NetzDG vereinfacht die Löschung von illegalen Inhalten
Die großen Sozialen Netzwerke waren bislang bereits gemäß § 10 Telemediengesetz (TMG) zur Löschung rechtswidriger fremder Informationen verantwortlich, wenn sie für diese nicht verantwortlich gemacht werden wollten. Indes war das Betreiben einer Löschung von illegalen Inhalten auf sozialen Netzwerken eine teilweise sehr komplizierte Angelegenheit, da diese oftmals ihren Sitz im Ausland, z.B. in den USA haben. Auch wurden Inhalte im Zweifel erst auf eine Klage vor den Gerichten hin gelöscht.
Das NetzDG vereinfacht die Zustellung von Beschwerden und die Löschung illegaler Inhalte sowie die Verfolgung von Straftaten durch die Benennung eines inländischen Zustellungsbevollmächtigten (§ 5 NetzDG) sowie Einführung eines transparenten Beschwerdemanagements (§3 NetzDG), das auch die Löschung illegaler Inhalte ohne Klageverfahren vorsieht. Ziel ist es, ausschließlich strafrechtlich relevante Inhalte innerhalb einer bestimmten Frist nach Eingang einer Beschwerde zu löschen.
Welche konkreten Pflichten den Sozialen Netzwerken erwachsen
Zur Einführung eines transparenten, leicht zugänglichen und effektiven Beschwerdemanagements sind die großen sozialen Netzwerke, also solche mit mehr als 2 Mio.registrierten Nutzern, verpflichtet. In einer ersten Übergangsphase bis 2018 müssen die sozialen Netzwerke einen Ansprechpartner für Bürger und Strafverfolgungsbehörden benennen. Anfragen von Ermittlern müssen binnen 48 Stunden beantwortet werden. Ab 2018 müssen sie dann weiteren Pflichten nachkommen. Sie müssen die Beschwerden von Bürgern entgegennehmen, prüfen und dem Ergebnis dieser Prüfung entsprechend handeln. Offensichtlich rechtswidrige Inhalte müssen binnen 24 Stunden gelöscht werden. Bei komplizierten Sachverhalten haben die Netzwerke 7 Tage Zeit für die Prüfung und Bearbeitung der Beschwerde. Das Gesetz sieht zudem vor, dass die Betreiber sozialer Netzwerke einen halbjährlichen Bericht über ihr Beschwerdemanagement vorlegen (§ 2 NetzDG), sobald bei ihnen im Kalenderjahr mehr als 100 Beschwerden eingehen.
Beschwerdestelle und Sanktionen bei Pflichtverletzung
Kommen die Betreiber eines Netzwerks ihren Pflichten aus dem NetzDG nicht nach, so kann sich der Bürger formlos an eine Beschwerdestelle beim Bundesministerium für Justiz (BfJ) wenden. Dort wurde zum 01.10.2017 eine neue Abteilung mit zwei Referaten eingerichtet. Ein Referat behandelt Grundsatzfragen, das andere Einzelfälle. Wenn ein Netzwerk gegen seine Pflichten aus dem NetzDG vorsätzlich oder fahrlässig in systemisch-organisatorischer Weise verstößt, stellt dies eine Ordnungswidrigkeit dar. Geahndet werden also nicht Fehlentscheidungen im Einzelfall, sondern systemische Mängel aufgrund von Verstößen gegen die Organisationspflichten aus dem NetzDG. Die Bußgeldhöhe kann gemäß § 30 und § 130 OWiG bis zu 50 Mio. € betragen.
Hält das NetzDG einer verfassungsrechtlichen Überprüfung stand?
Der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages und zahlreiche Experten bezweifelten die Vereinbarkeit eines ursprünglichen Entwurfs des NetzDG mit der Verfassung und europäischem Recht. Nach der Vornahme von Änderungen wurde es dennoch beschlossen. Dennoch ist das NetzDG vielfältiger Kritik von unterschiedlichen Seiten ausgesetzt.
Die Sozialen Netzwerke halten es für unvereinbar mit den Grundrechten. Allerdings dürften sie auch die geschätzten Kosten von jährlich 530 Mio.€ besorgen. Andere, insbesondere Journalisten und Journalistenverbände, halten das NetzDG für eine “Zensurinfrastruktur” und gefährliche Auslagerung staatlicher Aufgaben auf private Unternehmen, die in eine Richterrolle gedrängt würden. Private Unternehmen sollten die Versäumnisse des Staates ausbügeln. Der Sonderbeauftragte der Vereinten Nationen für den Schutz der Meinungsfreiheit, David Kaye, hält sie mit dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte nicht vereinbar, da die Begriffe zu undefiniert seien, die Prüffristen zu kurz und die Sanktionsandrohungen so hoch, dass die Netzwerkbetreiber eher löschen würden, auch wenn die Aussagen rechtlich akzeptabel seien.
Diese Argumente zeigen wieder, vor welche Probleme der Staat durch die grenzenlose Verbreitung von Informationen und Meinungen gestellt wird und, dass die Spannungen zwischen legitimer Meinungsfreiheit und strafrechtlich bewehrtem Rechts- und Ehrschutz enorm sind.
Es ist damit zu rechnen, dass gegen das NetzDG eine Verfassungsbeschwerde erhoben wird. Insofern bleibt es spannend.