsvertrag: Vertragliche Verpflichtung der anderen Gesellschafter, mit dem Minderheitengesellschafter zusammen gleichgerichtete Interessen zu verfolgen (Stimmbindungsvertrag).
- Freie Verfügung über die eigene Arbeitskraft durch Weisungsfreiheit: Freiheit von Weisungen, einem Arbeitsort, einer Arbeitszeit sowie der Ausgestaltung und Durchführung der Tätigkeit. Regelung im Geschäftsführervertrag. Sozialversicherungsfrei ist zum Beispiel ein zu einem Drittel an der Gesellschaft beteiligter Gesellschafter-Geschäftsführer, der dieser zwar ein festes Monatsgehalt, bei Arbeitsunfähigkeit Entgeltfortzahlung und einen festen Urlaubsanspruch erhält, aber an keine festen Arbeitszeiten gebunden ist (LSG Niedersachsen, Urteil 29.9.2008, Az: L 6 U 79/05).
- Eigenständige Festlegung des Urlaubs
- Vorliegen einer eigenen Betriebsstätte
- Befreiung vom Selbstkontrahierungsverbot: Befreiung vom § 181 BGB. Regelung im Gesellschaftsvertrag, der Geschäftsführerbestellung und dem Geschäftsführervertrag.
- Alleinvertretungsbefugnis: Möglichkeit, die gewöhnlichen Geschäfte der GmbH oder UG ohne Absprache mit den übrigen Geschäftsführern oder einen Prokuristen zu führen. Regelung im Gesellschaftsvertrag, der Geschäftsführerbestellung und dem Geschäftsführervertrag.
- Abberufung und Kündigung aus besonders wichtigem Grund: Der Geschäftsführer kann nicht ordentlich gekündigt und ohne Grund abberufen werden. Regelung im Gesellschaftsvertrag, der Geschäftsführerbestellung und dem Geschäftsführervertrag.
- Gleichordnung: Die Gesellschafter sind gleichberechtigt und müssen maßgebliche Entscheidungen im Konsens treffen (LSG Saarland 26.7.2005, Az: L 6 AL 27/02).
- Besondere Branchenkenntnisse: Ein Kriterium kann die Abhängigkeit der Gesellschaft vom Geschäftsführer aufgrund dessen besonderen Branchenkenntnissen sein. Doch im Vergleich zu anderen Unternehmen muss beachtet werden, dass es durchaus üblich ist, dass leitende Angestellte aufgrund der Spezialkenntnisse und der Kundenkontakte besonders wichtig für das Unternehmen sind.
- Akquise von Großkunden: Ein Kriterium kann auch sein, dass die Gesellschaft vom Geschäftsführer abhängig ist, weil dieser besonders enge Kontakte zu wichtigen Großkunden pflegt. Wenn das Geschäft von diesen Kunden abhängig ist und der Geschäftsführer sie persönlich betreut, deutet dies auf eine sozialversicherungsfreie Tätigkeit hin.
Indizien für Sozialversicherungspflicht ohne Sperrminorität
Im Gegensatz dazu deuten die folgenden Indizien auf eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung des Minderheitengesellschafters:
- Weisungsabhängigkeit: Bindung des Geschäftsführers hinsichtlich Zeit, Ort, Durchführung und Art der Arbeitsleistung. Dies ist das wichtigste Kriterium. Hierbei kommt es weniger darauf an, ob tatsächlich regelmäßig konkrete Anweisungen an den Geschäftsführer erteilt werden. Wichtiger ist, was im Falle von Meinungsverschiedenheiten geschehen könnte. Wenn die Gesellschafter eine Weisungsmacht haben, die sie im Krisen- oder Streitfall ausüben können, führt dies zu Sozialversicherungspflicht. Maßgeblich sind vor allem Regelungen im Geschäftsführervertrag. Konkrete Ausgestaltungen führen zu einer Bindung.
- Eingliederung in den Betrieb und die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers
- Urlaub nach Bundesurlaubsgesetz
- Weihnachtsgeldanspruch
- Niedriger gewinnabhängiger Vergütungsanteil
- Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall
- Private Unfallversicherung des Geschäftsführers
- Offene Kündigungsregelungen: Abberufung und Kündigung nicht nur aus wichtigem Grund möglich. Abfindung bei Kündigung.
Haftungsfalle Sozialversicherung vermeiden
Die Nichtbeachtung der sozialversicherungsrechtlichen Grundsätze kann weitreichende Folgen haben. Die Nachzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen bewegt sich oftmals im fünfstelligen Bereich. Deshalb gilt es, schon bei der Unternehmensgründung besonders achtsam zu sein und den Gesellschaftsvertrag sowie den Geschäftsführervertrag einer GmbH oder UG individuell anzupassen.
Außerdem können sich die Verhältnisse in der Kapitalgesellschaft im Laufe der Zeit ändern – beispielsweise durch die Übertragung von Geschäftsanteilen oder betriebsbedingte Umstrukturierungen. Ein Gesellschafter-Geschäftsführer kann plötzlich nicht mehr von der Sozialversicherung befreit sein.
Zusätzlich zur Gründungsberatung sowie der anwaltlichen Ausgestaltung des Geschäftsführervertrags kann ein sogenanntes Statusfeststellungsverfahren vor der Deutschen Rentenversicherung Bund durchgeführt werden (§ 7a Abs. 1 SGB IV). Dadurch lassen sich Zweifelsfälle gleich von Beginn an klären.